Wird das Observatorium Calar Alto kaputtgespart?

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Die Nachricht ist schon gut zwei Wochen alt, und ich wundere mich, dass in Deutschland so wenig davon zu hören ist – schließlich ist das Observatorium auf dem spanischen Calar Alto, dass nun offenbar kaputtgespart werden soll, auch als “Deutsch-Spanisches Zentrum für Astronomie” bekannt. Da ist also -so vermute ich doch jetzt einfach mal- auch der deutsche Steuerzahler betroffen.

Die spanischen Astronomen jedenfalls haben bereits eine Briefaktion sowie eine Online-Petition gestartet, denn sie wollen den Verlust ihres Observatoiums nicht einfach hinnehmen. Da ich bislang nicht einmal eine deutsche Übersetzung des kurzen Aufrufs der Spanier finden konnte, habe ich mir erlaubt, selbst eine zu versuchen.

Wer so wie ich der Meinung ist, dass nicht nur Banken, sondern auch Einrichtungen aus dem Bereich Forschung und Bildung irgendwie “systemrelevant” sind (ich weiss, ich bin ein hoffnungsloser Fall), dem empfehle ich, wenigstens die Online-Petition zu unterschreiben. Auch wenn der Nutzen einer solchen Aktion umstritten sein mag, man sollte Sparwut nicht unwidersprochen lassen.

(Übersetzung von mir, hier das Original)

“Geehrte Kollegen!

Hiermit möchten wir euch über die kritische Situation informieren, in der sich das Observatorium Calar Alto (Spanisch-Deutsches Zentrum für Astronomie, CAHA) derzeit befindet, und die dessen Fortbestand gefährdet. Verursacht wurde sie durch die vom CSIC aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Situation vorgeschlagenen, beträchtlichen finanziellen Kürzungen. Diese gefährden die Erfüllung der anvisierten Ziele des CAHA.

Während des letzten bilateralen Treffens zwischen der MPG und des CSIC ergaben sich zwei wahrscheinliche Szenarien für die Zukunft des Observatoriums: 1) die Schließung sämtlicher Installationen, und 2) die Verkleinerung des Observatoriums auf nur noch ein Teleskop (3,5m), ausgerüstet mit einem einzigen Instrument, dem noch zu liefernden CARMENES. Auch diese zweite Option hätte gravierende Auswirkungen: sie bedeutete den Verlust der in den vergangenen Jahren geleisteten Investitionen, vor allem hinsichtlich der neuen Instrumente, die Schließung des 2,2m-Teleskops, sowie die Entlassung eines beträchtlichen Teils der Belegschaft. Sie würde zudem die Möglichkeiten des Observatoriums, der astronomischen Gemeinschaft Beobachtungszeit anzubieten, erheblich erschweren. Damit Sie die Situation in den Kontext einordnen können, haben wir diesem Brief ein kurzes von Seiten des IAA-Direktorats ausgearbeitetes Gutachten über die gegenwärtige Ausstattung des CAHA angehängt (hier zu finden, spanisch).

Das IAA-Direktorat und der Vorstand der SEA ist seit Wochen gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlern auf der Suche nach Alternativen zu den angesprochenen Optionen sowie nach gemeinsamen Aktionen, die den Weiterbetrieb des Observatoriums sichern könnten. Zu diesem Zweck haben wir als SEA-Vorstand vor einigen Tagen dem zuständigen Ministerium den an diese Botschaft angehängten Brief geschickt, bis jetzt aber noch keine Antwort erhalten (hier, auf spanisch).

Über weitere Initiativen zur Verhinderung dieses möglicherweise schwerwiegenden Rückschlages für die spanische Astronomie werden wir euch auf dem Laufenden halten.

Mit freundlichen Grüßen,

Matilde Fernández 
Directora del IAA

Javier Gorgas 
Presidente de la SEA”

Hier geht es zur Online-Petition auf change.org, hier zur Briefaktion (auch auf Englisch).

Link zur offiziellen CAHA-Seite.

Wikipedia zum CAHA.

