Theologie: Alles “nur Natur” oder “natürlich Natur”?

BLOG: Hinter-Gründe

Denk-Geschichte(n) des Glaubens
Hinter-Gründe

In grauer Vorzeit, in den 60-er Jahren, als ich Theologie zu studieren begann, wurde ich ziemlich schnell darüber belehrt: Was beim Wein gilt – am besten „naturrein“ –  das dürfe keinesfalls für die Theologie gelten, sie müsse rein von Natur bleiben. „Natürliche Theologie“ habe sich gründlich desavouiert: Darauf hätten sich die „Deutschen Christen“ in der Nazizeit berufen, um „Blut und Boden“, das Recht des Stärkeren damit zu begründen. Gegen sie hätten die Christen Recht behalten, die sich auf Offenbarung beriefen: auf Wahrheit, die sich der Mensch eben nicht selber ausdenken kann – Wahrheit senkrecht von oben.

Besonders Karl Barth und die Bekennende Kirche um ihn habe Recht bekommen. Denn sie beharrten gegen die damaligen Machtanmaßungen darauf, Gott sei eben nicht einzufangen in Stimmungen und Gefühlen (wie „Blut und Boden“); und gewaltige geschichtliche Ereignisse, zu denen etwa die Machtergreifung verklärt wurde, seien eben nicht Gottesoffenbarung. 

Gedenktafel Bekennende Kirche
Gedenktafel in Berlin-Kreuzberg
Bekennende Kirche

Damit verband sich etwas, das innerchristlich als eine Art "Religionskritik" verstanden wurde: In den Religionen werde der Weg von unten nach oben begangen – eben Gedanken, die aus religiösem Bedürfnis erwachsen. Damit sei aber der Mensch seinen Wünschen und Sehnsüchten ausgeliefert und bilde sich Gott ein nach seinen Bedürfnissen. Da habe Feuerbach durchaus Recht. Gott sei aber der „Ganz Andere“. Deshalb bekenne der wahre Glaube an Gott: seine dem menschlichen Zugriff unverfügbare Offenbarung, seinen Weg von oben nach unten. Und das sei ein prinzipieller Widerspruch gegen menschliche Wünsche und Sehnsüchte, gegen Religion aufgrund menschlichen Wunschdenkens.
Nun, auf seine Weise bekam Barth auch Recht. Wenigstens politisch – lustigerweise und listigerweise gerade auch deshalb, weil seine Theologie sehr stark von seinem Schweizerischen Hintergrund her geprägt war, der ja zumindest gegen die Nazi-Ideologie resistent machen konnte. Wenn man so will, war es bei ihm doch eine „natürliche“ Vorgabe. Oder wie kommt er zu dem Satz, Geheimdiplomatie sei abzulehnen, denn sie sei keine gute Entsprechung zu Gottes Offenheit in der Offenbarung? Ich denke, an WikiLeaks hätte Barth seine Freude gehabt… Und er hatte wohl auch Recht in seinem Spott zu so manchen überschwänglich gefühlsbetonten Frömmigkeitsformen: Wenn etwa Leute gerne Jesus besingen mit „Ich in dir und du in mir“, bemerkte er: „Der fromme Übermut erlaubt sich alles“. Oder im Blick auf esoterische Religionsformen, die Anthroposophie: „Wer nicht hören will, muss fühlen“ – wer nicht der Offenbarung Gottes gehorcht, ist seinen Gefühlen ausgeliefert.

Die Abgrenzungen – nicht hilfreich
Aber mit solchen scharfen Abgrenzungen wurde die Theologie auch ziemlich steril, die Predigten korrekt und steif. Zumeist auch unkonkret. Allerdings an einer Stelle nicht: in moralischen Urteilen und in politischen Konkretionen, die (wie bei Barth die Ablehnung von Geheimdiplomatie) oft ziemlich unvermittelt aus der Offenbarungs-Botschaft entsprangen, wie Athene aus der Stirn des Zeus. War nicht selten, dass Pfarrer am Ostermorgen davon redeten, dass mit der Auferweckung Jesu Gott unsere Wirklichkeit gesprengt habe; und anschließend gingen sie zum Ostermarsch. Die Gemeindeglieder oft nicht; denn der Herr Pfarrer hat die gedankliche Vermittlung, wie denn der Ostermorgen und der Ostermarsch zusammenhänge, nicht bis zu ihnen rüber gebracht.
Die Sterilität der Theologie wurde allerdings nicht nur politisch aufgebrochen sondern auch durch humanwissenschaftliche Arbeiten und Einsichten aufgelöst. Spätestens für Unterricht und Seelsorge wurde ja schon immer Psychologie und auch Soziologie wichtig. Bis dato allerdings unter der Überschrift „Hilfswissenschaften“. Doch immer mehr zeigte sich, dass sie nicht nur bei Bedarf und nach Belieben herangezogen werden können, sondern dass sie auch allzu selbstverständliche theologische Denkvoraussetzungen kritisch zu hinterfragen lehren konnten, und mussten. Etwa in der Ethik: Wie kommt es, dass Menschen das tun können, was ihren Glaubensüberzeugungen entspricht? Und wie ist es damit, wenn Nietzsche bemerkt, die Christen müssten „erlöster aussehen“, um an ihren Erlöser glauben zu können? Irgendwo muss doch das, was als Wirklichkeit behauptet wird, an und mit den wirklichen Menschen wirksam werden. Die „existenziale Interpretation“ (Bultmann) tat ein Übriges: Von Gott zu reden fordert zugleich, vom Menschen zu reden.

Ja, und was ist der Mensch?
Das wurde mir jedenfalls wesentlich interessanter. Nun ja, es gab und gibt immer wieder in der Theologie verschiedene Entwicklungslinien. Ich denke noch mit mildem Spott an eine Unterhaltung mit einem sehr viel jüngeren Kollegen: Was ist der Ausgangspunkt theologischen Denkens? Seine Antwort war geschliffen klar: die Offenbarung des dreieinigen Gottes. Meine dagegen sehr viel schlichter: der leidende Mensch, der sich dennoch in dieser Welt zurechtfinden will und muss. Nun, der jüngere Kollege macht inzwischen Karriere. Ich will immer noch hinter die glatten Antworten schauen. Und ich gehe noch immer der Vermutung nach, dass man bei genauem Hinschauen auch in Religionen Wichtiges und Richtiges finden kann: Einsichten, in denen durch Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch Menschen sich verständigten und auseinandersetzten zu den Fragen ihres Menschseins. Einsichten, die  man zwar immer wieder kritisch hinterfragen aber doch nicht leichtsinnig verschütt gehen lassen müsste.

Corinth, Ecce homo
Lovis Corinth – Ecce homo

Mag sein, dass viele oder gar alle dieser Einsichten und Fragen – in Mythen und anderen Erzählungen, in Geboten und Rechtssätzen, in Sinnsprüchen, Gebeten und Liedern … verpackt – „nur“ der Natur des Menschen entsprechen; und mit ihr umzugehen versuchen. Mag auch sein, dass alles, was wir von Gott (oder Göttern) sagen können, unsere ganzen Gottesbegriffe… „nur“ anthropomorph, "nur" menschliche Aussagen sind. Dann sage ich: Wenn sie sich wirklich als das erweisen, das muss doch so schlecht nicht sein. Es gibt viele Einsichten und Fähigkeiten, die Menschen erfunden und entwickelt haben, und sie müssen sich dafür nicht schämen. Das Rad zum Beispiel oder die Schrift, auch der Gebrauch des Feuers und das Pulver – mit allen Risiken und Nebenwirkungen. Selbst die Musik entspricht  zwar ihrer Natur, ist aber in höheren Formen menschliche Erfindung. Und erweist sich gerade so als Gottesgabe.
Ja, Menschen haben aus ihren natürlichen Vorgaben Dinge und Zusammenhänge gewirkt, die weit über sie hinaus weisen und auch ihre Rückwirkungen auf die Menschen haben, denen man sich nicht so leicht entziehen kann.

"Um des Menschen willen" (Markus 2,27)

Doch nicht an der Objektivität „richtiger“ Gottesbegriffe (die gar unabhängig vom Menschen gültig bleiben sollen – wie denn auch?) oder an der Frage, wer das Zündhölzchen an den Urknall gehalten hat, entscheidet sich, was an religiösen Einsichten erhaltenswert ist. Sondern ob sie den Menschen gerecht werden.
Menschen müssen sich in den Zusammenhängen, die sie nicht er-funden sondern vor-gefunden haben, doch immer wieder zurecht-finden. Dazu haben sich Menschen im Lauf der kulturellen Evolution durch Versuch und Irrtum einige Fragen und Einsichten, auch vorbewusstes Wissen erworben. Wenn das als Ausgangspunkt der Religionen verstanden wird, dann wird man nicht allem Recht geben, was sich als „nur natürlich“ behauptet; aber natürlich der Natur ihr Recht anerkennen und sie im Licht der (in der jeweils eigenen Re(li)gion) gesammelten Fragen und Einsichten kritisch weiter denken. Darum geht’s in der Theologie.  

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Veröffentlicht von

Hermann Aichele Jahrgang 1945. Studium evang. Theologie in Tübingen, Göttingen und Marburg (1964-70), Pfarrer in Württemberg, jetzt im Ruhestand. Hinter die Kulissen der Religion allgemein und besonders des in den christlichen Kirchen verkündeten Glaubens zu sehen, das war bereits schon in der Zeit vor dem Studium mein Interesse: Ich möchte klären, was gemeint ist mit den Vorstellungen des Glaubens, deren Grundmaterialien vor Jahrtausenden geformt wurden - mit deren Über-Setzung für uns Heutige man es sich keinesfalls zu leicht machen darf und denen gegenüber auch Menschen von heute nicht zu leicht fertig sein sollten.

39 Kommentare

  1. Zuerst eine Verständnisfrage:

    “…dann wird man nicht allem Recht geben, was sich als „nur natürlich“ behauptet.”

    Was ist das sich “nur natürliche behauptende”?

    Und grundästzlich zum letzten Absatz:

    Worin unterscheiden sich Philosophie und Theologie?

