Der Vollständigkeit halber: Wieder im Eis – Fimbulisen Teil II

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Gastbeitrag von Tore Hattermann –

Im letzten Jahr habe ich in der Klimalounge von den Forschungsarbeiten auf einem Antarktischen Schelfeis berichtet. Dabei ging es darum, an drei Stationen Löcher durch die bis zu 500m dicke, schwimmende Eisschicht zu schmelzen, um anschließend mehrere Messinstrumente in den darunter liegenden Ozean hinab zu lassen. Die Expedition verlief erfolgreich und wir gehen davon aus, dass die Messinstrumente das vergangene Jahr hindurch stündlich Messdaten in einen Datenspeicher an der Eisoberfläche aufgezeichnet haben.


Kerniger Job! Anhand der Schichtung des Firns (Schnee, seit mehr als einem Jahr auf der Oberfläche des Schelfeises liegt) lässt sich die die jährliche Schneefallrate bestimmen. In der letzten Saison haben wir mehr als ein Dutzend solcher Proben genommen und gut gekühlt zur Analyse nach Tromsø geschickt. (Bild: Norwegian Polar Institute).

Mittlerweile befinde ich mich wieder auf der norwegischen Troll Station in der Antarktis (Das offizielle Expeditionstagebuch gibt es hier.) und bereite mich auf eine zweite Expedition auf das Schelfeis vor. In wenigen Tagen werden wir aufbrechen, um die erste Zeitreihe von unseren Messgeräten einzusammeln. Da eben diese Daten der eigentliche Grund für den ganzen Aufwand der vergangenen Saison waren, werde ich – sozusagen der Vollständigkeit halber – auch dieses Mal in der Klimalounge von unserer Arbeit auf dem Eis berichten. Bevor ich aber zu den Erlebnissen unserer Feldarbeit komme, möchte ich unsere Arbeit zuerst einmal in einen wissenschaftlichen Kontext setzen.

Generell spielen die schwimmenden Schelfeise eine wichtige Rolle bei der Bestimmung der Massenbilanz des antarktischen Eisschildes. Aufgrund der niedrigen Lufttemperaturen sind die Schmelz- und Verdampfungsraten (ja, Eis verdampft auch in der Antarktis) an der Oberfläche des Antarktischen Kontinents extrem gering. Das hat zur Folge, dass Nahezu der gesamte Niederschlag auf dem Boden zurück bleibt und ein Teil des antarktischen Eisschildes wird. Der überweigende Masseverlust kommt durch das stete auseinanderfließen dieser Eismassen zustande. Dabei ähnelt die Bewegung des Eises einem Tropfen Honig der sich auf einer ebenen Unterlage ausbreitet, nur dass in diesem Fall stets neues Eis durch Niederschlag hinzukommt und sich bei der Ausbreitung ein Gleichgewicht einstellt. Die Schelfeise formen sich schließlich dort, wo das Eis den Rand des antarktischen Kontinents erreicht und in den südlichen Ozean abfließt. Um zu verstehen ob und wie sich die Menge des kontinentalen Eises (und damit der weltweite Meeresspiegel) ändert, ist es also notwendig dessen Fluss in (oder durch) die Schelfeise zu kennen. Das bloße Schmelzen eines Schelfeises hat allerdings selbst keinen signifikanten Einfluss auf den Meeresspiegel. Dieses schwimmt bereits im Meer und verdrängt mit seiner Masse auch die entsprechende Menge Wasser. Andererseits haben die Schelfeise unter bestimmten Bedingungen Einfluss auf die Fließgeschwindigkeit des dahinter liegenden Innlandeises und bestimmen damit indirekt, wie viel Eis vom Kontinent in den Ozean gelangen kann.


Auf einem Satellittenbild des Schelfeises sind die Stationen verzeichnet an denen wir letzte Saison unsere Messungen durchgeführt bzw. vorbereitet haben. In den nächsten Tagen werden wir die Orte des Geschehens erneut aufsuchen, um endlich die Früchte unserer Arbeit zu ernten (Bild: Norwegian Polar Institute).

