Keine Angst vorm Ozean

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In den vergangenen Wochen konnte man in den Leitmedien Berichte über “Bizarre Geschöpfe bevölkern die Tiefsee” lesen. Noch nicht vergessen sind die erschütternden Bilder und verheerenden Folgen des Weihnachts-Tsunami’s im Indischen Ozean. Und wer hat nicht beim Lesen von Frank Schätzing's Roman „Der Schwarm“ mitgezittert als vergiftete oder konspirierende Tiefseelebewesen einen Frontalangriff auf die Menschheit planten. Als wenn das noch nicht genug wäre, so zeigt eine gerade veröffentlichte Studie aus den USA, dass über ein Drittel der Meere durch menschliche Aktivitätenstark belastet werden. “Die Ozeane sind fast nirgends mehr unberührt” so die Schlagzeilen in den Medien und so richtig wundern wir uns eigentlich nicht. Denn wir wissen ja, dass zuviel gefischt wird und der Klimawandel den Ozean „zu warm, zu hoch und zu sauer“ (WGBU Die Zukunft der Meere, 2006) werden lässt.

Die Existenz des Golfstroms ist vom Klimawandel bedroht, Hurrikane werden das Gesicht der Erde verändern und der Ozean uns alle verschlingen.

Martin Visbeck (Author)Stop! Halt! Ganz so weit ist es ja noch nicht, und wir dürfen nicht die dramatischen „action“-gefüllte filmische Ausgestaltung des Klimawandels in Hollywood, Bollywood oder Babelsberg mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen über den Ozean verwechseln.

In Kiel haben sich über 100 Wissenschaftler zusammengetan um gemeinsam den „Ozean der Zukunft“ in seiner vollen Breite zu erforschen. Im Rahmen der Exzellenzinitiative der Bundesregierung wird die Zukunft unserer Ozeane in 13 multidisziplinären Themenfeldern untersucht. „Den Ozean verstehen heißt die Zukunft gestalten“ ist das Motto unter dem die Chancen und Risiken des Ozeans untersucht werden.

Wir lernen täglich mehr über den Ozean. Moderne Meeresforschungstechnik erlaubt uns z.B. mit Tauchrobotern gezielte Proben vom Meeresboden zu nehmen. Seit einem Jahr erlauben uns Beobachtungen von über 3000 autonomen Messrobotern Temperatur- und Salzgehaltsschwankungen der oberen 2000m der Ozeane zu dokumentieren. Ozean- und Klimamodelle werden immer realistischer und können nicht nur die Veränderungen der Strömungen, sondern auch einige Aspekte der marinen Biogeochemie simulieren und vorhersagen.

Dennoch sind die Tiefen der Ozeane ist an vielen Stellen noch unerforscht, viele dort ablaufende Prozesse unbekannt. So interessieren wir uns für die mikrobiologischen und chemischen Abläufe in den Meeresorganismen und deren genetische Zusammensetzung und erhoffen daraus neue Wirkstoffe für die Medizin gewinnen. Bisher nimmt der Ozean täglich gigantische Mengen von Kohlendioxid aus der Atmosphäre aus, ungefähr die Hälfte des industriellen CO2 Ausstoßes. Ohne diese Senke würde die Klimaerwärmung schon jetzt viel deutlicher sein. Ob der Ozean dies auch in Zukunft tun wird, wissen wir aber nicht.

Wir wollen diesen unbekannten, „dunklen“ Ozean „heller“, bekannter machen; wir wollen ihn verstehen.

Denn nur, wenn wir quantitativ (inklusive der Unsicherheiten) vorhersagen können, um wieviel cm sich der Meeresspiegel in der Nordsee, in der Ostsee und im Südchinesischen Meer erhöhen wird, um wie viel hunderte von Quadratkilometern sich die sauerstoffarmen Regionen der Ozeane vergrößern werden, oder wie viel des Klimagases CO2 der Ozean auch auf Dauer aufnehmen, werden wir für ein gesellschaftliches Umdenken zum Klimaschutz werben können. Wenn Ozeanbeobachtungs- und –warnsysteme uns täglich zuverlässig über Veränderungen in den Strömungen, Nährstoffen, Sturmfluten und Tsunamis informieren, werden wir glaubwürdig. Nur dann verlieren wir alle die Angst vor dem „unbekannten“ Ozean.

Der Ozean ist unser Freund, Ursprung unseres Lebens und unersetzbarer Lebensraum, der die Menschen mit einer Fülle von lebenswichtigen Produkten versorgt. Auch wenn seine Weiten unendlich erscheinen, wissen wir heute, dass seine Ressourcen begrenzt sind. Wir werden uns dem untermeerischen Bergbau nicht entziehen können, wollen ihn aber auf geordnete Bahnen lenken. Der Inselstaat Kiribati im Pazifik hat ein Meeresschutzgebiet von der Größe Kaliforniens eingerichtet, reicht das?

Die Zukunft unserer Gesellschaft wird auch davon abhängen, wie wir mit dem Ozean umgehen. Ein verantwortlicher und nachhaltiger Umgang mitdem „Ozean der Zukunft“ braucht aber immer auch als Grundlage allen Handelns Daten und Informationen, ein solides Wissen. Und genau dafür setzte ich mich ein.

Artikel in den Medien zu dem Thema:
Landkarte der Weltmeere (Focus online)
Kollaps der Fischbestände (Spiegel online)
Bizarre Geschöpfe bevölkern die Tiefsee (Spiegel online)
Sondergutachten der WBGU "Die Zukunft der Meere – zu warm, zu hoch, zu sauer"
Das Kieler Projekt "Ozean der Zukunft"

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Martin Visbeck ist stellvertretender Direktor des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) in Kiel und Professor für Physikalische Ozeanographie. Er gehört zahlreichen internationalen Arbeitsgruppen ebenso an wie der Senatskommission für Ozeanografie der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

2 Kommentare

  1. Willkommen bei den Wissenslogs

    *Der Inselstaat Kiribati im Pazifik hat ein Meeresschutzgebiet von der Größe Kaliforniens eingerichtet, reicht das?*

    Nein, schon deswegen nicht, weil der ganze Schiet aus benachbarten Meeresgebieten da rein driftet.

    Bei Schätzing war ich übrigens konsequent von Anfang an für die Yrr. 😉

  2. Das Problem fällt in eine andere Kategorie; Unser eigenes Verhalten. Wir haben viele Beispiele, bei denen der Mensch lokal seine Umwelt – wohl meist wissentlich – zerstört hat. Neuerdings sind sie auch global. Wird eine internationale Gesetzgebung es schaffen. Dazu braucht man zunächst wissenschaftlichen und politischen Konsens, dann klare Regeln, dann Durchsetzungsvermögen, vor allem gegenüber der Gier, sei sie nun larviert oder ungeschminkt. Die bereits vorhandene Institutionen müssen generell verbessert und verstärkt werden. Sie sind zwar schon da aber zu schwach und zu schlecht konzipiert. Zum Beispiel, wie die WHO bei ihrem Zuckerbericht zu abhängig von Interessengruppen und oder einzelnen Ländern.