Tierisch intelligent!

BLOG: Hochbegabung

Intelligenz, Sonntagskinder und Schulversager
Hochbegabung

Urlaub – und endlich mal wieder Zeit zum Lesen! (Ich hoffe, auch Sie haben Weihnachten und Neujahr entspannt genossen und sind gut im Jahr 2011 angekommen!) Ein Rezensionsexemplar halte ich gerade in den Händen: “Sind Sie noch Katze oder schon Hund?” von Manon García, das noch gelesen werden will. Den Titel fand ich zunächst ein wenig seltsam, erscheinen mir Katzen doch intuitiv intelligenter als Hunde … wie sehen Sie das?

Katzen haben es ja schon gut. Den ganzen Tag machen, was man will, den Menschen, den man gnädig in seine Wohnung aufgenommen hat, nur dann wahrnehmen, wenn das bekannte Ratschen des Dosenöffners ertönt … Angeblich verbringen Katzen etwa 20 Stunden am Tag mit Schlafen; das nenne ich Effizienz! Möglicherweise tue ich den Hunden aber unrecht, die alle an sie gestellten Aufgaben im Großen und Ganzen doch sehr gut bewältigen – Bällchen holen, zum Streicheln herbeikommen, gehorsam das machen, was der Mensch verlangt, auch mal Einbrecher einschüchtern, das ist doch objektiv betrachtet einiges mehr als das, was eine Katze den ganzen Tag so leistet. Adaptiv ist es auf jeden Fall: Der Hund passt sich den Gegebenheiten optimal an. Die Herrschaft über seinen Menschen wird er mittelfristig wohl eher nicht übernehmen, insofern gilt es, das Beste aus der Situation zu machen. Und das ist doch schon irgendwie intelligent, oder?

Über die Intelligenz der Tiere liest man so einiges, beispielsweise über die der Delfine – oder auch der Affen, die uns ja auch phänotypisch recht nahe stehen (naja, manch einem mehr, manchem weniger …). Sind Affenarten, die sich  im Spiegel erkennen, intelligenter als solche, die dazu nicht in der Lage sind? Eine Tierschutzorganisation behauptet, ein erwachsenes Schwein sei so intelligent wie ein dreijähriges Kind. (Das Schwein landet dann allerdings trotzdem traurigerweise als Wurst oder Schnitzel im Kühlregal.) Wie messen wir Intelligenz bei Tieren? Wortschatz und Zahlenreihen scheiden natürlich aus; aber Gleichheit und Verschiedenheit, Mengenkonzepte und andere Aufgaben, wie man sie auch schon in manchen Intelligenztests für ganz kleine Kinder findet, lassen sich – vorausgesetzt, sie sind den Wahrnehmungsfähigkeiten der Tiere angemessen – teilweise übertragen.  Fairerweise muss ein solch “tierischer” Intelligenztest allgemein an die Lebensrealität der Tiere angepasst sein: Ein Tier ist in dem Grade intelligent, wie es in der Lage ist, die Probleme zu lösen, die ihm seine Lebensumwelt stellt. Eine ähnliche Konzeption verfolgen ja auch die Tests, mit denen wir menschliche Intelligenz erfassen; und kein Merkmal ist ja so mit Erfolg im Leben verbunden wie die allgemeine Intelligenz, erfassbar als IQ. Das Problem, dass die Tests auf unsere westliche Lebensrealität zentriert sind, stellt sich schon seit längerem. Die “kulturfreien” oder “kulturfairen” Tests, sprachfreie Verfahren, die darauf abzielten, Nachteile mangelnder Bildung auszugleichen, konnten leider nicht einlösen, was sie versprachen. Wichtig ist die Validität der Messung – dass also tatsächlich das interessierende Merkmal, also Intelligenz, gemessen wird. Und je nachdem, wie die Aufgaben gestaltet sind, ergeben sich teilweise frappierende Unterschiede. Rechenaufgaben in abstrakter Form können von Straßenkindern in Südamerika nicht gelöst werden; stellt man ihnen dieselbe Aufgabe in einer Form, die sie aus ihrem Alltag kennen (beispielsweise, indem man ihnen eine bestimmte Menge Süßigkeiten abkauft), kommt die Lösung prompt. Insofern ist unser Bild von Intelligenz doch sehr auf unsere westliche Mittelschichtwelt beschränkt … wer weiß, was wir alles übersehen?

