Hitzerekorde und Gewitter in Deutschland + Update

BLOG: KlimaLounge

Nah dran am Wandel
KlimaLounge

“Temperaturrekorde fielen wie Dominosteine” schrieb der Deutsche Wetterdienst gestern über das Pfingstwochenende. Mit 35,6 °C wurde zum Beispiel die höchste Temperatur verzeichnet, die je in Deutschland im ersten Junidrittel gemessen wurde. Wie stark die Häufigkeit solcher Hitzerekorde im Zuge der globalen Erwärmung ansteigt haben wir kürzlich in diesem Artikel im Februarheft von Spektrum der Wissenschaft analysiert. Im letzten Blogbeitrag hier gibt es zudem eine Grafik, die besonders viele Hitzeextreme in Jahren mit El Niño erwarten lässt – aktuell entwickelt sich ja ein El Niño im tropischen Pazifik.

071_Bild

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mit der Hitze kamen letzte Nacht verheerende Gewitter im Westen Deutschlands. Bei Orkanböen fielen Bäume um, mehrere Menschen wurden erschlagen. Es gab Stromausfälle und erhebliche Behinderungen im Bahn-, Luft- und Straßenverkehr (siehe z.B. SZ Online).

Was die Frage aufwirft, ob auch die Häufigkeit von Gewittern durch die globale Erwärmung zunimmt? Das erscheint auf Anhieb plausibel, gibt es doch deutlich mehr Gewitter wenn es warm ist. Bei uns gibt es im Sommer viel mehr Gewitter als im Winter, und im Weltmaßstab gibt es die meisten Gewitter in den Tropen (den Rekord hält das Kongobecken).

Trotz dieser simplen Wahrheit muss natürlich genauer und kritisch untersucht werden, ob durch die globale Erwärmung wirklich eine Zunahme heftiger Gewitter zu erwarten ist. Der aktuelle IPCC-Bericht vom letzten Herbst fasst den Stand solcher Studien so zusammen (Seite 1087):

Overall, for all parts of the world studied, the results are suggestive of a trend toward environments favouring more severe thunderstorms, but the small number of analyses precludes any likelihood estimate of this change.

In der IPCC-üblichen vorsichtigen Verklausulierung wird also gesagt, dass die Ergebnisse aus allen untersuchten Weltteilen tatsächlich auf eine Zunahme hindeuten, dass aber wegen der geringen Zahl der Studien keine Wahrscheinlichkeit abgeschätzt werden kann. (Das wird gesagt, weil der IPCC normalerweise seine Aussagen mit quantitativ definierten Wahrscheinlichkeitsbegriffen wie „likely“, „very likely“ etc. versieht.)

Für Deutschland gibt es eine aktuelle Studie, die sich mit den Messdaten über konvektive Niederschläge (Gewitterregen) beschäftigt (Berg et al., Nature Geoscience 2013). Sie kommt zu dem Schluss, dass diese konvektiven Niederschläge noch rascher zunehmen, als es aufgrund der höheren Wasserspeicherfähigkeit von wärmerer Luft zu erwarten wäre. (D.h. nach der bekannten Clausius-Clapeyron-Gleichung der Physik, wonach um 1 Grad wärmere Luft ca. 7 Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen kann.) Ähnliche Ergebnisse hatten vor Jahren bereits holländische Kollegen gefunden (Lenderink und van Meijgaard, Nature Geoscience 2008).

Nach meiner Einschätzung müssen wir also wahrscheinlich auch in Deutschland künftig mit häufigeren heftigen Gewittern rechnen.

p.s. Die oben gezeigte Illustration von Klaus Ensikat stammt aus unserem Buch Wolken, Wind & Wetter, dessen erstes Kapitel sich ausführlich mit Gewittern beschäftigt.

