Hurrikan Irene an der US-Küste

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US-Präsident Obama hat seinen Urlaub abgebrochen und seine Landsleute eindringlich vor dem Hurrikan Irene gewarnt, der sich derzeit die Ostküste der USA hinaufbewegt: "All indications point to this being a historic hurricane." Battery Park City an der Südspitze von Manhattan wird evakuiert, und erstmals in der Geschichte wird der öffentliche Nahverkehr in New York, inklusive Subway und Bussen, wetterbedingt stillgelegt. Auch die drei New Yorker Flughäfen sind geschlossen.

Ob der Sturm wirklich so schlimm wird wie befürchtet muss abgewartet werden. Der genaue Pfad und die Stärke von Tropenstürmen sind notorisch schwer vorhersagbar. Zuletzt ist der Sturm vom National Hurricane Center auf die schwächste Hurrikankategorie 1 herabgestuft worden – zeitweise hatte er in den letzten Tagen Stärke 3 erreicht. Dafür ist er aber besonders groß. Eine Gefahr dürfte daher weniger von den Windböen (immerhin noch bis über 150 km/h) als von Regenfällen und einer Sturmflut an der Küste ausgehen.

Wir nehmen Irene zum Anlass, um kurz die wesentlichsten Punkte zum Zusammenhang von Tropenstürmen und Klimaerwärmung zu beleuchten. Ende Juni war ich beim International Hurricane Summit, wo führende Experten eine Woche lang die neuesten Daten und Erkenntnisse dazu ausgetauscht haben. Die Messdaten deuten auf eine Zunahme der Sturmstärken in den letzten Jahrzehnten hin. Eine 2008 in Nature erschienene Auswertung von Satellitendaten von Elsner et al. belegt, dass weltweit die Stärke von tropischen Wirbelstürmen zugenommen hat: die Anzahl der stärksten Tropenstürme (Kategorien 4 und 5) steigt für eine Erwärmung um 1ºC um 31 % an. Die meisten Tropensturm-Fachleute befürchten, dass ein wärmeres Klima zwar nicht zu mehr, aber dafür zu stärkeren Tropenstürmen führt.

Der IPCC-Bericht von 2007 sagte dazu:

Based on a range of models, it is likely that future tropical cyclones (typhoons and hurricanes) will become more intense, with larger peak wind speeds and more heavy precipitation associated with ongoing increases of tropical sea surface temperatures. There is less confidence in projections of a global decrease in numbers of tropical cyclones. [Summary for Policy Makers, Seite 15.]

Kurzum: weniger, aber dafür heftigere Stürme werden erwartet. Zu einem sehr ähnlichen Schluss kam im vergangen Jahr auch eine Arbeitsgruppe der meteorologischen Weltorganisation WMO, die es in der Fachzeitschrift Nature Geoscience folgendermaßen formulierte:

Future projections based on theory and high-resolution dynamical models consistently indicate that greenhouse warming will cause the globally averaged intensity of tropical cyclones to shift towards stronger storms, with intensity increases of 2-11% by 2100. Existing modelling studies also consistently project decreases in the globally averaged frequency of tropical cyclones, by 6-34%. Balanced against this, higher resolution modelling studies typically project substantial increases in the frequency of the most intense cyclones, and increases of the order of 20% in the precipitation rate within 100 km of the storm centre.

Übrigens steigt die Zerstörungskraft von Stürmen schneller als die Windgeschwindigkeit: 2-11% höhere Windgeschwindigkeit bedeuten 6-37% größere Zerstörungskraft (Emanuel 2005).

Zurück zum diesjährigen Hurricane Summit. Dort zeigte der führende US-Hurrikanforscher Kerry Emanuel ein Update seiner berühmten Korrelation von Meerestemperatur und Hurrikan-Energie im Atlantik, die er 2005 in Nature publiziert hatte (siehe Grafik). Im Atlantik, wo es auch die besten Daten gibt, ist dieser Zusammenhang besonders deutlich. Über die seither hinzugekommenen Jahre ist diese Korrelation noch stärker geworden, als Emanuel ursprünglich in Nature gezeigt hatte.


Der Energieindex von Hurrikanen im Nordatlantik (rot) im Vergleich zur Meerestemperatur im tropischen Atlantik (blau) und der globalen Mitteltemperatur (gepunktet), bis einschließlich 2010. Quelle: Kerry Emanuel, MIT.

