Filmwissenschafter

BLOG: Landschaft & Oekologie

Unsere Umwelt zwischen Kultur und Natur
Landschaft & Oekologie

Es wird ja viel geklagt über die gezielte oder zumindest im Dienste der Profitsteigerung in Kauf genommene Verdummung der Menschen durch die Medien, und den meisten kommen dann auch gleich einige Fernsehserien mit besonders verblödender Wirkung in den Sinn. Wenn ich mich aber ziellos durch die Programme klicke, fällt mir ein erstaunlich hoher Anteil an Sendungen auf, deren Anspruch offenbar ein anderer ist, zumindest möchte man das glauben: Sie laufen unter „Wissenschaft“. Ich weiß nicht, ob meine Methode zu statistisch unanfechtbaren Ergebnissen führt, doch immerhin soll sich bei richtigen Zählungen auch ergeben haben, daß sich z. B. mehr Menschen Naturfilme ansehen als Fußballübertragungen, und diese Naturfilme sind durchwegs Wissenschaftsfilme, selbst wo es um das Wohlbefinden eines Zoobären geht: Das wird einem hochwissenschaftlich erklärt.

Sieht man sich diese Wissenschaftssendungen an, kann man schon ins Grübeln kommen, ob die, alles in allem, als geistige Nahrung eher zu empfehlen sind als etwa eine Duko-Soap auf RTL. Doch darüber wollte ich gar nicht schreiben, sondern über eine andere Entdeckung, die ich beim Zuschauen gemacht habe.

Etwa die Hälfte aller Wissenschaftssendungen befaßt sich mit Natur, wobei mit Natur nicht die gemeint ist, die man im Sinn hat, wenn man sagt, Physik und Chemie seien Naturwissenschaften, sondern die Natur da draußen. Die Wissenschaftler, die man da zu sehen bekommt, sind ganz überwiegend Ökologen. Auch einige andere Biologen, z. B. Verhaltensforscher, sowie Geologen werden einem vorgeführt bzw. führen einem etwas vor. Die anderen Wissenschaftssendungen widmen sich größtenteils historischen Themen, den kleinen Rest müssen sich Medizin, Technikwissenschaften und alle anderen untereinander aufteilen.

Woran erkennt man nun, daß man beim Herumzappen in einen Natur-, also einen Ökofilm geraten ist? Dumme Frage, werden Sie sagen, an der Natur eben. Da rennen Löwen hinter Antilopen her und riesenhaft vergrößerte Maden fressen sich durch totes Holz, die Sonne geht glutrot unter, Eisberge kalben und das Meer brandet an den Strand. Schon richtig, aber – und das ist es, was mir aufgefallen ist – er gibt ein nicht weniger untrügliches Indiz:

In den anderen Wissenschaftsfilmen heißen die Wissenschaftler „Dr. Watson von der University of Berkeley“ oder gar „Prof. Dr. Dr. Karl-Eberhard Möbius von der Universität Heidelberg“. Sie stehen in würdiger Haltung, meist mit Schlips und Kragen, vor einem aufgerollten Pergament oder auch im weißen Labormantel vor ehrfurchtgebietend kompliziert verschlungen Röhren. Und selbst wenn der, der uns die zu glaubende Version der Geschichte serviert, weder Doktor noch Professor ist, so hat er doch wenigstens einen Nachnamen und heißt nicht nur „Guido“. In den Ökofilmen dagegen heißen sie einfach „John“ oder „Jerry“ oder „Gudrun“ oder „Jennifer“. Sie stehen nicht in würdiger Haltung vor einem aufgerollten Pergament oder vor ehrfurchtgebietend kompliziert verschlungen Röhren und erklären etwas, sondern werden, nicht anders als die erforschten Bergziegen, von der Kamera verfolgt, wie sie über Stock und Stein hüpfen, und was Gudrun erklären könnte, darf sie anders als Prof. Dr. Dr. Karl-Eberhard Möbius von der Universität Heidelberg nicht selber erklären, sondern der Kommentator erklärt, was in ihrem Kopf vorgeht: „Da hat Gudrun einen Einfall: …!!“

Das ist natürlich nicht in allen Fällen genau so wie eben beschrieben, aber der skizzierte Unterschied zwischen den Filmgattungen ist hochsignifikant. Nun hätte ich die Frage an den Leser: Wie kommt das? Ist es einfach so wie im richtigen Leben: Wenn einer Gummistiefel und Pullover anhat, dann kommt einem halt leichter „Jerry“ als „Prof. Johnson“ über die Lippen? Einen Bettler redet kaum einer mit Nachnamen an, während man doch eher Hemmungen hat, zum Vorsitzenden Richter Hans-Dietrich zu sagen. Ist es nur so banal, oder haben wir es mit einer Verschwörung der Chemie-, Agrar-, Atomlobby usw. zu tun, die sich solche Gewohnheiten zu nutze macht? Bezahlen die die Filmemacher dafür, daß sie die Ökologen als sozial minderrangig und damit wenig glaubwürdig darstellen?