Update 13:30 Uhr: Jetzt hat der DWD seine Website aktualisiert und schreibt:

So war der gestrige 9. Juni 2014 der bislang heißeste Tag dieses Jahres und das Pfingstfest das heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Heißeste Region Deutschlands war die Oberrheinische Tiefebene mit den DWD-Stationen Rheinau (37.7 °C), Waghäusel (37.3 °C) und Ohlsbach (37.1 °C).

Wie ich schon vermutet hatte, wurde der oben erwähnte Hitzerekord vom Pfingstsonntag also am Pfingstmontag nochmals deutlich überboten.

Update 11. Juni: Bei meinen weiteren Recherchen zum Thema in Vorbereitung meines Auftritts heute früh im ZDF Morgenmagazin bin ich noch auf eine wichtige Doktorarbeit vom letzten Jahr von Susanna Mohr aus dem Institut für Meteorologie und Klimaforschung am Karlsruher Institut für Technologie gestoßen: Änderung des Gewitter- und Hagelpotentials im Klimawandel. Dort wird u.a. untersucht, wie sich im Zeitraum 1971-2000 das Gewitterpotenzial über Deutschland verändert hat – siehe die folgende Abbildung 7.10 aus dieser Studie.

Mohr_Gewitterpotenzial_Trend

Man erkennt eine generelle Zunahme, außer in Teilen des Nordostens. In Süddeutschland beträgt die Zunahme meist zwischen 4-8 Gewittertage. Der Mittelwert (also nicht die zeitliche Veränderung) liegt übrigens bei jährlich 6 Gewittertagen deutschlandweit, ebenfalls mit einem deutlichen Nord-Süd-Gradienten, von 3,8 Tagen in Norddeutschland bis 7,5 Tagen in Süddeutschland.

Eine Anmerkung zur Methode: es geht hier um das Gewitter- oder genauer Hagelpotenzial, d.h. analysiert werden Zeiten, an denen die atmosphärischen Bedingungen so sind, dass Gewitter wahrscheinlich sind. Die Gewitter selbst werden nämlich wegen ihrer Kleinräumigkeit nicht gut genug von Messdaten erfasst, um langfristige Trends zu berechnen.

Die Ergebnisse dieser Studie sind teils für ganz Europa auch schon in einem Fachjournal erschienen (Mohr und Kunz, Atmospheric Research 2013). Hauptfolgerung:

The atmosphere has become more unstable over the last two to three decades over both Germany and Central Europe.

Es ist diese zunehmende statische Instabilität der Atmosphäre, die die Wahrscheinlichkeit für Konvektion und Gewitterbildung erhöht.

Literatur

  1. P. Berg, C. Moseley, and J.O. Haerter, "Strong increase in convective precipitation in response to higher temperatures", Nature Geoscience, vol. 6, pp. 181-185, 2013. http://dx.doi.org/10.1038/ngeo1731
  2. G. Lenderink, and E. van Meijgaard, "Increase in hourly precipitation extremes beyond expectations from temperature changes", Nature Geoscience, vol. 1, pp. 511-514, 2008. http://dx.doi.org/10.1038/ngeo262
  3. S. Mohr, and M. Kunz, "Recent trends and variabilities of convective parameters relevant for hail events in Germany and Europe", Atmospheric Research, vol. 123, pp. 211-228, 2013. http://dx.doi.org/10.1016/j.atmosres.2012.05.016

Stefan Rahmstorf ist Klimatologe und Abteilungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf Klimaänderungen in der Erdgeschichte und der Rolle der Ozeane im Klimageschehen.

13 Kommentare

  1. Nach dem aktuellen Stand der Forschung ist die Änderung der Starkregentage bis Ende des 21. Jahrhunderts (2071-2100) im Jahr im Vergleich zu heute (1961-1990) unklar.
    Einige Modelle zeigen eine Zu-, andere eine Abnahme.

    Die Spannbreite dieser Änderung kann zwischen 0 Tage und +2 Tage liegen. Innerhalb dieser Spannbreite sind alle Änderungen aus heutiger Sicht plausibel.
    Die mögliche mittlere Änderung beträgt +1 Tag. Dies ist die Klimarechnung, deren Ergebnis dem Mittel aller Klimarechnungen am nächsten ist.