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

Dr. rer. nat. Tanja Gabriele Baudson ist Diplom-Psychologin und Literaturwissenschaftlerin. Seit Oktober 2017 vertritt sie die Professur für Entwicklungspsychologie an der Universität Luxemburg und ist als freie Wissenschaftlerin mit dem Institute for Globally Distributed Open Research and Education (IGDORE) assoziiert. Ihre Forschung befasst sich mit der Identifikation von Begabung und der Frage, warum das gar nicht so einfach ist. Vorurteile gegenüber Hochbegabten spielen hierbei eine besondere Rolle - nicht zuletzt deshalb, weil sie sich auf das Selbstbild Hochbegabter auswirken. Zu diesen Themen hat sie eine Reihe von Studien in internationalen Fachzeitschriften publiziert. Sie ist außerdem Entwicklerin zweier Intelligenztests. Als Initiatorin und Koordinatorin der deutschen „Marches for Science“ wurde sie vom Deutschen Hochschulverband als Hochschullehrerin des Jahres ausgezeichnet. Im April 2016 erhielt sie außerdem den SciLogs-Preis "Wissenschaftsblog des Jahres".

29 Kommentare

  1. @Tanja: Apfeltheorie?

    “sprachfreie Verfahren, die darauf abzielten, Nachteile mangelnder Bildung auszugleichen”

    Ich wäre allein nie auf die Idee gekommen, daß Intelligenz sowas wie eine reine Maßzahl für Begabung darstellt, sondern ich dachte bisher, daß Intelligenz allein Leistung mißt – eine Sache die trivialerweise von der Bildung abhängt.

    Sehen Psychologen das im allgemeinen anders? Nämlich so, als wäre Intelligenz wie Äpfel. die am Baum hängen: Hohe Intelligenz=viele Äpfel und geringe Intelligenz=wenige Äpfel – unabhängig davon, was man nach dem Pflücken mit den Äpfeln macht?

    Ein für mich kontraintuitiver Ansatz: Als würde man ein Autorennen veranstalten und gewinnen wollen, ohne zu fahren, ohne diejenigen, die die an Rädern aufgehängten Motoren auch bedienen.

  2. Evolution der Kognition. Denkende Tiere

    Im März letzten Jahres gab es von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften eine Veranstaltung der: “FORUM: Evolution der Kognition. Denkende Tiere”. Die Vortragenden waren Gerhard Roth, Michael J. Kuba, Randolf Menzel und Onur Güntürkün. Ich berichtete hier davon mit Verweis auf die Aufzeichnung des Abends.

  3. @Elmar: Latente Konstrukte vs. manifeste Variablen

    Hallo Elmar,

    ein Problem, das wir Psychologen bei der Messung immer haben (das teilen wir mit den anderen empirischen Wissenschaften), ist, dass das Konstrukt, das wir erfassen wollen, messfehlerbehaftet ist. Man kann versuchen, das dadurch auszugleichen, indem man die Testsituation konstant hält und möglichst viele Indikatoren für dieses Konstrukt wählt. Klar ist es nie das “reine” Potenzial, was wir messen (allein schon einen Stift zu benutzen, um die Kreuzchen zu machen, erfordert ja ein gewisses “Kulturwissen”), insofern misst jeder Intelligenztest die Leistung, Intelligenztestaufgaben zu lösen. Der Witz ist dann allerdings, aus diesem Wert Rückschlüsse auf das latente Konstrukt dahinter zu ziehen. Dann sind es eben nicht mehr nur “viele Aufgaben, die in $IQ-Test gelöst wurden”, sondern “unter Berücksichtigung des Messfehlers wahrscheinlich hohe Intelligenz”.

