Der Stoff, aus dem die Bibel gewoben ist

BLOG: Hinter-Gründe

Denk-Geschichte(n) des Glaubens
Hinter-Gründe

„Entweder nimmt man die Bibel wörtlich oder man nimmt sie ernst“ – dieser kluge Satz wird verschiedenen Leuten zugeschrieben. Ich meine, ich hätte ihn zuerst von Pinchas Lapide gehört, einem jüdischen Religionsgeschichtler und Theologen. Und ihm wird er, wenn man im Internet sucht, sonst auch öfters zugeschrieben. Ich übersetze ihn für mich so: Erst wer die Illusion aufgibt, die Bibel könne (oder müsse?) als einheitlich konzipiertes Lehrbuch ewiger Wahrheiten verstanden werden, kommt dem Verständnis näher: Es sind Geschichten, Briefe, Gebete, Gedichte und Lieder – literarische Stücke unterschiedlicher Qualität, die in verschiedensten Zusammenhängen in einem Zeitraum von über 1000 Jahren entstanden sind und sehr spät erst zu einem Gesamtwerk zusammengefügt wurden. Erst durch diesen Vorgang des Zusammenfügens (durch den dann auch bestimmte Stücke ausgegrenzt wurden), durch die „Kanonisierung“, sind schließlich diese Einzelschriften zur „Heiligen Schrift“ erklärt worden.

 

Marduks Streit mit Tiamat
Marduks Streit mit Tiamat
Erschaffung der babylonischen Weltordnung
Via Wikimedia Commons

Die Zeitumstände berücksichtigen

Daraus müsste schon ersichtlich sein, dass die Bibel nicht als Lehrbuch konzipiert ist. Da wird nicht der Glaube an Gott als Gesamtsystem dargestellt, um es nach außen zu verteidigen und nach innen zu begründen. Da setzten sich nicht Leute hin, um mit ihren Aufschrieben den Leuten “Religion” nahe zu bringen, die sie sonst nicht kennen würden. Da wird nicht gesagt, man solle doch endlich an die Existenz eines Gottes „glauben“, um diese oder jene Wahrheit zu erfahren.
Sondern da sind aus verschiedensten Zeiten und Umständen Texte gesammelt. In diesen wird – in Spruch und Widerspruch, also auch widersprüchlich ! – um Lebenseinsichten und Lebensmaßstäbe gerungen, die dem Menschen gerecht werden sollen und ihm helfen, dem Leben gerecht zu werden. Da sind Dokumente, in denen Menschen der Frage nachgehen, in welchen Regelkreisen Menschen leben, an welche Spielregeln sie sich klugerweise halten, um ihr Leben – als Einzelne und in der Gemeinschaft – sinnvoll zu bestehen. Und dafür wird auf durchaus vielfältige Weise Gott in Anspruch genommen. So kommt Gott zur Sprache, daraus formt sich die Rede von Gott. Dabei ist es eigentlich nie die Frage, ob es berechtigt ist, überhaupt von Gott zu reden, sondern welche Lebens-Gestaltung vor Gott berechtigt und das heißt dem Menschen „angemessen“ ist.
Um zu verstehen, was Menschen beim Erzählen (und Aufschreiben) ihrer Geschichten bewegt hat, muss also auch immer wieder möglichst konkret mitbedacht werden, unter welchen Umständen sie jeweils erzählten – was ihre Geschichten ursprünglich für sich bedeuteten und was sie für sich waren, bevor sie in die „Heilige Schrift“ eingegliedert wurden:
Dabei kann man zum Teil noch erheben, was als erzählerische Vorlage gedient haben könnte und wie in Anknüpfung und Widerspruch die Vorlagen bearbeitet, verändert wurden. An einigen Stücken haben Generationen von Erzählern und Schreibern gefeilt, gestutzt, ausgeweitet und immer wieder mit neuen Stücken zusammengefügt. Manchmal sind die Nahtstellen noch deutlich, und manchmal gut kaschiert.

Bei einigen Stücken kann man auch auf die Spur kommen, in welche geistige Lage hinein sie hineinwirken sollte: welchen (kulturellen oder politischen…) Ereignissen sie zustimmen und welchen widersprechen…
So ist z.B. relativ klar, dass in dem großen Schöpfungsgedicht, 1. Mose 1, es raffinierte erzählerische Absicht war, die Sonne und die Gestirne erst sehr, sehr spät (am 4. Tag) zu bringen und sie nicht einmal beim Namen zu nennen. Ja, warum wird da in der Form eines Understatements nicht von „Sonne“ und „Mond“ sondern nur von „Lampen am Himmel“ gesprochen? Das war – zur Zeit der babylonischen Gefangenschaft, im 6. vorchristlichen Jahrhundert – Polemik eines kleinen an den Rand gedrängten Volkes gegen Großmächte mit großmächtigen Sonnentempeln und Sonnenpriestern. Und nicht ohne hintergründige Absicht wurde – aus einer babylonischen Erzählung, in der verschiedene Götter gegen das Chaos kämpften und schließlich der babylonische Staatsgott Marduk siegte – von jüdischen Priestern in 1. Mose 1 ein eigenes, eigenständiges, Schöpfungs-Gedicht geformt. Darin wird (mit den sieben Tagen der Woche in sieben Schritten, in sieben Strophen) der eine Gott Israels besungen, dessen Wort allein die ganze Welt begründet. Und an den eben Israel sich halten möge, um den großmächtigen Göttern der großmächtigen Babylonier Abschied, “adieu” zu sagen.
Ebenso kann man wohl nachvollziehen, dass gerade in jener Zeit der großen Bedrohung nationaler Identität (natürlich unter Benützung älterer Erzählungen) die Geschichte vom „Auszug aus Ägypten“ unter Mose so erzählt wurde, wie sie im 2.Mose-Buch literarisch Gestalt gewann. Die Kraft der Zukunft formt sich aus der Besinnung auf gemeinsame sinnstiftende Traditionen. Ein Volk, in dem solche Geschichten erzählt werden, wird nicht so leicht untergehen. [Dies stelle ich so dar in Anklang an Jörg Zink – siehe unten]

Die Wirklichkeit solcher Geschichten ist ihre oft so nicht erwartete Wirksamkeit. Aber die auslösenden Momente – warum sie in bestimmten geschichtlichen Zusammenhängen gerade so und nicht anders erzählt wurden – die mussten denen, denen sie ursprünglich galten, eben nicht eigens erklärt werden. Sie werden in den alten Erzählungen deshalb oft gar nicht direkt genannt. Deshalb sollten wir, die nicht in derselben historischen Situation leben, auf diese auslösenden Momente extra aufmerksam machen. Wir sollten von solchen Zusammenhängen wenigstens eine Ahnung haben. Sonst kann man solche Texte nicht wirklich verstehen. Wer ohne solche Ahnung die Bibel liest, wird höhnisch registrieren oder sich ärgern darüber, dass die alten Texte nicht mit den Denkformen arbeiten, die einem aus gegenwärtigen Zusammenhängen geläufig sind. Oder er wird sie nur naiv seinem eigenen Weltbild anpassen und Antworten auf die Fragen heraushören, die er selber hineingelegt hat. Und er wird beispielsweise mit der oben kurz genannten betont niedrigen Einstufung der Sonne nichts anfangen können und krampfhaft Parallelen suchen zwischen der Abfolge der sieben Tage der biblischen Schöpfung und der wirklichen, naturwissenschaftlich zu erhebenden, Kosmogonie. Eine Vermischung dieser Ebenen ist aber so unerträglich wie die Nachkorrektur eines Picasso-Bildnisses durch eine geometrische Zeichnung wäre. Beides hat einen je eigenen Wert. Antworten auf Fragen, die sich erst heute stellen (etwa über atomare Strukturen), wird man in der Bibel nicht erwarten dürfen. Aber die heutigen Fragen nach dem, was die Menschlichkeit des Menschen ausmacht, haben eben doch Wurzeln, die zurückreichen bis in das frühe Ringen um Lebenseinsichten und Lebensmaßstäbe, die durch jene Texte dokumentiert sind.

Griech NT

Forschungsgegenstand Neues Testament –
nur ein Ausschnitt 😉 aber: früher Streitpunkt:
Was ist echt? Was ist eingefügt?
Das “Comma Johanneum” – siehe Wikipedia
[Via Wikimedia Commons ]

Literatur zum Thema

Das alles sind keine neuen – gar erst durch Internetdiskussionen oder den sog. “neuen Atheismus” provozierten – Überlegungen. Sie sind erst recht nicht nur meine Privatmeinung. In der Theologie, wie sie zumindest an europäischen Universitäten gelehrt wird, wird das seit gut 200 Jahren so diskutiert. Man kann dazu manches lesen. Ich möchte hier für die, die sich weiter dazu interessieren, ein paar Hinweise geben auf Literatur, die – einerseits nicht durch Fachterminologie überfrachtet ist und andererseits auch nicht in erbaulicher Predigtabsicht die historisch–kritischen Fragen überspielt, sondern diese Zusammenhänge deutlich benennt.
Dabei unterstelle ich, dass ich die Personen nicht vorstellen muss – Grunddaten usw. findet man im Internet. Auch ihre Schriften nenne ich nicht bibliographisch genau. Das Nötige wird man ebenso schnell finden; nötigenfalls kann ich Hilfestellung geben. Je nachdem kann ich diese Hinweise im Lauf der Zeit auch weiter ausbauen. Dazu bitte ich ausdrücklich die, die sich in der aktuellen Literatur auskennen, um ergänzende Tipps.

Zum Alten Testament verweise ich auf:
Jörg Zink. Sein Buch „Licht über den Wassern“ las ich einmal vor Jahrzehnten. Er schildert darin sehr anschaulich, wie die biblische Urgeschichte (1. Mose 1-12 ) und die Exodus-Geschichte (2. Mose) in der babylonischen Gefangenschaft (aus älteren Erzählteilen) zusammenkomponiert wurde – als „Geschichten gegen die Angst“, als Ermutigung zu neuem Aufbruch.
Eine ähnliche Anschaulichkeit hörte ich öfters in Vorträgen bei Siegfried Zimmer. Sein Buch „Schadet die Bibelwissenschaft dem Glauben? Klärung eines Konflikts“ – befasst sich mit Grundmethoden der historisch-kritischen Bibelauslegung. Einzelne Aufsätze etwa zur Urgeschichte, kann man auch im Internet finden, zB: “Haben Adam und Eva wirklich gelebt? Warum es sich lohnt, von der wissenschaftlichen Theologie zu lernen“

Zum Neuen Testament verweise ich auf
Schriften von Pinchas Lapide – für den christlichen Teil der Bibel also zuerst auf die jüdische Stimme. Etwa sein Buch zur Bergpredigt: “Die Bergpredigt – Utopie oder Programm?” Er kennt sich in den Zeitumständen des Urchristentums aus; und weiß zB darzustellen, dass etwa die „Feindesliebe“ nicht bloß „frommer Wunsch“ sein muss; sondern zu einer überlegten Taktik gegenüber einer Besatzungsmacht geformt werden kann – als Entfeindungs-Liebe.
Ähnlich konkrete Darstellungen fand ich auf anderer Ebene bei Gerd Theißen, Der Schatten des Galiläers: Eine Nacherzählung (mit Zwischenreflexionen) zur Entstehungs-Geschichte der Jesus-Geschichten. Da wird es anschaulich – konkret vorstellbar – , welchen Spannungen in jenen Jahrzehnten die Leute ausgesetzt waren, die solche Geschichten erzählten. Und wie sie diese Geschichten einsetzten, mit ihnen lebten.

Ja, und sehr umfassend, reichhaltig, für beide Teile der Bibel
immer wieder Eugen Drewermann. Er weiß in den erzählerischen Teilen der Bibel, die mehr der Märchengattung zuzuweisen sind, Zusammenhänge zu entdecken und darzustellen. Als letztes begegnete mir seine Darstellung der Jona-Geschichte: „Und der Fisch spie Jona an Land. Das Buch Jona tiefenpsychologisch gedeutet“
Nun ja, Tiefenpsychologen entdecken in der Tiefe fremder Geschichten öfters zuerst einmal die Tiefe ihrer eigenen Seele… Doch auch da mag manches spannend sein.

Spannend bleibt es für mich zu sehen, wie manche Erzählung, manches Gedicht, auch manches Märchen oder mancher Mythos in immer wieder neuem Gewand daherkommt und doch ein Dokument dafür ist, wie Menschen den Regelkreisen des Lebens nachspüren, wie sie um Lebenseinsichten und Lebensmaßstäbe ringen.

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Veröffentlicht von

Hermann Aichele Jahrgang 1945. Studium evang. Theologie in Tübingen, Göttingen und Marburg (1964-70), Pfarrer in Württemberg, jetzt im Ruhestand. Hinter die Kulissen der Religion allgemein und besonders des in den christlichen Kirchen verkündeten Glaubens zu sehen, das war bereits schon in der Zeit vor dem Studium mein Interesse: Ich möchte klären, was gemeint ist mit den Vorstellungen des Glaubens, deren Grundmaterialien vor Jahrtausenden geformt wurden - mit deren Über-Setzung für uns Heutige man es sich keinesfalls zu leicht machen darf und denen gegenüber auch Menschen von heute nicht zu leicht fertig sein sollten.

61 Kommentare

  1. Sehr aufschlussreich. Ich frage mich in diesem Zusammenhang aber gerade, wie ich mit solchen Überlegungen am besten den Zeugen Jehovas begegne. Die halten die Bibel ja für eine “von Gott inspirierte Schrift”, wobei sie in diesem Zusammenhang unter “Inspiration” etwas anderes, höheres, verstanden wissen wollen, als die Inspiration eines Künstlers zur Schaffung eines Werkes oder der Inspiration des “gewöhnlichen Menschen” zu bestimmten Handlungn.
    Zu dieser speziellen Inspiration gehört auch die Kanonisierung der Bibel; das es da einen teilweise Jahrhunderte währenden Prozess gegeben hat, indem der jetzt gültige Kanon festgelegt wurde, scheint sie dabei nicht zu interessieren. Oder sie deuten es wieder als göttliche Inspiration.
    Schlimm ist es auch, wenn man mit denen auf die Kunst in der Kirchengeschichte zu sprechen kommt. So hab ich mal irgendwo gelesen, das die viele Symbolik, die einem in sakralen Kunstwerken begegnet, oftmals nicht ohne Kenntnis der Apokryphen verständlich wird. Beispiel: Der Ochse und der Esel in der Weihnachtskrippe. (Aber die Apokryphen gehören ja nicht zur Bibel und können laut ZJ allein schon deshalb nicht Gottes Wort wieder geben. Das sehen manche Kirchenleute vielleicht sogar genauso, aber ich bin mir da nicht so sicher.)

    Wahrscheinlich gehöhren die ZJ auch eher zu jenen, die die Bibel lieber wörtlich nehmen, weshalb es nahezu aussichtslos erscheint, sie von etwas anderem zu Überzeugen als dem, was die Wachturm Gesellschaft als Interpretation vorgibt…

  2. Es gibt keine Götter und Teufel

    Der abrahamitische Gott, Gott der Juden, Gott der Christen und Gott der Muslime ist eine Fata Morgana, ohne realen Hintergrund.

    Zur Erinnerung:

    1631 wurden ungefähr 20.000 Magdeburger von katholischen Truppen niedergemetzelt, 20.000 Menschen, ermordet aus religiösen Gründen.

    Religionen sind gefährlich, sie manipulieren die Menschen, sie prägen ihnen irrationale Inhalte ein.

    Man denke auch an die irrationale Beschneidung von Kindern, grauenhaft, die Religionen.

    Heute verlangt der Mensch nach Begründung, die Naturwissenschaften erziehen zu rationalem Denken. Humanismus und naturwissenschaftliche Weltsicht sind wesentlich besser als religiöse Weltanschauungen.

    Ich bin gerne bereit, gegenüber Print- und Internetmedien zum Unterschied zwischen religiöser Weltsicht und rationaler Welterklärung Stellung zu nehmen.

    Joachim Datko – Physiker, Philosoph
    Forum für eine faire, soziale Marktwirtschaft
    http://www.monopole.de

  3. Ach was,

    @Datko, Ihr Beißreflex funktioniert scheints noch… – egal, um welches religiöse Thema es geht.
    Wissen wir doch alle, dass der Datko weiß, dass Religionen gefährlich sind.
    Gibt viele gefährliche Dinge: Messer, Gabel, Scher und Licht…

  4. Schöner Anriss über die verwirrenden Interpretationen unserer Vergangenheit. Aber ausschliesslich den Kutlurkontext von damals zu verwenden, um über die Lebensumstände der Menschen per Weltbild und Umgebungsbedingungen an Beweggründe zur Aussage zu kommen, reicht auch nicht aus.

