Per Schokolade zum Nobelpreis?

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Intelligenz, Sonntagskinder und Schulversager
Hochbegabung

Derzeit werden wieder die Nobelpreise verliehen – Sie werden es mitbekommen haben. Passend dazu wurde gestern eine Studie von Franz Messerli aus der Schweiz veröffentlicht, in der er die statistischen Zusammenhänge zwischen Anzahl der Nobelpreise pro 10 Millionen Einwohner und den Schokoladenkonsum in Kilogramm pro Kopf und Jahr untersuchte. Die Befunde sind (zumindest für Schokoholics wie mich) äußerst vielversprechend, und ich möchte sie der geschätzten Leserschaft nicht vorenthalten.

Bestimmte pflanzliche Substanzen, nämlich eine Subgruppe der Flavonoide1 – die Flavanole – haben positive Wirkungen auf den menschlichen Organismus, insbesondere auf die kognitiven Funktionen: Sie tragen dazu bei, dass der altersbedingte kognitive Abbau langsamer verläuft, senken den Blutdruck im Gehirn und machen sogar Ratten schlauer. Flavonole kommen vor allem in leckeren Substanzen wie Kakao, Rotwein oder grünem Tee vor. Insofern ist es plausibel, dass Schokolade diesbezüglich positive Auswirkungen hat.

Messerlis Studie ist methodisch schlicht, die Idee jedoch originell: Er berechnete den statistischen Zusammenhang (die Korrelation) zwischen Schokoladenkonsum (hierzu konsultierte er die Statistiken des Verbandes schweizerischer Schokoladenfabrikanten und des Schokoladen- und Süßwarenverbandes der EU) und Anzahl der Nobelpreisträger pro Land. Die Werte, die eine Korrelation erreichen kann, liegen zwischen -1 (ein perfekt negativer Zusammenhang – wenn die eine Variable ansteigt, sinkt die andere exakt im gleichen Maße) bis +1 (beide steigen in exakt gleichem Maße). Eine Korrelation von 0 bedeutet, dass es keinen linearen Zusammenhang gibt. Messerli kam für die 23 Länder, die er untersuchte, auf einen hochsignifikanten Zusammenhang von .79 – das ist deutlich höher als der Zusammenhang zwischen Intelligenz und Schulleistungen, der bei etwa .50 liegt!

Erheiternd fand ich die trockene Interpretation seiner Befunde: “Anhand der Steigung der Regressionsgeraden [die den idealen statistischen Zusammenhang anzeigt; Anm. TGB] können wir abschätzen, dass man ungefähr 0,4 kg Schokolade pro Kopf und Jahr brauchen würde, um die Anzahl der Nobelpreisträger in einem gegebenen Land um 1 zu erhöhen. […] Die minimal effektive Dosis bewegt sich um etwa 2 kg pro Jahr, und die Dosis-Wirkungs-Kurve scheint bei der Höchstdosis von 11 kg pro Jahr das Maximum an Nobelpreisträgern noch nicht zu erreichen.” (Übers. TGB) 11 kg pro Jahr – das sind pro Tag etwa 30 Gramm, und das ist definitiv machbar, wie ich anhand eigener Daten aus todesmutigen längsschnittlichen Selbstversuchen bestätigen kann.

Natürlich besagt eine Korrelation nichts über die Ursache, und der Gesamtschokoladenkonsum eines Landes erlaubt auch keine Aussagen über den individuellen Konsum; trotzdem ein witziger Ansatz. Interessanterweise ist Schweden ein statistischer Ausreißer: In Anbetracht ihrer zahlreichen Nobelpreisträger essen die Schweden viel zu wenig Schokolade! Erfreulicherweise will der Autor seine Studien aber weiter verfolgen; ich bin sehr gespannt. Bis dahin lassen Sie sich’s schmecken!

1 Flavonoide sind eine spezielle Verbindung, die sich in Pflanzen findet und durch die Nahrung aufgenommen werden. Die meisten Blütenfarbstoffe sind Flavonoide (von lat. flavus = “gelb”). Detailliertere Informationen finden sich in der Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Flavonoide

Literatur:

Messerli, F. H. (2012). Chocolate consumption, cognitive function, and Nobel laureates. The New England Journal of Medicine. doi: 10.1056/NEJMon1211064

Online unter http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMon1211064

 