  2. @all: nicht nur zugucken

    Normalerweise halte ich mich ja bei theologischen Themen zurück, aber in diesem Fall

    “Worin unterscheiden sich Philosophie und Theologie?”

    würde ich gerne mal assistieren. 🙂

  3. Verständnisfrage @Thomas

    “Nicht allem Recht geben, was sich als ‚nur natürlich’ behauptet“
    Damit dachte ich zunächst und direkt an den Rückblick auf die Nazi-Christen, die „Deutschen Christen“: Da wurde die „Stimme des Blutes“, „Blut und Boden“, das „Recht des Stärkeren“… schon als sehr natürliche Voraussetzung behauptet. Es hätte dem Blut und dem Boden wohl besser getan, wenn nicht so viele solchen Behauptungen aufgesessen wären.
    Überhaupt beriefen sich schon auch entsprechende Ideologen auf die angeblichen Erkenntnisse der Naturwissenschaft, und dies gegen die konservativen Vorbehalte der Religion(en). Na, manche Vorbehalte behielten dann doch Recht, aber nicht gegen die Naturwissenschaft sondern gegen deren Ideologisierung.
    Man könnte auf ganz anderer Ebene auch an solche Dinge wie Infantizid denken. Darüber provozierte ja schon einmal ein katholischer Bischof einen kropfunnötigen Schlagabtausch mit Schmidt-Salomon. Na, und jedem Ausagieren sexueller Bedürfnissen wird man auch nicht einfach Recht geben. Im Lauf der kulturellen Evolution wurden überall Regelsysteme entwickelt. Sie wurden zumeist in Religionen tradiert. Aber da auch des Öfteren schon zu starr zementiert. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse dürften auch mal in manche Betonköpfe eindringen, z.B. bezüglich Homosexualität.

  4. Philosophie – Theologie @Thomas und @Elmar Diederichs

    Danke der Nachfrage!Sie trifft einen wichtigen Punkt. Damit muss ich mich schon länger auseinandersetzen. Und eindeutige Grenzlinien kann ich nicht ziehen, will es auch nicht. Ich bin ja auch damit vorbelastet, dass Philosophie grundsätzlich, gewissermaßen „schon immer“, zur Ausbildung christlicher Theologen dazu gehört. Gewissermaßen als Verständigungs-Horizont, um mit den allgemeinen Begriffen der Menschen und den (Welt-)Beziehungen, in denen jeder sich vorfindet, eine gemeinsame Verstehens-Basis zu finden.
    Vermutlich steckt in der von beiden vorgebrachten, also doppelt unterstrichenen Frage noch mehr: Wenn ich schon Theologie als Verstehen menschlicher Lebenszusammenhänge sehe – wo bleibt da das Eigene der Theologie? Oder ist es „nur“ mehr oder weniger von Menschen gemachte Weisheitslehre? Ich würde die Abgrenzung nicht an dieser Alternative sehen, ob offenbarte oder menschliche Weisheit. Eher so:
    Philosophie ist wirklich Lehre, die man als Theorie vermitteln und einsehen kann und sich selbst dann auch entsprechend dieser Erkenntnis verhalten. Vergleiche Ernährungslehre, Gesundheitslehre… – Gesamtwissen, Nachdenken über bestimmte Zusammenhänge.
    Theologie ist für ihr Verstehen zunächst einer bestimmten Quelle/Tradition verpflichtet. In den Religionen gibt es geschichtliche (oder als geschichtlich behauptete) Ereignisse, Personen…, deren Auswirkung auf bestimmte Personengruppen erzählt, gefeiert oder sonstwie vergegenwärtigt wird. Religionen sind Lebensgestaltung. Es gehören gewisse gemeinsame Rituale, Lieder, Feste… dazu. Und deren Begründungszusammenhänge werden in der Theologie durchdacht.
    Insofern nicht nur intellektuell vermittelte Weisheitslehre. Aber die gehört immer mit hinein.
    Manchmal werden in der christl Theologie auch bestimmte von außen kommende Lehren als „Philosophie“ (Kol 2,8) abgewehrt und andere positiv aufgenommen (Apg 17). Zu Ersterem: Christliche Theologie ist eben dann nur Philosophie, wenn der gemeinsame Bezugspunkt verlassen wird (in dem Fall: dass Jesus der Heilsbringer ist), oder aus entsprechender Lebensgestaltung nur interessante aber unverbindliche Theorien werden; dh solche Theorien, die Menschen nicht im Sinn des gemeinsamen Bezugspunktes zu entsprechender Lebensgestaltung verbünden.

  5. vielen Dank für die ausführlichen Antworten.

    Wahrscheinlich würde Ihr jüngerer Kollege sagen, dass so eine Theologie ein bisschen tot ist?

    Aber das Bild, das Sie hier zeichnen ist ziemlich deckungsgleich mit dem, was ich habe und auch sehr sympathisch finde.

    Ich frage mich halt nur manchmal, ob es Theologie überhaupt noch braucht?

    Als Kirchenmusiker (angestellt in beiden Konfessionen) höre ich ziemlich viele Predigten… (zu) oft wünsche ich mir mehr Verbindlichkeit, selten geht es über das Wiederkäuen von und Ausruhen auf schon Gedachtem hinaus.

  6. Das greift weit aus @Thomas

    Da sprechen Sie, Thomas, vielerlei Themen an. Nun, schon manche Theologie wurde für „ein bisschen tot“ erklärt, oder auch zum Totengräber Gottes. Könnte man ja einen Wettstreit anfangen.
    Was Sie über das “Wiederkäuen von schon Gedachtem“ und dem Ausruhen schreiben – das hat zum Teil ganz banale praktische Ursachen: Pfarrer müssen im Allgemeinen an zu vielerlei gleichzeitig denken und können deshalb oft inhaltlich nicht (mehr) weit denken. Das Schlimme ist, dass viele auch nicht erwarten, dass Leute mehr erwarten. Und eher auf mehr Show abfahren als auf Denkarbeit. Man müsste es ihnen signalisieren. Schließlich kann man mit allgemeinen Richtigkeiten auch nicht so sehr anecken und braucht seine Kräfte für anderes. Sie haben als Kirchenmusiker wohl da auch einige Kollegen im Blick, auf die das passt. Ich jedenfalls habe volles Mitgefühl für die, die als Ackergäule noch im Geschirr hängen.
    Ihre Frage, “ob es Theologie überhaupt noch braucht“, die greift weit aus. Und das bringt mich drauf, dass ich daraus mal – hoffentlich bald – einen eigenen Blogbeitrag machen könnte.
    Kurz wenigstens so: Es geht nicht um die Theologie, aber darum: dass aus den „kulturellen Schatzkammern der Menschheit“, die – frei nach Schmidt-Salomon (!), Religionen (neben vielem anderen) eben auch sind – dass daraus nicht einfach unbesehen alles verschütt geht sondern verantwortlich weitervermittelt wird. Und dass die Feste, die die Leute feiern und die Riten, die sie wollen, nicht nur besinnungslose Show sind, sondern Werte vermitteln: gute individual- und gruppenpsychologische Haltungen stärken.

  7. Ich habe auch sehr grosses Verständnis für die Herren und Damen Pfarrer. Wer Beerdigungen, Sitzungen usw. usf. unter einen Hut bringen will und dann noch eine gute Predigt schreibt… Hut ab.

    Wie überall sind auch die Kirchgänger unterschiedlich. Der eine will das “lebendige Evangelium” vekründet haben, der andere eine schöne Stunde in Gemeinschaft erleben und jener Kopfarbeit leisten.
    Ich bin froh, muss ich diesen Spagat nicht vollführen.

    Ich bin sehr gespannt auf Ihren künftigen Blogbeitrag. Als Kirchenmusiker ist man ja auch sehr um Kulturbewahrung bemüht. Bei mir ist aber ausschliesslich (!) ein historisches Interesse damit verbunden (neben monetären und sozialen natürlich).

    Wie sieht das denn bei Ihnen aus?

  8. @Aichele: Abgrenzung

    “Ich bin ja auch damit vorbelastet, dass Philosophie grundsätzlich, gewissermaßen „schon immer“, zur Ausbildung christlicher Theologen dazu gehört.”

    Das finde ich überraschend – obwohl ich nicht ausschließe, daß der tiefere Grund dafür meine Unkenntnis auf diesem Gebiet ist.

    Denn obwohl ich kein Kriterium für die Unterscheidung zwischen Wissenschaft und Nicht-Wissensschaft anbieten kann, würde ich Philosophie und sicher auch Religionswissenschaft zu den normalen Wissenschaften zählen. Theologie hingegen nicht, denn soweit ich das verstanden habe, geht es da nicht um Wahrheit.

    Es mag sein, daß z.B. ein Seelsorger von einer philosophischen Grundausbildung profitiert. Aber deshalb gibt es noch lange keinen systematischen link zwischen Leuten, die die intellektuellen Rätsel beackern, die eine Kultur zu einem bestimmten Zeitpunkt interessieren, und Leute, die eine Ideologie verwalten oder irgendeinen Schamanismus oder einen beliebigen anderen Aberglauben.

    “Wenn ich schon Theologie als Verstehen menschlicher Lebenszusammenhänge sehe”

    Ich finde das völlig überraschend: Da ich keinen Unterschied sehe zwischen Glauben und Abeglauben, kann ich selbst dann, wenn ich der wenig plausiblen These einer psychologischen Natur der menschlichen Spezies folge, keinerlei apriorischen Zusammenhang zwischen Theologie und den Organisationsformen des menschlichen Lebens sehen.

    “Oder ist es „nur“ mehr oder weniger von Menschen gemachte Weisheitslehre?”

    Weisheit? Weisheit hat doch was mit Wahrheit, mit Argumenten oder mit Aufklärung zu tun? Gibt es etwas, was dem Glauben ferner liegt und damit der Theologie fremder ist?

    “Theologie ist für ihr Verstehen zunächst einer bestimmten Quelle/Tradition verpflichtet.”

    Das macht für mein Verständnis schon mehr Sinn. Natürlich waren und sind die meisten Menschen in irgendeinem Sinne religiös. Religionswissenschaft ist immer auch eine historisch interessierte Kulturwissenschaft. Aber – und das ist das Entscheidende – es fehlt einfach bei der Theologie der Wahrheitsanspruch. Und das läßt sich auch nicht dadurch wegdiskutieren, daß man künstlich neue Wahrheitsbegriffe einführt.

    “Religionen sind Lebensgestaltung.”

    Das verstehe ich und es leuchtet mir auch ein.

    “Und deren Begründungszusammenhänge werden in der Theologie durchdacht.”

    Das halte ich für eine unfaire Behauptung: Hier wird “Begründung” eingeschmuggelt und dieses Wort gehört da einfach nicht hin.

    “Insofern nicht nur intellektuell vermittelte Weisheitslehre. Aber die gehört immer mit hinein.”

    Mir scheint dieser Anspruch notorisch uneingelöst zu sein.

    “Christliche Theologie ist eben dann nur Philosophie, wenn der gemeinsame Bezugspunkt verlassen wird (in dem Fall: dass Jesus der Heilsbringer ist),”

    Nein, das diese Behauptung ist nun wirklich fahrlässig. Wie kommen Sie darauf?

  9. Sehr schön!

    Lieber Hermann,

    das ist ein sehr schöner Text!

    Erlaubst Du mir, meinen Wunsch – als evangelischer Laie – an die Theologie zu formulieren?

    Ich würde mir eine Theologie wünschen, die Gott als Schöpfer ernst nimmt – und gerade deswegen keine Furcht, sondern Neugier im Bezug auf Naturwissenschaften hat.