    „Entweder nimmt man die Bibel wörtlich oder man nimmt sie ernst“

    -> Den Spruch kannte ich noch nicht. Aber ich wandte seine Systematik schon mal anderweitig an – hier Esotherik, die ja oberflächlich gesehen nicht weit von Religion entfernt ist. Ansonsten kann man das Wort “Bibel” auch beliebig austauschen. Der Spruch ergäbe noch immer seinen Sinn (hinsichtlich von wörtlich nehmen oder anders/interpretiert beurteilen).

    “Oder er wird sie nur naiv seinem eigenen Weltbild anpassen und Antworten auf die Fragen heraushören, die er selber hineingelegt hat.”

    -> Das kann man durchaus machen, wenn der Kontext stimmt/vergleichbar ist mit der Zeit damals (und den möglichen Anpassungen der zeit danach). Der Weg die Aussagen mit Kenntnis über die Kulturreferenz von damals zu verstehen ist natürlich auch richtig. Das würde dann aber nur die naive Seite der Aussage erklären und also einen Text zu wörtlich nehmen, wie er es nicht hätte verdient. Interessanter und breiter kann “ermittelt” werden, wenn man zum Kulturkontext noch die Zivilisationsreferenzen hinzu nimmt. Und natürlich, wenn man ernsthaft annehmen würde, es ergäbe in dieser zusamenfassenden Bandbreite der Bedingungen einen Sinn, von/über was dort die Rede war.
    Nachdem man dann alles alltägliche hat herrausgeschält, auf das Wesendliche reduziert, was damals wie heute eine Relevanz besitzen könnte, dann möge man gescheite Erkenntnisse erlangen, wozu sich über die jahrtausende die Religion gebildet und erhalten hat können und was sie abseits des Wortes uns erklären kann (Beweggründe zum Inhalt). Das man dabei annehmen darf, dass die Informationmenge in der frühen Zeit erheblich geringer war, sei dabei hilfreich. Aber diese Tatsachen erwähnen sie ja im Artikel.

    Eine sichere Strategie, wie man Beweggründe oder/und Ursachen aus naiven und poetischen BEschreibungen/Aussagen herrausliesst, ist, den eigenen Kulturkontext (und was er zu erklären hat) zu ignorieren, solange er einem immer scheinbar plausible Antworten geben will. Dabei nämlich kommt eine vielzahl an Informationen bei raus, die sich nicht eignet, um Erkenntnis zu erlangen.

  5. Zukunft der bibel

    Frage an sie als theologe (vielleicht kann blume aus seiner sicht auch antworten)

    Wuenschen sie, dass sich die bibel wieder veraendert? Neue texte hinzukommen, altes rausfaellt, texte umgeschrieben werden?

    Dass die bibel wieder ein lebendiges zeitueugnis wird?

  6. Danke

    für die Reaktionen, die auf ein ernsthafteres Interesse an einer Diskussion weisen. Da sollte ich erst recht antworten… Mach ich’s von hinten herein.

    @Thomas
    Nein, ich wünsche nicht, dass die Bibel sich verändert. Ich wünsche eine lebendige Diskussion zur Bibel, und dazu wird man die Texte auch unterschiedlich gewichten müssen. Es gibt Dinge, die man getrost vergessen kann. Aber ich möchte nicht, dass jemand das ein für allemal festschreibt. Gab schon ehrenwerte aber eben auch üble Versuche, die Bibel umzuschreiben – umzuredigieren. Und wer bestimmt da? Wäre so wie bei einem Bergwerk: Wer bestimmt, welcher Stollen geschlossen und in welchem weiter gefördert werden dürfte? Vielleicht sieht man in 100 Jahren manches anders. Also, die Diskussion soll weitergehen. Und diese, nicht der Bezugspunkt Bibel, könnte ein „lebendiges Zeitzeugnis“ sein.
    Übrigens, Aufgabe von Religionswissenschaftlern wäre es nicht, solche Vorgänge zu bewerten – die könnten lächelnd daneben stehen und die Veränderungen analysieren.
    @Chris
    Da sprechen Sie ein bisschen viel an. Ja, im Grunde habe ich das Thema nur angerissen – gewissermaßen auf Türen zu Innenräumen hingewiesen, ohne diese selbst dann auszuleuchten. Natürlich reicht der Kulturkontext nicht aus. Manchmal muss auch Individual-Psychologie her. Z.B. fragten Theologen seit Jahrzehnten an gewissen Stellen, ob Paulus einen Brief vielleicht nach einer schlaflosen Nacht gereizt fortsetzte. Und es könnte ja wirklich jemand von (einmaligen? oder wiederholbaren? )individuellen Erfahrungen berichten. Nun ja, es ist auch sonst mein Interesse, zu zeigen, dass öffentlich relevante Zusammenhänge auch in Religionen wirksam sein können. Und ich habe dies auch hier mehr im Blick gehabt.
    Stimmt: wörtlich nehmen oder ernst nehmen – man kann das auf verschiedenste Sachgebiete anwenden. Ist also keine Sonderregel für die Bibel.
    Was bei der Betonung, dass man die geistigen Zusammenhänge/Zeitumstände… bei der Interpretation von Texten berücksichtigen soll – was dabei vielleicht zu leicht aus dem Blick gerät, das ist:
    Die Texte (der Bibel) sind ja nur Kristallisationspunkte, in denen sich einiges ausdrückt – mithilfe derer man einiges festhalten kann. Aber so wenig Straßenmarkierungen oder Ampeln den Verkehr ausmachen, so wenig sind diese Texte schon das (religiöse) Leben selbst. Oder ich könnte es auch mit einem andern Bild versuchen: Ich habe gewissermaßen den Funkverkehr einer Fluss-Schifffahrt beschrieben – in welchem Kontext die Funksprüche zu verstehen sind und wie die den Verkehr beeinflussen. Das Erlebnis, auf dem Boot zu sein, ist nochmals was anderes. Und die Bewegung des Flusses erst recht.
    Manches können wir vielleicht nicht nach-empfinden: Etwa den Hunger, den Durst, den Staub – alles, was die mitbekamen, die beteten „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen… Woher kommt Hilfe?“ Und ich kam mal touristisch mit einem Bus durch die Wüste zwischen Jerusalem und Jericho. Ausgestiegen sind wir an einer alten Karawanserei (drüber eine befestigte Siedleranlage – die wäre ja auch interessant gewesen…). Hier wurde die Geschichte vom Samariter erzählt. Und wir – wir waren nach einer halben Stunde wieder weg. Ein anderer aus der Gruppe meinte, das könne er sich jetzt ganz genau vorstellen. Aber ich nehme an, dass hinter den von Jesus überlieferten Geschichten ein intensiveres Erleben steckt.

    @Hans
    Gibt natürlich verschiedene Interpretationsmethoden. Und die der Zeugen Jehovas dürfte am anderen Ende der Skala von verschiedensten Möglichkeiten sein. Diese ZJ gründeten sich ja und gründen sich darauf, dass man das Ganze wortwörtlich nehmen müsse. Da werden alle Unebenheiten und Widersprüche weggebügelt. Und genau das daraus zu machen versucht, wogegen ich argumentierte: bei denen ist die Bibel ein Lehrbuch, das leider nur die Lehrinhalte etwas unübersichtlich gestreut hat. Deshalb braucht man dann die Querverweise, um von einer Bibelstelle zur andern zu hangeln; und wenn man diese dann anweisungsgemäß verfolgt, dann landet man bei den richtigen Lehrinhalten.
    So kann man aus tiefgründigem Ringen um letzte Lebenswahrheiten etwas machen, das einem Bilderbuch für Kinder nicht unähnlich ist – und eine Gemeinschaft wie einen großen Kindergarten organisieren. Kann gar nix passieren, wenn man das sagt, was die Tante sagt… Aber ansonsten hab ich Hochachtung vor mancher Konsequenz – zB dass einige eher ins KZ gingen als zu einer Waffe zu greifen. Und so naiv die Bilder der Endzeit wirken – sie schweben jedenfalls nicht ins „rein Geistige“ ab; und Rassismus gibt’s da nicht. Also, auch gewisse (geistige) Engführungen haben durchaus verschiedene Aspekte…

  7. Danke für die Antwort

    Ich dachte nur an Blume, weil er vielleicht etwas zu meinem Verständnis der Kanonisierung von religiösen Schriften beitragen könnte.

    In der Tat ist aus meiner Sicht der jetzige Kanon ja auch ein Ergebnis einer Diskussion.
    Wieso nicht, “bald” 2 Jahrtausend später über einen neuen Kanon diskutieren?

    Der Hintergrund meiner Frage:
    Öfters nehmen Pfarrer als Predigttext oder für Abdankungen ausserbiblische Texte/Erzählungen, die natürlich genauso wertvoll sind, unser Leben zu reflektieren.

    Reicht diesen Pfarrern die Bibel nicht mehr? Glaube ich ehrlich gesagt nicht.

    Mir, als Atheist, wäre es jedenfalls sympathisch, gäbe es eine Diskussion um eine neue Bibel (was das auch immer sein mag)

  8. @Thomas: Nebenbibeln

    Die Frage ist durchaus berechtigt. Religionsgeschichtlich gesehen entstehen ständig “Nebenbibeln”, die beanspruchen, die Bibel zu ergänzen, zu korrigieren oder gar abzulösen. Beispiel: Mormonen. Auch Kanones sind also wandelbar und werden immer wieder durch neue Varianten herausgefordert.

  9. kluger Satz

    „Entweder nimmt man die Bibel wörtlich oder man nimmt sie ernst“ – dieser kluge Satz wird verschiedenen Leuten zugeschrieben.

    Man sollte Schriften wörtlich nehmen und dann in der Folge ernst.

    So hat es der Schreiber dieser Zeilen immer gehalten. Nichts spricht dagegen historisierend einzuordnen und den Geist (das Fachwort an dieser Stelle) eines Textes im Bewusstsein des möglichen Irrtums anzunehmen, aber Texte dadurch “ernst” zu nehmen, dass man sie nicht wörtlich nimmt, entschließt sich dem Verständnisvermögen dieses Kommentators. – Vermutlich hat die ganze Sache aber System und man will Texte uminterpretieren.

    So richtig cool fänden das dann nicht alle, auch und gerade Drewermanns dbzgl. Versuche nicht.

    Was erhebt Sie dazu, Herr Aichele, diese oder jene Stelle aus der Bibel anders zu verstehen als erkennbar gemeint?

    MFG
    Dr. Webbaer

  10. In der Theologie, wie sie zumindest an europäischen Universitäten gelehrt wird, wird das seit gut 200 Jahren so diskutiert.

    Ja, das merkt man. Die Kirchen werden immer leerer. Wo ist sie hin die Kraft des Glaubens?

    Für mich ist die Bibel mehr als eine Sammlung von Gedanken verschiedenster Menschen. Für mich ist sie von Gott inspiriert. Ich kenne ein paar Sachen von Siegfried Zimmer und beschäftige mich gerne damit. Aber ansonsten habe ich von historisch-kritischer Seite nur wenig Gutes mitbekommen. Wenn ich da nur an Bultmann denke. Da halte ich es lieber mit einem Blumhardt – wobei ich seine Meinung zur Naherwartung nicht teile – der die Bibel beim Wort nahm. Da hat der Glaube noch was bewegt und so vielen Menschen konnte er helfen.

  11. @ Huhn

    “Die Kirchen werden immer leerer.”

    Ist das ein Problem?

    Jesus: “Wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler. Sie stellen sich beim Gebet gern in die Synagogen und an die Straßenecken, damit sie von den Leuten gesehen werden. Amen, das sage ich euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten.6 Du aber geh in deine Kammer, wenn du betest, und schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten. 7 Wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden, die meinen, sie werden nur erhört, wenn sie viele Worte machen.8 Macht es nicht wie sie; denn euer Vater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet.” (Matthäus 6,5-8)

    “Für mich ist sie von Gott inspiriert.”

    Mag sein. Dann ist aber die KrV Kants, die Welt als Wille und Vorstellung Schopenhauers und der Zarathustra Nietzsches auch von Gott inspiriert. Denn wenn mit Jesus alles gesagt wurde, warum sind wir dann nicht erlöst?

    Jesus: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Er hat nicht gesagt: ich bin das Ziel.

  12. @ Martin Huhn Netto-Christen

    “Die Kirchen werden immer leerer.”
    Der Zeit-Journalist Jörg Lau hat vor ein paar Jahren den Begriff “Netto-Christen” geprägt und gefragt, ob denn deren Zahl früher, als die Kirchen noch voll waren, größer gewesen ist. Er fand keine Gründe, dies anzunehmen.

  13. @ Dietmar Hilsebein @ Huhn 10.09.2012, 11:3

    “Jesus: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.”

    -> Man kennt solche Aussagen. Plötzlich aber kommt mir das so bekannt vor…!

    Das liesse sich auch aus Richtung von “World of Warkraft” sagen, kants Werke, Astrologie oder auch den täglichen “Tagesthemen”.

    Da lässt auch erkennen, wie relativ diese “Botschaften” sind.

    Der Vorteil von Jesus und der Bibel liegt darin, dass sie inzwischen schon seit Jahrtausenden im Leben vieler quasi geübt sind und auf bestimmte – für die Allgemeinheit relevante – Bedingungen des individuellen Lebens besonders “abgestimmt” wurden.

    Aus gewissem Blickwinkel bedarf die Bibel (und andere religiöse Niederschriften) keine “Überartbeitung”. Solange sich Dritte nicht durch dessen Inhalte Behindert sehen/erkennen, ist jede “Anpassung” unmotiviert und unnötig.

    Und irgendwie ist nach der These eben doch alles, was es auf der Welt gibt, von Gott inspiriert. Woher sollte es denn sonst entstammen können – wo doch Gott der einzig erhabene und fähige darüber sei…?

    Dieses Argument taugt also zu nichts weiter, als zum Phrasenschneiden. Einfach zu glauben, weil niemand dabei be/verhindert wird. Ein Glück nämlich, dass Gott kein weltliches Urheberrecht beansprucht…

    @ Martin Huhn @ Bednarik 10.09.2012, 10:26

    “Mit Jesus hat es seinen Abschluß gefunden. Es gibt nichts Neues mehr.”

    -> Wenn man daran glauben will, hindert einem daran niemand. Aber man könnte auch “glauben”, dass es mit Jesus nur eine neue Qualität erreichte und nichts zuende ging.

    Ich bin also für eine weitere Qualitätssteigerung. Aber sowas dauert leider immer ein paar Jahrunderte oder tausende und spielt für ein Menschenleben mit seinem Bewusstsein keine Rolle. Es ist gezwungen jetzt zu leben – leider (will man manchmal sagen).

  14. Die Bibel eine Karikatur?

    Ich habe schon öfters gehört / gelesen, dass viele der Mythen in der Bibel als Karikaturen der mesopotamischen oder ägyptischen Mythen zu sehen sind. Sozusagen als Abgrenzung der jüdischen Kultur zu den Babyloniern etc.

    Das kann man sich sehr gut vorstellen, wie die jahrtausende Alten “Ideen” durch den Kakau gezogen werden. Da wird aus dem männlichen “verbotene Frucht” Dieb Enki mal eben die Eva, der Schöpfungsmythos legt andere Schwerpunkte etc.

    ABER was ist der bibl. Gott dann anderes als eine Karikatur der alten Götter?

    Die Schöpfung als Karikatur, die Menschwerdung als Karikatur, die Paradiesvertreibung als Karikatur, die Sintflut als Karikatur mit dem lustig besoffenen Noah … das kann durchaus alles sein !

    Aber ist das AT dann nicht eigentlich ein antikes Titanic”heft”, statt einer heiligen Schrift? Wo ist da noch Platz für göttliche “Wahrheiten”?

    Denn die Karikaturen oben können dann doch schwerlich als göttliche Wunder oder Gottesvorstellungen gelten ..

  15. @ Hilsebein

    Für die Landeskirchen ist es sicher ein Problem, wenn die Kirchen immer leerer werden. Einige Freikirchen hingegen wachsen. Andere Freikirchen, die einen ähnlichen Weg wie die evangelische Landeskirche eingeschlagen hat, die schrumpfen auch. Ich wollte das aber erstmal nur als Fakt festhalten.