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Dr. rer. nat. Tanja Gabriele Baudson ist Diplom-Psychologin und Literaturwissenschaftlerin. Seit Oktober 2017 vertritt sie die Professur für Entwicklungspsychologie an der Universität Luxemburg und ist als freie Wissenschaftlerin mit dem Institute for Globally Distributed Open Research and Education (IGDORE) assoziiert. Ihre Forschung befasst sich mit der Identifikation von Begabung und der Frage, warum das gar nicht so einfach ist. Vorurteile gegenüber Hochbegabten spielen hierbei eine besondere Rolle - nicht zuletzt deshalb, weil sie sich auf das Selbstbild Hochbegabter auswirken. Zu diesen Themen hat sie eine Reihe von Studien in internationalen Fachzeitschriften publiziert. Sie ist außerdem Entwicklerin zweier Intelligenztests. Als Initiatorin und Koordinatorin der deutschen „Marches for Science“ wurde sie vom Deutschen Hochschulverband als Hochschullehrerin des Jahres ausgezeichnet. Im April 2016 erhielt sie außerdem den SciLogs-Preis "Wissenschaftsblog des Jahres".

12 Kommentare

  1. Statistik

    Es wäre jetzt interessant zu erfahren, wie die Anzahl der Nobelpreisträger mit der Wirtschaftskraft eines Landes korreliert und ob es einen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Leistung und Schokoladenkonsum gibt.

    Bis dahin: Erst mal entspannen, erst mal Suchard.

  2. Keine Milchschokolade

    Die Polyphenole aus Tee und Kakao werden durch den Zusatz von Milch in ihren Wirkungen blockiert, weil das Kasein der Milch einen hohen Gehalt an Prolin hat.

    Zwischen der Aufnahme von Polyphenolen und der Aufnahme von Milch sowie anderen Protein enthaltenden Substanzen sollte man eine Pause einlegen.

  3. Schokolade, BIP, IQ, Juden + Nobel

    Wirklich einen erhellende Studie, die Schoko-Nobel-Korrelationsstudie. Im Bereich Medizin-/Psychologie gibt es wohl hunderte ähnlich gelagerte Studien, die sich von der Schoko-Nobel-Studie nur dadurch unterscheiden, dass nicht Schokolade sondern irgend etwas anderes zufällig oder nicht zufällig Korrelierendes im Zentrum steht.

    Im Zusammenhang mit dem Nobelpreis erinnere ich mich an die immer wieder erwähnte hohe Korrelation von Judentum und Nobelpreis.
    “Wenn man die Statistik der Nobelpreise genauer betrachtet, zeigt sich Erstaunliches. Es gibt 16 Medizin-, 21 Chemie- und 35 Physiknobelpreisträger jüdischer Abstammung. Prozentuell ergibt das folgende Anteile: Medizin 9,2 %, Chemie 15,2 % und Physik 21,2 %. Insgesamt sind 15,1 % aller Nobelpreisträger in den klassischen Wissenschaftsbereichen Juden.”

    Dabei machen Juden nur 2 Promille der Weltbevölkerung aus. Ungerecht wird es aber, wenn man dann noch folgendes weiss: “Aus dem arabisch-islamischen Kulturkreis mit etwa 20 Prozent der Weltbevölkerung kommen insgesamt nur 8 Nobelpreisträger”

    Verkürzt:
    Juden Nobelpreisträger, Araber Analphabeten.

    Oft wird diese Korrelation mit der überragenden Intelligenz der Juden erklärt. Glaubhafter ist wohl eher die Erklärung mit der grossen Bildungsbereitschaft vieler Juden, was sich vielleicht durch den Kosmopolitismus erklären lässt, der vielen Juden die Heimat in der Bildung und nicht in der Scholle gibt.

  4. Schokolade und Nobelpreise

    Wenn also mehr Nobelpreise errungen werden sollen, dann muß eine Campagne her: Alle Leute, ob Chef der Deutschen Bank oder Müllwerker, müssen einfach mehr Schokolade essen. Oder? Wie die dadruch aufgenommene Schoko-Gescheitheit von den genannten Personen auf den Nobelpreisträger übertragen werden, bleibt bisher noch das Geheimnis des Herrn Messerli.
    Ob es auch einen Zusammenhang gibt, zwischen Rhesus-Faktor und Nobelpreis, oder der Anteil der Linkshänder in der Bevölkerung, oder gar wieviele Zugvögelrouten über das Land führen. Fragen über Fragen!
    Bleibt noch die Frage zu klären: Suchard oder Lindt-Sprüngli?