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Veröffentlicht von

Ich habe von 1969-1973 an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der FU Berlin Biologie studiert. Von 1994 bis zu meiner Emeritierung im Jahre 2011 war ich Inhaber des Lehrstuhls für Landschaftsökologie der Technischen Universität München. Nach meinem Studium war ich zehn Jahre lang ausschließlich in der empirischen Forschung (Geobotanik, Vegetationsökologie) tätig, dann habe ich mich vor allem mit Theorie und Geschichte der Ökologie befaßt, aber auch – besonders im Zusammenhang mit der Ausbildung von Landschaftsplanern und Landschaftsarchitekten – mit der Idee der Landschaft. Ludwig Trepl

27 Kommentare

  1. Ökologisten

    oder Szientisten, die die wissenschaftliche Erörterung bestimmter Fragen als abgeschlossen betrachten…

    Die Öffentlichkeit glaubt, man sei sich in der Wissenschaft einig, und zwar hielte man da eine Art Gaia-Weltsicht für den Stand der Wissenschaft, bzw. meint, die Ökologie habe bewiesen, daß die Natur ein vernetztes, stabiles, zugleich gefährdetes, superorganismusartiges, durch Kreisläufe zusammengehaltenes Ökosystem sei. Die Öffentlichkeit weiß nicht, daß solche Behauptunge[n] in der Ökologie gelinde gesagt umstritten sind, besser gesagt von den meisten abgelehnt werden.

    …finden nicht den beschriebenen Rückhalt. Es gibt hierzu auch Umfragergebnisse:
    -> http://www.spiegel.de/…klimawandel-a-685946.html

    In den Feuilletons sieht’s hier noch anders aus, aber da sind bezahlte Kräfte am Start, die (rückläufigen) Verkaufszahlen traditioneller Print-Medien deuten nicht darauf hin, dass bestimmte ökologistische oder szientistische Aussagen hauptsächlich deshalb auf Akzeptanz stoßen, weil sie vom Print-Käufer bezahlt werden.

    MFG
    Dr. W

  2. Teil der Schöpfung

    „Die Öffentlichkeit glaubt, man sei sich in der Wissenschaft einig, und zwar hielte man da eine Art Gaia-Weltsicht für den Stand der Wissenschaft, bzw. meint, die Ökologie habe bewiesen, daß die Natur ein vernetztes, stabiles, zugleich gefährdetes, superorganismusartiges, durch Kreisläufe zusammengehaltenes Ökosystem sei.“ (LT)
    Liegt darin nicht irgendwie ein wesentlicher Unterscheid zwischen „Prof. Watson“ und „John“. John wird als Teil des Großen Ganzen verstanden. Er scheint Teil dieser Welt zu sein, die man sich wünscht, die „ökologisch“ in Ordnung ist und in der alle Wesen in Harmonie mit der Schöpfung leben und da spricht man sich nun mal mit Vornamen wie Peter, Paul oder Johannes an.

  3. @Martin Holzherr

    Ganz kann ich Ihnen nicht zustimmen.

    Man kann das Klima-Thema nicht gegen das Ökologie-Thema stellen, es ist vielmehr ein Teil von diesem. Die einflußreichen Autoren, die vor einigen Jahrzehnten ihre Weltuntergangsbücher schrieben, hatten gerade deshalb Erfolg, weil sie Dinge, die vorher als ganz unverbunden galten, von der Robbenjagd über die Luftverschmutzung und die AKWs bis zur Verknappung des Erdöls, unter eine Überschrift brachten. Das war – austauschbar – „Umwelt“ oder „Ökologie“. Von den einzelnen Themen hatte dann immer eines die Führung, bis es verbraucht war. Das war in den 70er Jahren die Ressourcenverknappung und dann die Atomkraft, dann das Waldsterben, dann das Klima, dann, vor kurzem und für kurze Zeit, wieder die Atomkraft, jetzt wohl wieder das Klima. Immer geht es darum, daß „der Mensch“ „die Umwelt“ oder „das Ökosystem“ zerstört. Was Sie mit Ökologie meinen, ist wohl eher das, was man Naturschutz nennt, und irgendwie geht es ja darum auch in den Filmen, in denen die Professoren nicht „Professor“ heißen, sondern John.