    Ich bin ein Erlöster und Jesus ist mein Erlöser. Was Kant, Nietzsche etc. dazu gesagt haben ist mir ziemlich egal.

  16. @ einer 10.09.2012, 12:08

    -> Ersetze “Karikatur” mit “Visualisierungshilfe” der zu jeweiligen Zeit und Umgebungsbedingungen möglichen Bewusstwerdung der Ereignisse im Umfeld der Menschen.

    Die griechishcen Götter sind ein besonderer Hinweis auf die Funktionen derer, die sie in jeder Kultur haben. Viele erkenntnisse darüber sind jedoch leider in Vergessenheit geraten, sodass eigendlich ein Rückschritt im Weltbild hat ereignet – anstatt ein Fortschritt, wie uns suggeriert wird.

  17. @ chris

    “Da lässt auch erkennen, wie relativ diese ‘Botschaften’ sind.”

    Einen Hinweis gibt es da, um die ‘Botschaften’ voneinander zu unterscheiden. Herr Trepl möge es mir nachsehen, wenn ich schreibe: ein Gefühl dafür zu entwickeln, ob sich die inneren Ketten lösen oder fester gezogen werden. Daher sehe ich es wie Sie, daß es mit jenem Manne aus Nazareth eine neue Qualität gab, die für jene seiner Zeitgenossen, die die Sensibilität besaßen, eine Befreiung darstellte. So auch Nietzsche befreiend wirkte als er die Unschuld des Werdens in Gefahr sah durch Begriffe wie Lohn, Sünde, Schuld.

  18. @ Martin Huhn

    Sie antworten auf D. Hilsebein: “Ich bin ein Erlöster und Jesus ist mein Erlöser. Was Kant, Nietzsche etc. dazu gesagt haben ist mir ziemlich egal.”

    Aber was Paulus und Petrus dazu gesagt haben, ist Ihnen nicht egal. Warum? (Katholisch sind Sie nicht, sonst wäre Ihnen auch nicht egal, was Augustinus und Ratzinger dazu gesagt haben.)

    Vor allem aber: Was Kant, Nietzsche etc. dazu gesagt haben, sollte Ihnen nicht egal sein. Es könnte ja sein, daß die etwas dazu gesagt haben, was Sie überzeugt , das Sie also nicht bestreiten können, ohne sich selbst zu belügen. Woher wollen Sie wissen, daß Ihnen das nicht geschehen wird, wenn Sie von vornherein zu wissen meinen, das sei Ihnen egal?

  19. @chris

    ” Ersetze “Karikatur” mit “Visualisierungshilfe” der zu jeweiligen Zeit und Umgebungsbedingungen möglichen Bewusstwerdung der Ereignisse im Umfeld der Menschen.”

    Nein, das ist etwas anderes.
    Ich bezog mich auf den Text im Blogtitel, wo nahegelegt wird, dass die alten Mythen deswegen so “verdreht” übernommen wurden, weil sie als Herabstufung / Veralberung (Karikatur) der Mythen der “Mächtigen” geschrieben wurden. Ein Beispiel dafür war z.B. das Sonne und Mond nicht mit Namen genannt werden.

    Daraus würde aber auch folgen, wass sie keine göttlichen Wahrheiten sein können.

    Das hat mit “Bewusstwerdung” nichts zu tun, wenn man Mythen anderen nimmt und diese absichtlich verdreht, um sich quasi darüber lustig zu machen. Die bibl. Texte mögen einem allerdings zum Teil durchaus so erscheinen.

    Abgesehen davon kann ich auch keine “Weiterentwicklung” von den mesopotamischen zu den biblischen Mythen erkennen, eher im Gegenteil. Blutigste Strafe für kleinste Vergehen, kennen die mesopotamischen Mythen z.B. nicht.

  20. @ Trepl

    Ich bin nicht mehr auf der Suche. Vielleicht befasse ich mich irgendwann mal damit, so wie ich mich mit anderen Religionen befaßt habe, aber das Christentum hat mich sehr überzeugt und tut es immer noch. Das ist für mich auch keine theoretische Anschauung, sondern erfahrbarer, gelebter Glaube. Deshalb gehe ich auch nicht davon aus, daß mich die anderen “Kollegen” überzeugen. Es ist ja auch nicht so, daß ich mich noch nie mit kritischen Geistern auseinander gesetzt habe.

  21. Himmelslichter an vierter Stelle …

    Die “Himmelslichter” werden in der Enuma Elish im übrigen auch an vierter Stelle “erschaffen”.

    “Dem Mond wird als glänzendes Juwel die Nacht gegeben, die Tage zu markieren…”

    So viel “anders” ist das auch nicht.
    Mmh was das Beispiel vielleicht ungünstig gewählt?

  22. @ Martin Huhn

    „Ich bin nicht mehr auf der Suche.“ Sollten Sie aber. Wenn nicht, sind Sie der Sünde des Hochmuts verfallen.

    „aber das Christentum hat mich sehr überzeugt.“ Mich auch, aber ich verstehe wohl etwas anderes darunter, und die anderen, die hier diskutieren, offenbar wieder etwas anderes.

    „Das ist für mich auch keine theoretische Anschauung, sondern erfahrbarer, gelebter Glaube.“ Ja sicher. Nur: Was heißt das? Das sagen nämlich andere auch, solche, die überhaupt nicht Ihre Auffassungen teilen darüber, was dieser Glaube ist.

    „Deshalb gehe ich auch nicht davon aus, daß mich die anderen “Kollegen” überzeugen.“

    Das pflegt so zu sein und hat auch seinen praktischen Sinn. Ich habe auch schon vieles flüchtig gelesen, was mich nicht überzeugt hat, und bin mir sehr sicher, daß mich eine genauere Beschäftigung damit nicht umstimmen wird und deshalb tue ich das auch nicht. Aber mich stört Ihre rigorose Haltung. Was nach Jesus kam, muß Sie nicht mehr interessieren, sagen Sie; das haben ja nicht einmal die Reformatoren so gemacht. Und die Widersprüchlichkeit: Denn Sie lesen doch theologische Bücher, die nach Jesus geschrieben wurden, und hören sich Predigten von Leuten an, die heute leben. Wie wählen Sie aus? – Ich könnte es ja noch verstehen, daß Sie Nietzsche, einen erklärten Atheisten, nicht lesen, weil Sie vielleicht mit gutem Grund denken: der stimmt mich ja doch nicht um, auf seine Behauptungen habe ich die Antwort schon; wenn sich auch eine gewisse Ängstlichkeit und eine Unsicherheit gegenüber der eigenen Auffassung darin zeigt. Aber warum auch Kant nicht und -zig andere Philosophen, die doch für sich beanspruchten, nicht weniger gute Christenmenschen zu sein als Sie selbst es für sich beanspruchen?

  23. @ trepl

    Mich hat diese Aussage auch etwas zurückgeworfen.

    “Jesus ist das Ende, danach kommt nichts mehr”

    Aber, … es ist doch jedem sein Recht, dass er Glaubt. Und wenn es eben Jesus ist, der darin die Schwelle gibt, dann soll dass auch recht sein. Dafür ist Religion gemacht. Sie hat in ihr für fast jeden eine Situation und Ebene, mit der sich als einzelner im Ganzen leben lässt.

    Nur, wer mehr wissen will, was es zu bedeuten hat, der muß eben Nietzsche lesen oder/und Kant und auch vieles andere … auch modernes und absurdes, sonst ist kein Start zu machen mit Erkenntnis.

    Manche aber haben schon Angst vor dem Wort “Aufklärung”. Dabei braucht es das nicht – diese Angst. Denn so erfüllend, wie der Begriff “Aufklärung” einem androht, ist sie gar nicht. Es ist ansich eben wieder nur eine Handlungsanweisung zum (besserem) Leben. Über sich selbst und die Menschheit erfährt man dadurch nicht besonders viel (mehr).

    Da bekomme ich doch gerade wieder Lust auf den Zarathustra … (zu empfehlen, wenn einem eine Zeit lang erst mal nichts mehr schocken soll)…

  24. Das wird ja bunt –

    etwas verwirrend bunt. Mal sehen, wie ich eine Schneise finde durch das Vielerlei. Will jedenfalls ein paar Fäden aufnehmen, bevor sie verloren gehen – oder sich verheddern. Zuerst einmal soll der Dank nicht verloren gehen, da haben sich ja einige mächtig ins Zeug gelegt; und gezeigt, dass es da Fragen gibt, die nicht „egal“ sind.

    Ergänzungen der Bibel?
    Ja, denkbar ist vieles und vielerlei wurde ausprobiert. Michael Blume hat das Buch Mormon erwähnt. Ziemlich parallel könnte man den Koran nennen. Im Grunde genommen auch das „Neue Testament“, das nicht als Alternative zur vorhandenen Bibel (dem „Alten Testament“) gedacht war, aber immer mehr dazu wurde. Diese drei Vorgänge zeigen aber, dass auf diese Weise dann neue Religionen entstehen können. Da sind die Vertreter der Ursprungsreligion nicht so dafür.
    Sie zeigen aber auch, dass in bestimmten kritischen Situationen Religionen wie Seismographen wirken können – dass die Zeiger so sehr ausschlagen, dass es nötig wird, die bisherigen Messinstrumente nachzujustieren oder zu ersetzen.
    Ob die neue Lösung dann besser wird? Das wird immer die Frage sein: der Juden an die Christen – der Juden und der Christen an die Moslems – der Christen an die Mormonen.
    Kann natürlich auch sein, dass durch entsprechende Ergänzungen/Interpretationsanleitungen… das Original überwuchert wird. Das ist zB der Vorwurf des Protestantismus an den Katholizismus. Aber auch der Protestantismus hat seine Interpretations-Vorgaben. Knifflige Fragen tun sich da auf. Dass man da wenigstens was davon bemerkt und die nicht bloß überspielt – das ist auch eine der Aufgaben der universitären Theologie.
    Weswegen ich betonte, ich sei dagegen, die Bibel umzuschreiben (dagegen aber für eine lebendige, weiterführende Diskussion bin) – das hat zunächst einmal ganz praktische kirchenpolitische Gründe: Welches Gremium könnte denn etwas verfassen, das dann in großer Breite anerkannt wäre? Oder anders gesagt: Wenn Karl Bednarik schreibt, „Man könnte das ‚Dritte Testament’ verfassen“ – dann muss man schlicht fragen: wer heißt denn „man“?!
    Und es sind mehr als nur Gründe der Praktikabilität:
    Mir ist eben noch bewusst, welche Versuche von Nazi-Theologen gemacht wurden, aus dem Alten Testament die angeblich unmenschlichen Seiten zu tilgen – Nazis gegen Unmenschlichkeit? Nein danke! Da waren eben die Theologen und Christen besser, die sagten: Die ganze Heilige Schrift ist Gottes Wort an uns – und die Kirche darf die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung nicht ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen.
    Zu denen, die derartigen Versuchen widerstanden, gehörte ausgerechnet auch Rudolf Bultmann – in den ersten Nachkriegs-Jahrzehnten der Buhmann dafür, dass die historisch-kritische Methode das Handwerkszeug der universitären Theologie geworden war und blieb. (Einige derer, die im 3. Reich schmählich versagten, konnten dann nachträglich an ihm und seinen Schülern ihre Bekenntnis-Freude austoben).

  25. dass die Kirchen immer leerer werden

    @Martin Huhn – autsch, das ist mir zu vielschichtig, um es hier abzuhandeln. Manche haben schon auf die Vielschichtigkeit hingewiesen. Ich könnte mir vorstellen, dass man mal drüber bloggen müsste. Aber da müsste ich mich mehr in Kirchensoziologie hineindenken. Hier bloß mal so viel: Es gibt sicher in alle Richtungen / aus allen Richtungen Enttäuschung an den Kirchen. Meinerseits grimmig dazu gesagt: Es ist spannend, wie gewisse evangelikale Blätter mit gewissen humanistischen Blättern homophon klingen – die Spitzenmeldungen evangelikalen Kirchenbashings bekomme ich auf diese Weise mit. Danke zB an blasphemieblog. Ich kenne natürlich die Vorwürfe: Politisch UND akademisch UND weltfremd UND unkritisch – für alle Mankos findet man natürlich Beispiele. Aber es gibt so viele Pauschalvorwürfe, dass sie sich schon wieder gegenseitig aufheben. An der universitären Theologie selber dürfte es weniger liegen; aber sehr stark daran, dass es natürlich auch unter Pfarrern Leute gibt, die meinen, die Universitätstheologie vor den Leuten ausbreiten zu dürfen; und das womöglich habverdaut. Man kennt ja auch die Sozialarbeiter, die mit Unterschichtlern soziologesisch rede. Das tut niemand gut. Ach ja: natürlich wurden durch historisch-kritische Fragen auch Problemstellungen fokussiert, die es nicht sollten: Z.B. eine ganze Osterpredigt lang drüber verhandeln, ob das Grab jetzt leer war oder nicht (und auf die schimpfen, die da anderer Meinung sind). Da hörte ich schon von Negativbeispielen in beiden Richtungen
    Aber es ist auch nicht gut, wenn man die ganzen an der Uni verhandelten Fragen versteckt – zum Teil aus Rücksicht, zum Teil aber auch aus Angst vor einer Frömmigkeit, die sich einigeln, die nichts Derartiges hören will. Die Gefahren kenne ich ja alle auch. Die richtige Balance zu halten, das ist schwierig. Ich hab’s manchmal gekonnt und öfters auch nicht. Und es gibt immer wieder Leute, die nur deshalb in der Kirche bleiben, weil es Leute gibt, die so wie ich die Fenster öffnen für frischere Luft.
    Und zu den Besucherzahlen: Da ist so vieles rückläufig. Im Vergleich zu Kino, Theater, Politischen Parteien , Volkshochschule ff stehen die Kirchen noch ganz gut da. Wer hat bei wöchentlich relativ gleichem Programm mehr zu bieten? Fällt nur nicht so auf, weil es sich gleichmäßiger übers Land verteilt. In manchen Gegenden auf 10 Kilometer vier Gottesdienste. Den Gedanken mit den Netto-Christen (von @Ludwig Trepl über Jörg Lau) fand ich auch spannend. Die Zeit des staatlich verordneten Christentums war auch nicht so doll…

  26. Die Bibel – Menschen Werk – Gottes Wort

    – natürlich ist die Bibel für Leute, die sich um die Bibel versammeln, mehr als eine Sammlung von Gedanken verschiedenster Menschen. Aber das ist sie eben auch. Das Grundgesetz ist auch mehr als ein in politischer Feilscherei ausgehandelter Text. Aber diese erste Stufe des Verstehens möchte ich auch klar machen dürfen. Und wenn da jemand bzw. @einer den Begriff Karikatur hereinbringt: Ich denke auch, dass die Bibel an manchen Stellen (Johannesapokalypse oder bei der Geschichte vom Turmbau zu Babel) mit karikierenden Methoden arbeitet ;aber sie deshalb insgesamt als Karikatur zu bezeichnen – das würde in keine ernsthafte literarhistorische Diskussion passen. Das kann man sich nur in solchen Diskussionen hier leisten – kann man?
    Ja und um Titanic-Hefte wird sich nie eine Gemeinde sammeln und gemeinsame soziale Strukturen aufbauen. Da zeigt sich eben doch ein gewisser Unterschied, den man bei allen Vergleichen, die einem so pfiffig einfallen, denn doch auch mal beachten könnte.
    Die Bibel ist Gottes Wort an uns. Aber eben nicht vom Himmel auf uns herabgeworfen, sondern (wie man mal für die Kirchengeschichte sagte) : auf den Irrwegen der Menschen unter der Vorsehung Gottes entstanden. Und als isoliertes Textstück mit anderen Textstücken zu vergleichen. Aber als Zentrum gottesdienstlicher Versammlungen ebenso wie des persönlichen Glaubens: göttliche Weisung. Bloß – bitte auch nicht so verstehen, dass wir sie wie ein Lehrbuch/Rezeptbuch/Manual aufschlagen und befolgen können. Selber fragen, selber denken – auch weiter denken und mit anderen zusammen fragen und denken – ist angesagt.
    Und es kommt schon auch drauf an, „ob sich die inneren Ketten lösen oder fester gezogen werden“ – schöne Formulierung von @Dietmar Hilsebein.