    Die Idee mit den bildungsunabhängigen Verfahren stammt afaik von Cattell, der auch ein, wie ich finde, sehr einleuchtendes Intelligenzmodell vorgestellt hat, das Ihre Ideen reflektiert: Jeder Mensch bringt ein bestimmtes Potenzial mit (fluide Intelligenz heißt das in seinem Modell), das man in den Erwerb von Wissen (kristalline Intelligenz) investieren kann (daher heißt das Modell auch “Investment-Modell”). Faires Testen sollte also versuchen, den fluiden Teil anzuzapfen – und das mit Aufgaben, die keinem der Teilnehmer bekannt sind, egal, wie gebildet sie sind. Je älter man wird, desto relevanter wird dann entsprechend auch das, was man aus seinem Potenzial gemacht hat (ob sich die “Investitionen” gelohnt haben) – damit hängt auch zusammen, dass Hochbegabung bei Erwachsenen viel stärker als Leistung (im Sinne von “was man aus seiner Intelligenz gemacht hat” – bei Studienstiftung und Konsorten brauchst Du mit einem hohen IQ-Test-Ergebnis gar nicht erst anzukommen, wenn die Noten nicht stimmen) konzipiert wird als bei Kindern (Hochbegabung = sehr hoher IQ). Beantwortet das so ungefähr die Frage?

    Liebe Grüße
    Tanja

  4. @Markus: Danke!

    Schade, dass die Veranstaltung nicht ganz gehalten hatte, was sie versprach! Danke auf jeden Fall für den Link. Habe die “Graue Substanz” bei der Gelegenheit gleich mal gebookmarkt, Du machst ja echt spannende Sachen …!

    LG Tanja

  5. @Tanja: noch radikaler

    >Beantwortet das so ungefähr die Frage?
    Eigentlich nicht so richtig: Ich verstehe durchaus das Problem mit den Meßfehlern. Was ich nicht einsehen kann, ist dasjenige, was du “den Witz” nennst.

    Ich denke, bevor Daten als messfehlerbehaftet einstuft, sollte man eine Idee davon haben, welche Quelle es für Abweichungen geben kann. Ohne eine Vorstellung von einer Störquelle sollte man Daten ernst nehmen. Intelligenz ohne Ausbildung ist gerade so ein Fall: Messe ich die meßfehlerbehaftete Intelligenz oder messe ich die durch Ausbildung (jeder Art, nicht nur Uni) herausgebildete Fähigkeit, einen bestimmten Typ von Aufgabe zu lösen?

    Denn ohne einen Grund, an die Existenz einer Fehlerquelle zu glauben, habe ich keinen Grund, an eine Form von Intelligenz i.S.e. Potentials zu glauben, daß hinter den verrauschten Daten nur schemenhaft erkennbar wäre.

    Solange also keine vernünftige Idee von Störungsquelle verfügbar ist, bleibt Intelligenz als Potential metaphysische Spekulation – eine Sache, die man als Wissenschaftler nicht machen sollte.

    Hochbegabung scheint ein schlagendes Gegenbeispiel zu meiner Argumentation zu sein. Aber die Frage ist doch, ob hier nicht eine petitio principii vorliegt: Wenn ich annehme, daß es Hochbegabung gibt, dann muß es eine Störung geben, die verantwortlich dafür ist, daß diese Art von Intelligenz versteckt ist (hidden intelligence). Aber will ich diese Hypothese nicht gerade erst bestätigen?
    Wenn es spezifisch verhaltensauffällige Kinder gibt, dann muß ich doch fragen, welche Informationen ein Test liefert, bevor ich aufgrund des Testausgangs das Prädikat “hochbegabt” ausstelle. Spezifisch verhaltensauffällige Kinder könnten doch auch einfach nur Kinder sein, die etwas außerhalb der gewohnten Institutionen gelernt haben, daß sie in die Lage versetzt, bestimmte Leistungen zu erbringen.

    Die Annahme einer fluiden Intelligenz wäre damit überflüssig.

    Ist ungefähr klar, was ich sagen will?

  6. @Elmar

    > Ich denke, bevor Daten als
    > messfehlerbehaftet einstuft,
    > sollte man eine Idee davon haben,
    > welche Quelle es für Abweichungen
    > geben kann.