    Die sich dabei aber auch treu bleibt und nicht jeder (immer vorläufigen!) Erkenntnis der Naturwissenschaft nachläuft.

    Die sich als Partnerin der Forschenden versteht, lobt, aber auch kritisiert, und nicht entweder als ihre Königin oder Dienerin.

    So würde ich mir Theologie (im Bezug auf Naturwissenschaft) wünschen…

  10. @Elmar & @Thomas

    Ganz einfach: Wenn jemand behauptet, an eine(n) Schöpfer des Universums zu glauben, dann aber Angst vor Erkenntnissen der Naturwissenschaften hat, so empfinde ich das als zutiefst unglaubwürdig.

    Klar: Unser Erkennen ist immer begrenzt, wissenschaftliche Befunde sind immer vorläufig und überbietbar. Aber reflektierte Vorsicht gegenüber überzogenen Ansprüchen ist halt nicht das gleiche wie Angst -> Augenhöhe.

    Als Gegenbeispiel empfinde ich z.B. Gottesbilder, wonach Gott zwar das Universum geschaffen habe, es aber leider nicht richtig funktioniert. Deswegen müsse Gott z.B. an Bakterien Flagellen anschrauben, Augen einpflanzen und sonst halt nachhelfen wie jeder andere pfuschende Handwerker auch…
    http://www.chronologs.de/…n-wirklich-intelligent

    Mag sein, dass sich manche einfach keinen komplexeren Gott vorstellen können, aber so etwas empfinde ich als wenig überzeugend… 😉

  11. @Elmar Diederichs

    Da haben Sie mich aber überrascht. Denn Sie müssen sich doch weit besser mit Theologie auskennen, als das Ihr Post impliziert. Sicher haben Sie sich doch bei Ihrem Studium mit Augustinus und Thomas von Aquin beschäftigt (beschäftigen müssen). DAS ist Theologie, nichts anderes. Und so sieht die “akademische” Theologie auch heute aus, wo Menschen eben “intellektuellen Rätsel beackern, die eine Kultur zu einem bestimmten Zeitpunkt interessieren”, was ja auch Glaubensfragen einschließt. Und soweit ich die heutige, sagen wir mal, universitäre Theologie kenne, geht es dort fast ausschließlich um Begründungen, die bestimmten Glaubensätzen ein rationales, philosophisch nachvollziehbares Fundament liefern sollen oder aber werden die Glaubenssätze so reformuliert, dass sie unter diese Kriterien passen. Natürlich können Sie von philosophischer Seite diese Argumentationsketten auseinandernehmen und zeigen, sie seien völliger Quatsch, aber ihnen einen Wahrheits-Anspruch zu verwehren ist unsinnig. Nun, ist das aber eine Richtung. H. Aichele, gehört, so viel ich das verstanden habe, zu einer ganz anderen, der all dieses akademisches Philosophieren zu weit von den alltäglichen Kontextes der Religion und dem konkreten menschlichen Leben sind und die auch bewusst andere Begriffe verwendet (siehe H. Aicheles wunderbaren Post über die Jungfrauengeburt). Mir persönlich liegen beide Richtungen am Herzen, sowohl die, die “Gott als Schöpfer ernst nimmt”, als auch die, die radikal vom Menschen mit seinem konkreten Leid ausgeht und ich schaue mich gerne bei beiden um, ohne sie aufeinander zu reduzieren. Aber es ist doch bemerkenswert und erfreulich, dass auch H. Aichele, trotz seiner Herangehensweise einen bestimmten Wahrheitsanspruch wohl für wichtig hält.

  12. Was manche denken, ob Theologen denken @Elmar Diederichs

    Das mit der Wissenschaftlichkeit der Theologie ist eine eigene und jetzt hier von Dir/Ihnen neu aufgeworfene Frage. In der gebotenen Kürze ist’s wohl kaum möglich darauf einzugehen. Sie ist ständige Begleiterin ernsthafter Theologie. Sie lässt sich jedenfalls nicht so leicht wie der „Gordische Knoten“ lösen. Bzw. diese Lösung wäre keine Lösung. Ich mache auch darauf aufmerksam, dass Naturwissenschaft nicht zum Maßstab aller Wissenschaft erklärt werden sollte. Und zumindest innerhalb der Theologie, in Teildisziplinen wird Forschung betrieben, die der Geschichtswissenschaft, Kulturwissenschaft und Philologie durchaus auf gleicher Augenhöhe begegnen kann, ja auch schon Maßstäbe setzte. Zudem haben in Personalunion viele Theologen schon (andere) Wissenschaft betrieben, verstehen also zumindest einiges von Wissenschaftlichkeit.
    Eine andere Sache ist die Verlinkung zur Philosophie. Da müsste ich zunächst empfehlen, die Geschichte der europäischen Philosophie nicht auf ihre Beziehung zur Physik zu verkürzen. Philosophierende Theologen und theologisierende Philosophen begegnen hier durchweg, übrigens auch bei Physikern. (@N.Hagthorpe hat schon angemahnt, dass Sie das eigentlich besser wissen müssten. Danke!).
    Nun, Kant, soll gespöttelt haben: Philosophie als Magd der Theologie? Ja, früher habe sie der Theologie die Schleppe hinterher getragen, jetzt trage sie ihr das Licht voraus. Dieser Spott lässt sich auch nicht so leicht beiseite wischen, weiß aber noch sehr viel von der Verlinkung.
    Inhaltlich: Es geht natürlich in der Theologie um Wahrheit, um Wahrheitsanspruch. Es geht auch um Weisheit(slehre). Diese Begriffe kann man aus ihr gar nicht herausbrechen, ohne sie völlig zu verzeichnen. Das sind nicht künstliche, neu eingeführte Begriffe. Man kann ja mal in entsprechende Wortkonkordanzen sehen oder in den jüngst von Helmut Wicht vorgestellten “Ngram-Viewer” von Google. Ob die Ziele von Wahrheit und Weisheit dann auch wirklich getroffen werden, das ist seit Menschengedenken eine spannende Frage. Dabei muss ich wohl einem verkürzten Wahrheitsbegriff vorbeugen, der entsprechend dem binären Zahlensystem nur Ja und Nein kennt bzw. Wahrheit und Wirklichkeit verwechselt (hängt wohl auch mit dem andersartigen Bedeutungsfeld des englischen „true“ und „false“ zusammen).
    Zum Begriff „Wirklichkeit“ wäre es übrigens ja mal spannend, die Blogbeiträge des Mit-Bloggers (ausgerechnet BrainLogs (!)) Christian Hoppe zu Gemüte zu führen (z.B. „Wirklichkeit: Wortherkunft und alltäglicher Gebrauch“ und “ actualitas-omnium-actuum“), die aufzeigen, was da philosophierende Theologen schon gedacht und an Begriffen geprägt haben.
    Und darauf machte mich ein atheistischer Religionswissenschaftler aufmerksam: Ist doch interessant, warum schon das frühe Christentum sich mit der griechischen Philosophie auseinandersetzte und viel weniger mit der griechisch/römischen Volksfrömmigkeit/Religion. (Ohne diese Gegenüber wäre es nicht zu dieser philosophisch auch überfrachteten Dogmenbildung gekommen, das hat andererseits das Christentum auch vor dem Schicksal bewahrt, zu einer nur auf Show ausgerichteten Sekte zu verkommen).
    Ich las auch schon bei Hans Albert (und erwähnte es in meinem Blogbeitrag zum Sammelband Edgar Dahls „Brauchen wir Gott“), wie er eben auch als Atheist die geistige Arbeit, die in den mittelalterlichen „Gottesbeweisen“ steckt, zu würdigen weiß, jedenfalls nicht so leichtfüßig zur Seite wischt. Also, man kann auch anders, anderes wahrnehmen.
    Theologie als „Verstehen menschlicher Lebenszusammenhänge“ – das kann nur fraglich sein, wenn man „Lebenszusammenhänge“ (gesellschaftliche, indvidual- und gruppenpsychologische, die Zusammenhänge der Lebensstufen und Lebensalter und vieles mehr ) auf „Organisationsformen des menschlichen Lebens“ verkürzt. Klingt mir zu sehr nach biologischen/biochemischen Organisationsformen bzw. “L’homme machine”. Theologen widersprechen solchen Engführungen. Denn da geht’s um die Wahrheit, nicht nur um die vorfindliche Wirklichkeit des Menschen.
    Begründungen und Begründungszusammenhänge zur Lebensgestaltung gibt’s seit Menschengedenken. Gute und weniger gute. Da gibt’s nicht zu „schmuggeln“, sondern diese aufzugreifen, auf Lebenstauglichkeit zu sortieren und sie gegebenenfalls zu pflegen. Sie so zu bündeln und zu tradieren, dass man sich damit gemeinschaftlich verständigen kann – das war faktisch bisher Aufgabe der Religionen. Was schon in vorschriftlicher Zeit durch Volksüberlieferungen, Riten, Weisheitssprüche… lebte, haben in Schriftreligionen dann Theologen intensiver und systematischer durchdacht. Wenn es heute ergänzende und alternative Erkenntnisse gibt, so ist das noch lange kein Grund, zu denken, vorher sei nur Quatsch gedacht worden oder heutiges theologisches Denken sei auf dem Niveau Dawkins’ nur so etwas wie Glaube an Feen und Kobolde. Kluge Freigeister sehen, dass in Religionen „auch tatsächlich Wichtiges und Richtiges zu finden ist“ Schmidt-Salomon, der von Religionen sogar als „kulturelle Schatzkammern der Menschheit“ reden kann. Also, so geht’s auch. Ja, es ist gut, dass man auch die alten Menschheitstraditionen immer wieder kritisch hinterfragt, aber sich dabei auch auf positive Entdeckungen gefasst macht. Das kann dem Diskurs um die Menschlichkeit des Menschen nur gut tun.

  13. Bilder und Bedeutung

    Hallo Hermann,

    kannst Du etwas zu den Bildern deines Artikels sagen? Ich vermute das besondere Formen des menschlichen Leids dargestellt werden sollen. Aber vielleicht liege ich total daneben….

    Was soll dargestellt werden und was soll es bedeuten?

    Das Bild auf der Gedenktafel: Wer sind die Leute am Tisch? Sie schauen nicht sich an, sondern den Hängenden. Der an den Füßen aufgehängte Mann, mit dem Kopf nach unten: Das Motiv kenne ich von einer Tarotkarte (Achtung Esoterik!). Haben die Esoteriker das vielleicht vom Christentum geklaut?

    Das zweite Bild: Ich sehe einen Transvestit in rotem Kleid zwischen einem Arzt und einem Soldaten. Der Transvestit mit Blutspritzern im Gesicht und auf den Armen, das Rot bedeckt auch den Unterleib des Soldaten. Ein gelbes Band auf der Stirn des Arztes, die linke Schulter des Transvestits ist auch gelb.
    Das sieht ein bißchen aus wie Jesus auf dem Kreuzweg, aber ohne sichtbares Kreuz.