    Daß die Ökologie in der Sicht der Öffentlichkeit kein akademisches Streitobjekt ist, stimmt sicher. Die Öffentlichkeit glaubt, man sei sich in der Wissenschaft einig, und zwar hielte man da eine Art Gaia-Weltsicht für den Stand der Wissenschaft, bzw. meint, die Ökologie habe bewiesen, daß die Natur ein vernetztes, stabiles, zugleich gefährdetes, superorganismusartiges, durch Kreisläufe zusammengehaltenes Ökosystem sei. Die Öffentlichkeit weiß nicht, daß solche Behauptunge in der Ökologie gelinde gesagt umstritten sind, besser gesagt von den meisten abgelehnt werden. Aber ist das beim Klima anders? Die Öffentlichkeit glaubt doch, daß sich die Wissenschaft einig ist und nur ein paar von der Industrie bezahlte Schreiberlinge behaupten, es gäbe gar kein Klimaproblem.

  4. Die Öffentlichkeit

    , zumindest die aufgeklärte,

    Die Klimatologie wird von der Öffentlichkeit völlig anders gesehen als die Ökologie. Nämlich viel kontroverser und zugleich viel stärker mit Positionen und Personen besetzt.

    …geht mittlerweile schon davon aus, dass Ökologisten oder Abkömmlinge, die nicht mehr zwischen verständigem Bemühen um die Natur und Glaubenssätzen unterscheiden können, am Start oder unterwegs sind, wenn es politisch wird und/oder Kostenrechnungen auf Grund bestimmter ins Auge gefasster Maßnahmen anstehen.

    HTH
    Dr. W

  5. @Ludwig Trepl : Konsensökologie

    Folgender Satz ” Ich habe darauf noch nicht geachtet, vermute aber, daß da eher Prof. X aus Potsdam zu Wort kommen darf und nicht „Jennifer“.”, welcher die Verhälntisse in der Klimatologie zum Vergleich heranzieht, erhellt die Situation möglicherweise.

    Die Klimatologie wird von der Öffentlichkeit völlig anders gesehen als die Ökologie. Nämlich viel kontroverser und zugleich viel stärker mit Positionen und Personen besetzt.
    In der Klimatologie spricht man zwar vom “Konsens”, aber wohl vor allem deshalb, weil es diesen Konsens gar nicht gibt oder er von vielen in Frage gestellt wird. Wenn also Professor X aus Potsdam etwas zur anthropogenen Erdsystemerwärmung sagt, bezieht er Stellung in einer Frage, die vielleicht nicht für ihn, aber für viele seiner Adressaten kontrovers ist. Es gibt also verschiedene Lager in der Klimafrage und möglicherweise sogar mehrere akademische Positionen.

    Die Ökologie dagegen ist in der Sicht der Öffentlichkeit kein akademisches Streitobjekt. Im Prinzip kommt es also für den Zuschauer gar nicht drauf an, wer etwas zu ökologischen oder biologischen Fragen sagt, weil es nur darum geht, ob der Wissenschaftler es gut rüberbringt und den Zuschauer weiterbildet. Vielleicht ist es ja wirklich so, dass man diese Wissenschaft, die einem da vermittelt wird nicht ganz so ernst nimmt wie etwa die Relativitätstheorie, die Evolutionslehre oder die Klimatologie. Die Relativitätstheorie und Evolutionslehre nehmen ja viele ernst weil sie gegen ihre Weltanschauung verstösst und die Klimatologie erhebt möglicherweise sogar noch einen politischen Anspruch.
    Bei den Ökologen dagegen geht man davon aus, dass die keine grössere wissenschaftlichen Auseinandersetzungen untereinander kennen und zudem die Konsequenzen für die Gesellschaft und Politik überschaubar sind.

    Während in der Klimatologie der Konsens in der Meinung vieler nur behauptet wird, gibt es diesen Konsens und die zugehörige Harmlosigkeit in der Ökologie für die meisten Laien.