    Absolut! Ist ja auch nicht so, dass wir uns darüber keine Gedanken gemacht hätten. Testangst, Tagesform, Gruppen- vs. Einzeltestung bis hin zum Geschlecht des Testleiters, es gibt eine ganze Reihe an Faktoren, die nachweislich das Ergebnis beeinflussen (wenngleich sie nicht immer adäquat berücksichtigt werden). Insofern ist es gar nicht so spekulativ wie Du befürchtest 🙂 Nach der Klassischen Testtheorie nullt sich der Messfehler mit steigender Stichprobengröße raus; im Einzelfall ist der gemessene Wert der beste Schätzer. Das ist auch der Grund, weshalb man das Vertrauensintervall dazuliefert (wahrer Wert liegt mit einer Wahrscheinlichkeit von p% zwischen x und y). Wir können den Schemen also schon ganz gut eingrenzen 🙂

    > Intelligenz ohne Ausbildung ist gerade
    > so ein Fall: Messe ich die
    > meßfehlerbehaftete Intelligenz oder
    > messe ich die durch Ausbildung (jeder
    > Art, nicht nur Uni) herausgebildete
    > Fähigkeit, einen bestimmten Typ von
    > Aufgabe zu lösen?

    Ist ja die Frage, was man haben will. Vielleicht ist es ja genau diese Fähigkeit, die man messen will. In gewisser Weise ist das eine Anpassung an die Gegebenheiten der Umwelt; insofern ist das schon ein wichtiger Faktor, der teilweise auch erklärt, warum Menschen mit hoher Testintelligenz im Mittel auch im Beruf erfolgreich sind, weil sie die Regeln durchschauen.

    Das mit den verhaltensauffälligen Hochbegabten musst Du mir aber noch mal erklären, ich glaube, da habe ich Dich noch nicht so ganz verstanden. Normalerweise schneiden die Verhaltensauffälligen (d.h. diejenigen, die so gelabelt werden) eher schlechter ab, ihr Potenzial wird also eher nicht erkannt. Bei Kindern mit Aufmerksamkeitsdefiziten beispielsweise kann man gewisse Anpassungen treffen (im CFT gibt es den Vorschlag, eine Schablone zu basteln, sodass derjenige dann nur die Aufgabe selbst sieht und nicht durch die anderen abgelenkt wird); dass ein Test die kognitiven Fähigkeiten aufgrund der “Fehlerquelle” Aufmerksamkeitsproblem nicht so gut abbildet wie bei Leuten, die das Problem nicht haben, kann man vermutlich nicht hundertprozentig abfangen, sondern nur versuchen, die Bedingungen für den Probanden so gut wie möglich zu gestalten, damit er die bestmögliche Leistung bringen kann.

  7. @Tanja: widerPorst

    Also, ich will es jetzt auch nicht kompliziert machen….

    ABER:

    Meine Befürchtung betrifft eine Spekulation der Psychologen über die Natur des menschlichen Geistes. Es kommt also nicht nur darauf an überhaupt mit irgendeinen Meßfehler zu rechnen, sondern mit einem der dich berechtigt, die Existenz eine Potential zu bejahen.

    Aber ok … ich kann meine Frage auch anders formulieren:

    Mein Verständnis (und das muß ja nicht richtig sein) war bisher, daß Intelligenztests Leistung messen. Sie können auch gar nichts anderes messen – egal, was man auch für Firlefanz betreibt.

    Wenn man mehr will als eine Aussage über intellektuelle Leistung, dann muß man sich ansehen, wie schnell und wie kreativ gelernt wird. Genau das testen als Intelligenztests nicht – jedenfalls, wenn man sich die üblichen MENSA-Test ansieht. Dort geht es – für mein Verständnis – darum, bekanntes Wissen in neuen Fragestellungen erfolgreich anzuwenden.

    Wenn das stimmt, dann lassen solche Intelligenztests keinen Schluß auf verborgene Fähigkeiten zu. Verborgene Fähigkeiten kann es geben, aber sie werden nur offenbar, wenn man checkt, wie die Kandidaten Neues lernen oder erfinden.

    “Nach der Klassischen Testtheorie nullt sich der Messfehler mit steigender Stichprobengröße raus”

    Handelt es sich möglicherweise um das Gesetz der großen Zahlen? Das handelt jedoch von einem Erwartungswert nicht von einem einzelnen Testergebnis.

