Da waren’s plötzlich zwei.

BLOG: Leaving Orbit

Raumfahrt im 21. Jahrhundert
Leaving Orbit

Vor einigen Tagen schloss der Kinderkanal seine “Logo”-Nachrichten mit den Worten: “…, dass die Chinesen vielleicht auch irgendwann ihre eigene Raumstation haben werden.

Erstaunlicherweise ausgerechnet am Ende des Berichts über die chinesische Astronautin Wang Yaping, die jüngst ihre erste Unterrichtsstunde aus dem Orbit erteilte. Und zwar – das hätten die Redakteure eigentlich wissen oder anhand des Videos bemerken müssen – aus eben dieser, sich angeblich doch noch in Planung befindlichen Station:

Von “vielleicht irgendwann” kann nämlich gar keine Rede sein; die ISS ist nicht mehr allein dort oben. Ihr chinesisches Pendant bzw. dessen erster Teil “Tiangong 1” ist zwar mit bisher nur einem Modul noch klein, aber dennoch längst Realität. Es befindet sich seit dem 29. September 2011 im Orbit, in einer durchschnittlichen Höhe von ca. 350 km, mit einem Neigungswinkel von 42 Grad.

China hat somit die “Fortschrittslücke” zu den USA, Russland und Europa in erstaunlich kurzer Zeit geschlossen:

  • Die Planung für die Raumstation begann 1999.
  • Ein erstes Konzept wurde im Jahr 2000 auf der Weltausstellung in Hannover vorgestellt. Damals war noch geplant, schlicht mehrere Shenzhou Shuttles im All zu einer Station zu verbinden.
  • 2003 beförderte die CNSA mit Yang Liwei ihren ersten eigenen Taikonauten überhaupt ins All.
  • Zu Neujahr 2009 stellte die Agentur schließlich das aktuelle Konzept für das Tiangong-Modul vor.

Mit dem urspünglich gezeigten Entwurf hat Tiangong-1 nur noch gemeinsam, dass eines der Shenzhou-Shuttles nach dem Andocken als Habitat-Ergänzung bzw. Schlafplatz für einen der derzeit drei Taikonauten an Bord genutzt wird. Das Modul erinnert ansonsten mittlerweile stark an ein optimiertes Soyuz-Raumfahrzeug.

Tiangong-1
Tiangong-1; Bild: CNSA CC BY-NC 3.0
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Tiangong-1 ist 10,5 Meter lang, hat einen Durchmesser von 3,35 Metern und wiegt ca. 8.500 Kilogramm. Trotz seiner geringen Größe enthält es jedoch alles, was ein Astro… pardon: Taikonaut benötigt – von Klimatisierung und Kleidung über Sportgeräte bis hin zur Ausstattung für die medizinische Beobachtung und Versorgung.

Tiangongs Nutzlast dient unter anderem der Erforschung der Ionosphäre, energetischer Sonnenpartikel und des Kristallwachstums unter Schwerelosigkeit. An der Außenwand befinden sich darüber hinaus Instrumente zur Erdbeobachtung in verschiedenen Spektralbändern.

Aller Voraussicht nach wird Tiangong-1 in 2013 und 2016 durch jeweils größere Module ersetzt werden. Bis 2020 will China seine Station dergestalt ausweiten, dass sie die ungefähren Ausmaße des damaligen Skylab der NASA erreicht.

Bisher besteht für die NASA ein Kooperationsverbot mit China und seiner Raumfahrtbehörde. Angesichts der Tatsache, dass für die Zukunft recht ehrgeizige und kostenintensive Projekte wie bemannte Marsflüge ins Visier genommen wurden, denen eine finanzielle und wissenschaftliche Beteiligung möglichst vieler Länder gut tun würde, steht dieses Verbot jedoch zunehmend in der Kritik. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass in nicht allzu ferner Zukunft ein Austausch zwischen den Nationen stattfinden wird, um den Ressourceneinsatz zu optimieren. Eine wissenschaftliche Kooperation zwischen den beiden Raumstationen wäre in dieser Hinsicht vielleicht ein guter Anfang.

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Ute Gerhardt hat nach dem Abitur einen B.A. in Wirtschaft, Sprachen und Politik an der Kingston University sowie eine Maîtrise in Industriewirtschaft an der Universiät Rennes abgeschlossen. Seit 1994 arbeitet sie in der Privatwirtschaft, derzeit im IT-Bereich. Ute hat zwei Kinder (*2005 und 2006) und interessiert sich neben Raumfahrt und Astronomie auch für Themen aus den Bereichen Medizin und Biologie.

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