  6. @ Martin Holzherr

    Im übrigen steht bei den als gut deklarierten Naturfilmen oft das überwältigende Naturspektakel im Vordergrund. …. Das hat mit Wissenschaft nur sehr wenig zu tun und Wissenschaftler haben in solchen Filmen wohl mehr eine beratende Rolle und geben den Filmen zudem mehr Glaubwürdigkeit.“

    Stimmt ja, aber ist das bei Historienfilmen anders? Selbst wenn es um die Tempelritter geht oder um die Suche nach dem heiligen Gral – Geschichten, die auch in einen Fantasy-Film passen würden oder in ein Abenteuerbuch für Dreizehnjährige: Da stapfen notdürftig als Ritter verkleidete Figuren, deutlich als Büroangestellte erkennbar, durchs Gebüsch, aber die Glaubwürdigkeit wird immer durch Professoren, Museumsdirektoren u.ä. hergestellt, die in den Pausen zwischen den nachgestellten Kampfszenen in ihrer ganzen Amtswürde auftreten.

    Irgendetwas muß da noch hinzukommen, ich weiß nicht was. Vielleicht müßte man sich mal die Grenzfälle näher ansehen. Immer mehr verschwimmt ja die Grenze zwischen Öko- und Historienfilmen, immer mehr Reiche sind nicht durch Hofintrigen oder Religionskriege untergegangen, sondern durch ökologische Katastrophen. Auch zu den Physikfilmen gibt es einen Übergang, besonders, wenn es ums Klima geht. Ich habe darauf noch nicht geachtet, vermute aber, daß da eher Prof. X aus Potsdam zu Wort kommen darf und nicht „Jennifer“.

  7. Lieber Herr Trepl

    , Sie sind u.a. auch Philosoph und Anthropologe, auch wenn Sie sich u.a. hier noch ein wenig sträuben:
    -> https://scilogs.spektrum.de/…icleId=1324&blogId=23

    Sie haben das Zauberwort ‘Kultur’ angenommen und sind wie der Schreiber dieser Zeilen, der auch eher Zahlenbär, diesbezüglich pflichtig geworden.

    Viel mehr sollte nicht angemerkt werden,
    MFG
    Dr. W (der sich nun an dieser Stelle endgültig ausklinkt, des Weiteren abär harrend)

  8. Dr. Webbaer

    Ich verstehe immer noch nicht, worauf Sie eigentlich hinauswollen. Was hat denn die Frage, wofür man mich einst bezahlt hat, mit der Frage des Artikels zu tun? Was hat das in dem verlinkten Artikel über die DFG Ausgeführte mit der Frage zu tun? Was das Zeug in dem Wikipedia-Aufsatz über harte und weiche Wissenschaften?

    Ich weiß auch nicht genau, warum man mich eingestellt hat, aber bestimmt nicht wegen der in dem letzten verlinkten Artikel genannten Auffassung von „Landschaftsökologie“. Von der wußte damals noch keiner, nicht einmal ich selbst. Man hat mich auch ganz bestimmt nicht eingestellt, weil ich politisch-philosophisch „unterwegs“ bin. (Dieses Deppenjargonwort gab es übrigens damals noch nicht, die Fußballberichterstatter, die es erfunden haben, waren noch nicht so weit). Da kennen Sie den bayerischen Staat schlecht. Aber da Sie ja geistig wie die Freunde von der Stasi oder der US-Stasi „unterwegs“ sind und überall „Gefühlslinke“ und so etwas wittern, könnten Sie sich ja mal an die Aufklärung dieser für Sie offenbar so wichtigen Frage machen; etliche Kommissionsmitglieder und Ministerialbeamte leben noch, die könnten Sie befragen. Ich glaube allerdings, die wollten ganz einfach jemanden haben, der den Studenten Sachen beibringt von der Art, was der Unterschied zwischen Auwald und Bruchwald ist.

  9. Landschaftsökologie

    Sie, Herr Trepl, vertreten verlautbarterweise Typ 6 der hier vorgefundenen Auflistung:

    -> https://scilogs.spektrum.de/…icleId=1324&blogId=23

    Insofern kann die Feststellung, dass Sie vergütet politisch-philosophisch unterwegs sind und/oder waren, nicht falsch sein.

    MFG
    Dr. W (der aber nicht ärgern oder stören wollte, sich nur auf bestimmte freundliche Reaktion vielleicht noch einmal melden wird)

  10. @ Webbaer

    “denn auch Sie wurden anzunehmenderweise genau für Ihre politisch-philosophische Meinung lange Zeit bezahlt.”

    Selten, wenn überhaupt jemals so etwas hirnrissiges gehört.