    “im Einzelfall ist der gemessene Wert der beste Schätzer.”

    Das habe ich nicht verstanden und ich habe auch nicht sehr viel Vertrauen in diese Aussage.

    “Ist ja die Frage, was man haben will.”

    Nein, die Frage ist, was man aufgrund der Tests wissen kann.

    “Vielleicht ist es ja genau diese Fähigkeit, die man messen will.”

    Ja, aber kannst du sie messen? Das ist doch die Frage.

    In gewisser Weise ist das eine Anpassung an die Gegebenheiten der Umwelt; insofern ist das schon ein wichtiger Faktor, der teilweise auch erklärt, warum Menschen mit hoher Testintelligenz im Mittel auch im Beruf erfolgreich sind, weil sie die Regeln durchschauen.

    “Normalerweise schneiden die Verhaltensauffälligen (d.h. diejenigen, die so gelabelt werden) eher schlechter ab, ihr Potenzial wird also eher nicht erkannt.”

    Woher weiß man dann, daß sie eines haben?

  8. Tintenfisch-IQ?

    Bei der Infosuche für ein Seminar vor einiger zeit stiess ich auf ein tolles Beispiel “tierischer Intelligenz”: Wiederholt hatten Tintenfische in einer Beobachtungsstation nachts die Wasserzu- und Abblussschläuche ihres Aquariums abgeschraubt, vertauscht und wieder angeschraubt, schliesslich (laut Biologen) neugierig beobachtet, wie ihre Tierpfleger am nächsten Morgen den Schlamassel wieder aufräumten. Hier ein Bericht über Krähen, hier über interessant verkabelte Bodenbakterien: “The existence of networks of bacteria pulsing electrons among themselves suggests other eye-opening parallels. … “Almost by definition, there is some form of information flow between one part of biosphere to another,” … “I believe that there are electrically coupled biochemical processes going on in these microbial communities that are completely analogous to any brain chemistry that we know,” he says. That does not mean an individual bacterium can think, any more than a single neuron can think, he adds. “But hook a few hundred trillion of them in an electrically integrated circuit, and the only limits are those of our imagination.” Also: Hyperintelligente Aliens sucht man besser nicht mittels Seti, sondern konstruiert sie durch genmanipulierte, vorhandene Organismen (bei Tintenfischen bräuchte man wohl nur deren Lebenserwartung zu steigern, bei den Bodenbakterien die einfachen Signalverarbeitungsprozesse in Neuronen zu “ztransplantieren”).

  9. @Elmar, das gibt jetzt lange Quotes 😉

    > Mein Verständnis (und das muß ja nicht
    > richtig sein) war bisher, daß
    > Intelligenztests Leistung messen. Sie
    > können auch gar nichts anderes messen –
    > egal, was man auch für Firlefanz
    > betreibt.

    Klar, letzten Endes erfasst jeder Test die Leistung, die Testaufgaben zu lösen. Ob das aber alles ist oder ob dem andere, möglicherweise komplexere Konstrukte zugrunde liegen (im Sinne einer allgemeinen kognitiven Fähigkeit), lässt sich ja durchaus auch statistisch erfassen, Stichwort Faktorenanalyse. Anders gesagt, es ist eine Frage der Betrachtungsebene: Auf der einen Seite habe ich die Fähigkeit, die Zahlenreihe 2, 4, 6, __, __ korrekt fortzusetzen; auf der anderen Seite liegt dem möglicherweise dasselbe Konstrukt zugrunde, das es einem auch ermöglicht, grafische Analogieaufgaben zu lösen, fehlende Elemente in einem Bild zu erkennen etc., sprich, allgemeine Intelligenz.

    > Wenn man mehr will als eine Aussage
    > über intellektuelle Leistung, dann muß
    > man sich ansehen, wie schnell und wie
    > kreativ gelernt wird.

    Das Verhältnis Intelligenz/Kreativität ist ein Fass, das ich an dieser Stelle mal lieber zu lasse 😉 Aber ich würde Dir insofern zustimmen, als eigentlich jeder Intelligenztest auf das Produkt (gelöste Aufgabe) abhebt und nicht auf den Prozess, was eigentlich viel spannender wäre.