Das Ziel unseres „ICE -Fimbul Top to Bottom“ Projektes (fimbul.npolar.no/en) ist es, die Massenbilanz des Fimbul Schelfeises in Dronning Maud Land zum bestimmen und die physikalischen Prozesse der einzelnen Beiträge besser zu verstehen. Die ozeanografischen Messungen, über die ich in meinen vorherigen Beiträgen geschrieben habe, sind dabei nur eine von verschiedenen Messungen, die wir während unserer Zeit auf dem Schelfeis durchführen. Sowohl diese als auch letzte Saison sind Glaziologen mit am Werk und die verschiedenen Komponenten unserer Beobachtungen lassen sich wie folgt aufschlüsseln:

  • Akkumulation: Mit Hilfe der chemischen und physikalischen Analyse von Firnkernen, also Proben der ersten zehn bis zwanzig Meter des Schelfeises, lässt sich ähnlich wie beim Zählen von Jahresringen an Bäumen, das Wachstum des Schelfeises aufgrund des jährlichen Schneefalls bestimmen. Darüber hinaus haben wir während der vorigen Expedition eine automatische Wetterstation auf dem Eis installiert, die uns eine Zeitreihe der meteorologischen Begebenheiten liefert.
  • Fluss des Eises: Um die Bewegung innerhalb des gesamten Eisschelfs zu verstehen kommen häufig numerische Simulationen zum Einsatz. Wir arbeiten in diesem Fall mit den Glaziologen in der Arbeitsgruppe von Angelika Humbert an der Uni Hamburg zusammen. Allerdings benötigen solche Modelle eine ganze Reihe von Informationen über den Zustand des Eises, um verlässliche Ergebnisse liefern zu können. Insbesondere die Temperatur des Eises, die einen großen Einfluss auf dessen Verformbarkeit hat ist in großen Teilen der Antarktis niemals tatsächlich gemessen worden. Deshalb haben wir neben den ozeanografischen Instrumenten auch eine Kette von Thermometern in den von uns in der Vorsaison gebohrten Löchern installiert und an mehreren Stellen Temperaturprofile der oberen Schichten vermessen. Darüber hinaus führen wir auf dem Eis räumlich begrenzte Messungen der Eisbewegung mit hochgenauen GPS Geräten durch, die der Modellverifizierung dienen.
  • Basales Schmelzen: Neben den Ozeanografischen Instrumenten, die uns Aufschluss über die Zirkulation unter dem Eis geben sollen, messen wir die Schmelzrate an der Unterseite direkt mit Hilfe eines speziellen Bodenradars. Dieses Gerät misst neben der traditionellen Reflektion der Feldstärke auch die Phasenverschiebung der aus- und einlaufenden Welle. Dies ermöglicht eine Messgenauigkeit im Bereich von Milli- oder wenigen Zentimetern, die damit deutlich unterhalb der Wellenlänge des zum Einsatz kommenden Radars (einige Meter) liegt. Um den Eisverlust an der Unterseite zu bestimmen, werden also zwei Messungen mit ausreichend zeitlichem Abstand an einem Ort durchgeführt. Gelingt es nun die horizontalen Lagen innerhalb des Eises in beiden Messungen miteinander in Verbindung zu bringen, lässt sich die Veränderung der Eisdicke in der Zeit zwischen den Messungen mit großer Genauigkeit bestimmen. Allerdings gibt diese Methode keinen Aufschluss darüber, ob die Änderung der Dicke aufgrund des basalen Schmelzens oder durch ein In- oder Auseinanderfließen des Eises zustande gekommen ist. Deshalb wird über den gleichen Zeitraum ebenfalls die horizontale Dehnung des Eises mit Hilfe von hochgenauen GPS Geräten bestimmt. Neben dem Auslesen der fest installierten Instrumente wird das wiederholte Messen mit dem Radar und dem GPS einen Großteil unserer Arbeit in dieser Saison ausmachen.
  • Randbedingungen: Um einen Überblick über die Geometrie des Schelfeises zu erhalten kommt ebenfalls eine Bodenradar zum Einsatz. Unsere Glaziologen legten während der letzten Saison etwa 2500-300 km auf dem Eis zurück, um ein umfangreiches Eisdickenprofil zu erstellen. Dieses Mal werden wir uns darauf konzentrieren in den Regionen mit auffälligen Ergebnissen noch einmal genauer hin zu sehen. Der Datensatz wird komplettiert durch eine Reihe von luftgestützten Radarmessungen des Alfred Wegener Instituts in Bremerhaven und eine seismische Messkampagne des norwegischen Polarinstituts, die neben der Eisdicke auch Aufschluss über die Topografie des Meeresbodens gibt.

