Brauchen wir Atomstrom für den Klimaschutz?

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Nach ihrem preisgekrönten Beitrag zum Energiegutachten der Bundesregierung bringen wir heute einen weiteren Gastkommentar der Energieexpertin Brigitte Knopf:

Die Debatte um die gerade erst beschlossene Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke ist neu entflammt. Als direkte Maßnahme will die Regierung ihren erst im Oktober getroffenen Beschluss, die Laufzeiten entgegen dem Ausstiegsbeschluss von 2002 zu verlängern, zunächst für drei Monate aussetzen. Ganz auf Atomkraft könne man aus wirtschaftlichen Gründen und auch wegen des Klimaschutzes aber nicht verzichten, so wird Bundeskanzlerin Merkel zitiert.

Die Begründung für eine weitere Nutzung der Atomenergie ist also neben dem wirtschaftlichen Argument die angebliche Bedeutung der Atomenergie für den Klimaschutz. Beide Begründungen stehen wissenschaftlich auf wackligen Füßen. So zeigt selbst das im letzten Sommer von der Regierung in Auftrag gegebene Gutachten keine signifikanten wirtschaftlichen Vorteile einer Laufzeitverlängerung: weder sind ein "deutlich" höheres Wirtschaftswachstum, noch niedrigere Strompreise oder geringere Importabhängigkeit zu sehen (siehe meinen damaligen KlimaLounge-Beitrag). Die Kernenergie ist also entgegen der damaligen Regierungsverlautbarungen nicht wesentlich "wirtschaftlicher". Das scheint nun auch die Kanzlerin erkannt zu haben:

 

Wir werden die drei Monate nutzen, eine ehrliche Energiediskussion in Gang zu bringen. Denn daran mangelt es bis heute.

Diese Aussage kann man angesichts des Verlaufs der Debatte vom letzten Sommer durchaus als Selbstkritik verstehen.

Aber trägt die Kernenergie nicht wenigstens zum Klimaschutz bei? Dieser Frage sind mehrere europäische Modellierteams in einem Modellvergleich von anerkannten Ökonomie-Energiesystemmodellen nachgegangen und haben unter anderem untersucht, wie relevant die Kernenergie für den Erfolg von globalem Klimaschutz ist.

Das Ergebnis ist eindeutig: so kam bei allen drei Modellen heraus, dass ein 2°C Klimaschutz-Ziel sogar bei einem globalen Atomausstieg erreichbar ist, d.h. bei einem Szenario, bei dem es keinen Neubau von Atomkraftwerken gibt. Verglichen mit einem Szenario, bei dem ein starker Zubau von Atomkraftwerken erlaubt ist, erhöhen sich die Kosten dieses Klimaschutzszenarios dabei eher moderat (siehe Abb. 1).  Man könnte also zu geringen Mehrkosten global auf Atomstrom verzichten und trotzdem die Klimaschutzziele einhalten.

Würde man dagegen auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien verzichten und diesen nur verzögert vorantreiben, so würden sich die Kosten in zwei der drei Modelle sehr stark erhöhen (Abb. 1). Noch ambitioniertere Klimaschutzziele wären außerdem in allen drei Modellen nicht mehr erreichbar, während der Ausstieg aus der Kernenergie auch hier nur zu einer geringen Kostenerhöhung führen würde.


Abb. 1: Kosten für globalen Klimaschutz in Prozent vom Welt-Bruttosozialprodukt (GDP) aggregiert bis 2100. Gezeigt ist der Referenzfall, in dem alle technischen Optionen uneingeschränkt zur Verfügung stehen (mit allen Optionen, grün), und zum Vergleich der Anstieg der Kosten bei einem globalen Ausstiegsszenario aus der Kernenergie (Kernenergie Ausstieg, rot) und einem Szenario, bei dem die Erneuerbaren sich nur wie im business-as-usual Fall ohne Klimaschutz entwickeln (verzögerter Ausbau der Erneuerbaren, blau). Geht man zu ambitionierten Zielen über (hier nicht gezeigt), so ist ein Szenario, bei dem die Erneuerbaren Energien sich nur wie im business-as-usual Fall ohne Klimaschutz entwickeln, nicht mehr erreichbar. Grafik basierend auf Fig. 11 und Fig. 14 in Edenhofer et al. 2010.

Der Grund für die geringe Wichtigkeit von Kernenergie für den Klimaschutz ist, dass die Kernenergie nur zur Stromerzeugung aber nicht direkt zur Wärmeversorgung oder im Transportsektor eingesetzt werden kann. Da es aber im Stromsektor relativ viele Möglichkeiten gibt, diesen CO2-frei zu gestalten, ist die Kernenergie hier leicht durch andere Energieträger (u.a. die Erneuerbaren Energien) ersetzbar – im Gegensatz z.B. zum Erdöl im Transportsektor, wie andere Studien zeigen.

Diese Szenarien zeigen eindrucksvoll, dass Klimaschutz sogar bei einem globalen Ausstieg aus der Atomkraft zu eher geringen Mehrkosten möglich wäre. Aber dass ein globaler Ausstieg aus der Kernenergie möglich ist, heißt noch nicht, dass es ein Selbstläufer wäre. Bei einem Umstieg auf einen hohen Anteil von Erneuerbaren Energien im Stromsektor sind noch erhebliche Hürden zu überwinden. Ohne einen verstärkten Netzausbau, der noch dazu mit erheblichen Akzeptanzproblemen verbunden ist, werden es die Erneuerbaren Energien sehr schwer haben. Auch könnte ein Ausstieg aus der Kernenergie bedeuten, dass verstärkt die Technologie der Kohlenstoffeinlagerung (CCS) in Verbindung mit Biomasse als Alternative eingesetzt werden müsste, eine Technologie, die auch nicht frei von Risiken und möglichen unerwünschten Nebeneffekten ist.

Alle diese Risiken müssen gesellschaftlich debattiert und abgewogen werden. Aber schon heute lässt sich festhalten: ohne die Erneuerbaren Energien wird Klimaschutz nicht machbar sein. Ohne Atomenergie schon.

Literatur

Edenhofer et al. (2010): The economics of low stabili­zation: model comparison of mitigation strategies and costs. The Energy Journal, Volume 31 (Special Issue 1).

