Noch kein Alarm von Fimbulisen!

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Gastbeitrag von Tore Hattermann –

Während der Winter Europa fest im Griff hat neigt sich unsere Feldsaison im hochsommerlichen Dronning Maud Land dem Ende zu. Bereits vor der Jahreswende haben wir uns an zwei weiteren Stellen erfolgreich durch das Schelfeis schmelzen und unsere Messinstrumente aussetzen können. Anschließend führte die Route an die Schelfkante, wo die Firnkerne unseres Glaziologieteams auf die „M/S Mary Arctica“ verladen wurden, um gut gekühlt ins Labor zur Analyse zu gelangen. Dort gab es auch ein Wiedersehen mit den Jungs von der Troll Station, die mit dem Löschen von Versorgungsgütern für die Station beschäftigt waren. Gemeinsam verbrachten wir die Silvesternacht in unserem Küchenmodul und freuten uns über den Besuch der zutraulichen Adeliepinguine. Einige schneeverwehte Tage später erreichte unser Konvoi die Station. Mittlerweile haben wir unsere Ausrüstung wieder in Container verladen und alle Fahrzeuge und Module aufgeräumt und gereinigt.

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Abbildung 1 Die Karte zeigt die Wassertemperaturen am Meeresboden des südlichen Ozeans. Die grauen Flächen markieren das schwimmende Schelfeis. Im Amundsen Meer gelangt das warme Tiefenwasser bis an die antarktische Küste und sorgt dort für hohe Schmelzraten unter den Schelfeisen. Auch in Dronning Maud Land reicht das Schelfeis bis an den Rand des Kontinentalsokkels. Unseren Beobachtungen sollen zu einem besseren Verständnis der „Antarctic Slope Front“ beitragen, die in Dronning Maud Land das Schelfeis vom warmen Wasser abschirmt. Illustration: WOCE Southern Ocean Hydrographic Atlas

 

Nach meinem letzten Beitrag kam in der Klimalounge unter Anderem die Frage nach dem Nutzen unserer Expedition auf. Eine ausführliche Antwort darauf ist sicherlich vielschichtig und dabei eng verbunden mit der Rechtfertigung von aufwändiger Forschung in unserer Gesellschaft  – eine Kontroverse, die weit über das Themengebiet der Klimaforschung hinausgeht. Ich möchte mich hier auf den fachlichen Nutzen unserer Ergebnisse beschränken:

Die antarktischen Schelfeise sind in den letzten Jahren in das Interesse der Forschung gerückt, weil in einzelnen Regionen innerhalb kurzer Zeit drastische Veränderungen beobachtet wurden. Direkt daran knüpfen sich zwei, aus meiner Sicht wichtige Fragen, die wir mit Hilfe unserer Beobachtungen ergründen wollen:

  1. In welchem Zustand befinden sich die Schelfeise in den übrigen Regionen des Kontinents?
  2. Wie hängen beobachtete und potentielle Veränderungen mit dem globalen Klimawandel zusammen?

Zur ersten Frage: Natürlich sind unsere drei Bohrlöcher alleine nicht ausreichend, um umfassende Aussagen zu tätigen, aber auch wenn vor uns noch niemand ein Thermometer in das Wasser unter Fimbulisen gehalten hat, gibt es verschiedene Beobachtungen und Modellstudien, die unterschiedliche Schlüsse über den Zustand des Schelfeises zulassen. Einerseits scheint es plausibel, dass warmes Wasser aus den Tiefen des Südlichen Ozeans aufgrund des verhältnismäßig kurzen Kontinentalsockels direkten Zugang zum Schelfeis in Dronning Maud Land hat. Andererseits würden die daraus resultierenden, hohen Schmelzraten zu einer eindeutig negativen Massenbilanz für Fimbulisen führen. In diesem Fall würde der Masseverlust aufgrund des Schmelzens nicht durch Schneefall und Eisbewegung vom Kontinent ausgeglichen und das Schelfeis würde schrumpfen. Die erste Auswertung unserer Temperatur- und Salzprofile scheint das Rätsel zu lösen: Obwohl wir die Bohrstandorte dort gewählt haben, an denen das Einströmen des warmen Wassers zu vermuten war, befindet sich die gesamte Wassersäule unterhalb des Eises mit einer Maximaltemperatur von etwa minus anderthalb Grad Celsius in der Nähe des Gefrierpunktes (Bei einer Tiefe von 1000 m gefriert Meerwasser bei etwa minus zwei Grad Celsius). Vom warmen Wasser, das vor dem Kontinentalsockel zirkuliert, gibt es unter dem Eis keine Spur. Dies ist ein erster Hinweis darauf, dass die Massenbilanz von Fimbulisen nahezu im Gleichgewicht zu sein scheint. Allerdings sind dies bloß vorläufige Ergebnisse, endgültige Schlüsse werden wir erst ziehen können, wenn uns nächstes Jahr die Zeitreihen der ozeanografischen Messungen vorliegen und die Firnkerne und Radardaten der Glaziologen ausgewertet sind.