  14. N.Hagthrope

    “Sicher haben Sie sich doch bei Ihrem Studium mit Augustinus und Thomas von Aquin beschäftigt (beschäftigen müssen). DAS ist Theologie, nichts anderes.”

    Diese Bemerkung hilft meinem Verständnis weiter: Das Mentale z.B. wurde zuerst von Aristoteles als Disposition
    ausgegeben, Phänomene wie Wahrnehmen oder Wollen hervorzubringen und auszuüben. Die Konsequenz ist, daß mentale Zustände immer der Psyche und dem Körper gemeinsam zukommen. Augustin hat diese Dichotomie in systematischer Weise mit Hilfe der aus der Geometrie stammenden Metapher von Innen und Außen nacherzählt und uns mit der Idee auf die Reise geschickt, daß erst die Wendung nach Innen und die Entdeckung unseres inneren Wesens als Selbsterkenntnis den Aufstieg zur höchsten menschlichen Daseinsform erlaubt.

    Solche Ideen würde ich als metaphysische (philosophische) Spekulationen bezeichnen, die – so verstehe ich es ohne theologisches Vorwissen im Moment – sagen, wie Theologie betrieben werden soll. Und diese akademische Beschäftigung wechselwirkt natürlich auch mit religiösen Überzeugungen.

    “Und so sieht die akademische Theologie auch heute aus …. Und soweit ich die heutige, sagen wir mal, universitäre Theologie kenne, geht es dort fast ausschließlich um Begründungen, die bestimmten Glaubenssätzen ein rationales, philosophisch nachvollziehbares Fundament liefern sollen oder aber werden die Glaubenssätze so reformuliert, dass sie unter diese Kriterien passen.”

    AHA! Das verstehe ich ebenfalls. Wahrheit meint für Theologen nicht, zu begründen, daß diese ganze Geschichte von Gott und Schöpfung und der ganze Kram stimmt – das setzen sie einfach voraus – sondern, sie möchten (salopp formuliert) zwischen zwei verschiedenen Glaubenslehren unterscheiden: Als wahr wird diejenige Lehre bezeichnet, die szs. gewinnt.

    Hab ich das richtig verstanden?

    Das ist – im Vergleich zu demjenigen “begrifflichen Koordinatensystem”, daß ich bevorzuge – völlig anders: kein semantischer Wahrheitsbegriff mehr, sondern Wahrheit meint hier vielmehr sowas wie Kohärenz. Und auch die philosophischen Stützpfeiler sind völlig anders – intuitiv, fast phänomenologisch und vor allem: spekulativ, was überhaupt nicht als Nachteil empfunden wird.

    Richtig?

    “auseinandernehmen und zeigen, sie seien völliger Quatsch”

    Daß jede Art von Theologie oder Religiosität völliger Unsinn und ein Desaster des Intellekt ist, steht für mich außer Frage. Aber darum geht es hier überhaupt nicht. Es geht darum, das Selbstverständnis von Theologie zu erfassen.

    “dass auch H. Aichele, trotz seiner Herangehensweise einen bestimmten Wahrheitsanspruch wohl für wichtig hält.”

    So wie es im Moment aussieht, sollte man klären, was z.B. Wahrheit für Theologen besagt und wie legitim die o.g. Spekulationen sind. Theologen könnten sich vermutlich eine Menge Ablehnung ersparen, wenn sie sich da besser positionieren würden.

  15. @Aichele: Konstanten

    Das ist ja ein interessantes Wespennest, in das ich da gestochen habe.

    “Ich mache auch darauf aufmerksam, dass Naturwissenschaft nicht zum Maßstab aller Wissenschaft erklärt werden sollte.”

    Das ist wohl weniger eine notwendige Bemerkung als ein Vorbote von Vorteilen mir gegenüber …..

    “Da müsste ich zunächst empfehlen, die Geschichte der europäischen Philosophie nicht auf ihre Beziehung zur Physik zu verkürzen.”

    “Klingt mir zu sehr nach biologischen/biochemischen Organisationsformen bzw. “L’homme machine”.”

    …. und da sind die lieben Vorteile ja auch schon. 🙂

    “Zudem haben in Personalunion viele Theologen schon (andere) Wissenschaft betrieben, verstehen also zumindest einiges von Wissenschaftlichkeit.”

    Nein. Kein Physiker würde auf die Idee kommen, daß es immer dieselben Kriterien für wissenschaftliches Vorgehen gibt, unabhängig von dem Gebiet oder dem behandelten Thema. Dieser Hinweis bringt gar nichts.

    “@N.Hagthorpe hat schon angemahnt, dass Sie das eigentlich besser wissen müssten. Danke!.”

    Vielleicht lesen Sie mal, was er wirklich geschrieben hat? Im übrigen brauche ich gar nichts über Theologie zu wissen. Niemand kann das von mir verlangen und daß Sie das tun, ist ein erhobener Zeigefinger, der mich einfach nur aggressiv macht: Wir sind hier bei SciLogs. Hier diskutieren Laien mit Experten. Und das geht nicht so, daß Experten, Mahnung an Laien verschicken.

    So ein Verhalten können Sie sich vielleicht in einer Kirche erlauben, aber nicht hier.

    “Nun, Kant, soll gespöttelt haben:”

    Für ressentiments bin ich nicht zuständig.

    “Inhaltlich: Es geht natürlich in der Theologie um Wahrheit, um Wahrheitsanspruch. Es geht auch um Weisheit(slehre).”

    Ich hätte mir gewünscht, daß Sie klären, was damit gemeint ist, anstatt einfach nur auf Deutungshoheit zu beharren.

    Ist so ein Verhalten eigentlich charakteristisch für Theologen?

    “Diese Begriffe kann man aus ihr gar nicht herausbrechen, ohne sie völlig zu verzeichnen.”

    Hätten Sie für diese Behauptung auch eine Begründung? Oder brauchen Theologen die nicht?

    “Dabei muss ich wohl einem verkürzten Wahrheitsbegriff vorbeugen, der entsprechend dem binären Zahlensystem nur Ja und Nein kennt bzw. Wahrheit und Wirklichkeit verwechselt”

    Das sind doch alles nur schwammige Behauptungen. Was wir brauchen, um voranzukommen, sind keine Vorurteile und totale Unwissenheit über moderne Wahrheitstheorien, sondern einen Vorschlag darüber, welcher Wahrheitsbegriff wie mit welchem Verständnis von Wirklichkeit zusammenhängt und was das überhaupt bedeuten soll.

    Billiger ist Verständnis an dieser Stelle einfach nicht zu bekommen.

    “Zum Begriff „Wirklichkeit“ wäre es übrigens ja mal spannend, die Blogbeiträge des Mit-Bloggers (ausgerechnet BrainLogs (!)) Christian Hoppe zu Gemüte zu führen”

    Ja, danke, ich habe meine Hausaufgaben gemacht. Diese Beiträge waren so beschaffen, daß ich von vornherein keine Chance für einen Dialog gesehen habe – was als Euphemismus gemeint war.

    “Also, man kann auch anders, anderes wahrnehmen.”

    Offensichtlich fehlt mir dafür die Begabung.

    “Theologen widersprechen solchen Engführungen.”

    Klingt nach einem Nachweis persönlicher Anständigkeit: Meinen Glückwunsch.

    Bringt das in der Sache hier irgendwas?

    “Wenn es heute ergänzende und alternative Erkenntnisse gibt, so ist das noch lange kein Grund, zu denken, vorher sei nur Quatsch gedacht worden”

    Also, das sehe ich schon ein bißchen anders: Wenn ich z.B. lerne, daß Krankheiten durch Bakterien oder Viren verursacht werden und nicht durch Dämonen, dann denke ich, daß die Dämonentheorie Quatsch ist. Warum die Theologie ein anderes Schicksal erleiden sollte, weiß ich nicht – die notorische Selbstüberschätzung von theologisch Berufenen einmal ausgenommen.

    “Also, so geht’s auch.”

    Ja. Es wird so gemacht. Aber warum sollte das was Gutes sein?

    Mit dem Rest Ihres Kommentars kann ich leider überhaupt nichts anfangen. Ich vermisse auch neben der notwendigen begrifflichen Präzision das für mich selbstverständliche Forschen nach Neuem und Bezweifeln hergebrachter Überzeugungen. Was gebraucht wird, um mit mir zu reden, sind Argumente. Beteuerungen der eigenen Einstellungen und Mahnung über falsche Einstellungen gehören nicht in einen der Sache dienenden Diskurs.

    Und das ist eine moralische Feststellung.

    Ich möchte das Gespräch an dieser Stelle beenden und dieses Soziotop auf den Chronologs nicht weiter stören. Ich sehe keine Möglichkeit, wie wir miteinander fruchtbar reden könnten – eine Erfahrung mit Theologen, die nicht nur für meine Person eine Konstante ist: Viel Spaß mit der Menschlichkeit beim Menschen.

  16. @all

    Bitte das Gespräch hier NICHT beenden! Es ist ja gerade SOWAS von spannend! Zwar verstehe ich ehrlich gesagt nicht alles, aber wenn auch nur der eine oder andere Begriff (wie Wahrheit & Weisheit in der Theologie bzw. den Theologien) weiter geklärt werden könnte, wäre das doch eine Scilogs-Sternstunde!

  17. @Diederichs

    Ihre simple Argumentation ist bestechend: “Was gebraucht wird, um mit mir zu reden, sind Argumente.” Und nur Sie selbst legen fest was ein stichhaltiges Argument ist – die Beiträge anderer sind für Sie unverständlich – und daher keine Argumente.
    So einfach kann man sich´s machen – da wundert es nicht, wenn für Sie unverständlich ist, was mit Weisheit(slehre) gemeint sein könnte.

  18. @Michael:

    “aber wenn auch nur der eine oder andere Begriff (wie Wahrheit & Weisheit in der Theologie bzw. den Theologien) weiter geklärt werden könnte,”

    Ich habe den Eindruck, halbwegs zu verstehen, was N.Hagthrope sagt und ich erinnere mich an gute Diskussionen mit ihm auf brainlogs.

    Vielleicht kann er uns weiterhelfen.

  19. Naturwissenschaft, Glaube und Philosophie @H. Aichele

    Heutzutage ist es für die Religion wohl schwierig “rein von Natur” zu sein. Wie problematisch es aber ist, die christliche Religion mit der Wissenschaft zu vereinen, zeigt sich am Beispiel Teilhard de Chardins. Bei dem Versuch der Evolution einen höheren Sinn zuzuweisen musste er praktisch einen Kunstgriff anwenden:
    “Das das Leben nicht absurd sein kann, ist eine der grundlegenden Erkenntnisse,
    die Teilhard gesteht, nicht weiter in Frage stellen zu konnen. Trotz seines
    Anspruchs auf Wissenschaftlichkeit bezieht sich Teilhard damit auf eine intuitive
    Ebene der inneren Uberzeugung, auf der sich Glaube als circulus erweist, der von
    rationaler Argumentation nicht geoffnet werden kann. Schon zu Lebzeiten Teilhards bezweifelte eine ganze Reihe von Denkern die Berechtigung eines solchen Axioms, Jeans etwa, Rostand, Darwin, Camus, Sartre, um nur einige Namen zu nennen.”