    Der Link

    http://www.regionaler-klimaatlas.de/klimaatlas/2071-2100/jahr/starkregentage/deutschland/mittlereanderung.html

    Ich persönlich finde es nicht für angebracht jedes Wetterereignis in Verbindung mit den Klimawandel zu bringen.

    • Auch ich halte es nicht für angebracht jedes Wetterereignis in Verbindung mit dem Klimawandel zu bringen. Meine Aufgabe als Klimaforscher ist es aber, mir die Frage zu stellen, wie die globale Erwärmung bestimmte Typen von Extremereignissen beeinflusst, insbesondere inwiefern Häufigkeit oder Intensität solcher Ereignisse sich verändert. Diese Frage wird auch immer wieder an uns gerichtet (u.a. wieder seit heute früh durch diverse Medienanrufe), daher diskutieren wir sie hier immer wieder im Blog oder auch in der Fachliteratur. Siehe etwa unseren Übersichtsartikel in Nature Climate Change, A decade of weather extremes.

      Im übrigen stellt der von Ihnen zitierte Helmholtz-Klimaatlas nicht mehr den aktuellen Stand dar – Sie erkennen das z.B. daran, dass die dort zugrunde liegenden Modellszenarien noch die alten SRES-Szenarien sind, die für den 4. IPCC-Bericht von 2007 erstellt wurden (Szenarien mit Namen wie A1B, A2 etc.). Der im letzten Jahr erschienene 5. IPCC-Bericht arbeitet mit den RCP-Szenarien und einer neueren Modellgeneration; dieser oben von mir zitierte IPCC-Bericht ist daher deutlich aktueller. Starkregentage sind auch nicht das Gleiche wie Gewitter, bei denen es ja oft zwar heftig aber dafür nur recht kurz regnet.

  2. Frage zu:

    “Strong increase in convective precipitation in response to higher temperatures”

    Wird eine Zunahme konvektiver Bewölkung mit konvektiven Niederschlägen in den Klimamodellen auch hinsichtlich Temperatur Entwicklung berücksichtigt?

    Aus meiner meteorologischen Sicht der Dinge ist die bodennahe T bestenfalls zweitrangig, wenn es um Gewitter geht. Der T Gradient, oder die Stabilität der unteren und mittleren Troposphäre ist entscheidend, ob und wie starke Gewitter sich bilden können. So weit ich informiert bin, nimmt in allen Klimamodellen die sg. “lapsrate” zukünftig allgemein ab, ein wesentlicher Punkt gegen mehr Gewitter, auch gegen weniger und dafür heftiger. Fragen über Fragen…?

      • ich werde mir die verlinkte Dissertation noch genauer ansehen, obwohl ich bereits nach wenigen Seiten auf einige Aussagen gestoßen bin, die mich in der Regel “abwinken” lassen.
        Z.B:
        …”Ein Vergleich mit Hagelschäden aus Versicherungsdaten
        ergibt zunächst, welche Konvektionsparameter am besten das Potential der
        Atmosphäre für die Gewitter- und Hagelentstehung beschreiben…”

        Eine hochgradig zweifelhafte Methode!

        Auf Seite 2 die vier mit – gekennzeichneten Absätze:
        ad 1:
        das gilt nur, wenn gleichzeitig die Niederschläge bzw. das Feuchteangebot am Boden gleich bleibt oder sich erhöht. Über Saudi Arabien gibt es z.B. kaum Gewitter, auch in etlichen mediterranen Regionen liegt die Zahl deutlich unter der Deutschlands.

        ad 2:
        bei geschätzten 300m Anstieg zu vernachlässigen, synoptisch nicht begründet.

        ad 3:
        nicht mal pauschal gültig, normalerweise gehen solche unklaren Formulierungen nicht durch einen Dissertation.

        ad 4:
        Sg. Aerosolkonzentrationen, bzw. Schwankungen derselben sind für einen industrialisierten Raum wie Deutschland völlig unbedeutend für die Bildung von festen od. flüssigen Niederschlagsteilchen, da sie immer und überall in weit mehr als der notwendigen Anzahl vorhanden sind.