    Aber, @Martin, in Richtung Deiner Kritiker gesagt: Ist doch berechtigt, wenn jemand sagt: Das habe ich gefunden – das ist und bleibt Zentrum meines Denkens. Darüber hinaus *brauche* ich nichts. Das schließt nicht aus, sondern hoffentlich ein, dass man anderes mehr oder weniger aufmerksam zur Kenntnis nimmt. (Und erst recht zur Kenntnis nimmt, wie andere mit dem umgehen, was mir zum Zentrum des Denkens geworden ist.). Aber man muss da nicht die Erwartung offen halten, dass einem dieses andere mehr zusagt. Und dass dieses andere zur Offenbarung wird, das muss man erst recht nicht erwarten.
    Na, das Enuma Elish ist uns jedenfalls keine göttliche Offenbarung mehr. Ist doch jedenfalls interessant, wie die Autoren, deren Texte schließlich in die Bibel kamen, dieses bearbeiteten, um es für sich zu übernehmen: Manches ganz anders, manches sehr ähnlich – eben auf die unterschiedlichen Bearbeitungsweisen und gewisse leitende Interessen habe ich hingewiesen. Darüber könnte man sich einig werden. Die Bewertung dieser Vorgänge ist dann was anderes; und da gibt es anscheinend auch sehr starke leitende Interessen. Dürfen ja sein. Man darf auch dazu stehen. Das mit einer einigermaßen überschaubaren Stufenfolge/Zählung habe ich in Enuma Elish nicht gefunden. Aber es gibt wohl auch verschiedene Fassungen und Darstellungen dieses Werks.
    Jetzt aber Schluss für heute – sonst wird es mehr als ein Schöpfungswerk 😉

  27. @ Hermann Aichele, Die Bibel….

    „Ist doch berechtigt, wenn jemand sagt: Das habe ich gefunden – das ist und bleibt Zentrum meines Denkens. Darüber hinaus *brauche* ich nichts. … Aber man muss da nicht die Erwartung offen halten, dass einem dieses andere mehr zusagt. Und dass dieses andere zur Offenbarung wird, das muss man erst recht nicht erwarten.“

    Man sollte da ein paar Unterscheidungen machen: Geht es um theoretische Gewißheit, so ist es faktisch so, daß fast jeder sagt: „das ist und bleibt Zentrum meines Denkens“. Es kann aber auch jeder wissen, daß das so sicher nicht ist und er sollte zumindest die Möglichkeit einbeziehen, daß er von dieser Überzeugung abfallen könnte. Die eigene Überzeugung anders als die der anderen für unbedingt irrtumsfrei zu halten, wäre Vermessenheit.

    Aber es gibt nicht nur theoretische Gewißheit. Ich will – mal wieder – Kant zitieren:

    „Zwar wird freilich sich niemand rühmen können: er wisse, daß ein Gott und daß ein künftig Leben sei; denn, wenn er das weiß, so ist er gerade der Mann, den ich längst gesucht habe. Alles Wissen (wenn es einen Gegenstand der bloßen Vernunft betrifft) kann man mitteilen, und ich würde also auch hoffen können, durch seine Belehrung mein
    Wissen in so bewundrungswürdigem Maße ausgedehnt zu sehen. Nein, die Überzeugung ist nicht logische, sondern moralische Gewißheit, und, da sie auf subjektiven Gründen (der moralischen Gesinnung) beruht, so muß ich nicht einmal sagen: es ist moralisch gewiß, daß ein Gott sei etc., sondern, ich bin moralisch gewiß etc.“ (Kritik der reinen Vernunft, Transzendentale Methodenlehre, Zweites Hauptstück, 3. Abschnitt. Vom Meinen, Wissen und Glauben. Kant-Werke Bd. 4, 694.)

  28. @ Trepl

    Sollten Sie aber. Wenn nicht, sind Sie der Sünde des Hochmuts verfallen.

    Wer nicht mehr sucht ist hochmütig und sündigt? Hochmut ist Sünde in der Tat. Aber ist, wer nicht mehr sucht hochmütig? Nehmen wir mal an, ich habe die Liebe meines Lebens gefunden. Und weil ich mich dann nicht mehr unter den Frauen umschaue, bin ich hochmütig?

    “Seht zu, dass niemand euch einfange durch die Philosophie und leeren Betrug nach der Überlieferung der Menschen, nach den Elementen der Welt und nicht Christus gemäß! Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig;” (Kolosser 2,8-9)

    Diese leibhaftige Fülle der Gottheit ist faszinierend. Damit beschäftige ich mich intensiv, und da gibt es für mich noch so viel zu erkunden. Das ist für mich wie lebendiges, frisches Wasser. Alles andere erscheint mir wie abgestande Brühe.

    Gelebter Glaube was ist das? Ganz kurz, aber unbefriedigend beantwortet: Jesu Worte hören (Bibellesen) und tun (nicht einfach). Eine ausführlichere Darstellung (Leben aus dem Heiligen Geist, gestorben in Christus, tot für die Sünde, mit ihm auferweckt etc.) ist mir etwas zu umfangreich und hier auch fehl am Platze. Was ich mit meinem Einwand nur ausdrücken wollte, Jesus ist für mich nicht nur ein Theoriegebäude, nicht nur eine Idee, wie Frieden auf Erden kommen könnte oder auch nicht, weil es uns überfordert (-> Bergpredigt), sondern er ist im Glauben erfahrbar.

    Ich habe mich 1987 zum Christentum bekehrt. Das ist zwar keine Ewigkeit, aber doch schon eine gute Zeit in der ich viele Erfahrungen gemacht habe. Und davor als Nichtchrist habe ich auch sehr viele Erfahrungen gesammelt und darüber reflektiert. Ich habe auch keine Angst mich mit anderen Sachen zu befassen. Ich habe einfach nur keine Lust meine Zeit dafür zu verwenden, weil ich der Ansicht bin, daß es mir nicht viel bringt. Was es mir gebracht hat, wenn ich es tat (ich habe mich beispielsweise auch schon recht oberflächlich mit Kant befaßt), war zu erkennen, was ich an Jesus habe. Wenn ich im Dunkeln auf das hell erleuchtete Kreuz treffe, welches heller als die Sonne ist, und dann eine Funzel daneben halte, was bringt es mir? Wenn ich am Kreuz beispielsweise Vergebung und Friede erfahre und dann schreit jemand, Gott ist tot, wir haben ihn umgebracht. Dann muß ich ihm erstmal recht geben. Jesus ist Gott und der wurde von uns Menschen umgebracht. Das war aber nicht das Ende. Denn er ist wieder auferstanden. Er hat den Tod besiegt. Der andere bleibt aber beim Tod stehen und dieser Tod hat auch eine andere Bedeutung.

    Denn Sie lesen doch theologische Bücher, die nach Jesus geschrieben wurden, und hören sich Predigten von Leuten an, die heute leben. Wie wählen Sie aus?

    Die Predigten muß ich nicht großartig wählen, weil die Sonntags angeboten werden. Die Gemeinde habe ich mir aber ausgewählt. Und theologische Bücher, hm, ich weiß oft gar nicht mehr so richtig, wie ich zu denen kam. Empfehlungen, Zufälle, Erwähnungen in anderen Büchern. Ich prüfe sie aber immer an der Schrift. Letztens las ich eine Biographie von Blumhardt. Sehr spannend (momentan lese ich ein paar Schriften von ihm). Er behauptete unter anderem (ganz kurz zusammengefaßt und damit sehr unvollständig, ja fast verstümmelt), man können das in der Bibel angekündigte Millenium durch geistliches Leben vermeiden. Und diesen Gedankengang lehne ich dann halt ab. Blumhardt ist 1880 gestorben und er hat eine neue Ausgießung des Heiligen Geistes erwartet, stattdessen gab es zwei Weltkriege … Dafür hat er aber genügend andere gute Sachen geschrieben und auch getan, von denen ich mich gerne inspirieren lasse.

    “prüft aber alles, das Gute haltet fest!” (1. Thessalonicher 5,21)

  29. Gewissheiten u theoretische Reflexionen

    Ich wollte kurz antworten – auf @Ludwig Trepl.. Ob das noch geht, nach den ausführlichen Worten von @Martin Huhn?
    Ja, ich denke: das, was Ihnen – zu Recht – da zu eng erscheint, das ist: wenn die „moralische Gewissheit“ sich dessen nicht bewusst ist, dass theoretisches Wissen durch sie allein nicht entschieden ist – dass es da noch ganz andere Lösungen, Einsichten, Kenntnisse geben könnte.
    Nun sehen Sie in dieser Diskussion und dieser Entgegnung aber auch, dass Glaubensgewissheit mit theoretischer Gewissheit ziemlich wenig zu tun hat. Martin H vergleicht es mit der „Liebe meines Lebens“ – bevor ich dies las, fand ich für mich diesen Vergleich: Wer irgendwo Heimat gefunden hat, der braucht keine andere, und wenn er noch so viele Länder bereist. Mit der Suche nach Heimat hat das Reisen dann nichts mehr zu tun; das Suchen hat aufgehört, und das muss kein Hochmut gegen andere Länder sein. (Na ja, und es kann dann doch Überraschungen geben). Und so wie Heimat keine Gedankenkonstruktion ist, sondern Lebenszusammenhang, ist es auch der Glaube. Sehr viel theoretischer betone ich ja auch immer wieder, dass alle die ontologischen Fragen – wen oder was „gibt“ es jetzt ? – von dem wegführen, was den Glauben bewegt. Ich könnte grade an der Gottesfrage das vordemonstrieren: Für Kant war es, was auch Ihr Zitat zeigt, eine schwerwiegende theoretische Frage, ob „ein Gott sei“. Für den Glaubenden darf es dann aber schon auch so sein wie es von Billy Graham erzählt wird: Auf den Einwand, Gott sei doch tot, habe er geantwortet: „Unsinn, ich habe heute morgen noch mit ihm gesprochen“. (Ich würde dann sagen, Gottes Wirklichkeit ist seine Wirksamkeit; und die ganze Begrifflichkeit mit der „Existenz“ halte ich für denkbar ungeeignet; aber das tut hier nichts zur Sache. Eher tut’s dann was zur Sache, dass solche Leute dann gerne alle möglichen Katastrophen verknüpfen mit ihren Lieblings-Hassobjekten: Gott strafe wegen Schwulen, Abtreibung ff). .
    Die Schwierigkeit ist natürlich, dass durch eine gewisse abendländische Tradition unheimlich viel auf solche theoretischen Fragen fixiert ist. Daran ist gewiss nicht die „moderne Theologie“ oder die historisch-kritische Methode schuld, sondern eher die extreme Dogmatisierung in der Mitte des ersten christl Jahrtausends, mit allen Nachwirkungen. Der einzelne Laie, auch der akademisch Gebildete, kann solchen Fragen ausweichen. Da kommt’s wirklich darauf an, den Glauben zu leben – aus seiner Kraft zu leben und davon weiter zu geben. OK – das würde ich um einige Grade anders ausdrücken als Martin. Aber es ist schon richtig: Dazu braucht man alle die in der Kirchen- und Dogmengeschichte schon vorgebrachten Gedankenkonstruktionen nicht. Nur, auch wer ohne diese den Glauben lebt, vermittelt dies ja auch gedanklich, sprachlich… Und Theologen dürfen sich nicht drum drücken, auch diese „einfacheren“, auch bekenntnishaften Gedanken zu hinter-fragen (in dieser Richtung nenne ich dieses Blog ja „Hinter-Gründe“). – auch die Gedanken, die in der Praxis vieler Glaubender nicht extra theoretisch begründet werden sollen und dürfen und ausdrücklich keine philosophische Konstruktion bilden sollen.
    Theologen müssen auch solche Gedanken, Worte, Formeln… analysieren, und ich würde sagen: auf ihren Bezug zum praktischen, konkreten Leben, besonders auch individual-psychologisch und gruppen-psychologisch, befragen. Ist natürlich immer die Gefahr, dass man im Analysieren stecken bleibt und die Dinge dann nicht mehr lebt – so wie ein Schreiner sich u.U. an einem schönen Möbelstück nicht mehr so freuen kann wie der, der es in seiner Wohnstube stehen hat. Kommt mir übrigens bei Kant auch so vor: So viel über Lebensbezüge nachgedacht – aber für ihn bedeutete es wohl eine asketische Haltung, in mehrfacher Beziehung; so richtig am Leben teilgenommen hat er nicht.
    Zu Blumhardt kurz bzw.daran anknüpfend was: Jetzt merke ich, welchen Blumhardt Du meinst – gibt zwei, Vater und Sohn; und das durchaus dialektische Verhältnis beider ist spannend. Der ältere habe seine Söhne (vermutl. im Schüleralter) vor eine Weltkarte gestellt oder vor einen Globus: Seht, Gottes Wille soll geschehen, wie im Himmel, so doch auch auf der ganzen Erde. Dafür will er uns brauchen. Die Konkretisierungen sahen bei ihm dann anders aus als bei seinem Sohn. Der Ältere sah wohl mehr Sünde und Krankheit zusammen – der Jüngere Sünde und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen, geistige und wirtschaftliche Ausbeutung; aber das Kurhaus des Vaters hat er ja weiter geführt. Was das Gemeinsame ist, das ist, dass sie nicht irgendwie in den Ziselierungen der Dogmatik Recht haben wollten UND dass sie nicht meinten, den Glauben retten zu müssen gegen theoretische Angriffe von außen (deren es auch zu ihrer Zeit wahrhaftig genügend gab); sondern dass sie den leidenden Menschen sahen – individuell und gesellschaftlich. So wollten beide sehr lebenspraktisch etwas erreichen; und das hat Menschen erreicht – das war mehr als das Theoretisieren. Und macht doch das Theoretisieren nicht unnötig.

  30. richtende Gott

    @ Hermann Aichele 12.09.2012, 00:25

    “Gott strafe wegen Schwulen, Abtreibung ff).”

    -> Müsste man im Sinne des Glaubens an einen richtenden Gott nicht erklären, dass schwulsein die Strafe darstelle… und das Schwangerschaft die Strafe darstelle? Und dann aber konsequent nicht noch weiter bestraft…und die erlittene Strafe nicht auch noch bestraft…?
    Darin erkenne ich die Verblendung und wirre Ideologsierung durch religiösen Schriften und AUssagen. Wer Gott als Richter anerkennt, der muß auch die Strafen erkennen können und hier nicht alles nach gutdünken wild durcheinanderwerfen.

    Und wie ist es erst mit Krankheit? Da war auch immer viel von Strafe die Rede.

    Gottes Existenz … Über sinn und Sinnlosigkeit dessen ist schon viel philosophiert worden. Einzig ist zu erkennen, dass es an Ernsthaftigkeit und Evidenz verloren hat, was da noch vorgebracht wird.
    Aber Fragestellungen dieser Art auszuklammern/zu ignorieren lösst das Problem nicht. Eigendlich hätten wir heute die ideologische Freiheit (und vielleicht die technischen Möglichkeiten), diese frage zu erforschen, aber es tut keiner. Sonderbar. Solcherart Vermeidungstendenzen sehen stark nach Glaubenssystem aus. Aber irgendwie scheint auch immer das Gegenteil zum Anreiz der Auseinndersetzung zu werden. Muß man nun annehmen, dass der religiöse Glaube sich verändert hat? Oder dass das gegenteil sich verändert hat, sodass der Kontrast der Gegenteile nicht mehr groß genug sei, um eine Auseinandersetzung aufrecht zu erhalten..:!?

    Zitat:
    “Kommt mir übrigens bei Kant auch so vor: So viel über Lebensbezüge nachgedacht – aber für ihn bedeutete es wohl eine asketische Haltung, in mehrfacher Beziehung; so richtig am Leben teilgenommen hat er nicht.”

    -> hm, … überträgt man das auf Freud… worauf liefe das hinaus?

    Es ist ja kein Geheimnis,dass, wer viel über eine Thematik redet, der damit ein Problem hat.

  31. “Auf den Einwand, Gott sei doch tot, habe er geantwortet: „Unsinn, ich habe heute morgen noch mit ihm gesprochen“.”

    Klasse! Das gefällt mir.

  32. @ Martin Huhn @ Hermann Aichele

    „Nehmen wir mal an, ich habe die Liebe meines Lebens gefunden. Und weil ich mich dann nicht mehr unter den Frauen umschaue, bin ich hochmütig?“ (@ Martin Huhn) .
    @ Hermann Aichele sagte etwas Ähnliches so: „so wie Heimat keine Gedankenkonstruktion ist, sondern Lebenszusammenhang, ist es auch der Glaube.“

    Das leuchtet mir ein. Ich bezog mich auf mit der Behauptung „nicht mehr suchen ist Hochmut“ auf „Gedankenkonstruktionen“. Daß es nicht (nur) darum geht, sehe ich schon: Eben darum habe ich das Kant-Zitat gebracht. Darin wird ja behauptet, „die Überzeugung ist nicht logische, sondern moralische Gewißheit“. „Theoretisch“ läßt sich die Frage, „ob ein Gott sei“, schlechterdings gar nicht beantworten, „moralisch“ aber schon.