Zu beachten ist, dass die Daten über einige Jahre geglättet sind, denn der Zusammenhang ist statistischer Natur und zeigt sich erst im Mittel über mehrere Jahre. Von Jahr zu Jahr schwankt die Hurrikanaktivität stark aufgrund anderer, kurzfristiger Einflussfaktoren, die nicht mit der Meerestemperatur und der längerfristigen Entwicklung zusammen hängen. So war auch dieses Jahr die Hurrikansaison im Atlantik bislang schwach.

Weiter fällt auf, dass in den letzten Jahren (seit dem Rekordmaximum von 2005) die Hurrikanaktivität schwächer war, als man es aufgrund der vorherigen Korrelation mit der Temperatur erwarten konnte (die rote Kurve liegt zuletzt unterhalb der blauen). Emanuel glaubt, dass dies folgenden Grund hat: die potenzielle Hurrikanenergie hängt nicht direkt von der absoluten Wassertemperatur ab, sondern vom Temperaturgefälle zwischen Oberfläche und der oberen Troposphäre, wo die im Hurrikan aufsteigende Luft wieder aus dem Hurrikan ausströmt. Diese höheren Luftschichten haben sich durch die abnehmende Ozonschicht durch unsere FCKW-Emissionen abgekühlt, während die Meeresoberfläche sich aufgeheizt hat. Aber die Herstellung von FCKW ist inzwischen weitgehend verboten und die Stratosphäre kühlt sich nicht mehr so rasch ab. Das wäre also eine gute Nachricht: die Zunahme der Hurrikanstärke in den letzten Jahrzehnten wäre dann zwar vom Menschen verursacht, aber teilweise durch FCKW und abnehmende Ozonschicht und nur teilweise durch die globale Erwärmung. Das wäre eine gute Nachricht, weil das FCKW-Problem weitgehend politisch gelöst ist (anders als das Treibhausproblem) und daher der Anstieg der Hurrikanaktivität dann künftig geringer ausfallen dürfte als in den vergangenen dreißig Jahren.

Zum Thema siehe auch unsere früheren Beiträge Hurrikane und Klima, Hurrikane in der Morgenpost, Das Jahrzehnt der Wetterextreme und Klimaforscher-Bashing beim SPIEGEL.

Update 29. August: Interessanter Artikel in der New York Times, mit Zitaten u.a. von Kerry Emanuel: Seeing Irene as Harbinger of a Change in Climate.

Stefan Rahmstorf ist Klimatologe und Abteilungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf Klimaänderungen in der Erdgeschichte und der Rolle der Ozeane im Klimageschehen.

9 Kommentare

  1. @Stefan Rahmstorf

    Seit dem ich kleines Kind war, interessiert mich was passieren würden, wenn eine Bombe in einem Tornado explodieren würde.
    Entsteht er an anderer Stelle neu?
    Kein Medium kein Tornado?
    Nur noch mehr Energie im Tornado?

  2. Modelle vs. Beobachtungen

    Es sieht wohl eher so aus, dass die IPCC-Modelle die Realität nicht wirklich nachstellen können:
    http://coaps.fsu.edu/…pical/2011GL047711-pip.pdf

    In dieser Arbeit, die sich mit der globalen Zykon-Entwicklung befasst (und deren Daten über die Website des Autors ständig aktualisiert werden), kann man feststellen, dass nicht nur die Anzahl der Zyklone zurückgeht, sondern auch die akkumulierte Energie.
    Das wiederum verträgt sich gar nicht mit den IPCC-Prognosen.

  3. @Anton Maier

    Alles eine Frage der Größenordnungen.
    Bringt man eine genügend große Sprengstoffmenge im Zentrum eines kleinen Tornado (kleiner 30m Durchmesser) in Bodennähe zur Detonation, wird bestenfalls der Bodenkontakt des Rüssels kurzzeitig unterbrochen. Der Funnel wird sich aber nach Abklingen der Druckwelle wieder bis auf Bodenkontakt absenken.