Brigitte Knopf ist leitende Wissenschaftlerin am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und erforscht Strategien zur Begrenzung des Klimawandels. Sie arbeitet mit Modellen zur ökonomischen und technischen Analyse des Energiesystems.

Update 16. März: Das Umweltministerium hat gerade die aktuelle Statistik zu den erneuerbaren Energien in Deutschland bekannt gegeben. Demnach lag ihr Anteil an der Stromversorgung 2010 bei 17%; in zehn Jahren könnte er schon bei 40% liegen. Zum Vergleich: der Anteil von Atomstrom lag 2010 bei 23%.

Stefan Rahmstorf ist Klimatologe und Abteilungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf Klimaänderungen in der Erdgeschichte und der Rolle der Ozeane im Klimageschehen.

35 Kommentare

  1. Trifft dies auch in der Zukunft noch zu?

    Sie schreiben (Auslassungen von mir vorgenommen):

    Der Grund für die geringe Wichtigkeit von Kernenergie für den Klimaschutz ist, dass die Kernenergie […] nicht direkt […] im Transportsektor eingesetzt werden kann.

    Ist nicht gerade davon auszugehen, dass in Zukunft die nächtliche Aufladung der Batterien von Elektrofahrzeugen, angefangen mit kommunalen Nutz- und ÖPNV-Fahrzeugen und Firmenfahrzeugen, dann aber vermehrt auch von provaten PKW, einen zunehmend wichtigeren Anteil des Stromverbrauchs stellen wird?

    Im Moment ist das noch vernachlässigbar, Extrapolationen in die Zukunft müssen dem aber Rechnung tragen.

    Die wesentliche Auswirkung ist die Abflachung des Unterschieds zwischen geringer Nachtlast und hoher Taglast. mithin steigt das Grundlastniveau.

    Daraus folgt noch nicht automatisch die Bevorzugung des einen oder anderen Energieträgers – die Auswirkungen müsste man in jedem Fall simulieren und berechnen.

    Ich meine aber schon, dass die oben gemachte und von mir zitierte Aussage in der Zukunft zunehmend in Frage zu stellen ist.

    [Antwort: Elektroautos sind in der Tat /eine/ Möglichkeit, aber ebenso wäre es im
    Prinzip möglich, auf Biokraftstoffe umzusteigen. Hier gibt es eben
    mehrere Ausweichmöglichkeiten, wie ein zukünftiger Transportsektor
    aussehen kann. Daher die Aussage, dass Atomstrom durch andere Strategien
    ersetzt werden kann. Eine kurze Übersicht über die Modellierung des
    Transportsektors in solcher Art von Modellen gibt diese Studie auf S.
    71-75. Brigitte Knopf]

  2. Das…

    Diese Aussage kann man angesichts des Verlaufs der Debatte vom letzten Sommer durchaus als Selbstkritik verstehen.

    …ist noch ausgesprochen freundlich ausgedrückt.

    Wie sieht das denn im Detail mit den nötigen Investitionen ins Stromnetz aus? Soweit ich das verstehe ist die Infrastruktur doch so oder so überholungsbedürftig.

  3. nichts als Rhetorik

    Wenn man Atomenergie ablehnt, dann berechtigterweise aus Sicherheitsgründen und nicht aufgrund eines kleingerechneten Beitrags. Die (nachhaltige) Stromerzeugung aus Geothermie wird in Deutschland rein aus physikalischen Gründen niemals auch nur annähernd einen signifikanten Beitrag leisten können. Trotzdem ist er wichtig. Das gleiche gilt für ein Tempolimit auf Autobahnen, effizientere Leuchtmittel, intelligente Elektronik, Strassenbeleuchtung die weniger in den Himmel strahlt, den Ausbau öffentlicher Verkehrsnetze, die Bevorzugung regionaler Erzeugnisse, … (die Liste lässt sich beliebig fortsetzen)
    In all diesen Fällen liesse sich die analoge Aussage formulieren “Ohne (Restliche Massnahmen) ist Klimaschutz nicht machbar. Ohne (Tempolimit oder beliebige andere Massnahme aus obiger Liste) schon.”

    Meine Schlussfolgerung aus obiger Grafik lautet: Die Risiken eines verzögerten Ausbaus der erneuerbaren Energien sind unkalkulierbar/stark Modellabhängig. In allen Modellen liefert aber die Kernkraft offensichtlich einen Beitrag, die Kosten zu reduzieren. Wer aber eine Kostenreduktion von 7% bis ca. 23% als vernachlässigbare Grösse unter den Teppich kehrt, der betreibt keine Wissenschaft, sondern Propaganda.

    [Antwort: Mir ist nicht klar, wie sie zu dieser Interpretation der Grafik kommen.
    Die Aussagen, die diese Grafik macht, sind ziemlich eindeutig:
    1) Ein Verzicht auf den Neubau von Kernkraftwerken ist mit dem
    Klimaschutz vereinbar
    2) Die beiden Modelle MERGE und REMIND zeigen unzweifelhaft, dass ein
    globaler Ausstieg zu wesentlich geringeren Mehrkosten zu haben ist, als
    einen verzögerten Ausbau der Erneuerbaren Energien in Kauf zu nehmen.
    Das dritte Modell POLES zeigt eine recht ähnliche Wichtigkeit des
    Kernenergieausbaus wie des Ausbaus der Erneuerbaren (wobei ersteres
    leicht wichtiger ist).
    3) Den Kostenastieg ohne Ausbau der Kernkraft habe ich als “moderat”
    bezeichnet und bin der Meinung, ihn damit nicht unter den Teppich
    gekehrt zu haben. Ich würde es um gekehrt formulieren: Auf Grundlage des
    Modells MERGE beispielsweise könnten wir als Gesellschaft vollständig
    auf den Neubau von Kernkraftwerken verzichten, wenn wir einen
    “moderaten” Anstieg der Vermeidungskosten von 0,6 auf 0,7% in Kauf
    nähmen. Die Klimaschutzziele ließen sich trotzdem noch erreichen. Ohne
    Ausbau der Erneuerbaren steigen dagegen die Kosten von 0,6 auf 2,5%.
    4) Die Wichtigkeit der Erneuerbaren ist nicht unkalkulierbar, sondern
    eindeutig: ohne den Ausbau der Erneuerbaren lässt sich in keinem der
    Modelle ein ambitionierter Klimaschutz erreichen (Details können in der
    zitierten Publikation nachgelesen werden).
    Brigitte Knopf]

  4. Erneuerbare beinhalten viele Unbekannte

    Zu den Erneuerbaren in der Stromproduktion:
    In der Praxis sind die Erneuerbaren Energien heute zu 80% Wasserenergie. Damit kommen auch Entwicklungs- und Schwellenländer zurecht. Mit der schwankenden Energieproduktion von Wind- und Sonnenkraftwerken steigen die Anforderungen aber gewaltig und es braucht Speicher und einen hohen Standard des Netzausbaus – wie die Autorin des Beitrags ja schreibt. Letzlich müssen Stromproduzenten grundlastfähig sein und das sind sie entweder von Natur aus oder man muss ihnen das mit teuren Hilfskonstrukten beibringen.