    Sie, Herr Aichele, werden wohl sagen, daß das “moralisch” gegenüber dem „Lebenszusammenhang“ eine unzulässige Einschränkung ist, aber ich meine: es ist der Kern. Des unbedingten Sollens sind wir uns schlechtderdings gewiß; nicht dieses oder jenes Sollens, da kann man oft endlos streiten, sondern daß wir eben überhaupt sollen , nicht nur sind, nicht nur funktionieren oder agieren im Hinblick auf Nützlichkeit. Ganz ähnliche Gedanken findet man übrigens bei existentialistischen Philosophen, wenn auch mit anderen Konsequenzen; Kant jedenfalls meinte, daß von diesem nicht abweisbaren Wissen darum, daß wir „sollen“, und von nichts anderem, ein Weg zur Gewißheit führe, „daß ein Gott sei“ (wobei dieses „Sein“ aber eine ganz andere Bedeutung hat als das „Existieren“ im Bereich der theoretischen Vernunft). Das hat er mittels ziemlich komplizierter Überlegungen (was für Sie wohl wieder in den Bereich der verdächtigen „Theorie“ fällt?) zu zeigen versucht, doch mit dem Ergebnis, daß das für den berühmten „redlichen Mann“ von eher mäßigen Verstandeskräften ebenso gilt.

    Nun noch mal zu Ihnen, Herr Huhn, und ihrem Verweis auf die Liebe, die das Suchen überflüssig macht. So richtig das ist, ein Haar finde ich darin doch. Sie lieben ja nicht den wirklichen Menschen Jesus, von dem wissen Sie nicht mehr als wir alle, nämlich kaum etwas. Sie lieben eine Idee oder ein Ideal (also mit H. Aichele eine “Gedankenkonstruktion”), das man in einem historischen Menschen „verkörpert“ sieht. Sollte sich herausstellen, daß nichts von den historischen Berichten richtig ist, daß sich alles die Erzähler oder diejenigen, die die Erzählungen aufgeschrieben haben, ausgedacht haben, und zwar so herausstellen, daß Sie gar nicht anders könnten als dem zuzustimmen, dann würden Sie doch das, was man in diesen Geschichten Jesus zuschreibt , doch nach wie vor für richtig halten. Andernfalls wäre Ihr Glaube nichts wert. Ein Glaube, der sich von simplen historischen Fakten wie z. B. ausgegrabenen Schriftrollen umstimmen läßt, hat nichts mit dem zu tun, was man im Christentum Glaube nennt. Es wäre ein Glaube an historische Tatsachen im Sinne eines Für-Wahr-Haltens, kein bißchen anders als z. B. der Glaube mancher Leute, daß Napoleon von den Engländern vergiftet worden ist. Kurz, Sie lieben ein Gebilde von Gedanken über das Leben, nichts aus dem wirklichen Leben. – Nun ist aber das, was man Jesus zuschreibt an Taten und Worten, nicht ohne weiteres zu verstehen. Seit Jahrtausenden streitet man deshalb darüber. Es ist (heute, zu Luthers Zeiten war das vielleicht noch anders) Hochmut, zu meinen, man müsse einfach in der Bibel nachlesen, dann hätte man’s. Mit den Fragen, die da entstehen, haben sich aber nicht nur diejenigen abgemüht, die sich explizit mit der Auslegung der Bibel befaßten, sondern auch z. B. Leibniz oder Hegel oder Kierkegaard. Auch wo überhaupt nicht „Jesus“ oder „Gott“ oder „Erlösung“ steht, kann es doch darum gehen und geht es oft auch, denn die Struktur des christlichen Denkens steckt in unserer Kultur überall drin; die heutigen Atheisten ahnen nicht, wie „christlich“ das oft ist, was sie denken.

    Natürlich müssen Sie sich damit nicht befassen, man muß nicht philosophieren, man kann einfach auch leben, und man kann (wieder nach Kant) auch ohne zu philosophieren das Richtige tun im Leben (und man kann, nach Jesus, auch das Richtige tun, ohne jemals von der Bibel gehört zu haben). Aber dann sollte man sich auch aller Äußerungen über die Philosophie enthalten. Denn wenn Sie das tun, dann philosophieren Sie bereits.

  33. Den einleitenden Satz bitte erklären…

    Entweder nimmt man die Bibel wörtlich oder man nimmt sie ernst.

    Hier wird ein Widerspruch zwischen dem Ernstnehmen und dem anzunehmenden Gedanken der Bibelworte konstruiert.

    Bitte mal erklären.

    Die Bibel nicht wörtlich zu nehmen und stattdessen einer personenbezogenen Interpretation folgend diese ‘ernst zu nehmen’, kann ja nicht direkt oder aus sich heraus funktionieren.

    Wo genau erfolgt der Sprung, der nach der zuerst erfolgten wörtlichen Aufnahme der Texte (anders geht’s ja nicht) die Erhebung zum Ernst-Nehmen rechtfertigt?

    Im Artikel wurde das nicht klar, der zitierte Satz ist auch nicht allgemein verbreitet, wie eine Webrecherche nachzuweisen hilft, also: Wo erhebt man sich wann genau, wenn man “ernst” nimmt?

    Selbstverständlich ist diese Frage auch an einen evangelischen Theologen gerichtet und steht einerseits vor dem Hintergrund der zehn Gebote (Ehebruch, Lügen und so) und andererseits vor dem Hintergrund anderer wichtiger Texte, die anscheinend auch nicht mehr immer ernst oder wörtlich genommen werden (die bes. Stellung der Ehe im GG beispielsweise, aber da gibt es Vieles mehr).

    MFG
    Dr. Webbaer

  34. Herr Aichele

    Sondern da sind aus verschiedensten Zeiten und Umständen Texte gesammelt. In diesen wird – in Spruch und Widerspruch, also auch widersprüchlich ! – um Lebenseinsichten und Lebensmaßstäbe gerungen, die dem Menschen gerecht werden sollen und ihm helfen, dem Leben gerecht zu werden.

    Warum behaupten dann Theologen immer wieder, es gäbe keine Moral ohne Gott? Er in seiner Unfehlbarkeit und Unwandelbarkeit sei es, der uns eine unwandelbare Moral einpflanzte und so dafür sorgte, dass auch Menschen, die nicht an Gott glaubten, tief innerlich wüßten, was richtig und was falsch sei. Diese Unwandelbarkeit von Gottes Wort wird ja auch in Matthäus 5:17 gefordert, wie Sie sicherlich wissen.

    Im Widerspruch dazu hat sich indes diese Moral mit der Zeit ganz offensichtlich sehr geändert. Wollte ich Gottes Gesetze befolgen – also nicht nur Erzählungen, die uns Gott als blutrünstigen und widerwärtigen Psychopathen präsentieren, sondern seine expliziten Anweisungen an den Menschen – dann käme ich nicht nur mit dem Gesetz in Konflikt, sondern würde auch den Widerspruch der meisten Theologen ernten, wenn ich diese biblische Moral als heute noch gültig proklamieren würde. Als Beispiele nenne ich nur die Gesetze zur Vergewaltigung oder den Umgang mit sonntäglichen Holzsammlern, ungehorsamen Kindern und den schon erwähnten Homosexuellen.

    Daraus kann ich nur eine Schlussfolgerung ziehen: Moralische Gesetze sind nicht unwandelbar und somit können sie uns auch nicht von einem unfehl- und unwandelbaren Gott verliehen worden sein. Und damit ist das Prinzip von Gott als “Gesetzgeber” für Moral und Sitte hinfällig. Nicht nur das – der theistische Gott wird damit im Ganzen hinfällig.

  35. Noch vergessen

    Gottes Gesetze zum Nachschlagen:

    Vergewaltigung: 5. Mose 22:25
    Sonntägliche Holzsammler: 2. Mose 31:14, 4. Mose 15:32
    Ungehorsame Kinder: 5. Mose 21:18
    Homosexuelle: 3. Mose 20:13

  36. @Chris

    Das mit dem „richtenden Gott“ – da ist schon viel Schindluder getrieben worden. Da könnte, müsste man auch dran zeigen, wie Theologie eigentlich verpflichtet wäre, frei flottierender Religiosität auch öfters kritisch zu hinterfragen – eigentlich. Sie wäre zumindest verpflichtet zu hinterfragen und offen zu legen, wie viel Aggression von Selbstgerechten in solche Behauptungen hineinfließt: Projektion und Ventil für eigenen Zorn… Es gibt dann schon berechtigte Rede von der Strafe Gottes (etwa in der Richtung: „was der Mensch sät, das wird er ernten“); aber schon Jesus wehrt gewissen Gelüsten, andere für schuldig(er) zu erklären; und hinter Krankheiten unbedingt Schuldige haftbar zu machen (Lukas 13 und Johannes 9). Doch ich vermute, damit ist er bei zu vielen Christen noch nicht wirklich angekommen. Und es ist schon etwas reflexhaft, wenn bei gewissen Naturkatastrophen gewisse Prediger sofort auftischen, für welche Verfehlungen diese Stadt oder jene Gegend von Gott gestraft würde. Sie zeigen in der Auswahl dieser zumeist mit Sexualität verknüpften Verfehlungen nicht viel Phantasie, aber ihre Phantasie macht Sprünge… Und da meinte ich den Billy Graham ein bisschen mit.
    Zu „Gottes Existenz“: zu dem Thema habe ich mich schon vielfach geäußert:
    https://scilogs.spektrum.de/…on-hentig-zur-gottesfrage
    und
    https://scilogs.spektrum.de/…nd-er-bewegt-uns-doch…#
    und
    https://scilogs.spektrum.de/…-und-erfahrungsbilder…#

    Also, ich will das Thema nicht vermeiden´. Allerdings ist es mir etwas mühsam geworden; und ich mag und kann nichts Neues dazu erarbeiten. Grundsätzlich sollte man dran weiter denken; dabei halte ich aber den Begriff „Existenz“ (zumindest in dem Sinn, wie er heute üblicherweise verwendet wird) für denkbar ungeeignet. Er legt alles schon auf eine Weise fest, die dem Thema nicht gut tut. Ganz ähnlich übrigens wie beim Ich: Existiert das Ich?

  37. @Ludwig Trepl

    Ich gehe vermutlich mit der Unterscheidung von theoretischer Gewissheit und moralischer einig. Aber Sie haben Recht, den Begriff „moralisch“ halte ich für eine Engführung – zumindest unserem heutigen Sprachempfinden nach. Bei Kant wird es ausgeweitet verstanden worden sein: Alles, was menschliches Verhalten trifft (viell ähnlich wie der Begriff Ethologie ?, der wohl neuer ist). Das „unbedingte Sollen“ entspricht viell der Formulierung, die manche Theologen (zB Herbert Braun, Manfred Mezger) verwenden, um nicht-theistisch von Gott zu reden: „Das, was mich unbedingt angeht“. Ja, da geht es um unbedingte Gewissens-Entscheidungen und da wird es für die Theologie relevant. Und um da die Sache mit meiner Abwehr von Theorie-Lastigkeit zu verdeutlichen: Unbedingte Gewissensentscheidungen können richtig sein, auch wenn die (oft nachgelieferte) theoretische Begründung mangelhaft ist – bei manchem „redlichen Mann“. Es ist schon richtig und notwendig, manche Begründungen auf ihre theoretische Stichhaltigkeit zu überprüfen. Also insofern: Nichts gegen das Theoretisieren; aber die Unbedingtheit einer Gewissensentscheidung entzieht sich mancher Überprüfung (Das haben wir ja alles bei der Sache mit der Kriegsdienstverweigerung durchdenken müssen).
    Na ja, Jesus zu lieben, das kann man zwar als Idee, Ideal, als Gedankenkonstruktion bezeichnen; aber sollte jedenfalls sehen: Es ist weit mehr als begriffliche Konstruktion. Der Gläubige hat nicht den Eindruck, dass er – er selbst oder einer seiner Glaubens-Vorfahren – etwas gemacht, konstruiert hat, sondern dass er in außerhalb von ihm und vor ihm vorhandene Zusammenhänge hineinschlüpft, hineingezogen wird. Und gedanklich ist mehr hier mehr als begrifflich: Mindestens so viel wie Mutterliebe – auch wenn die Mutter weit weg ist und man an die Mutter nur „denkt“. Mindestens so viel wie Bilder oder Musik oder Traurigkeit, Freude ff…. – alles Zusammenhänge, die sich je nachdem auch und besonders in Jesus verkörpern können. Man kann das gedanklich analysieren; aber s’ist was anderes.
    So viel für jetzt. Ich möchte mich noch an einen weiteren Teil machen.

  38. “richtender Gott” bei Katastrophen

    Natürlich kommt es zu solchen Assoziationen, den gerade im AT richtet “Gott” des öfteren mit Naturkatastrophen über Städte, Länder und die gesamte Menschheit.

    … einen Gott der so etwas im Wahn vor Zorn tut, kann niemand verstehen ..
    (Frei zitiert aus “Erra und Ishum”)

  39. @ Dr.Webbaer,

    ich weiß noch nicht, ob und wie ich Ihnen öfters antworte. Ich sag’s jetzt mal so: Ich erlebte mal einen kirchlichen Amtsträger, der allen seinen Zuhörern wohl vordemonstrieren wollte, dass er sich selbst gegenüber diesem Amt ganz zurücknimmt – dass alles Persönliche zurückzutreten habe, damit eben die Gewichtigkeit des Amtes bewusst bleibe. Er konnte in wichtigen Äußerungen., öffentlichen Diskussionen, nie „ich“ sagen. Sondern: „Wenn der [hier das entsprechende Amt einsetzen] die Gefahren eines solchen Films erkennt, hat er als [wieder das Amt] die Öffentlichkeit davor zu warnen“ Das wirkte nur verkrampft; und entsprechend wurde ihm auch nur verkrampft geantwortet.
    Also, so wird das immer wieder zur Frage, was man wörtlich und was (oder wen…) man ernst nehmen sollte.
    Zunächst: Auch diesen (vermutlich von Pinchas Lapide stammenden) Satz sollte man nicht wörtlich nehmen, sondern ernst. Eine entsprechende „Webrecherche“ kann zeigen, dass und wie weit verbreitet er ist – zB so: https://www.google.de/search?q=bibel+wörtlich+ernst+nehmen+OR+nimmt

    Den Unterschied zwischen wörtlich nehmen und ernst nehmen – den könnte zB Till Eulenspiegel zeigen. Wenn der die Anweisungen der Leute wörtlich nimmt, merken sie, dass er sie nicht ernst nimmt.
    Bei Jesus-Worten war mal der Streit: Wenn er sagt, „Arme habt ihr allezeit bei euch“ (Joh. 12,8), dann weiß er doch: Man kann nicht zur Überwindung der Armut beitragen. Da nahm jemand den Jesus wörtlich, aber nahm er ihn ernst? Ebenso die Leute, die etwa beim Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazaruns (Lukas 16) die Geometrie der Hölle überlegen, wo etwa die höllische Trennmauer verläuft. Sie sollten diese Fragen lieber nicht wörtlich, dafür aber die Aussage ernst nehmen: Die Armen nicht unterdrücken, wegdrücken… Dann würden sie auch merken, dass es da sehr reale Trennmauern gibt.
    Ähnlich in Jeremia 4: Da sieht der Prophet, dass Ungerechtigkeit um sich greift und das lässt die ganze Erde erbeben. Wer da nach den Erdbeben sucht, nimmt die Bibel wörtlich, wer nach Gerechtigkeit sucht, nimmt sie ernst.
    Bis dahin: Alles klar?

