Adventskalender, Tag 22: 24 Gedanken und Wünsche für Hochbegabte

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Intelligenz, Sonntagskinder und Schulversager
Hochbegabung

Freuen Sie sich auch schon auf Weihnachten? Ich habe heute meinen letzten Arbeitstag für dieses Jahr und freue mich auf ein paar erholsame Tage – Sie hoffentlich auch! 🙂 Drei Türchen haben wir bis dahin noch vor uns. Schauen wir doch mal nach, was heute drin ist …

Das heutige Zitat macht mich etwas melancholisch. Marion schrieb mir folgende Erfahrung aus ihrer Schulzeit:

Meine Hochbegabung habe ich erst so richtig akzeptiert und testen lassen, als ich über 50 war. Noch heute kommen mir die Tränen, wenn ich an folgendes denke.

Ich war selten in der Schule. Schon im 2. Schuljahr habe ich angefangen zu schwänzen. Als ich sporadisch die Realschule besuchte, entdeckte ich den in den Tisch geritzten Satz “Hier verblödet ein Genie!” Mir schossen direkt die Tränen in die Augen. Ich konnte das aber nicht richtig einordnen. Ging es allen meinen Mitschülerinnen und Mitschülern so wie mir, wenn sie das lasen? War ich überheblich, wenn ich dachte, ich würde hier verblöden? So gut war ich doch gar nicht in der Schule. Dieser eingeritzte Satz hing mir noch lange nach – eigentlich bis heute.

Was mich daran so berührt hat, ist diese deutliche Dissonanzerfahrung: ein junger Mensch, der irgendwie spürt dass das Konzept “Genie” mit ihm zu tun hat und gleichzeitig so voller Zweifel ist, weil sich das Potenzial ja augenscheinlich noch nicht entfaltet hat – und folglich auch die Anerkennung von außen versagt bleibt. Ich könnte mir gut vorstellen, dass das eine bislang noch unterschätzte Quelle der (Hoch-)Begabungsdiagnostik ist, die sich weiter zu beforschen lohnt!

Mich freut es zumindest für Marion, dass sie mit der Testung die Sicherheit bekommen hat, dass der Spruch auf dem Tisch tatsächlich etwas mit ihr zu tun hatte. Und allen Hochbegabten wünsche ich, dass sie ebenfalls dieses Zutrauen in ihre Begabung entwickeln können!

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Dr. rer. nat. Tanja Gabriele Baudson ist Diplom-Psychologin und Literaturwissenschaftlerin. Seit Oktober 2017 vertritt sie die Professur für Entwicklungspsychologie an der Universität Luxemburg und ist als freie Wissenschaftlerin mit dem Institute for Globally Distributed Open Research and Education (IGDORE) assoziiert. Ihre Forschung befasst sich mit der Identifikation von Begabung und der Frage, warum das gar nicht so einfach ist. Vorurteile gegenüber Hochbegabten spielen hierbei eine besondere Rolle - nicht zuletzt deshalb, weil sie sich auf das Selbstbild Hochbegabter auswirken. Zu diesen Themen hat sie eine Reihe von Studien in internationalen Fachzeitschriften publiziert. Sie ist außerdem Entwicklerin zweier Intelligenztests. Als Initiatorin und Koordinatorin der deutschen „Marches for Science“ wurde sie vom Deutschen Hochschulverband als Hochschullehrerin des Jahres ausgezeichnet. Im April 2016 erhielt sie außerdem den SciLogs-Preis "Wissenschaftsblog des Jahres".

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