  11. @Ludwig Trepl:Filme folgen ErfolgsModell

    Vielleicht liegt die Erklärung für den kumpelhaften Öko- oder Biologen in Naturfilmen beim Filmtypus und der Tatsache, dass Naturfilme ein Genre bilden und wohl einem Muster folgen, bei dem ein “John” in einem früheren erfolgreichen Film als Ökologe gut ankam. Dann wäre auch Zufall ein Geburtshelfer für dieses Genre und seine heutige Ausprägung.

    Im übrigen steht bei den als gut deklarierten Naturfilmen oft das überwältigende Naturspektakel im Vordergrund. Wissenschaftler spielen in solchen Filmen keine herausragende Rolle.
    Nehmen wir die Website Naturfilme: Die 10 besten Naturdokus. Da liest man
    “Die besten Naturdokumentationen sind dabei keine reine Aneinanderreihung von beeindruckenden Bildern, vielmehr werden auch hier kleine Geschichten erzählt, Spannungen aufgebaut und Gefühle geweckt.”
    Das hat mit Wissenschaft nur sehr wenig zu tun und Wissenschaftler haben in solchen Filmen wohl mehr eine beratende Rolle und geben den Filmen zudem mehr Glaubwürdigkeit. Oder nehmen wir den Artikel Vom Leben der sexistischen Macho-Schimpansen.
    wo über einen neuen dokumentarischen Disney-Film berichtet wird und man folgendes liest (Zitat)“Biologe Boesch, einer der Direktoren am Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, kennt den Schimpansen-Wald wie kein anderer Forscher.”
    Ein Direktor des Max-Planck-Instituts hat also eine federführende Rolle bei dieser Disney-Produktion gespielt. Doch selbst im Interview mit diesem Direktor spielt sein Direktoren-Titel eine untergeordnete Rolle. Vielmehr prägt sich ein, dass dieser “Christophe Boesch” zusammen mit seiner Frau und seinen Mitarbeitern quasi mit den beobachteten Affen gelebt hat.

  12. Mal ein wenig spekulativ

    formuliert, die Ideologie dahinter mögen Sie ahnen:

    Bezahlen die die Filmemacher dafür, daß sie die Ökologen als sozial minderrangig und damit wenig glaubwürdig darstellen?

    Ja, die werden anzunehmenderweise genau dafür bezahlt.

    MFG
    Dr. W

    PS: Was Sie aber nicht überraschen müsste, denn auch Sie wurden anzunehmenderweise genau für Ihre politisch-philosophische Meinung lange Zeit bezahlt. – Nun sind aber wohl verstärkt “Gefühlslinke” am Zahlpult.

  13. @Martin Holzherr

    Was Sie schreiben, erklärt nicht, was ich wissen möchte.

    „…zumal sich bei solchen Filmen keine Schere auftut zwischen dem was man am Bildschirm sieht und dem was erklärt wird.“

    Sie meinen, es ist nicht so schwierig, da mitzukommen wie etwa bei Fragen der Physik? Auch wenn Hannibal über die Alpen zieht, tut sich keine Schere auf, die Erklärungen sind für einen Nicht-Wissenschaftler eher leichter zu verstehen als irgendwelche Populationsschwankungen im Eismeer. Aber der Erklärende heißt im Falle von Hannibal Prof. Dr. Müller-Bielefeld und nicht John.

    „…den Zuschauer in höhere Erkenntissphären hebt, ohne dass er wegen fehlender intellektueller Voraussetzungen zurückbleiben muss.“

    Na ja: Er bleibt ja zurück, allenfalls hat er das Gefühl von Erkenntnis. Es wird ihm der Glaube an eine Ideologie, die vom großen vernetzten Ganzen, beigebracht, mit Wissenschaft hat das wenig zu tun, auch nicht mit der Wissenschaft Ökologie. Aber warum soll denn ein Kumpel sich für diese Indoktrinierung besser eignen als ein Würdenträger? Der Pfarrer trägt einen Talar, keinen Pullover, der Professor trug auch einen Talar, in England und Amerika immer noch und sogar die Studenten dort tragen ihn, sie sind auch „scholars“. Was hat sich da geändert, und zwar nur auf bestimmten Gebieten, vor allem dem der Naturfilme?

    „Der Zuschauer wird also bei Dingen, die er nicht sofort versteht, davon ausgehen, ‚John’ werde das schon noch näher erklären und wenn das nicht zutrifft, bleibt immer noch der Eindruck, John als Mensch sei zu verstehen, man könne sich in ihn hineinfühlen, also könne man auch seine Argumente verstehen.“

    Er „werde das schon noch näher erklären“ können, pflegt man zu glauben, und das glaubt man, wenn der Erklärende signalisiert, daß er ein überwältigendes Wissen in der Hinterhand hat. Das glaubt man aber eben dem Würdenträger, dem Chefarzt z. B., nicht irgendeinem „John“.

