Zwischenbilanz: Atem holen und den Sommer genießen

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

Eigentlich hatte ich vor, die bisherigen beiden Beiträge zum Thema Science Fiction zu einer kleinen Serie auszubauen. Es quollen immer mehr Ideen nach, die mich reizten und die ich für wichtig halte. Doch dann begann mich das schlechte Gewissen zu plagen:

Ich hatte im Februar in Mannheim (zum vierten Mal) an der Universität ein Seminar “Kreatives Schreiben” abgehalten. Ich versprach den Studentinnen und Studenten, die drei besten Geschichten, die dabei entstanden sind und sich (unter anderem) mit dem Topos “Labyrinth” befassten, hier im Blog zu veröffentlichen. Inzwischen sind diese Geschichten eingetroffen und wollen endlich ein Publikum, wollen gelesen werden.

In den nächsten Tagen wird dies möglich. Aber vorher soll ein Eröffnungstext zum Thema “Schreiben an der Universität” diesen kleinen Rückblick einleiten. Befasst man sich mit Science Fiction und der Zukunft, macht man sich so seine Gedanken, wenn man in die heutige Realität dieser Institution eintaucht, die streckenweise noch sehr mittelalterlich ist und gar nicht 21. Jahrhundert. Man muss schon einige Tricks anwenden, um in diesem Milieu trotzdem sinnvoll und kreativ arbeiten zu könnne. Wenn die Studenten sich davon etwas für ihr Studium (und vielleicht sogar fürs ganze Leben?) mitnehmen: umso besser.

 

Was meine geplante Serie zur Science Fiction…

… angeht, so seien hier einige der Themen vorab genannt:

Erotik und Humor: Das gab es früher nicht in der SF. Inzwischen ist das ein wenig besser geworden, nicht zuletzt durch die vielen SF-Filme und TV-Serien.

Sense of Wonder und Religion: Das mag manchen verwundern. Aber eine meiner Thesen, aus mehr als 60 Jahren Beschäftigung mit der utopischen Literatur destilliert, basiert auf der Beobachtung resp. Spekulation: Was sind die Aliens anderes als die Engel und Dämonen früherer Epochen, also religiöse Figuren – und was sind die (manchmal recht apokalyptischen) Themen der SF anderes – als die klassischen Themen der Religion? Was ist der Weltraum von heute anderes als die säkularisierte Version des Himmels von einst? Dabei spielt der Begriff des Sense of Wonder eine wesentliche Rolle, den viele für den Kern dieses Genres halten.

Buch oder Film? Filme mit utopischen Themen sind fraglos die Renner des aktuellen Kinos, spätestens seit 1978 der erste Teil von Star Wars in die Lichtspieltheater kam und mit den Folge-Episoden und -Produkten George Lucas zum Milliardär machte. Ganz anders sieht es bei den SF-Erzählungen in Buchform aus, wo nicht allzu oft Titel zu Bestsellern wurden und werden; bei der Fantasy hingegen ist natürlich Joanne K. Rowling die absolute Ausnahme, die ihr Harry Potter zur Milliardärin machte (wobei die Verfilmungen auch eine wichtige Rolle spielten). Der Vergleich Buch vs.Film ermögklicht jedenfalls interessante Einblicke in die moderne Rezeption von SF.

Science Fiction oder Fantasy? Man packt die beiden Genres heute gerne unter dem Oberbegriff Fantastik zusammen. Ich habe da so meine Zweifel und Bedenken. Anhand eines Berichts über ein eben abgehaltenes Schreib-Seminar zu diesem Thema will ich das näher betrachten.

Außerdem werde ich mir im Rahmen dieser SF-Reihe noch zwei sehr geheimnisvolle und tief gründelnde Themen genauer anschauen:
° Das Anthropische Prinzip und wie dieses auch ohne Parallelwelten im Multiversum funktionieren könnte
° und Wie Gott für Naturwissenschaftler und SF-Leser gleichermaßen eine interessante (wenngleich hochspekulative) Möglichkeit sein könnte
was nicht unbedingt etwas mit Religion (s.oben) zu tun haben muss.