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Mit dem Astronomievirus infiziert wurde ich Mitte der achtziger Jahre, als ich als 8-Jähriger die Illustrationen der Planeten auf den ersten Seiten eines Weltatlas stundenlang betrachtete. Spätestens 1986, als ich den Kometen Halley im Teleskop der Sternwarte Aachen sah (nicht mehr als ein diffuses Fleckchen, aber immerhin) war es um mich geschehen. Es folgte der klassische Weg eines Amateurastronomen: immer größere Teleskope, Experimente in der Astrofotografie (zuerst analog, dann digital) und später Reisen in alle Welt zu Sonnenfinsternissen, Meteorschauern oder Kometen. Visuelle Beobachtung, Fotografie, Videoastronomie oder Teleskopselbstbau – das sind Themen die mich beschäftigten und weiter beschäftigen. Aber auch die Vermittlung von astronomischen Inhalten macht mir großen Spaß. Nach meinem Abitur nahm ich ein Physikstudium auf, das ich mit einer Diplomarbeit über ein Weltraumexperiment zur Messung der kosmischen Strahlung abschloss. Trotz aller Theorie und Technik ist es nach wie vor das Erlebnis einer perfekten Nacht unter dem Sternenhimmel, das für mich die Faszination an der Astronomie ausmacht. Die Abgeschiedenheit in der Natur, die Geräusche und Gerüche, die Kälte, die durch Nichts vergleichbare Schönheit des Kosmos, dessen Teil wir sind – eigentlich braucht man für das alles kein Teleskop und keine Kamera. Eines meiner ersten Bücher war „Die Sterne“ von Heinz Haber. Das erste Kapitel hieß „Lichter am Himmel“ – daher angelehnt ist der Name meines Blogs. Hier möchte ich erzählen, was mich astronomisch umtreibt, eigene Projekte und Reisen vorstellen, über Themen schreiben, die ich wichtig finde. Die „Himmelslichter“ sind aber nicht immer extraterrestrischen Ursprungs, auch in unserer Erdatmosphäre entstehen interessante Phänomene. Mein Blog beschäftigt sich auch mit ihnen – eben mit „allem, was am Himmel passiert“. jan [punkt] hattenbach [ät] gmx [Punkt] de Alle eigenen Texte und Bilder, die in diesem Blog veröffentlicht werden, unterliegen der CreativeCommons-Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.

8 Kommentare

  1. Details zu den Sparvorgaben?

    Gibt es neben den üblichen Reizwörtern wie “Kaputtsparen” oder “Verlust der Investitionen” auch genauere Details zu den Budgetkürzungen? Die Deutsche Seite wird wohl normal weiterfinanziert. Welche Kürzung ist von der Spanischen Seite erforderlich?

    Das scheint ein Aufruf nach dem St.Florians-Prinzip zu sein.

  2. Re: Details zu den Sparvorgaben?

    Ich hoffe mit Beantwortung dieser und anderer Fragen (und überhaupt mal ein Statement) von deutscher Seite, also vom MPIA. Leider zieht sich das, eine erste Anfrage wurde sehr knapp, eine zweite noch gar nicht beantwortet. Wenn ich was erfahre, gebe ich es weiter. Solange muss ich mich auch an das halten, was aus Spanien zu hören ist, neben den verlinkten Seiten z.B.

    http://www.europapress.es/…d-20130322182557.html

    http://www.europapress.es/…l#comentar_comentario

    Der 2. Text ist interessant, weil hier ein Politiker der Regierungspartei die Schuld den deutschen Partnern zuschiebt.

  3. Hallo Jan,

    danke für die Information. Ich gebe Dir recht, dass nicht nur Banken systemrelevant sind! Dazu gibt es übrigens ein berühmtes Statement vom ehemaligen Fermilab-Direktor Robert Wilson, der hohe Ausgaben vor einem Congress-Ausschuss begründen musste: “It has nothing to do directly with defending our country except to make it worth defending.” (vollständiges Zitat auf http://en.wikipedia.org/wiki/Robert_R._Wilson).

    Aber zum Calar Alto. Am MPIA hatte ich zwar direkt nie etwas damit zu tun, aber zumindest mein Eindruck war immer, dass vor allem die Beobachtungsbedingungen auf dem Berg nicht mehr ganz so attraktiv sind, wie sie vielleicht mal waren. Es werden zu viele Nächte wegen schlechten Wetters verloren (eine Doktorandin hat während ihrer gesamten Doktorarbeit fast nur schlechtes Wetter dort erlebt) und auch die guten Nächte sind wohl nicht mehr so gut, wie sie mal waren.

    Auch wenn es bedauerlich ist, wenn ein Observatorium aufgegeben werden muss, muss man auch bedenken, dass man nicht auf alle Zeit immer neue Observatorien aufmachen kann ohne alte zu schließen. Derzeit wollen wir Europäer bekannterweise das größte optische Teleskop der Welt bauen — und dafür können wir wirklich jeden Cent brauchen, den wir zusammenkratzen können.

    Grüße,
    Leo

  4. @Leonard Burtscher

    Lese ich zwischen den Zeilen heraus, dass die offenbar mangelhafte Finanzierung da gar nicht so ungelegen kommt? Könnte das eine Erklärung für die Funkstille sein, die ich von Seiten des MPIA hinsichtlich der spanischen Aufregung zu erkennen glaube?

  5. Wessen Unterstützung wollen die?

    Angesichts des für jeden Außenstehenden vollkommen unverständlichen Jargons dieser Petition muss ich davon ausgehen, dass sich der Aufruf wohl nicht an die breite Allgemeinheit richten kann.

    Da es die Betroffenen zudem noch nicht einmal für notwendig erachtet haben, ihr Anliegen auch auf Englisch vorzubringen – für die verschwindende Minderheit der Weltbevölkerung, die nicht der spanischischen Sprache mächtig ist – muss man wohl annehmen, dass noch nicht einmal die Insider des Wissenschaftsbetriebs aufgerüttelt werden sollen, sondern von denen auch nur die des lateinamerikanischen Sprachraums.