    „… dass Tiere und die Natur an und für sich schon eine gewisse Nähe zum Menschen haben. Mit Wissenschaftlern, die einem diese Natur auf kollegiale Weise erklären hat man also die ideale Plattform um Wissen fast ohne Barrieren vermitteln zu können.“

    Aber in den klassischen populärwissenschaftlichen Publikationsorganen, etwa in Zeitschriften von Naturfreunde- und anderen Volksbildungsvereinen, pflegten (und pflegen immer noch) die Autoren mit allen akademischen Titeln zu aufzutreten – etwas, was in wissenschaftlichen Zeitschriften verpönt bis verboten ist.

    „Man entspannt sich besser mit dem engagierten Biologen “John” auf einer Tour durch die Natur als mit dem Quantenphysiker Wheeler, der auf eine Wandtafel kritzelt.“

    Das erklärt vielleicht, daß es mehr Öko- als Physikfilme gibt, aber nicht, warum Wheeler Dr. Wheeler heißt und John nicht Prof. John Carter heißt. Und: „entspannen“ kann man sich auch, wenn die Germanen die Römer angreifen, das aber erklärt ein Schlipsträger mit akademischem Titel.

  14. Kumpelhaft

    Vielleicht – ich spekuliere jetzt – gelten Wissenschaftsfilme als nicht so geeignet , sie zeitgeistig zu verwursten.

    Die Ökologie gilt wiederum als eher junge Disziplin – ob sie das ist , weiß ich nicht – und sie hat auch ein etwas kumpelhafteres Image , was womöglich auch mit dem anfangs sehr legeren Auftreten der Grünen zu tun hat ( Beschreibung , keine Bewertung).

    Es gibt schon auch diese “Öko-Typen” – und keinesfalls nur die – die von sich aus einen informellen Umgang vorziehen(ebenfalls nur Beschreibung) , womöglich dann auch in solchen Sendungen.

  15. @ DH @Chris

    @ D.H.: „Man versucht, die “Jungen” anzusprechen, man versucht, zeitgeistig zu sein.(Trotzdem soll der Anspruch nicht ganz verloren gehen, heraus kommt dann so eine gestelzte Mischung.“

    @chris: „Der Ökologe (oder sonstwer ohne Titel) geht da natürlich leer aus.“

    Das Auffällige ist aber, daß man in den Wissenschaftsfilmen, die nicht „Naturfilme“ sind, die Jungen“ offenbar nicht ansprechen will: Man interviewt würdig dreinblickende Gelehrte und spricht sie mit ihrem Titel an. Ökologen haben ebenso akademische Titel wie Historiker und Biochemiker, aber sie heißen nur „Chris“ oder „Jenny“. Wie kommt das?

  16. Wissenschaftsdidaktik emotionalesProblem

    Verstehen ist immer schwierig. Sogar wenn es um nichtwissenschaftliche Dinge geht. Das liegt an Missverständnissen die sich durch einen anderen Hintergrund fast zwangsläufig ergeben.
    Interessanterweise gibt es unter Freunden weniger Missverständnisse. Sicher weil sie sich besser kennen und damit den andern besser “entziffern” können, aber auch wegen einer positiven Gestimmtheit gegenüber dem Andern mit der das Gefühl verbunden ist, letztlich verstehe man den andern so oder so.

    Wenn ein Wissenschaftler in einem Film ebenfalls als Freund oder mindestens kollegial auftritt, als John also oder als Marie, dann erreicht man wohl beim Zuschauer etwas ähnliches. Der Zuschauer wird also bei Dingen, die er nicht sofort versteht, davon ausgehen, “John” werde das schon noch näher erklären und wenn das nicht zutrifft, bleibt immer noch der Eindruck, John als Mensch sei zu verstehen, man könne sich in ihn hineinfühlen, also könne man auch seine Argumente verstehen.
    Bei Tier- und Naturfilmen kommt noch dazu, dass Tiere und die Natur an und für sich schon eine gewisse Nähe zum Menschen haben. Mit Wissenschaftlern, die einem diese Natur auf kollegiale Weise erklären hat man also die ideale Platform um Wissen fast ohne Barrieren vermitteln zu können.