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Abbildung 2: Eine schematische Darstellung der Prozesse, die den Wärmetransport durch die „Antarctic Slope Front“ bestimmen. Das von östlichen Winden beschleunigte, kalte Oberflächenwasser wird aufgrund der Erdrotation zum Kontinent gedrückt. Die Zunahme des Salzgehaltes durch Meereisbildung bewirkt ein zusätzliches Absinken des kalten Wassers. Auf diese Weise gelangt das warme Tiefenwasser nicht auf den Kontinentalsokkel. Stattdessen führen horizontale Dichteunterschiede zu turbulenten Mischprozessen, die einen netto Wärmetransport unter das Schelfeis zur Folge haben. Soweit die Theorie – Unsere Beobachtungen sollen helfen die einzelnen Beiträge der verschiedenen Mechanismen zu quantifizieren und das skizzierte Modell zu überprüfen. Illustration: Ole Anders Nøst

 

Vielleicht gelingt es, an dieser Stelle auch den Vorwurf der Voreingenommenheit in der Klimaforschung auszuräumen, der gelegentlich in den Leserkommentaren zu finden ist. Diese Expedition liefert uns einen einzigartigen Datensatz, von dem wir uns ein besseres Verständnis der Prozesse unterhalb des Eises erhoffen.  Das angebliche Pflichtergebnis des Global-Warming-Alarms ist auf Fimbulisen dabei ausgeblieben. Tatsächlich scheinen die Veränderungen der Wassermassen vor der Küste Dronning Maud Landes, die seit den ersten Messungen von Harald Ulrik Sverdrup 1953 beobachtet wurden, wenig Einfluss auf das Schmelzen des Schelfeises zu haben – was keineswegs ein Beweis dafür ist, dass es keinen Klimawandel gibt, sondern ein Anzeichen dafür, dass er an dieser Stelle derzeit keine signifikanten Auswirkungen zeigt. Stattdessen bestätigen unsere Ergebnisse, wie wenig wir bislang von der Wechselwirkung zwischen Ozean und Schelfeis verstanden haben. Gerade dieses Verständnis ist aber vonnöten, um die zweite genannte Frage zufriedenstellend zu beantworten: Was ist der Grund für die Zunahme des Schmelzens in anderen Regionen und welchen Einfluss wird der Klimawandel auf die übrigen Schelfeise haben?

Wenn wir von globaler Erwärmung sprechen, beginnt diese zunächst mit einem Anstieg der Temperatur in der Atmosphäre. Ozean und Schelfeis interagieren allerdings etwa einen halben Kilometer tief unter der Wasseroberfläche und diese ist in den Küstenregionen des südlichen Ozeans einen Großteil des Jahres von isolierendem Meereis bedeckt. Es ist also keineswegs offensichtlich, dass erhöhte Lufttemperaturen unmittelbar zu erhöhtem Schmelzen führen. Beobachtungen und globale Modelle weisen zwar auf einen Anstieg der Wärmeaufnahme des südlichen Ozeans hin. Besonders in der Region des antarktischen Zirkumpolarstromes wird die zusätzliche Wärme rasch in die Tiefe transportiert. Allerdings ist anzunehmen, dass es einige Jahrzehnte dauern wird, bis dieses Erwärmungssignal die Antarktische Küste erreicht. Dennoch führen derzeit erhöhte Wassertemperaturen unterhalb der Schelfeise im westantarktischen Amundsen Meer zu einer Zunahme des Schmelzens in dieser Region. Der Grund hierfür ist voraussichtlich, dass warmes Wasser aus der Tiefe durch veränderte Winde an der Oberfläche nun direkt unter das Schelfeis gepumpt wird. Ein Beispiel für die Empfindlichkeit des Gleichgewichts verschiedener Komponenten des Klimasystems.

Vor der Küste von Dronning Maud Land vermuten wir eine ähnlich sensible Situation vorzufinden. Das Zusammenspiel Küstennaher Winde mit dem Jahreszyklus des Meereises und dem Schmelzwasser des Schelfeises schafft eine Barriere, durch die nur ein Teil der Wärme des Tiefenwassers unter das Schelfeis gelangt. Sowohl die Meereisverteilung als auch die Winde sind direkt von den Veränderungen in der Atmosphäre betroffen. Unsere Beobachtungen sollen dazu dienen, die Computersimulationen dieser Prozesse zu verbessen. Mit Hilfe dieser Modelle wollen wir untersuchen, wie stabil diese Barriere unter veränderten Randbedingungen ist und welche Mechanismen warmes Wasser unter Fimbulisen transportieren könnten. Erst dann werden wir besser verstehen, welchen Einfluss der Klimawandel auf das Schelfeis in Dronning Maud Land hat.

