Lichtverschmutzung – Kleiner Schritt, große Wirkung

BLOG: Himmelslichter

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Himmelslichter

Lutz Zingelmann aus Thüringen hatte ein Problem. Wie viele Hobbyastronomen hatte er sich eine kleine Sternwarte in seinen Garten gebaut, und wie so oft war die nächste Straßenlampe nicht weit. Ein Exemplar störte ihn besonders: eine typische, blendende Leuchte, die neben der Straße auch gleich den Garten und seine Sternwarte mitbeleuchtete. Auf diese „Extragabe“ der Stadtwerke wollte er aber gerne verzichten.

Die meisten Amateurastronomen hätten sich wahrscheinlich mit ihrem Schicksal abgefunden. Was soll man als Einzelner schon gegen die allgegenwärtige Lichtverschmutzung ausrichten? Doch Lutz Zingelmann schilderte das Problem seiner Stadtverwaltung. Dort brachte man ihm überraschenderweise Verständnis entgegen. Nein, abschalten könne man die Lampe nicht, erklärte der zuständige Beamte. Aber man könne die gewölbte Glaswanne der Lampe gegen eine Flachglasabdeckung austauschen. Das würde die Blendwirkung der Lampe verringern und das Licht nur noch zum Boden werfen.

Foto: Lutz Zingelmann

Die störende Lampe vor der Umrüstung. (Alle Fotos, soweit nicht anders angegeben: Lutz Zingelmann) 

Wie man auf den Bildern erkennt, war die Operation ein Erfolg: Die Ausleuchtung der Straße ist mit der Flachglasabdeckung unvermindert, doch im Garten ist es erheblich dunkler. Die Lampe selbst, vorher ein heller Lichtpunkt im Bild, stört nun kaum noch. Der kleine technische Eingriff reichte aus, und Zingelmanns Problem war gelöst – ohne dass dabei eine Lampe abgeschaltet werden musste!

Foto: Lutz Zingelmann

…und nach der Umrüstung mit einem Flachglasgehäuse. 

Der Thüringer Sterngucker hatte Glück. Nicht immer reagieren die Stadtverwaltungen so positiv auf die Wünsche der Amateurastronomen. Eine verlässliche Regelung zu Lichtimmissionen gibt es nicht. Zu den störende Immissionen nennt das Bürgerliche Gesetzbuch zwar Gerüche, Lärm oder Erschütterungen – Licht aber zählt allenfalls zu den „ähnlichen Einwirkungen“. Straßenbeleuchtung gilt meist als „ortsüblich“ und muss daher hingenommen werden. Stellt sich die Stadtverwaltung stur, bleibt bei Streitigkeiten nur der Weg vor Gericht. Doch wer will sich schon wegen einer Straßenlampe einen Rechtsstreit leisten?

Auf das berüchtigte „40-Watt-Lampen-Urteil“ sollte man sich nicht verlassen. Das Landgericht Wiesbaden hatte vor einigen Jahren einen Kriminalbeamten verurteilt. Er musste eine 40-Watt Glühbirne, die er zur Außenbeleuchtung an seinem Haus angebracht hatte wieder abzumontieren. Sein Nachbar fühlte sich durch das Licht beim Schlafen gestört. Das Urteil drohte bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro oder zwei Jahre Haft an und gehört wohl eher in das Kuriositätenkabinett der Rechtsprechung.

Foto: Lutz Zingelmann

Dieser Vergleich zwischen einer vollabgeschirmten Leuchte (vorne, Abstand etwa 40 Meter) und einer teilabgeschirmten (hinten, etwa 60 Meter) zeigt deutlich, dass die Flachglasabschirmung wesentlich weniger blendet als die Glaswanne. 

Bringt das Austauschen der Lampengehäuse bei Straßenlampen denn überhaupt eine Verminderung der Lichtverschmutzung? Lohnt sich der Aufwand? Natürlich machen eine oder zwei Lampen nicht den großen Unterschied. Würden aber alle Straßenlampen mit Flachglasgehäusen umgerüstet, so würde sich die Lichtverschmutzung spürbar verringern. Denn die Abstrahlcharakteristik der teilabgeschirmten, mit Glaswannen versehenen Leuchten trägt zu einem erheblichen Anteil zu den Lichterglocken über unseren Städten bei.

Stellen wir uns einmal einen Lichtstrahl vor, der senkrecht in den Himmel gestrahlt wird. Auf dem Weg durch die Atmosphäre wird das Licht gestreut. Die Streuung ist besonders in Bodennähe besonders stark, wo die Lufthülle besonders dicht ist und viele Staubteilchen vorkommen. In den oberen Schichten der Atmosphäre nimmt die Streuung stark ab, und im Weltall läuft der Lichtstrahl schließlich ungehindert weiter. Hier dient er allenfalls noch außerirdischen Raumschiffen zur Orientierung. (Aus welchem Grund man Licht senkrecht in den Himmel zu schießen sollte, kann ich Ihnen auch nicht sagen, doch gemacht wird es ja. Immerhin stört das ins Weltall gestrahlte Licht die Astronomen auf der Erde nicht mehr.) Zwei Drittel des Lichts gelangen bei senkrechtem Abstrahlwinkel ins All, etwa 30% werden gestreut und verursachen Lichtverschmutzung.

