Der weite Weg ins Eis

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Gastbeitrag von Tore Hattermann

Inzwischen ist das Fimbul-Expeditionsteam wohlbehalten auf der antarktischen Forschungsstation „Troll“ eingetroffen. Von hier aus sind es etwa sechzehntausend Kilometer bis zu meinem Büro im nordnorwegischen Tromsø. Während sich die Sonne dort momentan kaum noch über den Horizont wagt, scheint sie mir hier auch nach zehn Uhr abends noch wärmend ins Gesicht. Fünf Tage hat die Reise von der Polarnacht in den Polarsommer gedauert.

Die erste Station auf dem Weg in das antarktische Dronning Maud Land lag in Südafrika. Von Kapstadt aus bietet das „Antarctic Logistics Centre Interantional“ zwischen Anfang November und Ende April regelmäßig Direktflüge zur russischen Station „Novolazreavskaya“ (NOVO) an. Besonders am Anfang und Ende der Saison ist die Nachfrage hoch, so dass während dieser Zeit manchmal jeden vierten Tag ein Flug geplant ist. Allerdings sind diese Flugdaten eher Richtwerte, die stark von äußeren Faktoren und insbesondere dem Wetter in Dronning Maud Land abhängen. Bereits drei Tage vor der geplanten Abreise müssen sich alle Passagiere in Kapstadt bereithalten, damit der Flug bei aufkommendem Schlechtwetter vorgezogen werden kann. Für uns ist das Gegenteil der Fall. Nach unserer Ankunft in Kapstadt erfuhren wir, dass wir einen Tag später aufbrechen werden. Neben der Möglichkeit, ein wenig von der Schönheit Südafrikas zu sehen, ist dies eine gute Gelegenheit für unser Team, sich in Ruhe kennen zu lernen, bevor die langen Arbeitstage im Feld beginnen.

Den sechsstündigen Flug nach NOVO erlebten wir in einer Iljushin II-76TD. Einem russischen Frachtflugzeug dessen fensterloser Laderaum mit achtzig Sitzen und zwei Dixi-Toiletten ausgestattet ist. Anstelle der Kopfhörer verteilt der Stewart Ohropax und die Sicherheitsbelehrung verfolgen wir als Power-Point Präsentation auf einer Leinwand, wie man sie vom heimischen Diaabend kennt. Dafür steht den gesamten Flug über ein Buffet mit belegten Broten, Süßigkeiten und Getränken zur Verfügung und der Navigator lädt zum Besuch in seinem Cockpit mit dem großen Fenster ein. Die meisten Passagiere unseres Fluges sind Wissenschaftler und Techniker verschiedener Nationen. Zu Beginn des Antarktischen Sommer sind sie auf dem Weg in ihre jeweiligen Forschungsstationen.

Auch ein paar Urlauber, die sich ihren Traum einer Antarktisreise erfüllen wollen sind dabei. Kurz nachdem wir den südlichen Polarkreis überquert hatten, wurden wir per Diashow dazu aufgefordert, warme Kleidung aus dem Handgepäck zu suchen, sowie Sonnencreme und -brille bereit zu halten. Die Prognose für die Ankunft: Minus dreizehn Grad Celsius, Sonnenschein und zehn Meter pro Sekunde Wind. Etwa eine Stunde später donnern die dicken Zwillingsreifen der Iljushin über die schneebedeckte Piste aus blauem Eis. Wir landen in der Antarktis.

 

Zusätzlich zu den achtzig Passagieren sind auch zwanzig Tonnen mit wissenschaftlichen Instrumenten und persönlicher Ausrüstung an Bord. Auch unser Team hat 44 Kisten – etwa anderthalb Tonnen – dabei, die entladen, gesammelt und weitertransportiert werden wollen. Das ist zwar nur ein Handgepäck, im Vergleich zu den zwölf Tonnen, die bereits im vergangenen Jahr verschifft wurden aber bis Troll sind es noch rund vierhundert Kilometer. Dreimal muss die Twin-Otter Maschine der Kanadier diese Strecke heute für uns fliegen.

Rechtzeitig zum Frühstück komme ich auf die Station, zum Mittagessen ist das gesamte Team wieder beisammen und am Nachmittag ist auch die 400 kg schwere Kiste mit der Seilwinde für die ozeanografischen Messinstrumente angekommen. Am Abend haben wir bereits einen groben Überblick über die Ausrüstung, die in Troll auf uns gewartet hat und außerdem den ersten Sonnenbrand auf der Nase. Vierundzwanzig Stunden nachdem wir in Kapstadt gestartet sind falle ich todmüde aber voller Zufriedenheit ins Bett.

Eine Beschreibung der wissenschaftlichen Ziele der Expedition findet sich in diesem KlimaLoungebeitrag.

Es gibt jetzt auch ein englisch-norwegisches Expeditionstagebuch.
 
ToreHattermannNov2009
Das Expeditionsteam versammelt am Kapp der Guten Hoffnung, während wir in Südafrika auf den Weiterflug nach NOVO warten. Unser nächster Stopp liegt auf der Anderen Seite des Ozeans. Foto: Per Gunnar Gabrielsen

ToreHattermannNov2009
74 Forscher, unter Anderem aus Indien, Belgien, Japan, Norwegen, Schweden und Deutschalnd, – drei Österreichische Abenteurer, die einen Teil des Kontinents auf Skiern überqueren wollen, sowie zwei Urlaubsfamilien klettern kurz vor Mitternacht mit ihren großen Taschen voll mit warmer Kleidung in die Iljushin. Foto: Per Gunnar Gabrielsen

ToreHattermannNov2009
Ein Gedränge wie in der Berliner U-Bahn: Jeder versucht zwischen all den Taschen Jacken, Anzügen und Winterstiefeln seine eigene Ausrüstung wieder zu finden. Als die Anschnallzeichen aufleuchten, sitzen die Meisten gut verpackt wieder auf ihren Sitzen und reiben sich die Gesichter mit Sonnenmilch ein. Alle Anderen hatten auch noch genug Zeit zum Umziehen, nachdem der Flieger gelandet ist. Foto: Per Gunnar Gabrielsen

ToreHattermannNov2009
Die ersten unserer 44 Kisten tauchen aus dem dicken Bauch des Transporters auf. Bis die gesamte Fracht beisammen ist haben wir unsre ersten Stunden auf dem Eis verbracht. Foto: Per Gunnar Gabrielsen

ToreHattermannNov2009
Vollgestopft mit Fracht und Passagieren geht es in diesem Flieger weiter nach Troll. Anderthalb Stunden dauert der Flug, dreimal müssen die Kanadier heute wegen uns hin und zurück fliegen. Hier, beim entladen und Auftanken nach unserer Ankunft in Troll. Foto: Per Gunnar Gabrielsen

ToreHattermannNov2009
Mit strahlendem Sonnenschein nimmt uns der ungemütlichste unserer Kontinenten in Empfang. Nachdem der Wind am Nachmittag völlig abflaut lässt es sich im Wollpulli prima aushalten. Ob das die nächsten Wochen wohl so bleiben wird? Foto: Tore Hattermann

 

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Anders Levermann ist Professor für Dynamik des Klimasystems im physikalischen Institut der Universität Potsdam. Er leitet den Forschungsbereich Globale Anpassungsstrategien am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Er ist unter anderem einer der leitenden Autoren im Meeresspiegelkapitel des letzten IPCC-Klimareports und beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen Ozean und Cryosphäre in Vergangenheit und Zukunft.

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