    Zitat von hier (S. 131): http://www.teilharddechardin.nl/modler.pdf

    Wenn sich Religion aber am “konkreten menschlichen Leben” orientiert, wie @N. Hagthorpe das nennt, so kann sie vielen Menschen Trost und Hilfe sein. Vielleicht braucht es da gar keinen naturwissenschaftlichen “Wahrheitsanspruch”. Kompliziert wird es für mich allerdings, wenn Sie schreiben: “In den Religionen werde der Weg von unten nach oben begangen – eben Gedanken, die aus religiösem Bedürfnis erwachsen. Damit sei aber der Mensch seinen Wünschen und Sehnsüchten ausgeliefert und bilde sich Gott ein nach seinen Bedürfnissen. Da habe Feuerbach durchaus Recht. Gott sei aber der „Ganz Andere“. Deshalb bekenne der wahre Glaube an Gott: seine dem menschlichen Zugriff unverfügbare Offenbarung, seinen Weg von oben nach unten.”

    Natürlich gibt es in der christlichen Religion Glaubenssätze die nicht angezweifelt werden dürfen. Der Glaube an Gott und an ein Leben nach dem Tod sind Dogma. Feuerbach war jedoch der Ansicht, dass Religion die Entzweiung des Menschen mit sich selbst sei, da der Mensch Gott als ein ihm entgegengesetztes Wesen sieht. Auch habe das Christentum, durch die Verheißung des ewigen und besseren Lebens im Himmel, den Menschen um das zeitliche Leben auf der Erde gebracht.
    Insofern gibt es wohl auch keine Anknüpfungspunkte an eine Philosophie die Gott ausklammert oder gar negiert. Wie sehen Sie das?

  20. Die Bilder @Joe Dramiga

    Bei Deiner Frage, Joe, nach den Bildern musste ich doch etwas schmunzeln. Theologen denken, dachte ich selbstkritisch, manchmal doch zu leicht, ihre Anspielungen seien doch selbstverständlich verständlich. Aber danke für dieses Nachhaken!
    Nun ja, bei dem ersten Bild ist die Bildunterschrift schwer erkennbar. Das Bild kann HIER vergrößert angeschaut werden. Der Text: „Vor dem Hintergrund nationalsozialistischen Terrors trafen sich an dieser Stelle [in Berlin-Kreuzberg] – im ehemaligen Haus des Christlichen Vereins Junger Männer – Mitglieder der ‚Bekennenden Kirche’. Die oppositionellen evangelischen Christen wehrten sich gegen die Verfolgung ihrer Mitglieder aus Glaubensgründen, die Verfälschung der christlichen Botschaft und die Vereinnahmung der Kirche durch den totalitären Staat.“
    Mehr als diese etwas hölzern formulierte Beschreibung weiß ich zu dieser Gedenktafel auch nicht. Ich interpretiere es so: Eine kleine Gruppe sammelt sich – mindestens einer kann nicht dabei sein, denn der ist in der Mangel der Staatspolizei. Bei trüber Beleuchtung denken die am Tisch an ihn und besinnen sich zugleich auf das, wie sie die Bibel (aufgeschlagen auf dem Tisch) und ihr christliches Bekenntnis verstehen. Es geht um Wahrheit gegen die herrschende Lüge (das als kleiner Beitrag zum Bedeutungsfeld von „Wahrheit“).
    Ich setzte es einfach rein, um damit an diese Tradition der evangelischen Kirche zu erinnern; und ihren Vorbehalten gegenüber „natürlicher Theologie“ Respekt zu zollen, auch wenn ich diesen Vorbehalten dann doch deutlich widerspreche.

    Das andere Bild: Christus vor Pontius Pilatus (und einem mit ihm verbündeten Priester?!). Der sagt: Ecce homo – Seht, welch ein Mensch. Das kann man ja auch hören als: Seht, nur ein Mensch . Zynisch verächtlich oder mit ironischem Mitleid? Ja, und Christen sagen eben: In diesem leidenden Menschen wird Gott konkret.
    Es geht um die „Fragen des Menschseins“ schrieb ich. Und dachte, vielleicht passt dieses Bild zur Erinnerung daran, dass neben allem, was es an begrifflicher Akrobatik um Gott gab und gibt (was dann doch in jedem Fall anthropomorph ist) es um diesen verhöhnten und zu Tode gefolterten Bauhandwerker Jesus aus Nazareth geht, der sich als Leidender den Leidenden verbündet (und damit die herrschenden Lügen und die Lügen der Herrschenden entlarvt). @N.Hagthorpe hat in dem andern Zusammenhang dieses, mein Interesse verstanden: darauf zu achten, dass man mit allen Spekulationen sich „nicht zu weit [vom Kontext alltäglicher Religion] und dem konkreten menschlichen Leben“ entfernen sollte.
    Na, ob die Bildauswahl glücklich war, weiß ich nicht. So leicht ist es ja nicht, ein geeignetes lizenzfreies Bild zu finden. Aber dieses von Lovis Corinth ist wenigstens nicht bloß mittelalterlich und andächtig, sondern nimmt Bezug auf Konflikte, die man heutzutage wohl verstehen kann.

  21. Gespräch nicht beenden…

    Danke, Michael für die Ermutigung. Du bist ja noch ganz anderes gewöhnt… Danke auch, N.Hagthorpe, für Ihr sehr differenzierendes Verstehen. Und KRichard, für Ihren deutlichen Einspruch.
    Aber an der einen Stelle höre ich doch auf. Das muss nicht sein, so weiter zu machen.
    Sagt mal, wäre es sinnvoll, die verschiedenen Begriffe zu „Wahrheit & Weisheit in der Theologie bzw. den Theologien“ auseinander zu legen? Bis jetzt ging es mir ja fast nur darum festzustellen, dass es in der Theologie um Wahrheit geht – als Ziel, das selbstverständlich auch verfehlt werden kann. (Und ich bitte auch da, die kursiven Hervorhebungen nicht einfach zu überlesen). Dazu gab ich ein paar Hinweise, wo und wie man dieses Ziel theologischer Äußerungen schon rein statistisch erkennen kann. Aber wäre es gut, auch inhaltlich über die unterschiedlichen Bedeutungsfelder zu schreiben? Ich könnte ja bei Pontius Pilatus anfangen… Aber ich habe auch Thomas versprochen, etwas über „Wozu Theologie?“ zu schreiben.

  22. Missverständnisse @ Mona

    Au, Mona, das war wohl doch etwas missverständlich mit meiner Einleitung. Das war offensichtlich auch für andere missverständlich (nach meiner Meinung dürfe sich „die Theologie nicht an der Natur ausrichten“, meinte im „SciLogs Newletter“ Lars Fischer). Also mein Fehler.
    Klipp und klar und ohne Wortspiele gesagt: Ich wollte die Gründe aufzeigen, die bei Karl Barth und der Bekennenden Kirche ff damals (und zumindest bis weit in die 60-er Jahre des letzten Jahrhunderts) zu einer Ablehnung der „natürlichen Theologie“ (kurz skizziert an den Nazi-Christen) führten. Man hat eben alles, was anthropologisch/psychologisch sagbar ist, ziemlich unwirsch auf die Seite geschoben. Aber dann sagte ich ja, dass diese schroffe Ablehnung eben doch NICHT das Wahre war – doch wieder ein Wortspiel, und schon wieder so ein Wahrheitsbegriff, geht mir scheint’s nach ;-).
    Ich meinte auch gezeigt zu haben, dass ich die damals mit der Ablehnung „natürlicher Theologie“ verbundene Kritik am Weg der Religionen (wohlgemerkt von diesem so als angeblich unreligiös verstandenen christlichen Glauben aus) als „Weg von unten nach oben … aus religiösem Bedürfnis…“ so ausdrücklich NICHT teile. Bedürfnisse sind ernst zu nehmen, aber nicht einfach wunschgemäß zu befriedigen. Tun ja Ärzte auch nicht.
    Aber dass alles, auch am christlichen Glauben, mit Bedürfnissen verquickt ist, da gebe ich Feuerbach (auf andere Weise als die damaligen Theologen) Recht, kann mich jetzt aber nicht auch noch auf seine Geschichte mit der Entzweiung einlassen. Er war jedenfalls ein guter Beobachter.

    Gerade katholische Theologie, und in der Tradition steht ja auch Teilhard de Chardin, sieht Natur und Gottes Wirken sehr viel mehr ineinander als grundsätzlich jede protestantische. Vielleicht mag ich auch deshalb nicht, wie schon im andern Blog, bei Michael Blume, gesagt, so nicht mitgehen: Ich nannte es „Theologisierung der Natur“. Und ähnlich haben Sie ja eine der Schwierigkeiten aufgezeigt: wertsetzende Urteile mit Naturwissenschaft verquickt. Na ja, es ist für alle Naturwissenschaftler schwierig, sich davon ganz zu lösen. Man ist eben auch Mensch, mit Zielen, Hoffnungen, Enttäuschungen… Und das besonders bei den ganz großen Entwürfen, Gesamttheorien…
    Was will ich? Als Ort der Religion/des Glaubens sehe ich den Menschen in allen seinen Beziehungen. Ich sehe den Ort ausdrücklich nur insoweit in der sonstigen Natur (Kosmologie oder sonstigen Tier- und Pflanzenwelt) als es den Menschen betrifft. Mesokosmos anstatt Mikro- oder Makrokosmos – unsere Erfahrungswelt.
    Deshalb ist natürlich Umweltschutz nicht abgesagt oder das Staunen über den „gestirnten Himmel über mir“. Was auch besonders interessant ist, ist der Vergleich und die Herleitung unseres Verhaltens mit dem anderer Tiere.
    So, und dieser Mensch in seiner Erfahrungswelt ist natürlich nach allen Regeln der Kunst kennenzulernen und ernst zu nehmen. Dazu gehören selbstverständlich die einschlägigen Wissenschaften. Da gehören aber auch seine kulturellen Traditionen dazu, die politischen Rahmenbedingungen. Alles, was ihn prägt und worauf er wiederum prägenden Einfluss hat. Und zum Gespräch darüber müssen Theologen ausdrücklich aus ihrem Geviert heraus; da muss ihre Sprache und ihre Erkenntnis kompatibel sein mit anderen.
    Ach, und auch was Dogma sei – das könnte ich nicht in einen Satz pressen. Ich muss da mal aufhören. Aber das noch: Kriterium, welche Philosophie Gesprächspartner sein kann, ist nicht unbedingt deren Theismus. Eher, wie kompatibel die Begrifflichkeit und die Vorstellungen sind, um die Situation des Menschen – gewissermaßen im Vorfeld, außerhalb der eigenen religiösen Tradition, die man dann doch wieder selber beackern will – selber zu verstehen und das, was man theologisch sagen will, auch nach außen verständlich zu machen. Nun ja, man muss dann wohl auch kritisch hinterfragen: Dass das gewissermaßen außertheologisches Verstehen für Theologen sich fokussieren soll auf die Philosophie – das ist vielleicht doch noch der Zopf einer alten Tradition. Es ist nicht einfach falsch, es gibt aber auch andere Gesprächspartner.