    Dann muss man allerdings auch sehen, dass verschiedene Moralvorstellungen sich im Lauf der Jahrhunderte wandelten – wandeln mussten, und das durchaus auch aufgrund innerbiblischer Entwicklung. Das könnte man zB sehen an der „besonderen Stellung“ der Ehe – wenn man ernst nimmt, wie sich diese bereits schon in dem Zeitraum, der durch die Bibel abgedeckt ist, gewandelt hat. Man nehme nur einmal 1. Mose 16,2 wörtlich ernst… (wer gehorcht denn da? 😉
    Rest – sehr indirekt – im nächsten Kommentar @Spritkopf

  40. Also @Spritkopf,

    vielleicht wundern Sie sich, aber Ihr Kommentar kommt meinem Interesse eigentlich entgegen. Na ja, deshalb, weil Sie Behauptungen von Theologen aufgreifen und angreifen, die ich meinerseits so lieber nicht mache – die ich auch, teilweise wenigstens, überwinden will. Dass die biblischen Moralvorstellungen nicht unwandelbar sind – das zeigt schon die innerbiblische Entwicklung. Beispielsweise kämpfen Propheten gegen priesterliche Moralvorstellungen. Und dazu gehört (für Christen hauptsächlich) Jesus – siehe die Sätze mit „Ich aber sage euch“ in der Bergpredigt – ganz in der Nähe von Matth 5,17. Überhaupt könnte manche Kritik an priesterlicher Moral Leuten wie Ihnen entgegenkommen (etwa Lukas 10,31). Na, wir Pfarrer ff haben daraus auch gelernt – hoffentlich gerade daraus. Und es gibt auch „Atheists for Jesus“.
    Auf welchen Dummheiten man ausrutschen müsste, wenn man die biblische Moral für unwandelbar hält, das zeigt ja auf köstliche Art der inzwischen berühmte „Brief eines US-Bürgers an Dr. Laura“. Er wird Ihnen ebenso Spaß machen wie mir. Das entspricht so ein bisschen Ihrer Sammlung biblischer Zitate.
    Nur auch dringende Bitte zu sehen und ernst zu nehmen: Diese hier mit so treffender Ironie vorgeführten Moralvorstellungen aus gewissen uralten Teilen der Bibel sind auch durch bereits innerbiblische Entwicklung und später auch durch innerjüdische bzw. innerchristliche Entwicklungen überwunden worden. Es ist ja nicht so, dass es erst die Aufklärung gebraucht hätte, um die Menschen von den vorsintflutlichen Moralvorstellungen der Juden oder Christen zu befreien. Und manche meinen wohl immer noch: hätte sich nicht mit Abraham und Mose die Dunstdecke der Religion auf die Menschheit gesenkt, hätte damals schon Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit herrschen können.
    Also, müssten alle einsehen – die einen, die dafür sind und die andern, die dagegen sind: die Entwicklungen sind verzwickt. Und ich betone: Für das Fortschreiten der Moralvorstellungen kann man durchaus auch christliche Beiträge in Anspruch nehmen – öfters allerdings gegen die Machteliten in Kirche und Staat. Die innerchristliche Diskussion geht weiter und muss noch viel weiter gehen. Und bereits die Bibel ist nicht so monolithisch, wie manche Verteidiger oder Gegner gerne hätten.
    Keine Moral ohne Gott?
    Ja,ich weiß – uralte Diskussion. Ich müsste wirklich auch dazu mal was schreiben. Die Verbindlichkeit von Moralvorstellungen ist ja an und für sich nicht schlecht. Und eine Methode, diese Verbindlichkeit abzusichern ist es in der Menschheitsgeschichte immer gewesen, diese als gottgegeben zu betrachten, zB bei der Monarchie. Damit wird mit der Verbindlichkeit zugleich eine gewisse Unabänderlichkeit behauptet.
    Das muss nicht immer und nicht durchweg ein übler Herrschaftstrick sein. Bei der Monarchie war die Versuchung allerdings groß. Aber als gottgegeben wurden auch Aussagen genommen, die sich gegen die Herrschaft von Menschen über den Menschen wandten. Und manche Christen entdeckten erst spät (zu spät einige), dass auch in der Bibel schon die Monarchie recht ambivalent behandelt wird.
    Also auch angeblich Unabänderliches wurde geändert, auch durch Christen und manchmal gegen ihre Kirchen. Wir heute haben sehr viel Möglichkeit, über die Veränderlichkeit von Dingen nachzudenken – so im Sinn von Paulus: prüft alles und das Gute behaltet. Beliebig sollte es darum nicht werden; aber
    man sollte wirklich nicht bestimmte Stadien moralischer Vorstellungen mit einer theistischen Gottesvorstellung verknüpfen. Man kann aber bestimmte moralische Entscheidungen als Gewissensentscheidungen nehmen; und damit kann man ihnen Gottesqualität zuschreiben. (Bloß nicht, um – wie anscheinend GW Bush – dadurch jegliche Diskussion abzuwürgen. Da stimmt’s und muss doch nicht immer stimmen: „Hüte dich vor dem Menschen, dessen Gott im Himmel ist“ – GB Shaw. Auch das kann wahr sein – manchmal leider. )

  41. Interpretationen

    @Aichele
    Erst einmal vielen Dank für Ihre Antwort! – Der Schreiber dieser Zeilen ist areligiös, hat aber grundsätzlich nichts gegen das Religiöse, denn eine wie auch immer vorgenommene notwendieg Entscheidung das Ethische betreffend ist ebenfalls glaubensgebunden.

    Abär:
    Wo kommt man denn hin, wenn die klare Aussage, dass ein Text nicht primär wörtlich zu nehmen ist, sondern ernst (wie immer das auch genau gemeint sein mag), selbst – Ihren Worten entsprechend: nicht primär wörtlich oder ernst zu nehmen ist?

    A: Zum Relativismus.

    Eine dem eigentlichen Sinn widersprechende Interpretation eines Textes muss falsch sein. Eine dem eigentlichen Sinn entsprechende Interpretation ist manchmal nicht möglich. – Wir könnten dann aber auch einfach feststellen: Die Sätze verstehen wir nicht umfänglich, wir wollen uns zurücknehmen.

    Die Sache mit dem ‘besonderen Schutz der Ehe und Familie’ (Quelle) ist dagegen klar; hier sollte abgegrenzt werden zur seinerzeit so genannten “wilden Ehe” und zum “Patchwork”.

    Leider folgt die evangelische Kirche weder dem einen, also weder dem Biblischen, noch dem anderen, dem Grundgesetz (das natürlich aufgeweicht wird).

    Wie kommt das?
    Und wer so flexibel daherkommt, …, …, kann dem dann noch geglaubt werden?

    MFG
    Dr. Webbaer

  42. @Dr. Webbaer: Sinn

    Eine dem eigentlichen Sinn widersprechende Interpretation eines Textes muss falsch sein.

    Diese Aussage ist unzutreffend. Beispiel: Art. 1 Abs.1 Satz 1 GG:

    Die Würde des Menschen ist unantastbar.

    Der Satz “Die Würde des Menschen ist antastbar.” ist das Gegenteil des zitierten Satzes. Er widerspricht dem Satz des Grundgesetzes, ist aber offensichtlich zutreffend, denn sonst würde Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG

    Sie [die Würde] zu […] schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

    keinen Sinn ergeben: Geschützt werden muss nur, was antastbar ist.

    Sie sehen: Selbst wenn Sie (an) so weltliche Dinge wie das Grundgesetz und die Maßgeblichkeit von Wortlautgrenzen glauben wollen, müssen sie sich einem geltungserzeugenden Regime unterwerfen: Dem der herrschenden Interpretation und die besteht im Falle des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 gerade darin, festzusetzen, dass der erste Satz – obwohl er der Form nach desriptiv ist – normativ sein soll.

    Etwas, das so flexibel daher kommt, muss man ernst nehmen, aber nicht glauben.

  43. flexibel daherkommen …

    @ Dr. Webbaer 14.09.2012, 17:32

    “Und wer so flexibel daherkommt, …,”

    -> Köstlich… Herr wb. Es kommt sogar noch schlimmer. Man muß als Fragender um so flexibler sein, um den Phänomen auf die Schliche zu kommen. Allem vorran steht die Eigenschaft (oder Kunst) von Wissen und Glauben völig Abstand zu nehmen und (re)konstruieren, was das Zeug (der eigene Geist) herhält. Sie wissen doch auch: selbst Wissen steht zuweilen neuer Erkenntnis im Wege…

    Ihre Fragestellung ob ernst nehmen oder wörtlich… ist mir unklar. Nur soviel: Es gehe dabei um die “Auslegung” zum Verständnis der Bibel (der alten Schriften) … Dabei soll bedacht werden, dass das Bewusstsein zur damaligen zeit ein völlig anderes war und es also nur so niedergeschrieben werden konnte. Dass man die Bibel erst viel später hat zusammengestellt, ist hier unwesendlich, ausser, dass man vorwerfen kann, dass dieser Hinweis nicht bedacht wurde.
    Unsere heutige Situation sieht demgegenüber ganz anders aus. Wir können uns sozusagen unserer eigenen Vernunft bemächtigen und etwa frei nach Kant die Welt zwar nicht ohne Hilfe, aber doch selbstständig erklären.
    Ausserdem stehen uns heute recht entwickelte Strukturen und Erkenntnisse der Wissenschaften zur Verfügung und haben somit noch einen Vorteil zu damals.

    und was das Ernstnehmen angeht, bedeutet es, dass man all diese unterschiede mit einbezieht und die Situation auf die heutige Zeit zu übertragen versucht. Das bedeutet aber, dass ich nicht das Wort ernst nehme, sondern seine damalge Bedeutung in den Zusammenhängen und Erzählungen in die Gegenwart übersetze. Dazu sei mindestens das “zwischen den Zeilen” lesen nötig und die Bereithaltung von vielen parallelen Realitäten, damit man diese insich und miteinander abgleichen kann und erschliesst, wo hier die Intension gelegen haben könnte, und wie man sie heute artikulieren würde.

    Das Problem beim wörtlich nehmen wäre zum Beispiel, dass ihnen intuitiv völlig falsche Visionen der damaligen Realität in den Sinn kommen. Sicher kann man annehmen, dass bestimmte Aussagen tatsächlich wörtlich vermittelt werden wollten – etwa Aufrufe oder Vorschriften zur Bestrafung von Sündern. Aber das ganze Konzept der Bibel besteht ja nicht aus dem Vermitteln von Geboten und Befehlen. Das muß man zugestehen, es ist gar eine ganze Schablone zum Anschauen eines Weltbildes und der Seinsdimensionen für die (gläubigen) Menschen zur jeweiligen Zeit. Ausserdem steht ja noch immer die Frage nach der Ursache von Religion und Gläubigkeit aus. Und in den Anfängen der Religion sollte sich “schöne” und deutliche Hinweise darauf finden – so man das geschriebene jeweils ernst nimmt oder wörtlich. Ich tendiere aber eher dazu, es nur ernst zu nehmen, oder wörtlich und ernst. Denn das wörtlich nehmen sei hierbei auch nur im vorrauseilendem Gehorsam zu verstehen … dann kann man nämlich nichts verkehrt machen (im Sinne der Religion…), oder eh nur noch belächelt (zumindest heute…).

    Ausserdem war diese Methaper doch auch zu schön, als dass man sie nicht im Artikel verwenden wollte. Deswegen … das kann nicht so heiss gekocht werden, wie es bestaunt wird.

  44. Das “Ich” und Gott…

    @ Hermann Aichele

    Haben sie in ihren Artikeln über Gottesexistenz Gott widerlegt? widerlegen können? Also geleugnet? Auch, wenn wir uns ja kein Bild von ihm machen sollen (das sei ja ein erster Schritt zur Anmaßung sich mit Gott zu verwechseln oder göttlich uns zu meinen), so sei das unbedingt notwendig, wenn wir wissen wollen, wer, was, wo oder wie Gott ist. Diese Frage erschöpfend zu (er)klären bedingt also die Sünde sich das Bild von ihm zu machen.

    Nun zum “Ich”

    Das “Ich” und “Gott” (Götter) ist erfunden worden, damit man dem Individuum damit immer wieder ins Gewissen rufen kann, dass sich das “Ich” nicht mit etwas göttlichem Verwechseln soll. Der KI etwa (kategorische Imperativ) ist dahingehend in der Tradition und führt solche Gedanen und Zielsetzungen nur anders weiter – nämlich mit dem andern “Ich” (der Mitmenschen) als Gegenpart, während es in der Religion eben Gott ist.
    Die ganze Schuld, Sühne und Strafe Angelegenheit, die einem als “Schäfchen” der Kirche immer wieder um die Ohren fliegt (so zumindest im historischen Thenor), ist eben auch nur auf dieser Frequenz. Es soll heissen: Denkt an Gott nur, wenn ihr euch demütig niederwerft (mind. gedanklich). Das Gebet ist in seiner überlieferten Form eine formale Unterwerfung des “Ich” unter die “große” Macht Gottes. Immer geeignet dazu, sich nicht mit Gott zu verwechseln. Wer hätte jemals zu Gott gebetet, indem er ihm befohlen hätte, dass er tätig werden solle? Nein, es war noch immer eine Bitte in den Himmel gedacht und in Demut, sich die Blöße zu geben, von höherer Macht abhängig zu sein und dies auch freiwillig einzugestehen.

    Das System ist geeignet dazu, das sich das Individuum dazu konditionieren lässt, sich nicht in versuchung zu begeben und die Macht herrauszufordern. Der KI Kants ist diesbezüglich eine andere Form des Systems. Aufgeklärt und seines Verstandes fähig, solle sich das Individuum von selbst zurückhalten und nicht auf die deutliche Macht warten, die ihm seine Grenzen aufzeigt und ihn auf sich selbst zurückwirft. Insofern funktioniert die antiautoritäre Erziehung auch nur dann, wenn dieses Prinzip nicht unterwandert wird. Und wenn emotionale Beziehungen zu den Gegenständen bestehen. Ansonsten braucht es jedesmal größere Macht und Gewalltanwendung, damit das “Ich” davon überzeugt werden kann, dass es nur ein solches ist und nicht mehr.

    Kant stellt dem “Ich” in seinem System ein anderes “Ich” entgegen und nicht Gott darüber. Aber das System dient mit gleichen Zielsetzungen. Narzismus, Egoismus und Überheblichkeit sollen dadurch beschränkt/verhindert werden. Die neue Qualität ist sich selbst in anderen zu sehen oder andere in sich selbst (Emphatie).

    Sonderbar, dass noch kein “Sünder” jemals ernstahft davon berichten konnte, seinen richtenden Gott ob der erwarteten Strafe gegenübergestanden zu haben – ihn also gesehen zu haben. Die Strafe Gottes wurde dann doch meist durch eines anderen Menschen Macht zugeführt. Das ist nicht anders, als im heutigem sekularisierten Rechtsstaat. Die Instanzen sind soweit bekannt und nicht angenommen werden kann, dass etwa in judikative oder exikutive irgendwo ein Gott sich befände. Bliebe nur noch die vermutung, dass Gott eben durch den Menschen selbst strafe.

    Was ich sagen wollte, dass Gott hierbei (und auch sonst) eine Funktion ist, aber nicht und niemals existert(e). Gott war immer nur eine zwingende Bedingung aber nie ein wahrhaftiger Schöpfer. Dazu reichte die Gottfunktion allein aus – zumindest, was die MEnscheit anging. Die Erde ist leider nicht in ein paar Tagen “gebaut” worden.

    Allerdings… es gibt gewisse Eigenschaften/Wahrnehmungen des Menschen, die Hinweise auf die Gottesfunktion geben. Emphatie, Spiegelneuronen und solche Kulte wie Voodoo etwa, Nahtoderlebnisse, Traum und Halluzinationen, Gefühle und Emotionen, welche je nach Gegenüber sich ausbilden. Monogamie (Einehe) sei deswegen phänomenal, weil das in kaum einer Lebenform stattfindet und vielleicht religiöse Gründe hat oder zumindest die gleichen Ursachen. Und aus eigener Erfahrung würde ich diese Liste noch um einige sehr interessante Begebenheiten länger machen können – was ich aber lasse.

  45. Herr Aichele

    Sie wissen sicherlich, dass Ihre Position, gewisse Teile der Bibel seien im Angesicht heutiger Moralvorstellungen nicht mehr als gültig und wahr aufrecht zu erhalten, im Widerspruch zur Meinung der überwiegenden Mehrheit der Theologen befinden. Ich kann diese Position nachvollziehen, aber Ihnen wird auch bewußt sein, dass dies ein neues Problem aufwirft. Sehen wir nämlich die Bibel als historisches Dokument an, dessen Inhalte im Kontext der damaligen Zeit zu betrachten sind, dann müssen wir auch die Frage stellen, welche Teile der Bibel denn heute noch mit Fug und Recht als göttliche Offenbarung gelten können. Anders gefragt: Sind diese Teile vor allem deswegen noch gültig, weil sie zufälligerweise mit unseren heutigen Wertvorstellungen übereinstimmen, sprich, sind also die Moralvorstellungen des frühen 21. Jahrhunderts diejenigen, die denen eines Jesus von Nazaret am besten entsprechen? Und was passiert, wenn unsere Wertvorstellungen sich wandeln? Müssen dann weitere Teile der Bibel als ungültig und nur noch von historischem Interesse umdefiniert werden? Nach welchen Kriterien sollte definiert werden und wer (und mit welcher Berechtigung) legt diese fest?