  4. FAZ-Schmierattake

    Die FAZ fährt eine Schmierattake weil Irene denen anscheinend nicht katastrophal genug war:
    http://www.faz.net/…ingt-nach-luft-30494359.html

    [Antwort: In der Tat nicht gerade schlüssig. Ich glaube nicht, dass man den Wettervorhersage-Kollegen vom National Hurricane Center den Vorwurf einer falschen Vorhersage machen kann – die haben ja vorhergesagt, dass der Sturm als Kategorie 1 an Land treffen wird (wie dann auch geschehen), auf dieser Basis hatte ich das ja auch in meinem Beitrag geschrieben. Trotzdem geben sie eine entsprechende Unwetterwarnung – völlig zurecht, wie man an den Milliardenschäden und Todesopfern sieht. Dass bei einem relativ schwachen aber großen Hurrikan eher die Überschwemmung als die Winde das Problem werden steht auch oben, und ist so eingetreten.

    Außerdem wird mal wieder Wetter und Klima durcheinandergemischt. Ganz unabhängig von der NHC-Vorhersagegüte: Wieso dieser Sturm nun für die Klimaforscher, die sich mit den langfristigen klimatischen Veränderungen der Sturmstatistik befassen, irgendein Problem sein soll (“Die Klimaforschung ringt nach Luft”), das bleibt das Geheimnis des Autors. Stefan Rahmstorf]

  5. FAZ Artikel….

    … man koennte den Autor so interpretieren, ich jedenfalls lese das so, dass die Klimaforschung nach “Luft ringt” weil sie von den Republikanern und den Tea Party Extremisten darunter ordentlich gewuergt wird.
    Die staendigen Wetter/Klima Konfusionen in diesem schlechten Artikel werden jedenfalls wieder ordentlich Verwirrung in die Leserschaft tragen.

    Dass die Wissenschaftsbekaempfung in den USA anhand der Auswahl ihrer Angriffsziele auch nicht mehr zwischen Wetter und Klima unterscheidet ist fast schon wieder lustig… wenn es nicht so traurig waere

    Lg
    Marcus

  6. Ich lebe seit vielen Jahren auf den Philippinen, in einer von Taifunen besonders gefährdeten Gegend. Da es erst seit einigen Jahrzehnten genaue Satellitenmessungen gibt sind Aussagen zu irgendwelchen Trends mit Vorsicht zu genießen.

    Was aber ziemlich sicher ist: Die Vorhersagen werden immer präziser. Auf

    http://www.typhoon2000.ph/index.shtml

    werden die Sturmwarnungen und Tracks der Wetterdienste von den Philippinen, Japan, China, USA usw. nebst Satellitenfotos dargestellt und bei Bedarf stündlich aktualisiert. Es ist schon imponierend wie hoch die Übereinstimmung dieser Prognosen ist.

    Vermutlich verdanken jedes Jahr tausende Menschen diesen Vorhersagen ihr Leben. Wenn denn tatsächlich mal ein Taifun kommt der nicht korrekt vorhergesagt wird sollte man daraus kein Drama machen. Wo gearbeitet wird können Fehler passieren und wir haben es hier mit noch nicht vollständig verstandenen Naturereignissen zu tun.

  7. @ Emanuel:

    …”Temperaturgefälle zwischen Oberfläche und der oberen Troposphäre, wo die im Hurrikan aufsteigende Luft wieder aus dem Hurrikan ausströmt. Diese höheren Luftschichten haben sich durch die abnehmende Ozonschicht durch unsere FCKW-Emissionen abgekühlt, während die Meeresoberfläche sich aufgeheizt hat…”

    Also die obere Troposphäre hat sich druch FCKW´s sicher nicht abgekühlt, wie auch? FCKW´s wirken bis in die Tropopause als sg. Treibhausgas, also erwärmend. Erst in der Stratosphäre hat die O3 Konzetration Effekte auf den T Verlauf und diese war/ist dann wohl FCKW abhängig, etwas zu mindest.

    Übrigens: in Folge AGW ist es doch so, dass die Stabilität in der Troposphäre etwas zugenommen hat bzw. zunehmen müsste. Das Ozeanwasser hinkt der Erwärmung der Luftsäule darüber deutlich nach. Das spricht für weniger und schwächere Hurricanes und außerdem ist seit Jahren recht gut bekannt, dass Aerosole aus der Sahara (Wetterlagenabhängigkeit!) bei der Hurricane Entwicklung eine wichtige Rolle spielen. Auch deshalb ist obige Korrelation mehr schlecht als recht. Aber gut, Hurricane Experte waren sie ja noch nie.

  8. Unfaßbare Niederschlagssummen ..

    .. an der Alpensüdseite.
    Während an der Alpennordseite im Salzburger-Land Föhnwetter herrscht, bahnt sich in Nordwestitalien ein Extremniederschlagsereignis an.