    >> “Nach der Klassischen Testtheorie
    >> nullt sich der Messfehler mit
    >> steigender Stichprobengröße raus”

    > Handelt es sich möglicherweise um das
    > Gesetz der großen Zahlen? Das handelt
    > jedoch von einem Erwartungswert nicht
    > von einem einzelnen Testergebnis.

    Ganz genau, es ging mir hier um die Populationsebene. Um den Einzelfall ging es mir mit dem folgenden Satz:

    >> im Einzelfall ist der gemessene Wert
    >> der beste Schätzer.”

    Für den Einzelfall nehmen wir dann an, dass der gemessene Wert die Fähigkeit schon ganz gut trifft. Plusminus Konfidenzintervall, wie geschrieben.

    >> “Ist ja die Frage, was man haben will.”

    > Nein, die Frage ist, was man aufgrund
    > der Tests wissen kann.

    IQ ist ja nicht gleich IQ! Wenn ich gerade das erworbene Wissen erfassen will, ist das doch etwas ganz anderes, als wenn ich das Erkennen von Regeln in unbekannten Kontexten erfassen will.

    >> Normalerweise schneiden die
    >> Verhaltensauffälligen (d.h.
    >> diejenigen, die so gelabelt werden)
    >> eher schlechter ab, ihr Potenzial wird
    >> also eher nicht erkannt.”

    > Woher weiß man dann, daß sie eines
    > haben?

    Durch Beobachtung von Diskrepanzen, z.B. heterogene Leistungsprofile in Abhängigkeit vom Kontext, der Tagesform … Das lässt Schlüsse darauf zu, dass derjenige zu besseren Leistungen in der Lage wäre. Wenn jemand mit AD(H)S seine “Nische” gefunden hat, stimmt auch die Leistung; die Schule ist dagegen kein besonders geeigneter Kontext. Ich hatte mal ein hochbegabtes Kind mit schwerer ADHS, eine Nervensäge sondergleichen, der aber ab und an derart brilliante Kommentare von sich gab, dass klar war, da ist deutlich mehr dahinter.

    LG Tanja

    P.S.: Die Klassische Testtheorie ist ja im übrigen auch nur eine; inzwischen werden auch mehr und mehr Tests nach der probabilistischen Testtheorie konstruiert, das wäre aber jetzt echt ein Riesenfass 😉

  10. @T: Sehr cool!

    Hallo T., das mit den Tintenfischen ist ja klasse! :)) Das Krähenexperiment erinnerte mich an Köhlers Einsichtsversuche mit den Affen, dem Stock und der Banane. Überhaupt tolle Tiere, diese Krähen … im Herbst beobachte ich sie immer mal wieder dabei, wie sie Walnüsse auf die Straße werfen und dann fressen, nachdem ein Auto drübergefahren ist (natürlich nur, wenn grade kein Auto kommt, das beobachten die schon sehr genau!).

    Das mit den Bakterien klingt faszinierend, leider komme ich nicht an den kompletten Artikel … haben Sie da irgendwie Zugriff drauf?

  11. @Baudson:

    Mein kostenloser Zugang auf den Bakterienartikel ist leider schon abgelaufen, aber hier und hier andere Artikel darüber. Die “Nanodrähte” dienen offenbar zur Ableitung von durch die Atmung unter Sauerstoffmangel als Müll ansammelnden Elektronen, aber es wäre schon komisch, wenn die Evolution es dabei hätte bewenden lassen. Interessant finde ich auch frühere Meldungen über angebliche Beobachtungen solcher “Nanodrähte” in menschlichem Gewebe. Wenn dem so wäre, und die übliche Überlagerung alter Srukturen mit neuen Funktionen auch da geschehen sein sollte, hätte das wohl eine Revolution in der Medizin (und Neurologie) zur Folge.