    Das ist meines Erachtens auch der Grund, warum sich die katholische Kirche so schwer damit tut, kirchliche Dogmen über den Haufen zu werfen und warum ich mir nicht ansatzweise vorstellen kann, dass sie jemals Ihrer Auslegung folgen wird. Weil ihr sehr bewußt ist, dass damit die Frage nach der Gültigkeit der Bibel insgesamt aufgeworfen wird. Es ist ja nicht so, dass nur das AT viele fragwürdige Passagen enthält. Auch im NT befinden sich haufenweise Widersprüche, wie zum Beispiel ein Bart Ehrman im Detail darlegte (was ihn, der vorher ein strenggläubiger evangelikaler Christ war, dazu bewog, zum Agnostiker zu werden).

  46. Glasklares Ja aber – Nein vielleicht…

    Stimmt, @Spritkopf und kann auch wieder nicht stimmen, dass die überwiegende Mehrheit der Theologen meint, die biblischen Moralvorstellungen seien unwandelbar gültig. Die im – „Brief eines US-Bürgers an Dr. Laura“ aufgezählten Vorstellungen überholter Moral – das hält doch wohl kein Theologe durch, und wenn er sich als noch so bibeltreu darstellt.
    Dieser Brief zeigt (etwas im Zerrspiegel), wohin man kommen müsste, wenn man „alles“ befolgen würde. Ist aber doch so dass auch die „bibeltreuesten“ sich nur Teile aus der Bibel rauspicken, und die anderen lassen sie stillschweigend untern Tisch fallen. Darüber könnte man lächelnd hinwegsehen; wütend müsste man aber werden, wenn die sozialen Verpflichtungen untern Tisch fallen, weil manche Leute nur fixiert sind auf Moralvorstellungen, die was mit Sex zu tun haben.
    Man muss auch sehen, dass kein Jude oder Christ die alten Straf-Vorschriften so befolgt, wie in der Bibel beschrieben: Steinigen, Zunge rausschneiden ff… Und das nicht etwa erst wegen säkularer Gesetzgebung, sondern zuerst einmal wegen entsprechender Entwicklung innerhalb dieser Religionen (oft genug – bei den Christen auch gegen Widerstand ihrer Hierarchie), Bei den Moslems ist’s noch etwas anderes; aber es gibt da auch Länder mit relativ aufgeklärtem Rechtssystem. Zumindest sollten wir die Moslems, die hier wohnen, nicht vorwurfsvoll konfrontieren mit Rechtsmaßnahmen, die sie selber auch verabscheuen und unter denen sie leiden.
    Bei den Christen gab’s einen extra Schub: schon durch die Bergpredigt und noch deutlicher durch Paulus wurden alte Vorschriften relativiert oder aufgehoben – insbesondere die Vorschriften über kultische Reinheit. Wichtig zB in der derzeitigen Beschneidungsdebatte, auf die ich diese Diskussion hier aber nicht ausdehnen möchte. Ähnlich in veränderten Essensvorschriften (Schweinefleisch…). Also: schon innerhalb der Bibel Veränderung und Aufhebung von Geboten. So unwandelbar sind die nicht.
    Natürlich heißt es bei Veränderungen normalerweise nicht, etwas sei nur von historischem Interesse oder gegenüber dem Zeitgeist überholt. Die Veränderungen geschehen auf anderen Schienen – etwa indem gesagt wird: Ihr tut das nur noch aus äußerlich formalen Gründen, es kommt viel mehr auf die innere Einstellung an. Aber diese Veränderungen gibt’s und sind – um wieder auf den Ausgangspunkt zu kommen – oft so, dass die Beteiligten behaupten, sie würden in Treue den alten Sinn durchhalten; und ihre Praxis sieht längst schon anders aus. Also doch recht widersprüchlich – zumindest ein glasklares Jein, wir verstehen das heutzutage so… Na, ich wäre da gespannt von dem bei Michael Blume drüben im andern Blog genannten Rabbiner Avraham Yitzchak Radbil ein paar pfiffig-griffige Bemerkungen mitzubekommen. Mal sehen.
    Nun, die katholische Kirche hat eigene Schwierigkeiten damit, dass da Leute meinen, sie dürften nie Jein sagen, sie müssten alles dogmatisch festzurren. Geht weniger um die Unwandelbarkeit der Bibel als die der Institution – sind ja auch hauptsächlich Leute, die es in dieser Institution nach oben schwemmt; die einfacheren Leute denken „normaler“. Ähnliche Probleme gibt’s auch an einigen Stellen bei Protestanten; aber nicht in dem Maß. Und man kann Gift darauf nehmen – bitte nicht wörtlich nehmen 😉 : Wenn jemand sagt, er tue alles ganz genau so wie es in der Bibel steht – der benützt „die Bibel“ nur in sehr grobem Raster. In der „Huffington Post“ gibt es dazu manchmal erhellende Artikel (öfters unter Überschriften wie „What does the Bible say about…?“), die das aufs Korn nehmen (öfters mit innenpolitischem Touch). Ich könnte manches heraussuchen – verlinke es manchmal auch in Tweets, aber ich habe es gerade nicht greifbar. Na ja, mit obigen Stichworten habe ich gerade danach gegoogelt.
    Jedenfalls: Eine zum Lehrbuch plattgewalzte Bibel wäre tote Vergangenheit. Die wirkliche Bibel bietet nicht fertige Antworten sondern Impulse. Sie ist Zeugnis einer sehr lebendigen, manchmal sehr scharfen Diskussion. Und da wundert es mich nicht, wenn einer dem andern widerspricht; und ärgern mich die Widersprüche nicht.

  47. Schöner Querverweis:

    So isoliert steh ich ja gar nicht da – auch wenn manche meinen, hier würde ich gegen eine überwältigende Mehrheit ordentlicher Theologen nur meine Privatmeinung vertreten.
    S’ist doch nicht so: siehe Interview des „Deutschlandradio Kultur” mit Klaus Sturm, Generalsekretär der Bibelgesellschaft:
    “Die Bibel nicht wortwörtlich nehmen, aber beim Wort”
    Dank 😉 für den Hinweis an „blasphemieblog“ über Facebook (15.9.) bzw. hier im Atheist MediaBlog.

  48. Gut, Theologen bewerten Bibeltexte inzwischen “angepasster”, als früher.

    Das Landgericht in Essen hat jedoch gerade eine Klage wegen Vergewaltigung abgewiesen, dessen Begründung aber Zweifelhaft und sehr an die Bibel erinnert – zumindest, wenn man den Kontext darin wieder erkennen will.

    Nämlich hätte sie unter anderem nicht geschrien…(sich also nicht hinreichend gewehrt). Und das findet sich hier wieder:
    5. Mose 22,24

    Darüber muß man sich schon mal wundern.

  49. Angepasst ? Wieder „Jein“

    @chris.
    Das „angepasst“ hat natürlich mehrere Schattierungen. Gibt zB das politisch angepasst bzw. “wes Brot ich ess…“ (und in der Beziehung die verschiedensten theologischen Formen von Anpassung UND Widerstand). Und natürlich auch, wird ja oft gesehen, mehr oder auch öfters weniger Anpassung an das heutige naturwissenschaftliche Weltbild. Theologie kann sich zB auch einem bestimmten Lebensgefühl anpassen und darauf ihre Fragen konzentrieren. Dies ist derzeit sehr deutlich in der Anpassung an solche Fragen wie individuelle Sinnerfüllung. Dabei können solche Fragen und das dahinterstehende Lebensgefühl auch eine Auswirkung einer bestimmten Religion sein – siehe etwa Max Weber. Wer passt sich wem an? Irgendwie kann man natürlich alles als „angepasst“ bezeichnen, was nicht monologisch bleibt sondern sich einem öffentlichen Dialog stellt.
    Hier dreht es sich wohl eher darum, ob theologische Aussagen zur Moral den heutigen psychologischen und soziologischen Erkenntnissen „angepasst“ sind.
    Und da muss ich zugeben, dass – wie Sie durchaus zu Recht vermuten ! – sicher sehr viele (die meisten?) Theologen meinen, es gebe überhaupt keine Anpassung, die theologische Wahrheit bleibe ewig die gleiche. Und in der katholischen Kirche wird es vermutlich dezidiert so behauptet – na ja, von oben herab.
    Trotzdem ist’s nicht so, wie diese vielen behaupten; und es gibt eben auch einige Theologen (genügend? aber jedenfalls so viele, dass meine Meinung nicht als eine isolierte Privatmeinung dasteht), die sehen, dass da einiges in Bewegung ist; und manche möchten auch noch mehr in Bewegung bringen.
    Also manche sehen es deutlich, dass sich da Wandlungen vollzogen haben, de facto vollziehen die sich aber schon immer. Und auf ein paar Umbrüche besonders im Neuen Testament verwies ich schon (Beschneidung, Speisevorschriften). Deshalb bin ich wieder ein bisschen gegen Ihren Satz, dass , Theologen es „inzwischen“ angepasster sehen – falls das heißen sollte: erst in Reaktion auf die heutige Diskussion. Einige Veränderungen der Moral, die sich dann zT auch gegen kirchliche Einsprüche durchsetzten, wurden auch schon von Theologen angestoßen oder mit vorangetrieben. Ja, Theologen – sicher viele nicht, aber doch wichtige – waren schon immer an kritischer Diskussion beteiligt. Allerdings mit dem Manko, dass auch die Kritischeren ihre Einsichten oft nicht so an die Öffentlichkeit trugen. Das wäre ein eigenes Thema wert. Und so kann es leicht passieren, dass man uns alle in einem alten Schema sieht.
    Ja, die vorwissenschaftliche Form der Rechtsfindung im Alten Testament (5. Mose 22,24) kenne ich natürlich. Aber ich kenne keinen Theologen, der diese Form der Rechtsfindung wieder einführen möchte und Juristen auf diese verpflichten. Na ja, gibt nix was es nicht gibt, vielleicht wissen Sie von dem einen oder anderen Fundamentalisten, der da beim Urteil des Essener Landgerichts Beifall klatscht. Ich würde nicht dazu gehören – vermute auch, dass ganz untheologische Gründe zu diesem Urteil führten. So wie es dasteht, klingt es eher nach hausbackener Psychologie, Stammtisch-Psychologie. Ich bin eher dagegen, kenne aber auch das Urteil nicht recht; und nahm mal kurz zur Kenntnis, dass bei Gericht Frauen diese Argumentation unterstützten und dass alles jetzt doch revidiert werden soll. Mal sehen…

  50. Es ist ja die Situation, in der die junge Frau zur (beklagten)vergwaltigung kam, die die Richter und Staatsanwälte dann offenbar stutzig machte, ob da nicht was falsch gelaufen sei. Etwa dass die Entscheidung nach dem Beisschlaf auf “ungewollt” umschlug.

    Sowas ist grundsätzlich ein Problem und eine an Wahrheit grenzender Aufarbeitung ist hier schwierig.
    Aber, … mir scheint das Urteil im Kontext etwa der Meinung zu sein, es sei eigene Schuld, wenn sich eine junge Frau in eine (…) Gefahr begibt und dann zu schaden kommt.
    So kann man auch die Bibeltexte dazu lesen. Und so ist es auch landläufig zu hören, der zu Schaden kommt, wer die Gefahr nicht meidet – sich in sie hineinbegibt (Feuer und verbrennen und so)…Und wer sich im Extremfall zudem auch nicht genügend der Situation/Gefahr erwehrt, ist erst recht selbst schuld. Derart betrachtet ist es sehr Zweifelhaft. Besonders bei Minderjährigen, denen man nicht uneingeschränkt solcherart “Erkenntnisse” unterstellen darf.

    Das nur am Rande erklärt. Insgesamt kommt mir dieser verhandelte Sachverhalt und das Urteil irgendwie spanisch vor. Und eigendlich wollte ich nur auf eine in Kultur eingebettete systematik hinweisen, wie sie auch in anderen Bereichen der Gesellschaft und Kultur sich gehalten hat und gehandhabt wird. Das war keine kritik an Theologen, sondern an die sekuläre Gesellschaft. Von Theologen erwarte ich im Zweifel überhaupt keine Anpassung – auch, wenn es natürlich gelegendlich wünschenswert sei.

  51. Noch was zum Thema “wörtlich” nehmen oder ernst:

    “Es ist nicht die Aufgabe des Dichters, das was wirklich geschehen ist, zu erzählen, sondern das, was hätte geschehen können, das heißt, was nach Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit möglich ist.”

    Das soll Aristoteles erklärt haben. Hinsichtlich Bibel und andere alte Niederschriften sei hier ja immer die Frage, ob etwas tatsächlich geschehen war. Die Frage lässt sich fast immer nicht mehr beweisbar beantworten.

    Wohl aber liese sich einigermaßen einschätzen, was hätte geschehen sein können oder was absolut nicht.

    Literatur, Theater und Film funktionieren so (mehr oder weniger). Und wer weiß ob nicht in Tausend Jahren eine Niederschrift (zusammengestellt) existiert, dem die Menschen “glauben”, wie heute der Bibel. Und dort stünden Geschichten drinnen, wie wir sie uns heute im Kino anschauten etwa – oder in Büchern gelesen haben. Dabei gilt auch der Spruch von Werner v. Braun:

    “Alles, von dem sich der Mensch eine Vorstellung machen kann, ist machbar.”

    In dem Sinne sei machbar auch irgend möglich, so sich der Mensch es nur vorstellen kann (nach aller hohen Kunst der gegenwärtigen Wissenschaften und Technik – und doch noch mehr).
    Ein Sonderfall scheint darin ein Mann zu sein: Leonardo da Vinci. Hat er doch zu seiner Zeit “Visionen” gehabt, die nicht seiner Zeit entsprechen – also aus dem Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten völlig herrausfallen.

  52. Zwei Fragen

    Verzeihung, dass ich mich so spät einschalte, aber ich wollte hier doch noch einmal kurz meine Meinung darlegen, die natürlich ziemlich gegensätzlich ist zu den Gedanken dieses Posts (wie wohl jeder weiß, der meinen Blog kennt). Zwei kritische Fragen:
    Gibt es innerhalb dieser biblischen Textsammlung Qualitätsunterschiede, die nicht nur subjektiv begründbar sind? Sollte man z.B. wirklich das Massaker von Schechem (Gen. 34) als grundsätzlich gleichwertig betrachten mit der Bergpredigt, einfach deshalb, weil es keine objektiven Gründe gibt, das Eine oder Andere zu bevorzugen?
    Hat Deuterojesaias geirrt mit seiner ätzenden Kritik an der Verehrung von Götterstatuen, die ja doch darauf hinausläuft, dass sie objektiv unsinnig ist? Könnten ihm nicht Anhänger dieser Kultform entgegen halten, dass eine solche rationalistische Betrachtungsweise in der Religion grundsätzlich fehl am Platze ist (wenn ich diesen Post richtig verstehe)?