Ansonsten hat ja die sommerliche Hitze die üblen Tage der Überschwemmungen fast schon aus den Medien verdrängt (wenn auch nicht aus dem Bewusstsein der von ihnen Betroffennen). Gestern besuchte die Kanzlerin einen besonders stark heimgesuchten Ort: Fischbek. Das war dieser Ort, wo jemand die kühne Idee hatte, drei Kähne zu versenken und auf diese tolle technische Weise den einbrechenden Damm zu verstopfen und zu stabilisieren. Eine klevere Idee, die jedem SF-Thriller Ehre machen würde!

In den Medien wimmelt es derzeit übrigens nur so von Themen der SF und der Fantastik im weiteren Sinne, also buchstäblich phantastischer Stoff für mein “Labyrinth des Schreibens”:

Der Fall “Gustl Mollath” ist Franz Kafka pur und lehrt uns das Gruseln im Jahr 2013: Nach allem, was inzwischen die Wadlbeißer unter der bewährten Begleitung von Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung ausgegraben haben, dürfte der Ärmste einer echten bayrischen Großkopferten-Verschwörung zum Opfer gefallen sein. Ob Gustl Mollath jemals aus dem Labyrinth der bayrischen Justiz (wie es irgendwo genannt wurde) entkommen wird?

Der Whistleblower Edward Snowden wiederum steckt ebenfalls noch immer in einem Gebäude fest: im Transitbereich des Flughafens Scheremetjewo. Ein lebendiger Beweis dafür, wie rücksichtslos die sich so demokratisch gebenden Amerikaner (und natürlich auch die machtspielenden Russen) sind, wenn sie ihre Interessen gefährdet sehen. Was für eine Roman-Vorlage – und wiederum sehr kafkaesk à la Der Prozess. Die Schande: kein europäisches Land traut sich, diesem Mann Asyl anzubieten – wo er ihnen allen doch die Augen geöffnet hat über…

… den gigantischen Datenkraken NSA. Worum geht es letztlich bei Snowdens Flucht und dem Abhörskandal, den er offenlegte? Meines Erachtens allenfalls am Rande um Terrorbekämpfung. Die NSA betreibt weltweit Wirtschaftsspionage für die USA. Dazu muss man nicht Science Fiction gelesen haben.

 

Derweil bereite ich mich auf die nächsten Schreib-Seminare vor

Es beginnt mit der Großen Sommer-Werkstatt: “Summer in the City”. Dafür habe ich hier im Blog noch ein echtes Münchner Schmankerl auf der Pfanne über die in Bayern durchaus mögliche Liberalitas Bavariae: Die Nackerten auf der Schönfeldwiese, zu denen ich durch eine Schreibübung der Pariser Surrealisten gekommen bin: Das Objet trouvé (in diesem Fall: der Kronkorken einer Bierflasche). Die wichtigste Inspiration wird den Teilnehmern aber vor allem der Besuch im neuen Münchner Museum Ägyptischer Kunst liefern; schreiben werden wir anschließend gleich nebenan im Innenhof der Glyptothek, einem lauschigen Plätzchen mit Musenküssen für jeden Schreiber, samt Kaffee und Kuchen (wer mag).

Mitte August geht es dann weiter mit der fünftägigen Roman-Werkstatt und dem Erzähl-Wochenende Biographie & Phantasie. Dann noch Tagebuch mit Tiefgang, in einem erholsamen Wellness-Hotel in Niederbayern (nur keinen Neid – das ist Arbeit für mich, nicht nur Vergnügen). Und danach sieben Wochen, die nur für die Arbeit an meinem aktuellen Roman-Projekt reserviert sind – mit Badeausflügen an den Starnberger See (falls das Wetter mitmacht). Auch eine Möglichkeit, Urlaub zu machen.