    Zu den Erneuerbaren für Wärme und Transport:
    Biomasse (aka Holz und anderes brennbares Material) ist die primäre Energiequelle in armen Entwicklungsländern. Leider ist das Potential hier recht begrenzt. Länder wie Deutschland mit ihrer hohen Bevölkerungsdichte könnten jedenfalls nicht von Biomasse allein leben.
    Bleibt noch der Transport. Hier sind wir also bei den Biotreibstoffen mit ihren bekannten Problemen angelangt. Um alles heute verbrauchte Rohöl zu ersetzen bräuchte es ganz Brasilien als Anbaufläche für Zuckerrohr. Das ist eindeutig zuviel und man muss wohl noch auf die Biotreibstoffe der zweiten und dritten Generation warten bis sich das Bild verbessert.

    Fazit: Erneuerbare Energien egal ob für die Strom- oder Treibstoffproduktion eingesetzt sind noch mitten in der Entwicklung und ein wirklicher Durchbruch und breiter Einsatz auf globaler Ebene ist nur zu erwarten, wenn es noch grosse Fortschritte sowohl bei der Stromspeicherung (zum Beisiel billige Batterien grosser Kapazität) als auch bei der Produktion von Biotreibstoffen gibt.
    Es verwundert mich deshalb immer wieder, wenn Autoren, die die Erneuerbaren propagieren, stillschweigend davon ausgehen, dass all diese noch notwendigen Fortschritt in Bälde sowieso stattfinden.

  5. Und was ist mit der Grundlast?

    “Da es aber im Stromsektor relativ viele Möglichkeiten gibt, diesen CO2-frei zu gestalten, ist die Kernenergie hier leicht durch andere Energieträger (u.a. die Erneuerbaren Energien) ersetzbar” … so schrieben Sie. OK, da will ich nix gegen sagen.

    Wie aber sollen die 45% Grundlastabdeckung (entspricht ca. 18 GW) ersetzt werden?

  6. Was meint die Autorin zu der Tatsache…

    …das es seit dem Atomausstiegs-Beschluss in Deuschland einen Boom von Kohlekraftwerks-Neubauten gibt?

    Zitat:

    >>Theoretisch ist es natürlich möglich, dass Deutschland aus Kohle und Atomkraft gleichzeitig aussteigt. Für einen solchen Ausstieg heute oder morgen oder binnen der nächsten zehn Jahre gab es allerdings nie eine Mehrheit. Was es stattdessen gab, war ein Bündnis grüner Atomkraftgegner mit roten Kohlekumpeln vom Schlage eines Wolfgang Clement und einem parteilosen Wirtschaftsminister, der später Chef des Bergbaukonzerns RAG wurde. Die Errungenschaften dieses Bündnisses sind inzwischen als hässliche Nebenfolge des Atomausstiegs landesweit zu besichtigen. In Datteln, Hamburg-Moorburg, Hamm und an etlichen anderen Orten wachsen die Schornsteine und Kühltürme neuer Kraftwerke in den Himmel. Allein in den nächsten vier Jahren sollen, gemessen an ihrer Leistung, mehr Kohlekraftwerke in Betrieb gehen als in den gesamten Achtzigern und Neunzigern. Einige von ihnen gäbe es wohl auch ohne den Ausstiegsbeschluss. Aber man kann kaum bestreiten, dass der Atomausstieg den Bau einer neuen Generation von Fossilkraftwerken erheblich befördert hat.

  7. Unklarheit im Artikel

    Desweiteren ist mir eine widersprüchliche Formulierung im Artikel aufgefallen. – Sie schreiben:

    >>Das Ergebnis ist eindeutig: so kam bei allen drei Modellen heraus, dass ein 2°C Klimaschutz-Ziel sogar bei einem globalen Atomausstieg erreichbar ist, d.h. bei einem Szenario, bei dem es keinen NEUBAU von Atomkraftwerken gibt.

    [Antwort: Das ist ja ein Ausstieg im Stile des deutschen Atomkonsenses, da die alten Meiler irgendwann abgeschaltet werden. Es ist natürlich kein sofortiger Ausstieg. Stefan Rahmstorf]

  8. Verständnisfrage

    “Der Grund für die geringe Wichtigkeit von Kernenergie für den Klimaschutz ist, dass die Kernenergie nur zur Stromerzeugung aber nicht direkt zur Wärmeversorgung oder im Transportsektor eingesetzt werden kann.”

    Das verstehe ich nicht. Wärmepumpen und Elektroautos sind doch gerade die Hoffnungsträger einer CO2 Vermeidungsstrategie. Züge fahren zum großen Teil mit Strom.
    Könnten Sie das näher erleutern?
    Kenne Sie die Szenarios welche David MacKay nach meinem bescheidenen Verständnis sehr folgerichtig und konsequent entwickelt hat?
    Wenn ja, was ist an denen falsch?

    http://www.withouthotair.com

  9. Klimastudie DPG

    Ich möchte in diesem Rahmen auf die Studien der Deutschen Physikalischen Gesellschaft hinweisen, “Klimaschutz und Energieversorgung in Deutschland 1990 – 2020” und “Elektrizität: Schlüssel zu einem nachhaltigen und klimaverträglichen Energiesystem”, beide zu finden unter http://www.dpg-physik.de/…oschueren/studien.html
    Eine Kernaussage der ersten Studie ist, dass wir die Ziele des Kyotoprotokolls nicht erreichen können, sollten wir die bisher noch laufenden Kernkraftwerke abschalten.