  53. Die zwei Fragen @Djebe

    Danke für diese Fragen:
    Ob es in der Bibelauslegung objektive Kriterien gibt bezügl der Wertigkeit von Bibeltexten? Gibt sicher Leute, die das behaupten, aber es wird so nicht gelingen. In meiner lutherisch-protestantischen Tradition fällt mir eher ein: Luther nennt als Kriterium „Was Christum treibet“ – auf neufromm würde das wohl heißen: „was würde Jesus dazu sagen?“; danach ist die Bergpredigt sicher richtiger als das Massaker von Schechem. Und gegen eine Parallele zu Letzterem habe sich ja, wird erzählt, Jesus ja mal sehr deutlich ausgesprochen: Lukas 9,54. Nur, zwischen diesen Extremen gibt es viele Übergänge und viele Diskussionen.
    Da muss man einfach merken, dass die Bibel ein Diskussionsbuch ist – mit Spruch und Widerspruch, mit Sprüchen und Widersprüchen. Man kann dann auch sehen, dass die innerjüdische Diskussion nicht auf dem Stand der Massaker-Theologie stehen geblieben ist. Und es gibt doch immer wieder Gegenbeispiele. Man kann ebenso sehen, wie Jesus durch gezielte Auswahl alttestamentlicher Stellen die diesbezügliche Diskussion in eine humanere Richtung lenken wollte. Die Christen sind ihm größtenteils darin gefolgt. Aber auch da gibt es schreckliche Ausnahmen. Aus der Bibel konnte man eben schon alles machen. Sie ist gewissermaßen schutzlos der Auslegungswillkür ausgeliefert. Freibeuter gibt es immer wieder.
    Doch der Haupt-Trend der Diskussion, an den ich mich halte, ist eben doch nicht nur subjektiv. Ich würde mich deshalb wehren, eine menschengerechtere Auslegung als nur subjektiv abzuwerten – kann man inter-subjektiv sagen? Man könnte ja auch sich auf den Geist berufen, der die Christen „in alle Wahrheit“ (Joh. 16,13) leite; aber es gibt immer wieder Leute, die meinen, sie hätten den für sich gepachtet.
    Allerdings – das müsste man als Protestant auch sehen: das lutherische „allein die Schrift“ wird eben trotz vieler Beteuerungen mit diesem „Haupt-Trend der Diskussion“aufgeweicht – ist doch ein bisschen das katholische „Schrift und Tradition“ drin.
    Zum anderen – die prophetische Kritik an der Verehrung von Götterstatuen: Ich weiß nicht recht, wie Sie meinen, da hätte ich etwas Gegenläufiges geschrieben. Ich würde eine solche Verehrung natürlich auch nicht mögen, wäre aber wohl etwas nachsichtiger: Wenn man diesen Bildern nicht ummittelbare Wirksamkeit, magische Kraft unterstellt sondern (wie bei Ikonen u.ä.) sagt: hier wird etwas verbildlicht, was man eigentlich nicht verbildlichen kann – wenn man in ihnen nur Hinweise sieht auf Zusammenhänge, die man eigentlich nicht abbilden kann – dann könnte man vielleicht doch mit manchem leben. Ich würde vielleicht nicht so schnell verdammen – weil ich aber sehe, wie viele Leute immer noch in solchen Gegenständen magische Kraft sehen, würde ich dringend davon abraten. Das wäre ein Paradebeispiel dafür, wie Theologie die gewissermaßen wildwüchsige Religion immer wieder auch zurechtstutzen muss; und dann wird sie öfters doch von solcher Religion unterspült und verliert ihre kritische Kraft…
    Schnell noch zu Ihrem „Verzeihung dass…“ Da muss ich meinerseits um freundliche Nachsicht bitten, dass ich so selten in Ihre sehr prägnanten Ausführungen in Ihrem Blog schaue und noch weniger kommentiere. Ich sag jetzt einfach so: Bei allen Unterschieden tut es einfach gut, wie da eingefahrene Denkgewohnheiten aufgebrochen werden. Beispielsweise widerlegen Sie in Ihrem Blogpost zu den Religionskriegen auf eindrückliche Weise das, was sich da so als Vorwurfsschema eingeschliffen hat.
    OK, genug für heute. Genug? Danke jedenfalls für Ihren Einwurf – für alle Einwürfe…

  54. Auferstehung

    “Die Entwicklung vom Herdenmenschen, vom Teilmenschen zum selbständigen Vollmenschen, zum Individuum und Akraten, also zum Menschen, der jede Beherrschung durch andere ablehnt, setzt mit den ersten Anfängen der Arbeitsteilung ein. Sie wäre längst vollendete Tatsache, wenn diese Entwicklung nicht durch Mängel in unserem Bodenrecht und Geldwesen unterbrochen worden wäre – Mängel, die den Kapitalismus schufen, der zu seiner eigenen Verteidigung wieder den Staat ausbaute, wie er heute ist und ein Zwitterding darstellt zwischen Kommunismus und Freiwirtschaft. In diesem Entwicklungsstadium können wir nicht stecken bleiben; die Widersprüche, die den Zwitter zeugten, würden mit der Zeit auch unseren Untergang herbeiführen, wie sie bereits den Untergang der Staaten des Altertums herbeigeführt haben.”

    Silvio Gesell

    Die Frage ist nicht, ob der bedeutendste Ökonom der Neuzeit sich geirrt haben könnte, sondern welcher kollektive Wahnsinn nicht nur das einstige Volk der Dichter und Denker bis heute davon abhielt, die einzige Möglichkeit des zivilisierten Zusammenlebens, die Natürliche Wirtschaftsordnung (echte Soziale Marktwirtschaft), zu verwirklichen:

    http://opium-des-volkes.blogspot.de/…rdnung.html

    Anstatt schon seit vielen Jahrzehnten in allgemeinem Wohlstand auf kaum noch vorstellbarem technologischem Niveau, einer sauberen Umwelt und selbstverständlichem Weltfrieden zu leben, nahm die Menschheit weiterhin Massenarmut, Umweltzerstörung und Krieg in Kauf, um heute vor der größten anzunehmenden Katastrophe der Weltkulturgeschichte zu stehen, die von den “Verantwortlichen” noch gar nicht gesehen wird:

    http://opium-des-volkes.blogspot.de/…ssiert.html

    “Sollte es irgendwelche Götter geben, deren Hauptanliegen der Mensch ist, so können es keine sehr bedeutenden Götter sein.”

    Arthur C. Clarke

    Der eigentliche Beginn der menschlichen Zivilisation setzt die Überwindung der Religion, den Erkenntnisprozess der Auferstehung, voraus!

    http://www.juengstes-gericht.net

  55. @Stefan Wehmaiers Esoterik

    Zu Rückkehr ins Paradies
    Ja, weiß man, kann man wissen: ungezählte Interpretationsversuche.
    Und sicher liegt was drin, wenn sich so viele dran abmühen. Bloß: Müssen alle bisherigen Interpretationen falsch sein, damit Ihre dann wie die endgültige Erleuchtung erscheinen kann? Mein Interpretationsversuch weist nicht alle andern ab, sondern sucht aus vielen anderen das Beste heraus.
    In Ihr Opium des Volkes“ habe ich reingeschaut: Esoterisches Zeugs; damit fange ich nichts an; und das brauche ich in diesem Blog nicht.

    Zu Erkenntnisprozess der Auferstehung, hier:
    Esoterische Überwindung der Religion? Na ja, jedem Kind sein Luftballönchen; aber mit mir nicht. Schon solche Superlative sind mir verdächtig wie „der bedeutendste Ökonom“; oder solche Gesamt-Psychologisierungen wie „die Menschheit nimmt in Kauf“. Oder solche absoluten Aussagen wie „die einzige Möglichkeit des zivilisierten Zusammenlebens, die Natürliche Wirtschaftsordnung“…

    Die goldenen Schlüssel zum Lösen von Problemen findet man in Märchen. Dort haben sie ihr Recht; und manches dort kann zur richtigen Lebenseinstellung befähigen: anregen, ermutigen, begeistern…. (Impulse geben nannte ich das in Bezug auf die Märchen und andern Geschichten der Bibel); aber die richtige Lösung lässt sich nicht aus den Märchenbildern Eins zu Eins umsetzen. Da muss man schon selber denken und diskutieren.
    So, und mit diesem letzten Abschnitt können sich manche denken, warum ich hier geantwortet habe.

  56. “Die Entwicklung vom Herdenmenschen, vom Teilmenschen zum selbständigen Vollmenschen, zum Individuum…”

    -> In etwa ist es doch ein Ziel, welchem sich die kultur verschrieben hat…
    Ein Prozess mit besonderer Grundlage – und als Funktionshinweis für die Religion. Viele glauben, das mit der Aufklärung im 18. Jahrundert dieses Ziel erreicht sei – für jeden Menschen. Dabei ist aber niemanden wirklich klar, wo er eigendlich in diesem System steht. Einbilden mag er sich trotzdem vieles. Das braucht auch nicht der Realität zu entsprechen, um Wahrheit zu sein.

    Deswegen halte ich die Aussage für gar nicht so abwegig:

    “Der eigentliche Beginn der menschlichen Zivilisation setzt die Überwindung der Religion, den Erkenntnisprozess der Auferstehung, voraus!”

    … auch, wenn ich die “Auferstehung” gerade nicht so recht einordnen kann – es sei denn, es ist ein einmalig / erstmalig stattfindener Ablauf, wobei kein Leben stirbt, sondern nur ein bisher dominierender Teil dessen. Was aber nur eintritt, wenn das Individuum dazu “bereit” sei. Man kann aber auch erklären, dass der “Beginn” erst dann eintritt, wenn Religion (und Herdenmenschentum) keine Relevanz mehr haben, weil ein Abbruch der Verbindung zum “Sein” als Individuum zwingt und nicht eine erfreuliche Tendenz darstellt..

  57. xytrbl meint:: Ein schöner Satz

    „Entweder nimmt man die Bibel wörtlich oder man nimmt sie ernst“.
    Der Satz gefällt mir gut. Kommt in meine Zitatensammlung. Denn um das – immer wieder neu zu entdeckende – “Sinngemäße” der alten Botschaften geht es.
    Ich bin kein Atheist – aber auch kein Glaubender – sondern ein “Suchender”.
    Als Tiefenpsychologe sehe ich die Verwurzelung jedes Glaubens in den tiefsten Tiefen der Kindheit – sehe am Nachthimmel die Sterne und weiß um die ungeheuerlichen Weiten in Raum und Zeit, welche die modernen Naturwissenschaften uns zugänglich gemacht haben (und nicht zuletzt die Science fiction! wohlgemerkt).
    Denke, ahne – dass diese Spekulationen ja nicht alles sein können oder sein müssen – davon wissen wir viel zu wenig vom Universum und von uns selbst sowieso.
    Ich sehe auch die zunehmende Komplexität in der Evolution des Lebens – die man sich nach vorne beliebig weiter denken kann. So ein paar Millaiorden Jahre. Und wo landet man dann? Bei (m)einem “naturwissenschaftlichen Versuch eines Gottesbeweises”:
    http://www.hyperwriting.de/loader.php?pid=328 (Gott – eine Vermutung”).
    (“xytrblk” steht für mich als Kürzel für einen, der noch ganz am Anfang steht.)
    Beste Grüße JvS

  58. Gottes-Skizze

    Danke, @JürgenVScheidt, für diesen Einwurf. Ich habe mir daraufhin Deinen, wohl selbstironisch so bezeichneten, “naturwissenschaftlichen Versuch eines Gottesbeweises” angesehen. Ist natürlich – gut kantianisch? – kein Beweis, sondern ein Offenhalten einer Denk-Möglichkeit. Ich denke, auf dieser Ebene wären viele Theologen ansprechbar. Aber ich mache beim physikalischen Teil der Überlegungen nicht mit und nicht bei der alles umspannenden Intelligenz. Die Frage, “wie ein gottähnliches Wesen entstehen und beschaffen sein könnte” würden wohl viele Theologen als kontraproduktiv ansehen. Aber ich gehe noch ein bisschen weiter und will auch die Begriffe wie „Wesen“ überwinden und die Frage nach dem „Existieren“ als unsachgemäß auf die Seite schieben. Ich habe ja schon ein paar Blogposts dazu losgelassen. Nun, da könnte es wohl sein, dass ich mich damit in Gegensatz stelle zu vielem, was Theologen sonst formulieren. Trotzdem skizziere ich hier wieder mal meinen Versuch. Aber über Skizzen hinaus will ich derzeit nichts weiter, nichts „Abrundendes“ formulieren. Also hier die Skizze:

    Grob gesagt: die ganzen Überlegungen, die mit den Gottesattributen zusammenhängen (Allwissenheit, Allmacht, Schöpfer , letzte Ursache…) halte ich für nachträgliche Rationalisierungen, auch Ausstaffierungen eines vorher im Menschen angelegten Gottesbildes. Erst recht den (wieder kantianisch schön formulierten) „gestirnten Himmel über mir“. Der wird das kleine Kind (trotz Münchner „Sternele sehen“) weniger interessieren als die unmittelbare menschliche Nähe, auf die es (als extremer Nesthocker, der der Mensch im Vergleich zu verwandten Säugetierarten nun einmal ist) mehr angewiesen ist als auf alles andere. Und dazu würde ich gerne von der (Tiefen-)Psychologie noch mehr lernen.
    Denn: Zuerst einmal – weit vorher, ursprünglicher als alle kosmologischen, kosmogonischen Fragen oder Fragen nach der Entstehung von (zB) Blitz und Donnerwetter – entsteht das Gottesbild durch Personi-fizierung (ich schreibe es gerne getrennt: da wird was „gemacht“) von Erfahrungen, Widerfahrnissen, auch Hoffnungen und Befürchtungen. Da wird das, was uns widerfährt und worauf wir aus sind, auf menschliche – menschengemäße – Weise benannt, eben vermenschlicht, humanisiert:
    Menschen wollen mit ihren Widerfahrnissen und Hoffnungen gewissermaßen wie mit einem Menschen kommunizieren können – Ereignisse, auf die man sonst keinen oder wenig Einfluss hat (Wetter/ Gefahren unterwegs) auch u.U. tote Gegenstände menschlich ansprechbar „machen“ (!). Sie fühlen sich auch u.U. wie von einer oberen Instanz möglicherweise immer wieder oder gar ständig beobachtet. Das hängt wohl evolutionär mit gewissen Raubtiererfahrungen zusammen und mit der Erfahrung von Kindern – die als extreme Nesthocker extrem lang von Außen-Leitung abhängig sind. Das ist zumindest in der Ausbildung des Gewissens als gewissermaßen Zweitinstanz deutlich greifbar. In der Erzählung von Kain und Abel sehe ich die Schilderung der Stimme Gottes, die Kain zur Rede stellt, eine erzählerische Umsetzung dieses Gewissens-Phänomens: Gott und das Gewissen sagen dabei nicht nur das, was mir angenehm ist. Insofern ist Gott nicht nur eine Wunsch-Projektion (ich weiß nicht, ob Feuerbach das berücksichtigt; aber sonst würde ich mich auf ein Glas Bier oder mehr gerade mit ihm gerne zusammensetzen…)
    So, und jetzt könnte jemand sagen: Also ist Gott doch bloß … Gedanke Projektion… Dazu sage ich: Es ist doch spannend, welche Gedanken, welche Projektionen, Hoffnungen, Befürchtungen sich in diesem Begriff bündeln – wie der Mensch mit seinen Widerfahrnissen umzugehen fähig ist. Das eben kann er damit ausdrücken, wie er von Gott redet. Es kann seine Strategie zur Wirklichkeitsbewältigung daraus sichtbar werden. Oder weniger militaristisch ausgedrückt: Es wird deutlich, auf welche Melodie er sein Leben singt. Natürlich kann er das auch ohne Gottesbegriff/Gottesbild ausdrücken; und das wird sich möglicherweise immer mehr durchsetzen. Aber es ist nicht falsch, dass Menschen dies zumindest bisher weitgehend mit einem Gottesbegriff/bild ausgedrückt haben. Jedenfalls: Sage mir, wer dein Gott ist und ich sage dir, worauf du aus bist. Dabei kann der formal gleiche Gott (etwa christlich als Trinität definiert oder mit einem bestimmten Namen belegt) durchaus sehr verschiedene Seiten zeigen. Und es wäre zu fragen, ob dogmatische Übereinstimmungen überhaupt die Frage klären können, ob damit auch derselbe Gott gemeint ist. Kommt vielleicht mehr drauf an: Sage mir, worauf du aus bist, und ich sage dir, wer dein Gott ist.
    Ja und dann hat man eben in den Theologien, die zu den ausgebauteren Religionen gehören (die über den engen Bereich eines Volksstammes oder einer einzelnen Nation reichen) , das Ganze ausstaffiert mit weiteren Folgerungen: Schöpfung und ewiger Grund der Welt…. Das hat jeweils auch seinen Sinn; aber nicht als tragender Pfeiler des Ganzen, sondern eben als Rationalisierung – mehr oder weniger notwendige gedankliche Konsequenz des ersten Gedankens, des grundlegenden Umgangs mit Widerfahrnissen und Hoffnungen.
    Meine Überlegungen sagen dann natürlich auch: Von Gott zu reden – das hat nur Sinn im Zusammenhang dessen, wie Menschen leben. Drewermann: Gott als Chiffre dafür, dass wir in einer an und für sich nicht sehr menschengemäßen Welt doch Menschlichkeit bewahren und bewähren. [kein genaues Zitat, müsste ich zuerst suchen.].
    Und also hat es keinen Sinn in der Zeit, bevor Menschen waren (sagen wir vor 6 Millionen Jahren) und in einer Zeit, nachdem die Menschen gewesen sein werden. Wenn man von Ewigkeit Gottes redet, was auch seinen Sinn haben kann, dann soll man sie nicht als Unendlichkeit der Zeit fassen.
    Aber meine Zeit ist auch nicht unendlich und schon was überdehnt. Deshalb: So viel für jetzt und heute.

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