    Da ich nicht zu dieser Gruppe gehöre, fühle ich mich auch nicht angesprochen.

    So wichtig kann besagte Mittelkürzung wohl nicht sein, wenn die Betroffenen ganz offensichtlich nicht sonderlich motiviert sind, ernsthaft dagegen vorzugehen – So motiviert, dass sie in iher Rettungskampagne auch etwas Zeit und Aufwand investieren würden.

    Bemerkenswert – nach eigenem Bekunden steht Calar Alto doch angeblich vor einer kritischen Situation. Hm. Reaktionen auf wirklich kritische Situationen stele ich mir aber doch etwas anders vor.

  6. @Michael Khan

    Die oben übersetzte Erklärung richtet sich hauptsächlich an die Community, die Online-Petition und die Briefaktion an die Allgemeinheit. Für letztere gibt es auch eine englische Übersetzung, und auch die (englischen) Kommentare unter der Petition zeugen MBMN dass sich etliche trotz des weitgehend spanischen Sprachgeprauchs angesprochen fühlten. Dass es zumindest von deutscher offizieller Seite nichts dazu gibt, erklärt sich, so denke ich, aus den obigen Kommentaren. Mehr kann ich auch nicht dazu sagen, die Anfrage nach einem Telefonat wurde von Seiten des MPIA bislang abgelehnt.

    Nichts für ungut, aber dass sich immer jemand findet, dem diese oder jene Formulierung oder Eigenheit der Petition nicht passt, kennt man inzwischen von den ganzen Lichtverschmutzungspetitionen.

    Ich freue mich jedenfalls, dass inzwischen deutlich über 5000 Personen die Petition unterzeichnet haben und wünsche den spanischen Kollegen viel Erfolg.

  7. Die, äh, “Eigenheiten”

    Jan, dass du als Astronom der Sache der Beteiligten von vorneherein Sympathie entgegenbringst, wird wohl keinen verwundern. Sicher kennst du die Gegebenheiten auch besser als Außenstehende und brauchst deswegen keine weitere Erläuterung. Nur musst du halt auch mal zur Kenntnis nehmen, dass die besagten petitionen sich ja nicht primär an Leute wie dich richten. Der Bekehrte braucht bekanntlich keine Predigt.

    Es geht mir nicht um “diese oder jene Formulierung”. Es geht mir nicht einmal darum, dass die englische Version der Briefpetition reichlich holperig daher kommt: “… a mountain that took decades to be crowned …”, “… I state my pray …”. Das wirkt zwar wie mit heißer Nadel gestrickt, aber was soll’s. Das ist nicht der Punkt.

    Der Punkt ist, dass weder in der Briefaktion noch in der Onlinepetition wirklich steht – und zwar so; dass man’s kapiert – warum gerade die Mittel für dieses Teleskop nicht gekürzt werden sollen. Mag ja sein, dass es sehr gute Gründe gibt, warum gerade diese Kürzung besonders negative Folgen hätte. Warum aber schreiben die das nicht klar hin? Dieses Teleskop ist besonders, weil A.)…, B.) … C.)….. Man kann damit Beobachtungen machen, die zur Zeit in dieser Qualität oder so unmfassend anderswo nicht zu machen sind, und zwar D.)…, E.) … F.) ….. Konkret würde eine Schließung folgende wichtige Forschungsprojekte vorzeitig beenden: G.)…, H.) …, I.) ….. Ferner hätte ein Rückfahren der Mittel auch negative Auswirkungen auf die Arbeit anderer Observatorien weltweit udn die Forschung allgemein, und zwar …

    usw.

    So sähe eine Petition mit Substanz aus. So etwas würde man dann auch als Außenstehender richtig einordnen.

    Notabene (liebe Astronomen, ihr müsst jetzt ganz tapfer sein): Entscheider über Mittelkürzungen sind in der Regel nicht unbedingt professionelle Astronomen. Vielleicht sind es nicht einmal professionelle Wissenschaftler. Und selbst wenn, dann können sie nicht unbedingt ohne Unterstützung jedes Akronym von Astronomen richtig einordnen.

    Es geht nun einmal auch darum, wie eine Petition beim Leser ankommt. Bei mir kommt das – ich muss es leider mal so sagen – an wie “Na, besonders viel Mühe geben die sich aber nicht .. die paar Gemeinplätze, die denen da eingefallen sind, finde ich erst einmal nicht hilfreich.”

    Wenn Calar Alto wirklich eine erhaltenswerte Institution ist, dann ist es doppelt bedauerlich, wenn in eine Petition zu ihrem Erhalt nicht mehr Mühe fließt.

  8. Gründe

    “Mag ja sein, dass es sehr gute Gründe gibt, warum gerade diese Kürzung besonders negative Folgen hätte.” – das obige Gutachten enthält einige gute Gründe, zugegeben auf spanisch. Ich arbeite dran, die ganze Sache etwas zu erhellen. Dauert aber noch ein paar Tage.

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