    [Antwort: Nun ist das Kyotoprotokoll praktisch abgelaufen (nächstes Jahr) und wir haben dessen Ziele übererfüllt, sodass das nicht mehr ganz aktuell ist. Aktueller sind z.B. dieses Papier der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler, oder das SRU-Gutachten “Wege zur 100% erneuerbaren Stromversorgung”. Stefan Rahmstorf]

  10. Fossil siegt noch über Atom+Erneuerbare

    Atomstrom aus chinesischen Atomkraftwerken der Generation II+ ist gleich teuer wie Strom aus chinesischen Kohlekraftwerken. Trotzdem wird der chinesische Kraftwerkpark weiterhin von Kohlekraftwerken dominiert sein, denn China kann in einem Jahr gleichviel Kohle-Kraftwerksleistung zubauen wie es mit Atomkraftwerken in 10 Jahren schafft. Aehnliches gilt für die neuen erneuerbaren Energien: Fehlende Transmissionlinien von den windreichen Nordwestprovinzen in die Hauptverbraucherzentren (siehe http://www.china.org.cn/…16/content_21933267.htm ) verzögern den Ausbau der Windkapazität.

    In der chinesischen Stromproduktion schlägt also momentan Kohlestrom sowohl Atomstrom als auch Strom aus neuen erneuerbaren Quellen – nicht nur weil Kohlestrom billig ist, sondern auch darum, weil grosse Kohle-Kraftwerkkapazitäten in kurzer Zeit aufgebaut werden können und die Anforderungen an die übrige Strominfrastruktur gering sind.

    Gäbe es einen billigen, grundlastfähigen, schnell und unkompliziert zubaubaren Stromproduzenten nicht-fossilen Ursprungs, so könnte er alle anderen Arten Energie zu erzeugen in kurzer Zeit verdrängen. Denn – wie bereits von anderen Kommentatoren festgestellt – mit Strom kann man letztlich jedes Energiebedürfnis abdecken, auch die Mobilität, auch die Wärmeproduktion.
    Die ganze Defossilierung, die uns noch bevorsteht würde zudem ungemein erleichtert. Anstatt alle Häuser zu sanieren und neue Häuser wie Bunker zu dämmen könnte man mit Wärmepumpen oder sogar gewöhnlichen Elektroheizungen nichtfossil wohnen.
    Weder die Erneuerbaren Energien noch die heutigen nuklearen Energiequellen können momentan die fossilen Energien aufgrund von rein ökonomischen Kriterien verdrängen – man braucht dazu einen hohen CO2-Preis. Besser wäre es, es gäbe diese ideale, unproblematische nichtfossile Energiequelle, dann würde Kohle, Öl und Gas von den bestehenden Marktkräften verdrängt.

  11. Wahl zwischen 2 Übeln?

    Danke für den Artikel, der dem Gerücht entgegen tritt, dass die Energieversorgung (nur) entweder mit Hilfe der wegen ihrer hohen Energiedichte gefährlichen Kernspaltung oder mittels Verbrennung fossiler Einsatzstoffe gewährleistet werden könne. Nur zu oft werden die Nachteile des einen Verfahrens als “Argument” für die Verwendung des Anderen zitiert.

    Die Alternative “Energie sparen” ist zwar unsexy, bietet aber bei uns noch sehr viele Möglichkeiten. Seit z. B. den Autobauern von der EU klar gemacht wurde, dass sie nicht so viel CO2 emittieren dürfen wie sie möchten, sinkt der Ausstoß an CO2 (und damit auch der Spritverbrauch) von Modell zu Nachfolgemodell. Der Heizwärmebedarf von Immobilien lässt sich durch eine bessere Dämmung bis auf einen Bruchteil reduzieren, um ein paar wesentliche Ansatzpunkte zu nennen.

    Strom wäre speicherbar z. B. wenn man ihn nach Norwegen unterseeisch leiten würde, denn dort gäbe es reichlich Platz und Hub für Pumpspeicherkraftwerke. Damit könnte das “Problem” der schwer beeinflussbaren Stromerzeugung aus reg. Quellen gelöst werden. Ansonsten ließe sich die Nachfrage durch flexibelere Zeittarife stimulieren.

    Desertec ist ein Ansatz, mit der man die intensive Sonnenstrahlung der Sahara und das reichliche Platzangebot dort nutzen kann, bei solarthermischen Kraftwerken gäbe es auch inhärente Speichermöglichkeiten; die Weiterleitung von Strom nach Europa ist machbar -für unsere Freunde großtechnischer Lösungen..
    Insgesamt lässt sich sagen: ein Mix aus versch. Quellen kann zum Einsatz kommen aber man muss auch etwas dafür tun.

  12. Herr Rahmstorf

    das mag ja alles schön und recht sein, was sie uns so sagen wollen. Eine recht einfache Frage könnten sie vielleicht auch noch beantworten. Stellen wir uns folgende Situation in Mitteleuropa um 2050 vor:
    Mitte Jänner herrscht ein stabiles Hochdruckgebiet über Mitteleuropa, es gibt ausgedehnte Nebel und Hochnebelfelder und kaum Wind. Man könnte sagen, dass über Millionen km² max. 5 bis 10% der max. möglichen Energie aus Solar und Wind gewonnen werden können und deren Anteil am Energiemix soll ja enorm ansteigen.

    Woher also nehmen wir die Energie (Strom) insbesondere für die Grundlastabdeckung, wenn die sg. Hauptversorger brach liegen?

    Bitte kommen sie uns jetzt nicht mit utopischen Ideen wie dem Dessert Zeugs od. anderen futuritischen Auswüchsen, sondern beschränken sie sich mal auf die Fakten und das halbwegs preislich machbare, danke!

    [Antwort: Schauen Sie zum Beispiel in die Studie Energiekonzept 2050 u.a. der Fraunhofer-Institute. In die Rechnungen gehen beobachtete Wetterbedingungen auf Stundenbasis ein, d.h. die Schwankungen im Wind sind den Ingenieuren natürlich lange bekannt und bereits berücksichtigt. Auch Kostenabschätzungen finden Sie dort. Stefan Rahmstorf]

  13. Nebel im Jänner

    @Innerhofer
    Sie dürfen sich die Versorgung mit EE nicht so vorstellen, dass die Verwendung von fossiler Energie fortan unter Strafe gestellt wäre. Es kann und wird zu Situationen kommen, wo auf fossile Energieträger, insbes. auf Gas zurückgegriffen werden muss.