  23. @Elmar Diederichs: Anderer Versuch

    Vieleicht hilft ein Paper mehr als tausend Worte? Es lohnt sich einfach ein paar Beispiele anzuschauen. Dieses Paper von H. Frankfurt zum Omnipotenzparadoxon, erschienen in The Philosophical Review (!) 1965 ist zwar sehr alt, zeigt aber m.E. sehr exemplarisch auf gerade mal zwei Seiten wie heute theologische Argumentation funktioniert und was für ein Wahrheitsverständniss sie hat. Vieleicht hilft ein bisschen Vorverständniss mehr als ein Schlagabtausch hier eine konstruktive Diskussion wiederherzustellen…
    http://fas-philosophy.rutgers.edu/…Frankfurt.pdf

  24. @N. Hagthorpe: Ja, das paper ….

    …. kann was:

    “Vieleicht hilft ein Paper mehr als tausend Worte?”

    Hier meine “vor 10:00 morgens nachgedacht”-Vorschläge. Für sie werden wir folgendes annehmen:

    “Es ist wahr, daß man nicht jede Überzeugung hegen kann, wie man haben will, sondern man kann nur diejenige Meinung hegen, für die man über Gründe verfügt.”

    siehe mein post: “Kann ich glauben, was ich will?”

    Diese These impliziert, daß es neben den Bedingungen unter denen die, die Meinung aussagende Aussage wahr ist, Bedingungen gibt, unter denen einen Person A diese Aussage glaubt und von ihr überzeugt ist. Überzeugungsbedingungen hängen damit anders als Wahrheitsbedingungen von Aussagen vom individuellen Wissen ab. In der Biologie z.B. habe ich eine eigenartiger Menge Überzeugungen und ich ändere sie leicht, weil ich wenig über Biologie weiß. Der Aufwand, den ich persönlich treiben muß, um z.B. meine physikalischen Überzeugungen zu ändern, ist sehr viel größer und ich hab da auch viel öfter recht.

    Zweitens zerfällt eine Gesellschaft ganz klar in mehr oder weniger paarweise isolierte Soziotope: Lebe ich in einem Soziotop, dann weiß ich bestimmte Dinge und kenne Methoden und kann mir daher einiges überlegen und anderes nicht – eine ganz banale Sache.

    Damit ausgerüstet würde ich vorschlagen:

    theologische Wahrheit:

    Sie sagt uns, welche Strategien es geben kann, um religiöse Überzeugungen zu einem gegebenen Stand von Wissenschaft zu etablieren: Sie sagt uns, wie Überzeugungsbedingungen für religiöse Ansichten gerade aussehen. Das ist eine akademische Aufgabe, die für jede Religion anders ist, und sie wird ständig neu formuliert, wenn etwas theologisch Relevantes herausgefunden wird wie z.B. die Kopernikanische Wende. Anderes Beispiel: Genau wie Philosophen ist auch für Theologen die Entstehung der Neurowissenschaft oder die Evolutionstheorie in diesem Sinne eine Herausforderung zur Neugestaltung von Theologie. (Philosophische) Gottesbeweise sind daher nur in einem bestimmten Anfangsstadium der Wissenschaft wirklich interessant. Nachdem wir den Weltraum betreten haben, verlangt keine Theologe mehr, Gott in einer Umlaufbahn treffen zu müssen: Das Gottesverständnis wurde angepaßt.

    => Statt “theologisch wahr” müßte man daher eigentlich “theologisch plausibel” sagen, denn mit dem Wahrheitsbegriff der Wissenschaften, der mit demjenigen identisch ist, der z.B. in einer Wegerklärung verwendet wird, hat dieser ganze Kram nichts zu tun.

    theologische Weisheit:

    Sie sagt uns, wie man für ein vorgegebenes Soziotop vorgehen muß, um religiöse Überzeugungen gegen den ständigen Aufklärungsdruck aus den Wissenschaften und die Verbreitung von Wissen über Soziotopgrenzen hinaus stabilisieren kann. Hier geht es darum, zu verstehen, mit welchen sozialen und psychologischen Phänomenen die Leute täglich konfrontiert sind, was sie wissen, wie sie sich von etwas überzeugen und wie ihr Lebensgefühl ist. Das ist unter Umständen eine ganz persönliche Fähigkeit für ein ganz persönliches Problem – eingebettet in die epistemischen Bedingungen des kultur- und zeitabhängigen Soziotops. Wenn daher ein Seelsorger die Gemeinde wechselt, kann er schon den Ortswechsel allein als Gewinn oder Verlust an theologischer Weisheit erleben.

    Theologie wäre damit die Wissenschaft von den Bedingungen der Möglichkeit religiöser Überzeugungen zu einem Index aus Kultur und Wissenschaft, während Seelsorge deren (indexikalische) Mittel ausnutzt, um die religiösen Überzeugungen der – sich epistemisch gar nicht so sehr unterscheidenden – Individuen eines Soziotops zu stabilisieren.

    Gut kantisch formuliert, hm? 😉

    Der religiöse Standpunkt selbst wird dabei vorausgesetzt und es wird versucht, ihn zu reformulieren und zu vereinbaren mit den ständig variierenden Mitteln, die wir haben, um uns selbst von etwas zu überzeugen.

    -> thx 2 N.Hagthorpe

    Oder in einem Slogan: Religion ist eine nicht-zwingende Lebensform, die Theologie erfordert, damit man noch versteht, was man in seinem Leben eigentlich macht – bißchen umständlich, aber möglich.

    So – ich hab gemacht: Und jetzt sind diejenigen dran, die sich das alles hier nicht geben müssen, die an einem Punkt aufhören und andere Gesprächspartner haben.

    Mein persönliche Empörung über das Gebaren einiger Diskussionsteilnehmer hier wächst weiter – zu Recht.

  25. @Elmar Diederichs

    Ja, auf den ersten Blick würde ich sagen: nah dran. Nur würde natürlich auch ein Theologe, auch und sehr oft, aber nicht nur von Plausibilität werden. So würde er zum Beispiel sagen, Sätze wie “Gott ist der Schöpfer der Welt” oder “Gott kann sich dem Menschen offenbaren” einfach als wahr, und zwar durchaus im binären Sinne bezeichnen. Er würde auch versuchen gute Gründe dafür zu finden. Nur natürlich würde er einsehen, dass er über Fragen auserhalb des menschlichen Verstehenshorizonts philosophiert und deswegen die von Ihnen beschriebenen Anpassungsleistungen wirklich vornehmen. Aber ja auch nicht nur an Wissenschaft. Aus der eigenen religiösen Tradition kommen die Anfragen, genauso wie von kulturellen Strömungen (z.B. Aufklärung, oder auch Reformation) oder aber auch von konkreten menschlichen Problemen und Erfahrungen. All das wird dann “beackert” und plausibilisiert ohne deshalb auf einen Wahrheitsbegriff “beim eigentlichen” zu verzichten. Ich hoffe das hilft weiter, viel mehr kann ich nicht sagen, bin eben weder Philosoph noch Theologe.

    Und was die Empörung anbelangt, das muss nicht sein. Schließlich haben sich hier auch ein paar andere ein Stück arogant präsentiert 😉

  26. OK – @Elmar Diederichs / N.Hagthorpe

    OK, auf hebräisch Schalom.
    Danke für Ihr Entgegenkommen, Elmar; und danke, wie Sie dieses Entgegenkommen aufgenommen haben, N.Hagthorpe.
    Dass wir unterschiedliche Interessen haben, ist klar. Und diese färben die Begrifflichkeit ein. Aber so wurde unter dieser Einfärbung doch eine Substanz sichtbar, die als Verstehensbrücke akzeptabel ist.
    Ich nehme mir jetzt doch vor, etwas über die Bedeutungsfelder theologischer Wahrheits-Begriffe zu schreiben. Aber nicht aus dem Schützengraben heraus. Und nicht mit Empörung, sondern hoffentlich mit beiden Füßen auf dem Boden. Vielleicht eher innerhalb des Themas “Wozu Theologie?” Da hat ja Elmar D. mit Religion als “nicht-zwingende Lebensform, die Theologie erfordert…” eine Beschreibung gebracht, die zumindest aufgeklärtere Theologen zu einem freundlichen Lächeln bringen kann 🙂
    Jetzt will ich mir heute Nachmittag und Abend zuerst einmal einiges über Hawking anhören und sehen, wie sich da bei manchen Theologen das Fell sträubt…

  27. @N. Hagthorpe: binär?

    ” So würde er zum Beispiel sagen, Sätze wie “Gott ist der Schöpfer der Welt” oder “Gott kann sich dem Menschen offenbaren” einfach als wahr, und zwar durchaus im binären Sinne bezeichnen. “

    Genau darin besteht sein Irrtum. Hier reißen die Theologen überheblich ihr Maul auf und sie machen sich damit zu Recht Feinde. Wären sie so bescheiden wie Philosophen und nur beanspruchen, eine Art Serviceleistung für bestimmte Lebensformen anzubieten, dann könnte man einfach sagen: “Liebe Religionen und Religiöse, ich verstehe euch zwar nicht, aber bitte – ihr seit frei zu leben, wie ihr wollt.”.

    Stattdessen gehen Religiöse auf Menschenjagd, bezeichnen sich stolz als Menschenfischer und wollen andere bekehren – gelegentlich auch mit Gewalt. Ich frage: Was für eine Scheisse ist das? Ehrlich – da muß ich kotzen und in diesem Punkt komme ich auch niemandem entgegen.

    “Er würde auch versuchen gute Gründe dafür zu finden.”

    Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber solange er das nicht geschafft hat, sollte er zugeben, daß er nur sein eigenes Lebensgefühl fomuliert. Dagegen wäre wohl nichts einzuwenden.

    “Aber ja auch nicht nur an Wissenschaft. Aus der eigenen religiösen Tradition kommen die Anfragen, genauso wie von kulturellen Strömungen (z.B. Aufklärung, oder auch Reformation) oder aber auch von konkreten menschlichen Problemen und Erfahrungen.”

    Gegen diese Ergänzung meiner Thesen ist nichts einzuwenden.
    “All das wird dann “beackert” und plausibilisiert ohne deshalb auf einen Wahrheitsbegriff “beim eigentlichen” zu verzichten.”