  5. Jews and Nobel Prize

    @ Tanja Gabriele Baudson

    Amüsante, aber in ihrer Harmlosigkeit kaum zu überbietende Geschichte. Was halten Sie denn von folgender Korrelation?:

    “At least 181 Jews and people of half- or three-quarters-Jewish ancestry have been awarded the Nobel Prize, accounting for 22% of all individual recipients worldwide between 1901 and 2010, and constituting 36% of all US recipients during the same period.”

    http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/jews_muslims_and_education/

  6. Äußerst originelle Geschichte

    @ Tanja Gabriele Baudson

    Amüsante, aber in ihrer Harmlosigkeit kaum zu überbietende Geschichte. Was halten Sie denn von folgender Korrelation?:

    “At least 181 Jews and people of half- or three-quarters-Jewish ancestry have been awarded the Nobel Prize, accounting for 22% of all individual recipients worldwide between 1901 and 2010, and constituting 36% of all US recipients during the same period.”

    http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/jews_muslims_and_education/

  7. Korrelationen etc.

    @Noah, das ist die Studie, die Martin Holzherr schon oben erwähnt hatte, oder? Ich würde daraus schließen: Bildungsnähe bringt’s wahrscheinlich noch mehr als Schokolade 😉

    Aber im Ernst: Im letzten Jahrhunderts gab es an vielen Universitäten sogar entsprechende Quoten, auf dass die jüdische Intelligenzia nicht an den amerikanischen Elite-Unis überhand nehme. Ist mir neulich im Zuge eines Soziologiekurses begegnet. Das dazugehörige Buch von Jerome Karabel (“The Chosen”) ist hochinteressant und teilweise echt gruselig.

    @Karl Bednarik: Danke für den Hinweis! Die 99%-Lindt-Schokolade ist übrigens sensationell. Neulich hatte ich mal eine Version mit Meersalz, die war auch ganz ausgezeichnet. Leider hat der Schokoladendealer meines Vertrauens diese aus dem Sortiment genommen, war wohl eher ein Nischenmarkt. Ich beobachte mal, ob sich durch die neuen Befunde da was tut.

  8. Bildungsnahe Gene

    @ Tanja Gabriele Baudson u. Karl Bednarik

    Natürlich gebietet es die political correctness, die ‘Bildungsnähe’ als Ursache für diese erstaunliche Disproportionalität verantwortlich zu machen.

    Tatsächlich ist Intelligenz doch wohl mindestens zu 50 % vererblich und die intensive Förderung von begabten und weniger begabten Kindern vergrößert die Intelligenzunterschiede bekanntlich noch.

    Da sowohl Juden als auch Muslime überwiegend Partner mit gleicher Religionszugehörigkeit wählen, können es doch nur die Gene sein, die für diese Disproportionalität verantwortlich sind, oder?

    Ich wünsche den Muslims natürlich, dass die Bildung einen höheren Stellenwert in ihrer Kultur erfährt. Dann werden sich allein aufgrund ihres hohen Anteils an der Weltbevölkerung die Chancen für muslimische Nobelpreisträger erhöhen.

    Förderlich wäre, wenn sie auch die 50 % ihrer Bildungspotenzials aktivieren würden, das bisher brach liegen, weil es mit weiblichen Genen verknüpft ist.

  9. Gene und Intelligenz

    @Geoman, das bestreitet niemand. Was in der Debatte allerdings oft übersehen wird: Die Einflussfaktoren verhalten sich nicht additiv zueinander, wie das die “50%” (die im übrigen ein Populationsparameter sind, der sich nicht auf Individuen übertragen lässt!) suggerieren. Tendenziell ist es so, dass intelligente Menschen (1) auch intelligente Partner haben, (2) tendenziell eine größere Bildungsnähe aufweisen. Bei den aschkenasischen Juden wurde das meiner Erinnerung nach sogar empirisch untersucht.

    Der Zusammenhang ist allerdings nicht perfekt, und genau das ist der Knackpunkt. Weil viele aber diese vereinfachte Sichtweise übernehmen, kommt es dann dazu, dass Vertreter bestimmter Religionen als weniger intelligent angesehen werden, hochbegabte Kinder aus bildungsferneren Familien übersehen werden und Personen wie Thilo Sarrazin Bestseller schreiben können. Ich finde, man muss erst mal schauen, was für einen Menschen da vor sich hat; und auch, wenn Vorurteile zweifelsohne den kognitiven Aufwand verringern, sollte man sich nicht allein auf sie verlassen. Mit political correctness hat das nichts zu tun.

  10. @Jens Scheidtmann

    Sehe ich auch so – aber originell finde ich es auf jeden Fall. Auch wir Wissenschaftler brauchen ab und an ein bisschen Abstand vom Ernst des Lebens 😉

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