Dazu noch intensive Lektüren: Heinz Zwacks Parallelwelten-Roman Nebenweit (Besprechung nach Lektüre hier im blog) – und die Überarbeitung meines eigenen Sachbuchs und Ratgebers Geheimnis der Träume, das nun – in vierter Ausgabe und im vierten Verlag – bei Allitera erscheinen wird.


Und nun noch ein labyrinthisches Betthupferl aus dem Land der Serendipity*
*Serendip ist das geheimnisvolle Land des beglückenden Zufalls , wie ich es nennen möchte und demnächst näher beleuchten werde.

Am 22. Juli schaute ich mir im Programm des ZDF den Polit-Thriller Der Plan an. Mein Interesse an diesem Plot war voraussehbar – nicht jedoch der Zufall, dass es an zentraler Stelle um ein Labyrinth resp. um ein Yrrinthos geht. Vordergründig ein wirklich kafkaeskes Verschwörungs-Spiel (schon wieder!). Science Fiction pur oder besser: Science Fantasy. Wobei die Science, könnte man sagen, die Politikwissenschaften sind und letztlich die Philosophie: Gibt es einen Freien Willen – oder bilden wir uns das nur ein und werden in Wahrheit von (Aliens?) manipuliert? Eine der unglaublich vielen Geschichten von Philip K. Dick, die verfilmt worden sind. Darin gibt es einen deutlichen Labyrinth-Bezug (der bestens zu Dicks Identitäts- und Verschwörungs-Themen passt):

Als die männliche Hauptfigur, der angehende US-Senator David Norris (gespielt von Matt Damon) allmählich begrteift, dass sie von geheimnisvollen “Männern mit Hüten” manipuliert wird, klärt einer dieser Manipulateure Noris auf. Dieser Harry eröffnet dem Helden, dass es jenseits der uns vertrauten Welt eine geheimnisvolle andere Realität gibt: ein transmitterähnliches System von miteinander vernetzten Türen, die man nur mit (dem richtigen) Hut zielgerichtet durchqueren kann. Durch diese präparierten Türen kann man sich in dem bewegen, was diese Manipulateure als Labyrinth bezeichnen. Hierzu Harry:

Lower Manahttan ist ein Labyrinth mit vielen Abschnitten… [und Türen].

Einer der anderen Männer mit Hut sagt in einer kritischen Situation, bezogen auf Norris, zum Team:

Er ist gerade ins Labyrinth gegangen.

 

Guten Abend. Genießen Sie den Sommer. Und träumen Sie etwas Angenehmeres als von der Bayreuther Psychiatrie (Gustl Mollath) oder dem Transitbereich des Moskauer Flughafens (Edward Snowden). Und dann steckt da ja immer noch Julain Assange in der Botschaft von Ecuador fest (immerhin mit inzwischen gewährtem Asyl) – der mit WikiLeaks die Offenlegung staatlicher Geheimnisse begonnen hat. Und Asanges Whistleblower Bradley Manning steckt im finstersten aller labyrinthischen Gebäude: in einem amerikanischen Militärgefängnis.


Quelle
Nolfi, George (Regie): Der Plan ( The Adjustment Bureau). USA 2011 (Universum). Sendung im Programm des ZDF am 22. Juli 2013, um 22:15 Uhr

# 265 / 964 JvS / ScliLogs 1656
Aktualisiert: 25. Juli 2013/13:13
v 2.3

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

4 Kommentare

  1. Herr vom Scheidt

    Nur der Klarstellung wegen: Haben Sie das kürzlich eingegangene Feedback gelöscht oder war das eine andere Person?

    MFG
    Dr. W

  2. Herr vom Scheidt

    Schade. Das Feedback ist nun nicht mehr da.
    Da stand nichts Böses.

    MFG
    Dr. W (der Ihre Arbeit schätzt)

  3. Ham’Se

    mal nachgefragt, wie das verschwunden gegangene Feedback genau verschwunden ist und ob’s zurückgeholt werden kann?

    MFG
    Dr. W

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