Am Ende des Projektes sollen sich die verschiedenen Puzzlestücke zusammenfügen und uns ein besseres Verständnis der Physik der Schelfeise im Allgemeinen und des Zustandes des Fimbul Schelfeises im Speziellen geben. Bevor dies soweit ist wird wohl noch so mancher Abend vor dem Bildschirm verstreichen und nachdem ich mich im Vergangenen Jahr in erster Linie mit Computersimulationen meines Forschungsobjektes beschäftigt habe, freue ich mich schon bald wieder ein bisschen Schnee zu schaufeln!


Besonders im westlichen Bereich des Schelfeises (z.B. M2 auf der Karte) fließt das Eis bis zu 700 m pro Jahr nordwärts, so dass uns die GPS Positionen der Messstationen aus dem Vorjahr nur bedingt nützen. Deshalb haben wir alle Stationen sind mit Bambusflaggen markiert und planen das letzte Stück auf Sicht zu fahren. Allerdings kann auch dies schwierig werden; das obige Bild zeig eine solche Bambusflagge auf einem Gletscher auf Spitzbergen. Unterkühlter Regen hat den Stab im Laufe des Jahres vereist. Wird das Eis zu schwer, bricht die Stange ab und Wind und Schneedrift machen die Markierung vollends zunichte (Bild: Norwegian Polar Institute).


Einen ganzen Haufen solcher Aluminiumstangen haben wir bei unserem letzten Besuch auf dem Eis platziert. Diese Saison werden wir erneut eine GPS Antenne darauf anbringen und auf diese Weise präzise bestimmen, wie weit sich das Eis innerhalb eines Jahrs bewegt hat. Mit mehreren Stangen in einem Abstand von einigen hundert Metern lässt sich zudem die lokale Dehnung des Eises zu bestimmen. (Bild: Norwegian Polar Institute).

 


Mit diesem Radarschlitten werden wir alle blauen Punkte auf der obigen Karte besuchen, um herauszufinden, wie viel im vergangenen Jahr an der Unterseite des Schelfeises geschmolzen ist. (Bild: Elvar Ørn Kjartansson, elvarorn.com).

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Anders Levermann ist Professor für Dynamik des Klimasystems im physikalischen Institut der Universität Potsdam. Er leitet den Forschungsbereich Globale Anpassungsstrategien am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Er ist unter anderem einer der leitenden Autoren im Meeresspiegelkapitel des letzten IPCC-Klimareports und beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen Ozean und Cryosphäre in Vergangenheit und Zukunft.

1 Kommentar

  1. Meereisausdehnung

    Hallo,

    auch wenn es in dem Artikel über das Eis der Antarktis geht, hätte ich eine Frage zur Meereisausdehnung in der Arktis. Vielleicht kann man sie mir aber trotzdem beantworten 😉

    Wenn ich mir z.B. die Messungen der monatliche Abweichungen vom langjährigen Mittel anschaue, dann fällt mir auf, dass die Amplitude im Jahresgang seit 2004 größer geworden ist:

    http://nsidc.org/…ges/mean_anomaly_1953-2010.png
    http://arctic-roos.org/…es/ssmi_mdev_ice-ext.png

    Der Abstand zwischen minimaler und maximaler Eisausdehnung im Jahresgang ist hier in den letzten Jahren deutlich höher als in den Jahren zuvor.

    Meine Frage ist nun:
    Ist das wirklich so und wenn ja warum?
    Oder ist das auf andere Dinge zurück zu führen, z.B. Umstellung des Messverfahrens o.ä.?

    Vielen Dank schon mal

    Antwort: Im allgemeinen, wäre es tatsächlich gut, beim Thema des jeweiligen Artikels zu bleiben. Ihre Beobachtung ist damit erklären, dass wir starkes Schmelzen im Sommer haben, die Winterausdehnung aber durch die fehlende Sonneneinstrahlung wesentlich weniger abnimmt. Das wird vermutlich so bleiben, bis es auch im Winter so warm wird, dass trotz Dunkelheit Eis geschmolzen wird. Derzeit gehen wir davon aus, dass diese Wintereisbedeckung ein sogennantes Kippelement ist und dann tatsächlich abrupt verschwindet. Anders Levermann