    Die fossilen Energien spielen hierbei aber die abnehmende Rolle eines “Lückenfüllers” und keine tragende wie zur Zeit.

  14. wunschdenken vs fakten

    sehr geehrter Hr Rahmstorf

    [Antwort: Schauen Sie zum Beispiel in die Studie Energiekonzept 2050 u.a. der Fraunhofer-Institute. …

    ich vermute sie selbst haben es sich nicht angeschaut:
    lesen sie doch mal kapitel 1.2.3 und dann reflektieren sie mal wirkungsgrad, dimensionierung, kosten und technische/gesellschaftliche realisierbarkeit der dargestellten speichertechnologien.
    es verwundert nicht wirklich dass die studie gerade in diesem bereich mit konkreten zahlen geizt.

    das wunschdenken und realität auseinanderklaffen werden die nächsten monate zeigen wenn “nur” 7 kleinere kkw abgeschaltet sind

    mfg

    [Antwort: In Deutschland waren im Sommer 2009 schon mal 7 Reaktoren abgeschaltet
    – zu einem Zusammenbruch ist es damals nicht gekommen.
    Brigitte Knopf]

  15. Energie in 2050

    Ich hoffe ja schon, dass sich bis 2050 die Situation dahingehend entwickelt hat, dass wir von den fossilen Stoffen weg sind und nur noch regenerative Quellen nutzen.

    Aber im JETZT und HIER ist es einfach mal unrealistisch, die sofortige Abschaltung zu fordern. Auch einen Ausstieg bis 2022 halte ich für nur schwierig zu realisieren. Möglich zwar, aber sehr teuer und anspruchsvoll. Siehe auch hier:
    http://www.kerngedanken.de/?p=120

  16. @MichaelE
    “das wunschdenken und realität auseinanderklaffen werden die nächsten monate zeigen wenn “nur” 7 kleinere kkw abgeschaltet sind”

    Das klingt wie eine finstere Drohung. Tatsächlich haben die Energieversorger schon mal damit “gedroht”. Die “Drohung” stieß aber auf einhelligen Beifall der Protagonisten der EE. Greenpeace-Experte Münchmeier meinte dazu:

    “32 TWh Atomstrom, aber 37 TWh aus Windenergie

    Die Stromproduktion der ältesten sieben Atomkraftwerke, sowie des Pannenreaktors Krümmel ging laut Studie im Jahr 2009 im Vergleich zu 2008 um über 48 Terawattstunden (TWh) auf knapp 32 TWh drastisch zurück. Der Anteil der erneuerbaren Energien hat hingegen rapide zugenommen. Allein die Windenergieanlagen produzierten 2009 37 TWh Strom. Dies entspricht einem Anteil von 6,5 Prozent. Insgesamt tragen die erneuerbaren Energien bereits mit über 16 Prozent zur Stromproduktion bei. Zudem hat Deutschland 2009 14,3 TWh Strom ins Ausland exportiert.”

    Bange machen gilt nicht.

  17. Stromproduktion

    @Bleyfuß

    OK, Deutschland hat 14 TWh exportiert. Die müssen wir natürlich abziehen: bleiben noch rund 120 TWh die ersetzt werden müssen wenn alle KKW’s vom Netz gehen.

    Die eigentliche Crux aber ist die GRUNDLAST. Hier tragen die KKW’s permanent 18 GW bei (das sind 45%). Und die können eben aktuell durch Wind und Sonne nicht gedeckt werden.

    Wind hat 37 TWh Strom in 2009 geliefert? Schöne Sache. Wenn er das rund um die Uhr, immr und immer wieder schafft oder es vergleichbare Speicherkonzepte gibt, dann können wir über eine Abschaltung nachdenken. Vorher wäre das, als ob wir auf einem Ast sitzen und diesen absägen mit der Versicherung, dass wir das Netz auch noch spannen können während wir fallen.

    Lesetipp: http://www.kerngedanken.de/?p=120

  18. @bleyfuss

    ich mache nicht bange. das licht wird in D nicht ausgehen, auch nicht wenn alle kernkraftwerke stillgelegt werden.

    aber die kkw werden eben nicht durch die sog erneuerbaren energien ersetzt, sondern durch gas, kohle und importstrom.
    das hat technische gründe, völlig unabhängig vom politischen willen.

    die suche des denkfehlers ihren greenpeace-“experten” überlasse ich ihnen. ist nicht so schwierig zu finden.

  19. Wer sich nur ein bisschen umguckt wird Folgendes feststellen:

    Besonders viel Strom wird nach Österreich und in die Schweiz exportiert; nicht etwa deswegen, weil es dort zuwenig davon gibt, sondern weil die Pumpspeicherwerke in diesen Ländern den wechselnden Bedarf kostengünstig ausgleichen. Da nimmt man gerne in Kauf, dass wegen der Umwandlungsverluste nur 60% des Stroms von dort wieder zurückkehren und einen Nettoexport vortäuschen. Dieses Verhältnis wird sich mit zunehmenden Anteil der erneuerbaren Energien noch weiter verschlechtern.

  20. Grundlast

    @JanG
    Ich habe oben schon angedeutet, dass bei steigendem Ausbau der reg. Energie die sog. Grundlast immer weniger gefragt ist sondern Kraftwerke, die schnell einspringen können, wenn “der Wind nicht weht” usw..

    Das könnten zum Beispiel auch kleinere Dieselgeneratoren sein, die sehr schnell Strom liefern können, und die Ihre Abwärme entweder speichern (“Kraft-Wärme-Kopplung”) oder in ein idealerweise vorhandenes Nahwärmenetz einspeisen. Damit könnte auch die Strom- und Wärmebedarfsspitzebedarfsspitze im Winter sehr gut abgefedert werden.

    Vergessen wir nicht Wasserkraftwerke und Biomassekraftwerke; evtl. kann man auch die tiefe Geothermie zur Stromerzeugung nutzen.

    @Mistelberger
    “Besonders viel Strom wird nach Österreich und in die Schweiz exportiert; nicht etwa deswegen, weil es dort zuwenig davon gibt, sondern weil die Pumpspeicherwerke in diesen Ländern den wechselnden Bedarf kostengünstig ausgleichen.”