    Etwas wichtiges darf man im Zusammenhang mit der Freizeitbeschäftigung Fernsehen nicht ausser Acht lassen. Die wenigsten wollen eine geistige Hochleistung vor dem Fernseher vorllbringen. Wer sich davorsetzt will sich entspannen. Man entspannt sich besser mit dem engagierten Biologen “John” auf einer Tour durch die Natur als mit dem Quantenphysiker Wheeler, der auf eine Wandtafel kritzelt.

  17. @Ludwig Trepl

    “Aber wäre dann nicht ein als seriös bzw. als gesellschaftlich hochrangig dargestellter Wissenschaftler wirkungsvoller als ein Kumpel, den man duzen darf?” Mit Sicherheit. Nur dass dieser als Repräsentant mit einer gewissen Deutungshoheit (die ja auch nicht absolut ist) insofern ausgedient hat, als es sich immer mehr durchsetzt, Meinung mit erhärtetem Wissen zu verwechseln, und jeder zu allem etwas zu sagen hat.
    Dies wird auch in der Schule eher gefördert statt einen sinnvollen Begriff von Wissenschaft zu vermitteln.

  18. Es geht halt auch darum:

    Bezahlen die die Filmemacher dafür, daß sie die Ökologen als sozial minderrangig und damit wenig glaubwürdig darstellen?

    …wer bezahlt was? – Sie sind ja anzunehmenderweise in der Anforderung von Fördergeldern auch nicht unerfahren (gewesen).

    Dieser Text scheint bspw. solid.

    Im soften Bereich springen halt in D viele herum.
    Es geht da u.a. auch um die Tagespolitik.

    HTH
    Dr. W

  19. Jeder moderne Mensch ist ein Multitasker

    Gleichzeitig sich bilden, die Natur geniessen und sich selbst bestätigen kann man mit einem der Naturfilme, die Wissenschaft und Naturerlebnis verbinden. Denn die wissenschaftlichen Argumente eines John genannten Bio- oder Ökologen können sogar die meisten “gewöhnlichen” Leute noch nachvollziehen zumal sich bei solchen Filmen keine Schere auftut zwischen dem was man am Bildschirm sieht und dem was erklärt wird.
    Ein Fall von modernem Multitasking also, wo eine TV-Sendung sowohl das Naturerlebnis ersetzt, als auch den Zuschauer in höhere Erkenntissphären hebt ohne dass er wegen fehlenden intellektuellen Voraussetzungen zurückbleiben muss.

  20. @ Kathrin Siebert

    „…könnten ja nicht Schauspieler plötzlich zu vermeintlichen Medizinexperten mutieren“

    Das ist eines der auffälligsten Phänomene unserer Tage. Man hätte es früher nicht für möglich gehalten. Sie waren Komödianten, die nicht als heiratsfähig galten in den besseren Kreisen, und für jeden guten Bürger war die Vorstellung entsetzlich, der Sohn könnte Schauspieler werden wollen. Heute können sie Präsidenten werden oder gelten gar als Experten für das, was sie im Film spielen. Man fragt den Tatortkommissar nach den Ursachen der Jugendkriminalität. Es ist unfaßbar. Ich glaube, wer diesen Irrwitz erklären kann, hat erkannt, was die Welt im Innersten zusammenhält oder richtiger, in den Abgrund treibt.

  21. @ Holzherr, Siebert

    @ Martin Holzherr: „Natürlich geht es dann auch gar nicht um die wissenschaftlichen Aussagen, sondern um das Erlebnis oder das Miterleben. Es bräuchte auch keinen Wissenschaftler in solchen Naturfilmen …“

    Aber warum kommen dann immer Wissenschaftler vor? Selbst wenn es der Förster oder der Ranger ist: Er redet wie ein studierter Biologe. Wenn es ums Erlebnis geht, könnte man ja auch Kinder oder sonstige von der Wissenschaft unverdorbene Leute reden lassen. Das geschieht aber nicht.

    „Auch Aussagen über Naturphänomene … werden anders goutiert, wenn sie nicht von Hinz und Kunz, sondern von einem Fachkundigen vorgetragen werden.“

    Ja, aber warum heißt der Fachkundige hier „John“ und dort (bei den Historikern, den Medizinern, den Physikern, den Laborbiologen) „Prof. Watson“? Wird der seriöse Eindruck des Gesagten in dem einen Fall durch die legere Umgangsweise nicht beeinträchtigt, in dem anderen Fall schon? Oder will man, daß er im Falle der „Naturkunde“ beeinträchtigt wird? Soll man sich in dem einen Fall identifizieren, in dem anderen in ehrfurchtgebietender Distanz gehalten werden? Und wenn, warum?