Wenn also demnächst die Expedition zu Ende geht, liegt ein Großteil der Arbeit erst noch vor uns. Ich erwarte aber, dass die Ergebnisse genauso spannend sein werden, wie die Zeit im Zelt auf dem Schelfeis. Damit verabschiede ich mich auch vorerst wieder aus der Klimalounge und danke allen Lesern für Ihr Interesse und die motivierenden Kommentare.

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Abbildung 3: Die Adeliepinguine an der Schelfeiskannte waren mindestens so neugierig wie wir. Allerdings hielt ihr Interesse an dem unbekannten Besuch oft nur so lange an, bis sie herausfanden, dass man uns nicht essen kann. Foto: Per Gunnar Gabrielsen

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Abbildung 4: Gut im Container verstaut steht die Bohrausrüstung nun bereit zum Transport nach Cambridge. Das von der „British Antarctic Survey“ entwickelte System hat tadellos funktioniert und wir sind dankbar für die hilfreiche Unterstützung. Foto: Lars Henrik Smerdsrud

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Anders Levermann ist Professor für Dynamik des Klimasystems im physikalischen Institut der Universität Potsdam. Er leitet den Forschungsbereich Globale Anpassungsstrategien am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Er ist unter anderem einer der leitenden Autoren im Meeresspiegelkapitel des letzten IPCC-Klimareports und beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen Ozean und Cryosphäre in Vergangenheit und Zukunft.

2 Kommentare

  1. wie war den das Wetter?

    habt ihr auch die Temperaturen an Land gemessen?
    Was heisst übrigens: noch kein Alarm?
    Klingt so wie, naja, noch nicht aber bald?
    Ich habe unlängst das von Herrn Rahmstorf erleuterte Klimaverständniss etwas hinterfragt, denn man tut oft so, als wisse man eh alles. Wie, seit 1950 müsste es wegen der “Leuchtkraft” der Sonne abgekühlt haben, aber wegen dem CO2 ist es wärmer geworden und hat dann auch gleich die % exaktest parat liegen. Also bitte, ich hoffe sie steigen nicht blind in die gleichen Fußstapfen.
    Wie kann so nebenbei ein IPCC den Nobelpreis einheimschen, wenn so gravierende Fehler wie mit den Himalaya Gletschern darin vorkommen? Ich verstehe das ehrlich gesagt nicht. Mein Opa, der gar nichts vom Klima versteht hat sich gewundert, dass solche Eismassen in 25 Jahren verschwunden sein könnten (2035). Ich meine, dass ist doch kein kleiner Fehler, oder? Der Hausverstand sollte einem doch sagen, dass es praktisch unmöglich ist, dass solche Gletscher so schnell schmelzen können, aber im IPCC wurde es stur bis zum bitteren Ende verteidigt. Sehr seltsam, finden sie nicht?

  2. na immerhinn

    schöne bilder übrigens!

    als junger forscher macht man halt so einiges mit. viele wünschen sich einen deratigen auftrag, andere bleiben lieber zu hause, denn ganz so ohne ist es ja schlussendlich nicht.

    ich habe mich bislang weitestgehend aus allen klimadiskussionen raus gehalten, so gut es geht. einige einträge in diesem fprum habe ich gelesen und komme zu dem doch sehr erstaunlichen ergebnis: man kann aus ihrer sicht globale mittel temperaturen aus < 0,1°C bestimmen. so so. nicht auf ihre messungen bezogen, aber ein gewisser rahmstorf hat das unlängst so geantwortet. da frag ich mich als einer, welcher sich seit jahrzehnten mit t reighen beschäftigt, wie kann man so eine aussage rechtfertigen? sie kennen wahrscheinlich so viele unsicherheiten im bezug auf t messungen, dass ich nicht lange ausführen muss. am ende ist es doch grob so, dass +/-0,2°c im "rauschen" untergehen, aber auch untergehen sollten.

    ihre messungen sind sicher interessant und vielleicht auch wichtig. wie ein vorgänger fragte, wozu? ich meine, ihre ad hoc ergebnisse sind ja nichts neues und es ist fast zu 100% auszuschließen, dass sich unter ihrem messpunkt die meereswasser t ändert. wie kommt man eigentlich zu so einem messpunkt? ist es nicht klar, dass dort “nichts” passiert, wenn weder das schefeins noch die meer- eis ausdehnung um die antarktis kaum änderungen betroffen ist.

    gut, sie haben sich den a zeitweise abgefroren, damit wir alle von diesen messdaten profitieren.
    nur, wozu die komische überschriftt:
    NOCH kein ALARM?

    ist das absicht, forschung, bewusstsein od. vorgabe?

    lg herbert aus österreich