    Das haben Sie schön gesagt. Man könnte auch sagen, dass die famosen “Grundlastkraftwerke” d. h. vor allem Braunkohle und KKW die Pumpspeicherkraftwerke in den Alpen blockieren, weil sie träge und schlecht regelbar sind.

    “Dieses Verhältnis wird sich mit zunehmenden Anteil der erneuerbaren Energien noch weiter verschlechtern.”

    Diese Behauptung können Sie vielleicht etwas genauer erläutern?

  21. Atomstromoption fällt aus, fossil bleibt

    Ein plötzliches und schnelles Abrücken von der Kernkraft – ausgelöst durch Fukushima – führt wohl zuerst zum Rückgriff auf die als bewährt eingestuften fossilen Energien. Diese Erwartung teilen jedenfalls die Börsen, wo Aktien von Kohlefirmen nach Fukushima um 10% höher notieren (Peabody Energy: 64 to 71.6, Consol Energy 50 to 54.5, ..), aber auch die Journalisten: in der SonntagsZeitung (Schweiz) vom 20.3. schwärmt ein Journalist für die 22 Billionen Kubikmeter Erdgas, die in der Arktis zu holen seien und das dank globaler Erwärmung unter immer besseren Förderbedingungen. Im Spiegel Nr.12 (21.3.) liest man unter dem Titel Die schmutzige Brücke “Ein paar Windkraftanlagen mehr sowie ein knappes Dutzen Gaskraftwerke und als Beschleuniger noch Kohle – und schon ist der Komplettausstieg Mitte des Jahrzehnts möglich?”

    “Brauchen wir Atomstrom für den Klimaschutz?” Vielleicht ist dies die falsche – und zudem allzu deutsche – Frage und wir sollten Atomstrom einfach als eine Form der CO2-armen Energieerzeugung sehen. Dann gilt nämlich folgende Aussage aus ADAM’s Modeling Comparison Project – Intentions and Prospects (siehe http://www.pik-potsdam.de/…/adam/edenhofer_intro ):

    Despite the very different model characteristics and nature of the models, the importance of the individual technologies turns out to be a robust feature. The analysis shows that in a second-best world, where some of the technologies are not available or have a limited potential, the costs of mitigation are substantially higher than those of a first-best world where all technology options are available.

    So gesehen ist Kernkraft eine Technologieoption – ähnlich wie Geothermie, Windenergie oder Solarenergie. Ohne Geothermie hätte Island kaum Erneuerbaren Potential, ohne Windenergie wären Dänemark und Deutschland nicht bei zweistelligen Prozentzahlen Erneuerbaren. Und ohne Atomenergie wäre Japans Stromerzeugung jetzt wohl immer noch überwiegend fossil ausgerichtet.

    Andererseits muss man der Autorin recht geben, dass der Wegfall der nuklearen Option den Erneuerbaren mehr Auftrieb geben könnte und damit die Sache der weltweiten Dekarbonisierung sogar mehr befördern könnte als mit der Option Nuklearenergie, vor allem wenn man den Erneuerbaren Energien insgesamt mehr Potential zugesteht. Doch diese Schlussfolgerung gilt nur in einer Welt, die sich der Dekarbonisierung schon fest verpflichtet hat. Treten fossile Energiequellen wie die neu entdeckten Schiefergasvorkommen in Konkurrenz zu den Erneuerbaren sieht es ganz anders aus. Denn die Gesamtkosten von Erneuerbaren-Lösungen, die unstete Energieproduzenten wie Wind und Sonne mit Hochspannungstrasses, Speichern und Backupkraftwerken beinhalten, können wohl noch lange nicht mit Gaskraftwerken konkurrieren. Studien wie “Europe’s onshore and offshore wind energy potential” (siehe http://www.energy.eu/publications/a07.pdf ) weisen explizit darauf hin, dass Studien, die die ökonomische Kompetivität von Windkraft beziffern, die Kosten für die nötigen Anpassungen des Stromnetzes, für den Bau von Speichern und die Ingegration der Windenergie ins Netz nicht berücksichtigen. So gesehen ist auch die Aussage von Connie Hedegard, der EU-Klimachefin “Some people tend to believe that nuclear is very, very cheap, but offshore wind is cheaper than nuclear. People should believe that this is very, very cheap.” (siehe http://www.guardian.co.uk/…er-nuclear-eu-climate ) nur beschränkt gültig.

    Für mich ist es jedenfalls noch lange nicht ausgemacht, dass Deutschland, geschweige den die EU als Ganzes, nun konsequent den Dekarbonisierungspfad verfolgt und nicht mehr von ihm abkommt. Nicht Atomkraft, sondern fossile Energien, vielleicht aufgemacht als Fossil Light (aka konventionelles und Schiefergas) steht von jetzt an in Konkurrenz zu den Erneuerbaren.

  22. die Frage müsste lauten:

    brauchen wir Klimaschutz?

    Denn, und das wird selbst Herr Ramhstorf bestätigen müssen, ist es doch völlig egal, ob die Deutschen AKW`s nun laufen oder nicht und der fehlende Teil zu 100% aus fossil stammt, es ändert sich so gesehen weder was am regionalen noch am globalen Klima.
    So lange zB. China mit Australien gigantische Kohleimportverträge schließt, sind alle Maßnahmen hier zu Lande so was von nichtig, aber den teuren Strom darf dann dennoch der Endverbraucher bezahlen.

  23. CO2 in China

    @Innerhofer
    Es dürfte schwierig sein, die Chinesen von Klimaschutz zu überzeugen, wenn “wir” die Hände in den Schoß legen.

    Historisch gesehen hat Deutschland vermutlich noch mehr CO2 bisher emittiert als China.

    Nach meiner Auffassung führt der Standpunkt “auf unseren Beitrag kommt es eh nicht an” nicht weiter. Die Diskussion ist vermutlich auch für Sie nicht neu.