    Hier wäre es hilfreich, sich des Wahrheitsbegriffes proffessionell zu versichern. Das würde am theologischen Selbstverständnis viel ändern und einiges korrigieren. Philosophen sind da übrigens die geeigneten Ansprechpartner – nicht Naturwissenschaftler.

    “Ich hoffe das hilft weiter”
    Ich denke, wir haben ein Stück geschafft. Danke dafür! 🙂

    “Und was die Empörung anbelangt, das muss nicht sein.”

    Doch. Muß es. Religionen stehen für mich auf derselben Stufe die Nationalsozialismus oder Stalinismus: menschenverachtend, dreckig, skrupellos. Der Papst ist nicht besser als Pol Pot, nur unglaublich viel reicher.

    Das 1 Gebot lautet: “Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.”.

    Also: Das erste, was das Christentum über sich zu sagen hat, ist, daß es eine eifersüchtige Religion ist. Noch Fragen?
    Mir reicht das schon.

    Natürlich sind die Menschen, die Religionen folgen, ganz verschieden und ihre Ansichten über Religion sind nicht meine. Meine Ansichten über Religion übertragen sich daher nicht einfach auf Religiöse. Also: Vorsicht beim Meckern, klar?

    Aber als Philosoph habe ich eine persönliche Aversion gegen geistige Unfreiheit. Das wird sich auch niemals ändern und ich werde nie damit aufhören, Religionen das Leben schwer zu machen.

    Und das ist mein letztes Wort in dieser Sache.

  28. Erich Fromm @Elmar Diederichs

    Natürlich haben sich auch Philosophen mit Religion befasst. Erich Fromm und sein Religionsverständnis finde ich in diesem Zusammenhang recht gut. Mich würde interessieren wie Sie seine Aussagen beurteilen, die ich hier verlinkt habe:
    http://www.erich-fromm.de/…ich,%20J.,%201999.pdf

  29. @Mona: Fromm

    Ich habe meine Zweifel, ob Fromm ein Philosoph war – aber egal:

    “Mich würde interessieren wie Sie seine Aussagen beurteilen,”

    Zu Fromm selbst sage ich nichts, da das pdf ja auch nur eine Zusammenfassung enthält. Was dort aber steht, scheint ziemlich Wasser auf meine Mühlen zu sein:

    Es gibt da zuerst eine anthropologische Position, die von einer bestimmten Orientierung des Menschen und einer bestimmten Erlebnisperspektive ausgeht – was immer man von dieser Annahme halten mag. Dann kommt das religiöse Bedürfnis hinzu und das alles zu vereinbaren, ist eine Aufgabe der konkreten Religionsenwürfe – ob z.B. Katholizismus oder Buddismus scheint da keine Rolle zu spielen.

    Ich würde mich aufgrund dieses Hinweises nicht allzu sicher fühlen, aber im Moment scheint das pdf für meine Auffassung zu sprechen.

  30. Erich Fromm — @Mona / @ Elmar D.

    Danke, Mona, für den Hinweis auf Erich Fromm. Ich erinnerte ihn eher als philosophierenden Sozialpsychologen „- aber egal“.
    Sein „Ihr werdet sein wie Gott“ war mir eindrücklich: Er betonte in dieser Auslegung der Bibel deren anthropologischen Einsichten und den besonderen Dreh, wie genau dies zur biblischen Religion wurde. Ist einerseits schon lange her, dass ich es gelesen habe, und ich zog es erst jetzt mal wieder aus dem Regal. Andererseits könnte man durchaus sagen, dass meine Interpretation der Adam-Eva-Geschichte seiner ziemlich nahe kommt. Hätte ich die entsprechenden Abschnitte bei ihm dazu gelesen, hätte ich da ein paar griffige Formulierungen einbauen können. Aber es geht ja nicht darum.
    Also, dasselbe Wasser kann auf verschiedene Mühlen… – 🙂

  31. @Elmar Diederichs @H.Aichele

    Na gut, sagen wir Erich Fromm war auch Philosoph, das ist ja kein geschützter Titel, soviel ich weiß. In seinen religiösen Anschauungen wurde er wohl von Thomas von Aquin beeinflusst, der ein bekannter Theologe und Philosoph des Mittelalters war und der versuchte Glaube und Vernunft, Philosophie und Theologie zusammenzubringen, was natürlich etliche Kontroversen nach sich zog. Ferner beschäftigte sich Fromm mit Meister Eckhard und dem Zen-Buddhismus. Mir persönlich hat sein Buch “Zen-Buddhismus und Psychoanalyse” welches er zusammen mit Daisetz Teitaro Suzuki und Richard de Martino schrieb, recht gut gefallen, da ich mich sehr für diese Dinge interessiere.
    Nach Anschauung des (Zen-)Buddhismus ist alles miteinander verwoben, d.h. “Dieses ist, weil jenes ist” und so sucht man nicht das Trennende, sondern das Verbindende. In diesem Sinne kann man also weiter Wasser auf die Mühlen gießen…

  32. Keine Wissenschaft, sondern Hirngespinst

    Ich dachte, hier ginge es um Wissenschaft. Theologie ist keine Wissenschaft, sondern das Errichten von Wahngebäuden. Bitte aufhören damit.

  33. @Michael Müller

    Ich bin selbst kein Theologe, sondern empirisch forschender Religionswissenschaftler. Allerdings sehe ich es als eine weitere Aufgabe von Wissenschaft(en) insgesamt, empirische Befunde dann auch zu reflektieren. Und dafür braucht es Philosophien und Theologien, völlig unabhängig davon, welche davon Sie oder ich persönlich wertschätzen. Spätestens wenn sie für eine große Zahl von Menschen relevant ist, sollte sie auch auf universitärem Niveau Platz finden.

  34. Theologie und Wissenschaft @Michael Müller

    So, Michael Müller, und „Wahngebäude“ ist ein wissenschaftlich zutreffender Ausdruck?
    Man lernt nie aus, werde ich mir merken. Sie könnten es ja mal mit wissenschaftlich Gesinnten diskutieren. Aber ob es Ihnen um Diskussion geht oder um apodiktische Sätze? Solche lernte ich sonst eher in der konservativeren Ecke der Theologen kennen; UND lernte, ihnen zu misstrauen. Es gibt jedenfalls genügend wissenschaftlich Gesinnte, die sich die offene Diskussion mit Theologen nicht nehmen lassen wollen. Deshalb schreibe ich hier.
    Und weiter oben – 12.1. um 23:39 – schrieb ich ja schon was dazu: dass das mit dem Gordischen Knoten auch nicht das Wahre sei. Dabei ließ ich absichtlich die Frage nach der Wissenschaftlichkeit der Theologie teilweise offen. Ich bat aber darum, die europäische Geistesgeschichte ernst zu nehmen.

  35. Theologie und die Frage nach d Wahrheit @Elmar

    Sorry, sehr lange gebraucht. Gab ja auch sonst persönlich Spannendes – mehr als ich gegen Ende letzter Woche vermutete, als ich mich *bis Montag abmeldete*.
    Mir dämmert was, wo die Verstehens-Blockade sitzt, die gegenseitige. N.Hagthorpe ist es wohl schon länger gedämmert, aber er hat es nicht direkt gesagt. Wir meinten mit „Theologie“ vermutlich zwei zu unterscheidende Bedeutungsbereiche.
    Elmar, du verstehst unter „Theologie“ vermutlich direkt die Gottes-Lehre; und das ist eben etwas, was Theologen als einen Abschnitt ihrer Theologie bezeichnen würden – möglicherweise sogar nicht einmal unbedingt als ersten Abschnitt. Natürlich mit Wechselwirkung zu allen anderen Abschnitte. Im allgemeinen meint „Theologie“ den Gesamt-Bereich – historisch, exegetisch, bis hin zur „Praktischen Theologie“.
    Aber jetzt, wegen dieser Unterscheidung benütze ich zu dem Folgenden nur den Ausdruck „Gotteslehre“. Und will betont nicht *meinen* Gottesbegriff explizieren, sondern das: wie traditionellerweise die Aussagen zu Gott, zu Existenz, Fähigkeiten und Eigenschaften… gemacht werden. Damit hoffe ich, doch genauer auf deine Fragen eingehen zu können.
    In diesen Aussagen geht es zwar auch letzten Endes um „Wahrheit“ in einem sehr allgemeinen Sinn. Du würdest Kohärenz sagen, ja in der Richtung. Konsistenz vielleicht auch. Aber nicht um Wahrheit der einzelnen Begriffe – im Sinne von: nur so ist es richtig. Denn jeder Theologe müsste (!) wissen, dass jeder Begriff über Gottes Eigenschaften ein anthropomorpher, also ein nicht so richtig adäquater Begriff ist. Auch der Begriff der Existenz!
    Die vorneuzeitlichen „Gottesbeweise“ sollten wohl mehr die Aussagbarkeit, Verständlichkeit herstellen – gemeinsame Verstehensbasis mit allgemeinem Verstehen. Insofern natürlich „Wahrheitsanspruch“, aber kein abgrenzender; sondern Anspruch, mit im Boot der selben Wahrheit zu sitzen wie die Philosophie – speziell in der Metaphysik. Paradebeispiel Thomas von Aquin, der wohl die kopernikanische Wende und alle möglichen Umwälzungen weltbildverhafteter Vorstellungen nicht für so erschröcklich gehalten hätte wie manche Kirchenleute mit geringerem IQ. Wegen dieses Schwerpunkts auf metaphysischen Aussagen musste man da und etwa durch die reine Tatsache, dass sich diese Welt im Prozess der Evolution befindet, am Gottesbild nicht so viel neu fassen. Trotzdem: dieses Erbe der Metaphysik, man müsste dran rum machen. Aber soll jetzt nicht das Thema sein.
    Weil letzten Endes eben doch so wenig zur Gotteslehre im engeren Sinn zu „sagen“ ist (vgl. auch Wittgenstein!) bzw. im Examen abzufragen (!) und in der Gemeindearbeit zu formulieren…, deshalb verwenden die meisten Theologen mehr Mühe auf die oben angedeuteten vielfältigen anderen Themen der Theologie. So ein Text wie der, auf den N.Hagthorpe verwies, von Harry G. Frankfurt, „The Logic of Onipotence“ hätte uns Ende der 60-er Jahre (!) zu einem heiteren oder auch grimmigen Lachen veranlasst. Es gab und gibt wohl andere Probleme. Aber ist schon richtig, wenn es auch Leute gibt, die an den Grundlagen formulieren (uns hat man mal dazu Heidegger und Gadamer empfohlen). Die heutigen Hermeneutiker und andere Religionsphilosophen tun das auf ihre Weise. Dabei geht es nicht um abgrenzende Wahrheit gegenüber naturwissenschaftlich erforschter Wirklichkeit oder mehr oder weniger gelingende Anpassung an sie sondern, soweit ich die dortigen Diskussionen (noch gelegentlich) wahrzunehmen versuche: um Überlegungen, in welchem Begriffssystem/ Sprachspiel/ Interaktions-Zusammenhang… welche Aussagen Sinn machen, Sinn erkennen. (Und mit „Sinn“ ist man natürlich weit weg von naturwissenschaftl Fragestellungen). „Gott als Schöpfer“ etwa dürfte mit den u.a. von Hawkings bearbeiteten Fragestellungen eigentlich wenig zu tun haben. Sondern mehr mit: In welchen verschiedenen Ebenen bzw. Subjekt-Objekt-Relationen können wir die Welt als sinnvoll wahrnehmen? Aber da begebe ich mich weit hinaus. Das verstehen andere wirklich besser. Und mir kommt vieles nach akademischem Elfenbeinturm vor. Ich versuche andere Wege (und will hoffentlich bald zu „Gott als Schöpfer“) was nachschieben. In jedem Fall ist es gut, wenn man Gott weder als Intelligent Designer noch als Lückenbüßer behauptet und so oder so der Naturwissenschaft ins Handwerk pfuscht oder auch durch theologische Tricks sich ihr anbiedert. Oder gar überheblich: Was ihr als Grenzen des Forschens erkennt, das hätten wir euch doch schon längst sagen können. Aber das ist ein eigenes Thema. Oder?
    Na ja, zum Schluss nur noch: Den “Wahrheitsanspruch“ (und die „Weisheitslehre“), den ich nicht im Abschnitt Gotteslehre sondern sonst in der Gesamt-Theologie sehe, der lässt sich wohl kaum als Ist-Aussagen formulieren. Sondern etwa in solchen Sätzen: „Das ist das Wahre“; oder „das ist auch nicht das Wahre“; oder die „Wahrheit über die oder jene Person“. Aufrichtigkeit und einander gerecht werden – das würde zum Bedeutungsfeld mit dazu gehören. Insofern finde ich die Frage des Militärbürokraten Pilatus „Was ist Wahrheit?“ und die Antwort Jesu (Der Gefesselte als „König der Wahrheit“) immer noch spannend. Auch in Ägypten wird die Wahrheit hoffentlich noch in die Freiheit führen. Das interessiert mich jetzt.
    So viel – als Gesprächs-Ansatz OK?

