Der Mond wird begrünt!

Lunar Plants Lander, © NASA

Sauerstoff, Wasser und Nahrung. Diese drei sind Grundvoraussetzung, um einen Großteil aller uns bekannten Lebensformen zu erhalten. Zumindest aber sind sie Grundvoraussetzung für menschliches Leben. Sie sind somit also auch essenziell für jeden Lebensraum, den wir uns in Zukunft durch die bemannte Raumfahrt erschaffen oder aneignen wollen. In der Schnittmenge dieser drei Faktoren befinden sich Pflanzen. Sie produzieren Sauerstoff, sie bereiten Grauwasser auf, sie dienen als Nahrungsmittel, und nicht zuletzt wirken sie auch ausgleichend auf die Psyche. Kurz: Sie sind für die Kolonisierung des Weltraums unabdingbar.

Quelle: NASA
Pflanze im All. © NASA

Ob und welche Pflanzen allerdings am Ende wirklich in extraterrestrischen Gefilden gedeihen können, muss man zunächst einmal herausfinden. Immerhin gilt es im All bzw. auf anderen Planeten oder Monden eine ganze Reihe von Hindernissen zu überwinden. Die erhöhte Strahlung während des Fluges und auf Planeten ohne Atmosphäre und Magnetfeld ist eines der größten davon. Ein weiteres ist die unterschiedliche Schwerkraft. Kommen Pflanzen mit diesen Änderungen in ihrer Umwelt klar? Können sie wachsen, Früchte tragen, sich vermehren? Oder sind ihre Erbinformationen strahlungsgeschädigt, die Keim- und Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigt? Wachsen die Pflanzen auch bei geringerer Schwerkraft korrekt, oder werden sie deformiert? *)

Um dies genauer unter die Lupe zu nehmen, hat sich die NASA nun das “Lunar Plant Growth Experiment” (LPGE) einfallen lassen. Sie plant, ein kleines, ca. ein Kilogramm schweres Gewächshaus auf dem Mond auszusetzen, darin Samen keimen zu lassen und deren Fortschritt mit Hilfe spezieller Kameras und Sensoren bis zu 10 Tage lang zu beobachten:

“After landing in late 2015, water will be added to the seeds in the module and their growth will be monitored for 5-10 days and compared to Earth based controls. Seeds will include Arabidopsis, basil, and turnips.”* (Quelle: NASA)
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* Schaumkresse, Basilikum und Rüben

Selbstverständlich haben ähnliche Experimente auch an Bord der bisherigen Raumstationen bereits stattgefunden. Da allerdings aufgrund der anwesenden Menschen dort immer auch ein Mindestmaß an Strahlenschutz vorhanden ist, unterscheiden sich die Versuchsbedingungen erheblich von denen des LPGE. Letzteres würde hingegen erstmals konkrete Anhaltspunkte liefern, ob Gewächshäuser auf dem Mond oder anderen Planeten einen Sinn hätten, wie sie beschaffen sein und über welche Ausstattung sie verfügen müssten.

Die erwähnten Kontrollgruppen dürften bei diesem Experiment fast ebensoviel Aufmerksamkeit erregen wie der eigentliche Versuch. Denn die NASA setzt diesmal auf die Beteiligung der Öffentlichkeit. Genauer gesagt auf die von Kindern und Jugendlichen. Diverse Schulen erhalten Kopien des kleinen Gewächshauses mit identischer Ausstattung. Die Schüler führen das Experiment zeitgleich auf der Erde durch und zeichnen ihre Ergebnisse für die NASA auf. Auf diese Art profitiert die US-Raumfahrtbehörde von Crowdsourcing und spart Zeit und Kosten, die erforderlich wären, um das Experiment eigenhändig zigfach zu duplizieren. Gleichzeitig gibt sie den Schülern Gelegenheit, sich aktiv an echter Wissenschaft zu beteiligen. Ein Gewinn für alle Seiten.

Aus wirtschaftlicher Sicht ist das Lunar Plant Growth Experiment eine der ersten Kooperationen zwischen der NASA und einem Privatunternehmen. Denn der “Spediteur”, der das kleine Pflanzenhabitat zum Mond bringen soll, wird keine staatliche Raumfahrtagentur, sondern der Sieger des Google Lunar XPRIZE sein:

“The Google Lunar XPRIZE aims to create a new “Apollo” moment for this generation and to spur continuous lunar exploration with $40 Million in incentive based prizes. In order to win this money, a private company must land safely on the surface of the Moon, travel 500 meters above, below, or on the Lunar surface, and send back two “Mooncasts” to Earth. Teams may also compete for Bonus Prizes such as exploring lunar artifacts or surviving the lunar night, and can be awarded prize money earlier by completing terrestrial or in-space milestones. All of this must be completed by December 31, 2015.” (Quelle: Google Lunar XPRIZE)

Lunar Plants Lander, © NASA
Lunar Plants Lander, © NASA

Die NASA muss also nicht auf zukünftige Mondmissionen anderer Staaten warten, während der Gewinner des XPRIZE direkt einen ersten zahlenden Kunden akquiriert hat. Schätzungen zufolge hätte das LPGE noch vor nur 20 Jahren ca. 300 Mio US-Dollar gekostet. In der beschriebenen aktuellen Konstellation belaufen sich die Kosten für die NASA hingegen nur noch auf lediglich 2 Mio. Dollar, schätzt Chris McKay vom NASA Ames Research Center.

Sollte das Experiment erfolgreich verlaufen, sind lt. NASA Follow-Ups geplant:

“After LPX-0 demonstrates germination and initial growth in lunar gravity and radiation, we anticipate follow on experiments that expand the biological science. These include: 1) long term, over-lunar-night experiments, 2) multi-generation experiments, 3) Diverse plants.

Survival to 14 days demonstrates plants can sprout in the Moon’s radiation environment at 1/6 g. Survival to 60 days demonstrates that sexual reproduction (meiosis) can occur in a lunar environment. Survival to 180 days shows effects of radiation on dominant & recessive genetic traits. Afterwards, the experiment may run for months through multiple generations, increasing science return.” (Quelle: NASA)

Der Nutzen dieser Studien erstreckt sich übrigens nicht nur auf die Raumfahrt. Gegenden mit für Pflanzen lebensfeindlichen Umweltbedingungen existieren auch auf der Erde. Die Erkenntnisse aus dem Lunar Plant Growth Experiment könnten also durchaus auch für die Nahrungsmittelversorgung in diesen Regionen eine Rolle spielen.

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*) Bisherige Forschungsergebnisse aus China lassen übrigens darauf schließen, dass – neben den erwarteten Schädigungen – die erhöhte Strahlung bei Pflanzen durchaus auch zu verbesserten Zuchtergebnissen führen kann. Allerdings ist der NASA die Kooperation mit China untersagt.

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Ute Gerhardt hat nach dem Abitur einen B.A. in Wirtschaft, Sprachen und Politik an der Kingston University sowie eine Maîtrise in Industriewirtschaft an der Universiät Rennes abgeschlossen. Seit 1994 arbeitet sie in der Privatwirtschaft, derzeit im IT-Bereich. Ute hat zwei Kinder (*2005 und 2006) und interessiert sich neben Raumfahrt und Astronomie auch für Themen aus den Bereichen Medizin und Biologie.

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