  24. Kohle vs. Atom

    Manche äußern hier die Befürchtung, dass bei Aussetzung der Atomlaufzeitverlängerung im Gegenzug mehr Kohlekraftwerke gebaut würden. Diese Bedenken halte ich für unbegründet. Es ist ja nicht so, dass im Gegenzug für die Laufzeitverlängerung Kohlekraftwerke stillgelegt worden wären. Das wäre aus Sicht der Betreiber auch unerwünscht, denn die abgeschriebenen Kohlekraftwerke sind mindestens ebenso eine Cash cow die alten Atommeiler. Letzter haben das Risiko längerer Stillstandzeiten aufgrund von Störfällen, die wiederum teure Nachrüstungen erfordern. Der Deal mit der Regierung brachte zusätzliche Einnahmen neben den weiterlaufenden Gewinnen aus Kohlestrom. Viele Neubaupläne von Kohlekraftwerken sind aufgrund massiver Proteste der Bevölkerung und unklarer wirtschaftlicher Perspektiven (CO2-Deckelung, CCS-Zwang) aufgegeben worden – und zwar schon VOR dem Atomdeal der jetzigen Regierung. Deutschland ist Netto-Stromexporteur.

    Was im Artikel leider nicht zur Sprache kam: Atomkraftwerke behindern den Ausbau der Erneueren. Erst jetzt, nach der Atom-Rückwärtsrolle, wird über einen forcierten Ausbau der Netze und Windparks nachgedacht.

  25. Klimafreundlich und bemerkenswert sicher

    While new plants are unlikely to be built in the United States over the next 25 years, nuclear power provides 20 percent of our electrical power and is climate friendly. We therefore must make existing reactors safer, develop a new generation of safer designs and prevent nuclear power from facilitating nuclear proliferation. As tragic as the Fukushima disaster has been, it has provided a rare opportunity to advance those goals.

    From one perspective, nuclear power has been remarkably safe. The 1986 Chernobyl accident will ultimately kill about 10,000 people, mostly from cancer. Coal plants are much deadlier: the fine-particulate air pollution they produce kills about 10,000 people each year in the United States alone.

    http://climateprogress.org/2011/03/24/it-could-happen-here/

  26. AKW-Lastfolgebetrieb

    Atomkraftwerke sind eigentlich nur für einen Grundlastsockel gut. Atomkraft verdrängt die Erneuerbaren, soweit letztere nicht gespeichert oder weiträumiger verteilt werden. Der Netzausbau muss also mit Atomkraft noch schneller kommen als ohne.

    Es gab gerade eine informative Sendung zur Lastfolgefähigkeit der Atomkraftwerke:

    Report Mainz

    http://www.youtube.com/watch?v=kZA932e7fH8

    http://www.youtube.com/…qG-w&feature=related

    http://www.youtube.com/…npfU&feature=related

    Im letzten Video wird erklärt, dass Atomkraftwerke durchschnittlich gerade 10mal im Jahr auf- und abgefahren werden – das widerspricht klar den Behauptungen aus Vahrenholts Propaganda-Vortrag (siehe voriger Artikel).

  27. Einheitsbrei und CCS

    @Brigitte Knopf:
    Nachdem Sie nicht auf mein Argument eingegangen sind, spare ich mir die Antwort – stattdessen ein neuer Aspekt:

    Der Abbildung zufolge ergibt sich ein Kostenvorteil von ca. 7%-23%, wenn man die Kernenergie nutzt gegenüber dem Ausstiegszenario (wie Sie auf 0,6 bis 0,7% kommen ist mir schleierhaft – wahrscheinlich mit den üblichen Statistik-Trickserein, eine nicht relevante Bezugsgröße zu verwenden). Nun wird dieser Kostenvorteil aber nicht in allen Ländern der Welt gleich verteilt sein, denn einige nutzen die Kernenergie und andere nicht. Nachdem Kernkraftwerke für eine Zeitspanne von 40-60 Jahre gebaut werden, ist die Ausgangssituation durchaus relevant. Die Kostenvorteile dürften also sehr länderspezifisch sein. Ihre Studie sagt also z.B. nichts darüber aus wie groß der Kostenvorteil in Frankreich im Vergleich zu Österreich ausfällt. Mir erscheint das Ergebnis dieser Studie zumindest in dieser Hinsicht also noch recht akademischer Natur und kaum von praktischem Nutzen.

    Ein zweiter Punkt:
    Die Studie betont, dass die CCS-Technik entscheidend ist um die Klimaziele zu erreichen (warum verschweigen Sie das eigentlich im Blog-Artikel und stellen stattdessen die CCS-Technik als alternative zur Kernenergie dar?). Anhand der Abbildungen ist es in einigen Szenarien vorgesehen die CCS-Technik anscheinend bis weit über das Jahr 2100 zu verwenden. Auf der DPG-Tagung letzte Woche in Dresden konnte man aber erfahren, dass aus geologischen Gründen die unterirdischen Speichermöglichkeiten in Deutschland bereits nach wenigen Jahrzehnten erschöpft wären. Und da sind dann noch nicht einmal die Nutzungskonflikte mit Druckluftspeicherkraftwerken berücksichtigt. Wie ist das mit Ihrer voreingenommenen Haltung zur Kernenergie zu vereinen?

  28. gute und böse Grundlast

    @ Stephan Fleischhauer:
    “Atomkraftwerke sind eigentlich nur für einen Grundlastsockel gut. Atomkraft verdrängt die Erneuerbaren, […]”
    Das gleiche gilt auch für die Geothermie – auch diese eignet sich nur als Grundlast. Verhindert also ein Ausbau der Geothermie den Ausbau anderer Erneuerbarer Energien?

  29. Atomstrom ist ein Irrweg

    Nach den Großunfällen Tschernobyl und Fukushima müßte jetzt eigentlich klar sein, daß die Anwendung der Kernspaltung zur Stromerzeugung moralisch nicht vertretbar ist, nicht zuletzt auch wegen der nach wie vor ungelösten Endlagerproblematik.
    Es müssen jetzt saubere Ausstiegsszenarien entwickelt werden, wie die weltweit 440 in Betrieb befindlichen Reaktoren nach und nach heruntergefahren werden können.
    Damit meine ich u.a. Kein Nachladen bei “älteren” Kraftwerksblöcken mit neuen Brennelementen; keine Neuplanung von Anlagen. etc. etc.
    2050 sollte kein Kernspaltungskraftwerk mehr in Betrieb sein.

  30. @Physiker

    Wir haben heute schon schon die Situation, dass Windkraftwerke abgestellt werden, weil Netze überlastet sind. Sinnvollerweise müsste man den Windstrom speichern. Soweit sind wir noch nicht. Also wird der Ausbau der Windenergie gebremst, trotz EEG. Zukunftsorientierte Entwicklungen werdenzugunsten des Auslaufmodells Atomkraft ausgebremst.