  12. @Diederichs, Baudson:

    Hier ein interessanter Artikel über die, nicht auf einfache “Die Wissenschaft hat gezeigt”-Aussagen reduzierbare, Schwierigkeit, experimenteller Forschung. (Erinnert mich an Stanislav Lem’s “Solaris”, wo ähnliches über Experimente mit dem “Ozean” erzählt wird. Der “Ozean” der Geschichte ist ein Äquivalent des menschl. Geistes und der Menschheit überhaupt. Lem war als ausgebildeter Psychiater, der sich experimentell mit der HB-Forschung beschäftigte, gegenüber experimentiertechnischen Simplizismen sehr skeptisch.)

  13. … und heute ein wortreicher Hund:

    Hier “Researchers at Wofford College discovered that a Border Collie comprehends the names of over 1000 objects, differentiating between names of objects and orders to fetch them. This research deepens the findings of researchers in Germany, who had discovered a dog that knew the names of a couple of hundred objects. Important questions were left open as to how far a dog could go, and whether the dog really understood that the object names were nouns and not commands to retrieve the object. ” Erstaunlich, denn dies über die Sprachverarbeitung im kleinkindlichen Gehirn weist auf die genetische Besonderheit menschl. Sprache hin. Leider sind höhere Urteilsfähigkeiten wohl nicht jedem mitgegeben, wie diese Studie zum basalen Wissenschaftsverständnis von College-Studenten andeutet.

  14. @T: Trauen wir unseren Tieren zu wenig zu?

    Die Studie mit dem Collie ist ja klasse. Ich stelle mir auch die Frage, wie man überprüfen kann, ob er jetzt versteht, dass das Wort ein Nomen und kein Befehl ist. Bei kleinen Kindern beispielsweise unterliegt die Entwicklung der Syntax ja auch gewissen Regelhaftigkeiten, sodass etwa im Zweiwortstadium dieselbe Wortkombination ganz Unterschiedliches bedeuten kann. Klassisches Linguistenbeispiel: “Mommy sock.” Kann heißen: Mama trägt Socken; Mama guck mal, da liegt eine Socke; Mama, zieh mir die Socken an, etc.

    Freie Assoziation mit einem englischen Radiocartoon: “What if the universe was slightly different – Today: What if dogs could talk?”
    – Rover! Sit!
    – Okay.

    😉

  15. Ich persönlich finde den Hund intelligenter, da er als Wachhund sowie als Polizeihund eingesetzt werden kann und abgerichtet werden kann. Eine Katze ist einfach nur ein Sträuner.

  16. @T: Habe herzlich gelacht …

    … der Hund ist ja klasse 😀 Und mit den Tonclustern geht es ja fast als E-Musik der Moderne durch … Und das mit den Bakterien finde ich ziemlich cool. Dass man auf der Grundlage wirklich eine Auswahl der “guten” Bakterien treffen kann, finde ich spannend!

    LG Tanja Gabriele Baudson

  17. ein “universeller” IQ-Test:

    Hier eine Meldung über einen Versuch, einen “universellen” Test zu entwickeln. Die Idee, die Kolomogorov-Komplexität dafür zu benutzen, ist allerdings so naheliegend, dass ich mich wundere, dass das noch nicht zucor gemacht worden sein soll.

  18. tierische Grammatiken:

    Bislang hält man grammatikalische Strukturen wohl noch für spezifisch menschlich, hier eine Studie, die das bezweifelt.

  19. Artikel zu tierischem Denken:

    Hier ein New Scientist Artikel zu “überraschend komplexen” Denkleistungen von Tieren. Z.Z. wohl nur Subskribenten frei zugänglich, normalerweise werden solche Artikel aber nach einiger Zeit frei verfügbar gestellt.

  20. ein besonders schlauer Tintenfisch:

    Allerdings nur als Fossilie bekannt, hätte angeblich “selbst Kpt. Nemo das Grausen gelehrt”. (link)

  21. ein extrem intelligenter Affe:

    “ANYONE who has pets suspects that some animals are smarter than others. Now, in tests on apes, systematic differences in intelligence have been found, similar to those discerned by IQ tests in humans. And one chimp seems to be off-the-scale smart compared with her peers – perhaps the first known chimpanzee prodigy.”:
    http://www.newscientist.com/article/mg21328574.300-chimp-prodigy-shows-signs-of-humanlike-intelligence.html

Schreibe einen Kommentar