    @ Kathrin Siebert: „man hat den Eindruck, dass es eher um die Bestätigung eines Weltbildes geht“, und nicht um Wissenschaft.

    Es soll aber der Eindruck entstehen, daß hinter dem Weltbild die Wissenschaft steht, eben damit es bestätigt wird. Aber wäre dann nicht ein als seriös bzw. als gesellschaftlich hochrangig dargestellter Wissenschaftler wirkungsvoller als ein Kumpel, den man duzen darf?

  22. Aaaaber:

    Das sind eben Konventionen, die von alleine eingehalten werden.

    Ich denke nicht, dass wirklich jeder Akademiker partut auf seine/en Titel und Anrede extra ausdrücklich besteht. So steif schätze ich die auch nicht ein.

    Weils mir vorkommt, dass das in den Kommentaren so angenommen wird.

  23. Das ist doch klar…

    Die akademische Eminenz…

    Der vorrauseilende Gehorsam jedes Produzenten und Moderators gebietet die Papiergewordene Titelkanonade auch am Bildschirm nicht nur einzublenden, sondern auch im Duktus ggü des Professors deutlich seine Quasi-Unterlegenheit zu spielen.

    Der Ökologe (oder sonstwer ohne Titel) geht da natürlich leer aus. Das banale Bürgerliche muß man nicht auch noch betonen und macht ihn per Vornamen wenigstens zum kollegen.

    [Sarkasmus aus]

    Ich habe nichts gegen Titel. Nur manchmal scheint eben der (oder die / Plural) der Persönlichkeit eine besondere Höhenluft zu verschaffen, die dann kaum mehr der Würdigung angemessen sei.

  24. Zeitgeist

    Vielleicht hat dieses “lockere” Auftreten was mit der Grundtendenz im Fernsehen allgemein zu tun.
    Man versucht , die “Jungen” anzusprechen , man versucht , zeitgeistig zu sein.

    Trotzdem soll der Anspruch nicht ganz verloren gehen , heraus kommt dann so eine gestelzte Mischung.

    Darüberhinaus fände ich es begrüßenswert , wenn in solchen Formaten weniger die Personen der Wissenschaftler oder der Tierfilmer im Vordergrund stünden , sondern der Inhalt – außer bei den beschriebenen sachlichen Erklärungen natürlich .

    Das ist auch so eine neue Unart der Selbstdarstellung , in manchem Naturfilm geht es mehr um die Hersteller des Films selber , am besten wird noch in epischer Breite gezeigt , daß jetzt der Sohn des Filmemachers auch dabei ist , oder die Freundin , oder…., Gäähn…

  25. Wissenschaft?

    Das ist eine Facette der Verwischung der Grenze zwischen Wissenschaft und Infotainment). das ist im Alltag genauso zu beobachten, wenn es dann z.B. heißt Ayveda sei ‘altes’ Wissen (sprich gleichrangig mit Wissenschaft)oder selbst Hinweise auf eine Studienlage mit dem Argument, man habe eben eine andere Meinung vom Tisch gewischt wird.
    Sicher ist es nicht einfach Wissenschaft medienwirksam aufzubereiten, aber im Grunde ist das auch nicht wirklich gewünscht – man hat den Eindruck, dass es eher um die Bestätigung eines Weltbildes geht – in dem Wissenschaft keinen sehr hohen Stellenwert hat. Umsonst könnten ja nicht Schauspieler plötzlich zu vermeintlichen Medizinexperten mutieren, und hohe Auflagen erzielen.

  26. Natur per Du

    Naturfilme hätten kaum die oben berichteten Einschaltquoten wenn sie von einem Herrn mit Frack und Zylinder erklärt würden. In diesem Filmen darf sich der Zuschauer mit dem Wissenschaftler identifizieren und sich vorstellen, er würde dasselbe in der Natur erleben.
    Natürlich geht es dann auch gar nicht um die wissenschaftlichen Aussagen, sondern um das Erlebnis oder das Miterleben. Es bräuchte auch keinen Wissenschaftler in solchen Naturfilmen, aber es schadet auch nicht. Auch Aussagen über Naturphänomene (also nicht Physik- und Chemie- sondern Biophänomene) werden anders goutiert wenn sie nicht von Hinz und Kunz, sondern von einem Fachkundigen vorgetragen werden.