        Zahlt es sich wirklich aus, diese Arbeit weiter zu lesen und haben sie diese Arbeit vollständig genossen? Vielleicht urteile ich ja etwas hastig:-)

        • Wenn Sie möglichst viele Beispiele dafür suchen, wo/wann Hagel aufgetreten ist (um das dann mit den zu der Zeit herrschenden atmosphärischen Bedingungen abzugleichen), warum würden Sie da nicht die Daten über Hagelschäden benutzen? Wo Hagelschäden auftreten hat es ziemlich sicher gehagelt. Welche Daten hätten Sie denn dafür genutzt?

          • Versicherungen zählen nun mal die Schäden und nicht die Ereignisse. Auch das Zählen der Schadensereignisse macht die Herangehensweise nicht viel besser, insbesondere wenn der Betrachtungszeitraum relativ kurz ist und man all die Probleme hinsichtlich Vergleichbarkeit solcher Versicherungsdaten berücksichtigt.

          • Vielleicht haben Sie die Methode misverstanden? Es geht nicht um das Zählen der Ereignisse in Versicherungsstatistiken. Es geht nur darum, Beispiele fur Hagelereignisse zu finden um dann zu untersuchen, unter welchen Wetterbedingungen der Hagel sich gebildet hat. Dabei ist es egal, ob sie nur einen Teil der Hagelereignisse erfassen oder ob diese Auswahl sich in der Zeit verändert. Auf jeden Fall finden Sie in den Versicherungsdaten mehr Beispiele als wenn Sie nur die von Wetterstationen registrierten Hagelereignisse nehmen.
            Im Ergebnis zeigt diese Studie ja auch, dass die Zahl der Hagelwetterlagen zwar zunimmt – aber lange nicht so stark wie die Zahl der Hagelereignisse in den Versicherungsdaten, wo eben noch andere Faktoren als klimatische hereinspielen.

  3. Ich habe Verständnis für diese Fragestellung ums Klima nach jedem ungewöhnlichen Wettervorkommnis; sie zeigt natürlich das Unvermögen des Otto Normal, und das sind wir in diesem Thema nahezu alle, von einem kurzen erlebten Wetteraugenblick auf globale Klimazusammenhänge zu schließen. Und sie zeigt eine zunehmende Sorge nicht nur aus selbst erlebten sondern auch zunehmend dokumentierten Extremen: erst war von Erwärmung die Rede, dann von Veränderung; von hier zum Klima-Chaos ist es nicht weit.

  4. Vielen Dank für diesen Blog: Ich begrüße insbesondere die Literaturangaben. Können Sie weitere allgemeine doch aktuelle Literatur, auch Bücher, empfehlen?

  5. Pingback:blogs.klimaretter.info - Unwetter in NRW: Kein Durchkommen nach Bonn zur Klimakonferenz - Redaktionsblog: In eigener Sache

  6. Etwa einen Monat hat es gedauert bis diese Wirklichkeit in meiner Stadt (Lhst. Wiesbaden) angekommen ist. Starkregenfälle in Verbindung mit Gewitter führten dazu, dass sich Hauptverkehrsstraßen in schnell fließende Bachläufe und Treppen in Wasserkaskaden verwandelten. Der OB wird mit den Worten zitiert “das war in der Form noch nie da.”

    http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/indexhessen34938.jsp?rubrik=36082&key=standard_document_52353699&gallery=1&mMediaKey=mediathek_52357097&b=0

    Da werden einige umdenken müssen und es bleibt zu hoffen, dass das Umdenken nicht bei größeren Wasserabläufen endet.

  7. Pingback:Another deluge hits frontpage news, this time in Germany – ClimateState