  36. @Aichele: Crescendo

    “Mir dämmert was, wo die Verstehens-Blockade sitzt, die gegenseitige.”

    So, so – wenn einer nicht deiner religiösen Meinung ist, dann liegt eine Verstehensblockade vor, ja?

    Wieso bin ich eigentlich der Einzige, der das moralsche Versagen an dieser Position bemängelt. Trauen sich die anderen nicht?

    “Elmar, du verstehst unter „Theologie“ vermutlich direkt die Gottes-Lehre”

    Leider weiß ich nicht, was das sein soll. Theologie verstehe ich als alles, was mit theologischer Plausibilität zu tun hat – ganz im Sinne meiner Definition.

    “In diesen Aussagen geht es zwar auch letzten Endes um „Wahrheit“ in einem sehr allgemeinen Sinn. Du würdest Kohärenz sagen, ja in der Richtung. Konsistenz vielleicht auch. Aber nicht um Wahrheit der einzelnen Begriffe”

    Es gibt eine verständliche Definition von des Wahrheitsbegriffes von A.Tarki: Wahrheit ist Wahrheit von Sätzen. Darauf aufbauend, kann man die Wahrheit von Behauptungen bekommen, aber niemals die von Begriffen.

    Solange sich Theologen via Weigerung der Benutzung klarer Terminologie im Unterholz der Schwammigkeit verstecken, braucht niemand ihre Thesen ernst zu nehmen.
    “Insofern natürlich „Wahrheitsanspruch“, aber kein abgrenzender”

    Ich glaube nicht, daß irgendwas erklärt wurde.

    “sondern Anspruch, mit im Boot der selben Wahrheit zu sitzen wie die Philosophie – speziell in der Metaphysik.”

    Also die Leute, die sowas machen, sitzen im selben Boot wie die Naturwissenschaften. Und da will die Theologie auch mitfahren? Interessant ….

    “Paradebeispiel Thomas von Aquin”

    Ich sage es nur ungern, aber seit dieser Zeit haben wir doch nicht wenig dazugelernt.

    “Den “Wahrheitsanspruch“ (und die „Weisheitslehre“), den ich nicht im Abschnitt Gotteslehre sondern sonst in der Gesamt-Theologie sehe, der lässt sich wohl kaum als Ist-Aussagen formulieren. Sondern etwa in solchen Sätzen: „Das ist das Wahre“; oder „das ist auch nicht das Wahre“; oder die „Wahrheit über die oder jene Person“.”

    Na, endlich mal ein paar Beispiele und nicht nur sprachliche Nebelgranaten zwecks Vertuschung und Irrführung: Damit kann man was anfangen.

    Offenbar hat “wahr” in „Wahrheit über die oder jene Person“ und “wahr” in „Das ist das Wahre“ völlig verschiedene Bedeutungen. Im letzten Fall geht es darum, ob etwas eine Menge von Kriterien zur Bewertung erfüllt – Bewertung i.S.v. “ein wahrer Freund”. Wahre Aussagen über eine Person hingegen macht man, um die Person von anderen Personen zu unterscheiden – nicht um sie zu bewerten.

    Also: Welches Verständnis von “wahr” darf es denn nun sein? Beides geht nämlich nicht.

  37. Wahrheit – Philosophie – Glaube @Elmar Diederichs

    Ich habe mir für jetzt vorgenommen, nur in kurz angebundenen Sätzen zu antworten. Kann hart wirken oder apodiktisch, ist aber wohl der Lage angemessen. Es ist ja eher ein Zurufen als ein Gespräch; und auch wer einem „die andere Backe“ hinhält, wird sie dabei „hart wie Kiesel“ machen (Beides Bibelzitate – für die Kenner).
    Die Beispiele, bei denen Du „endlich mal“ sagst, verwendete ich so oder ähnlich in Kommentaren zu den letzten Beiträgen öfters. Ich meinte, solche Beispiele hätten auch sonst schon erläuternde Funktion gehabt.. Dabei versäumte ich es, jetzt selber die verschiedenen Möglichkeiten des Wahrheits*begriffs* in ihrer Systematik aufzuarbeiten. Ich werde – jetzt zum Zweck dieser Diskussion – mein Versäumnis auch nicht nachholen.
    Auslöser war deine Bemerkung, es gehe der Theologie „nicht um Wahrheit“. Und darüber bin ich erschrocken; denn dass es in der Theologie quer durch ihre ganze Geschichte um Wahrheit geht – darüber müssten wir uns doch einig sein. Das zeigt doch schon, worauf ich verwies, der rein statistische Blick auf die Verwendungshäufigkeit dieses Begriffs in der Theologie. Und kein Philosoph kommt darum herum, dies auch in Büchern von philosophierenden Theologen (zumindest von Augustin bis Thomas v. Aquin) wahrzunehmen, auch wenn er dann Theologen einen missbräuchlichen, irreführenden oder sonstwie falschen Wahrheitsanspruch vorzuwerfen hat.
    Dabei jetzt auch meine unpräzise Bemerkung zu den „Gottesbeweisen“: dass damit der Anspruch der Theologie verknüpft gewesen sei „mit im selben Boot der Wahrheit zu sitzen“ wie die Philosophie mit ihrer Metaphysik. Das war – mit diesem Bezug auf die „Gottesbeweise“ – eindeutig aufs Mittelalter gemünzt; und für damals wirst auch Du dies nicht ernsthaft bestreiten. Präziser hätte ich das Bemühen der Universitätstheologen vielleicht so beschreiben können : Im Verstehenshorizont anerkannter Metaphysik sich *verständlich* machen können. . Dieses Bemühen setzt sich sehr differenziert fort bis in die heutige Religionsphilosophie und Hermeneutik.
    Das heißt nicht, muss nicht heißen, etwa den Metaphysikern gegenüber adäquat zu sein. Sicher gibt’s da oder dort Schwierigkeiten zwischen Metaphysik und Theologie; aber die gibt’s ja bei gewissen Physikern (Hawkings) auch.

    Dass ich etwa Thomas von Aquin nicht für up to date halte, das dürfte dem unvoreingenommenen Leser doch klar sein. Diese Ohrfeige war unnötig.
    Überhaupt habe ich zwar als Theologiestudent vor über 40 Jahren brav vieles über ihn und aus der Philosophie gelernt und wieder vergessen, bin auch gelegentlich bei Religionsphilosophie und Hermeneutik interessierter Zaungast. Aber insgesamt suche ich andere Wege.

    Meine eigene Meinung zum Gottesbegriff oder welcher Wahrheitsanspruch damit meiner Meinung nach verbunden ist – das wollte ich hier mal beiseite lassen. Ich kann aber darauf verweisen, dass ich mit meiner Besprechung des kleinen Büchleins von Hartmut von Hentig zur Gottesfrage in etwa aufgezeigt habe, wie man heutzutage zu Aussagen kommen kann, die nicht nur auf Spekulationen in der Weise überholter Weltbilder verzischten sondern auch für Menschen von heute allgemein verstehbar sind.

    Glaubensaussagen sollten eigentlich (!) keine Wahrheiten von Aussagesätzen sein, die man für richtig oder falsch erklären müsste. Oder bei denen man damit rechnen müsste, dass sie sich mal als richtig oder falsch herausstellen. Da hat uns alle – Theisten und Atheisten – Pascal mit seiner „Wette“ auf eine verdammt falsche Fährte gelockt. Und das sage ich nicht erst wegen Dir. Ja, auch Aussagen, die man selbst für falsch hält, können erst recht nicht Glaubensaussagen sein, das ist doch auch mir klar.
    Doch wenn „der Gläubige seine religiösen Überzeugungen nicht durch Argumente belegen kann“ (Dein Kommentar zum andern Blog-Beitrag), dann dreht es sich hoffentlich (!) nicht um solche veri-/falsifizierbaren Sätze. Und es ist fatal, dass auch viele Gläubige diese Unterscheidung nicht mehr wissen, sondern meinen, es ginge um inhaltliche Zustimmung zu irgendwelchen weltbildhaften Vorstellungen. Ist ja auch bequemer. Sondern da denke ich z.B. an den alten Pfarrer, der vor 40 Jahren als ich junger Vikar war, mein Chef war: Als er seinerseits junger Vikar war, predigte er 1935 bei der Beerdigung eines Parteimitglieds über den Bibelsatz: „Ist in keinem anderen Heil außer in Jesus Christus“. Es ging nicht um die Satzaussage, es ging um den Bezugspunkt, und der war deutlich. Er wurde daraufhin von einer braunen Schlägertruppe übel zusammengeschlagen. Es gäbe in und außerhalb der Kirchen einige solcher Beispiele.
    Da geht’s um Glaubenswahrheit – im Sinn von Wahrhaftigkeit und Verbindlichkeit.

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