    Grundlastkraftwerke sind ein Auslaufmodell. Deshalb verfängt auch das Beispiel Geothermie nicht. Sie wird in überschaubarer Zeit kaum die Bedeutung erlangen, die unser jetziger Grundlastbestand hat.

    Ich habe nicht gesagt, dass Grundlastkraftwerke per se “schlecht” sind. Im Gegenteil, sie sind eigentlich wünschenswert, wir haben schließlich verbraucherseitig einen Grundlastsockel. Aber in der jetzigen Situation wirken die AKW als Bremse. Das könnte in einer anderen Gesamtsituation wohl anders aussehen, wenn z.B. unsere Braunkohlekraftwerke abgeschaltet würden, wenn mehr Speicher verfügbar wären, wenn es mehr Anreize für einen weiträumigen Netzausbau gäbe usw.

    Deine Bezeichnung “gute und böse Grundlast” ist auch nicht so abwegig. Atomkraft ist nun einmal mit erheblichen Gefahren verbunden, und zwar noch für zigtausende nachfolgender Generationen.

  31. Na sowas

    @Physiker
    “Das gleiche gilt auch für die Geothermie – auch diese eignet sich nur als Grundlast. Verhindert also ein Ausbau der Geothermie den Ausbau anderer Erneuerbarer Energien?”

    Geothermie IST eine erneuerbare Energie, denn die Erdwärme entsteht im Erdmantel stets neu und das schon seit sehr langer Zeit. Insoweit kann Sie den Ausbau der EE schwerlich verhindern; zur Zeit ist ist auch mengenmäßig (< 10 MW el. Leistung in D.) unbedeutend, was freilich nicht so bleiben muss.

  32. Verstärkter Kohlekraftausbau

    Stephan Fleischhauer schrieb:

    >>Manche äußern hier die Befürchtung, dass bei Aussetzung der Atomlaufzeitverlängerung im Gegenzug mehr Kohlekraftwerke gebaut würden. Diese Bedenken halte ich für unbegründet. Es ist ja nicht so, dass im Gegenzug für die Laufzeitverlängerung Kohlekraftwerke stillgelegt worden wären

  33. Verkabelt Europa!

    Die Kommentatoren sind müde. Dabei gäbe es viel zu tun und die Szenarien könnte mann ein bisschen illustrieren:

    Das größte Hindernis für den Atomausstieg sind die fehlenden Leitungen. Ein Supernetz wäre die Lösung – mit Norwegen als Batterie.

    Stinkende Nebel wabern übers Land. Rohre, Schornsteine, Tankanlagen, so weit das Auge reicht. In einem Riesenbecken gärt Faulschlamm aus der Flussbaggerei. Auf der Sandinsel Maasvlakte vor Rotterdam, einem Gebiet von der Größe Manhattans, konzentrieren die Niederländer alles, was stinkt und lärmt und hässlich oder gefährlich ist. Maasvlakte ist ein Unort, doch in diesem April wird die Insel für einen Augenblick eine andere Bedeutung haben: Hier wird einer der Stützfäden des künftigen europaweiten Höchstspannungsnetzes angeheftet. Die stinkende Insel wird zum Innovationsstandort.

    Es geht um das Supergrid. Das Netz der Netze aus besonders verlustarmen Höchstspannungsleitungen ist eine wesentliche Voraussetzung für die europäische Energiewende. Und seit den Reaktorunfällen in Japan steht das Supergrid auch für die Hoffnung, den Atomausstieg zu beschleunigen.

    http://www.zeit.de/…n/2011/03/Supergrid?page=all

  34. Netto Stromexporteur

    Der Deal mit der Regierung brachte zusätzliche Einnahmen neben den weiterlaufenden Gewinnen aus Kohlestrom. Viele Neubaupläne von Kohlekraftwerken sind aufgrund massiver Proteste der Bevölkerung und unklarer wirtschaftlicher Perspektiven (CO2-Deckelung, CCS-Zwang) aufgegeben worden – und zwar schon VOR dem Atomdeal der jetzigen Regierung. Deutschland ist Netto-Stromexporteur.

  35. Edenhofer-Studie, Biomasse

    Ich habe die Studie jüngst gelesen und war konsterniert zu sehen, dass alle Modelle mit niedrigem Stabilitätsziel eine starke Steigerung der Energieerzeugung aus Biomasse vorsehen. Wie sich das auf die Lebensmittelpreise und die Umwelt auswirkt, wird ignoriert (und es wird zudem so getan, als sei Biomasse 100 % klimaneutral, dabei ist das doch gar nicht der Fall, die Einsparung gegenüber Öl beträgt meines Wissens im besten Fall 50 %, wg. Nitratdüngung und Treibstoffverbrauch). Eins der Modelle tut gar so, als sei die auf der Erde zur Verfügung stehende Landmasse unbegrenzt. Von einem starken Deployment von CCS wird ebenfalls ausgegangen, was aber im Moment nirgendwo auf der Welt in Sicht ist und auch technisch noch nicht ausgereift.
    Und nachdem man all diese unrealistischen, wenn nicht gefährlichen Annahmen gemacht hat (Hungertote durch Biomasse!), wird dann kommuniziert: Es geht alles problemlos, und wir brauchen AKW nicht.
    Das finde ich nicht ganz seriös. So stark darf man in einer so wichtigen Sache nicht vereinfachen. Schon gar nicht, wenn man Politiker berät.

    [Antwort: Meinen Sie Kriegler, Edenhofer et al., Climatic Change 2013? Die von Ihnen genannten Emissionen sind dort ja berücksichtigt und die Grenzen der Biomassenutzung aufgrund der begrenzten Landfläche (die u.a. auch für Nahrungsanbau benötigt wird) werden dort ebenfalls berücksichtigt, weshalb die Studie zu dem Schluss kommt, dass Biomasse nur einen kleinen Teil des Klimaschutz-Portfolios ausmachen kann. Zitat: “Our analysis … constrains the magnitude of bioenergy use motived by the assumption that it is restricted to abandoned or unused agricultural land.” Das Paper warnt sogar explizit davor, dass andere assessments des Bioenergie-Potenzials “overly optimistic” sind.
    Stefan Rahmstorf]