Diese Bilanz wird schlimmer, je flacher der Winkel der Abstrahlung ist. Der Weg des Lichtstrahls durch die streuende Lufthülle der Erde wird dann immer länger. Bei einem Winkel von etwa 10° zur Horizontalen durchquert der Lichtstrahl schon das fünffache der Atmosphärenmasse, bei einem Grad schon das 25fache. Jede Atmosphärenmasse streut weitere 30% des Lichts. Das ist der umgekehrte Effekt der atmosphärischen Extinktion: Ein Stern in Horizontnähe erscheint lichtschwächer als in der Nähe des Zenits.

Foto: Lutz Zingelmann Warum teilabgeschirmte Lampen wie diese auf dem Bild links dennoch so häufig eingesetzt werden, habe ich einmal Beleuchtungsingenieure gefragt. Die Vorteile dieser Lampen seien die bessere Ausleuchtung der Straßen (man kann die Abstände zwischen den Lampen vergrößern) und die sogenannte „Leitwirkung“ für die Autofahrer. Durch die Kette der hellen Leuchten sollen sie die Straße „entlanggeleitet“ werden. Diese Begründung kann ich jedoch nicht nachvollziehen. Die Aufmerksamkeit der Autofahrer gehört auf die Straße. Die hellsten Objekte sollten deshalb keine blendenen Straßenlampen, sondern die Straße selbst sein. Wenn das Auge ständig durch Straßenlampen geblendet wird, kann es sich nicht richtig auf die Straße einstellen und ermüdet schneller. Jedenfalls geht es mir so, wenn ich nachts über belgische Autobahnen fahren muss.

Zur Verdeutlichung schauen Sie sich einmal das folgende Bild an. Es zeigt einen Bahnübergang, der von vollabgeschirmten Lampen (also solche mit Flachglasabdeckung) beleuchtet wird. Obwohl der Übergang im Hintergrund liegt, ist die Straße dort gut zu erkennen, die Leuchten selbst sieht man kaum. Die Lampe im Vordergrund ist teilabgeschirmt – die ist das hellste Objekt im Bild. Achten Sie auf die Straße im Vordergrund: sehen Sie den linken Straßenrand? Ich auch nicht – soviel zur besseren Ausleuchtung. Es ist kein Zufall, dass die Deutsche Bahn nur vollabgeschirmte Lampen entlang ihrer Bahnstrecken einsetzt.

Foto: Andreas Hänel

Unterschiedlich abgeschirmte Leuchten an einem Bahnübergang. (Foto: Andreas Hänel)

Es gibt gute Gründe, zur Straßenbeleuchtung nur noch vollabgeschirmte Lampen einzusetzen:

  • Verbesserung der Verkehrssicherheit, da die Lampen nicht mehr blenden – statt immer mehr Licht, wird besseres Licht eingesetzt.

  • Energieersparnis – auf Licht, das ins All gestrahlt wird kann man verzichten, die Außerirdischen kommen auch ohne aus!

  • Reduzierung der Lichtverschmutzung – wer wollte das nicht?!

Dennoch sind teilabgeschirmte Glaswannenlampen nach wie vor die am häufigsten eingesetzten Leuchten. Nur Slowenien hat mittlerweile ein Gesetz, das den Einsatz vollabgeschirmter Lampen vorschreibt. In Deutschland sind wir leider noch nicht so weit. Vielleicht braucht es noch den ein- oder anderen Anstoß. Zwar eignen sich leider nicht alle Leuchtentypen für eine solche Umrüstung. Dennoch: sollten Sie sich auch beim Sternegucken oder sonstwo von einer blendenden Straßenlampe gestört fühlen, machen Sie es wie Lutz Zingelmann – beschweren Sie sich und verlangen Sie eine blendfreie Flachglasabdeckung!

Dark Skies!

Jan Hattenbach

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Mit dem Astronomievirus infiziert wurde ich Mitte der achtziger Jahre, als ich als 8-Jähriger die Illustrationen der Planeten auf den ersten Seiten eines Weltatlas stundenlang betrachtete. Spätestens 1986, als ich den Kometen Halley im Teleskop der Sternwarte Aachen sah (nicht mehr als ein diffuses Fleckchen, aber immerhin) war es um mich geschehen. Es folgte der klassische Weg eines Amateurastronomen: immer größere Teleskope, Experimente in der Astrofotografie (zuerst analog, dann digital) und später Reisen in alle Welt zu Sonnenfinsternissen, Meteorschauern oder Kometen. Visuelle Beobachtung, Fotografie, Videoastronomie oder Teleskopselbstbau – das sind Themen die mich beschäftigten und weiter beschäftigen. Aber auch die Vermittlung von astronomischen Inhalten macht mir großen Spaß. Nach meinem Abitur nahm ich ein Physikstudium auf, das ich mit einer Diplomarbeit über ein Weltraumexperiment zur Messung der kosmischen Strahlung abschloss. Trotz aller Theorie und Technik ist es nach wie vor das Erlebnis einer perfekten Nacht unter dem Sternenhimmel, das für mich die Faszination an der Astronomie ausmacht. Die Abgeschiedenheit in der Natur, die Geräusche und Gerüche, die Kälte, die durch Nichts vergleichbare Schönheit des Kosmos, dessen Teil wir sind – eigentlich braucht man für das alles kein Teleskop und keine Kamera. Eines meiner ersten Bücher war „Die Sterne“ von Heinz Haber. Das erste Kapitel hieß „Lichter am Himmel“ – daher angelehnt ist der Name meines Blogs. Hier möchte ich erzählen, was mich astronomisch umtreibt, eigene Projekte und Reisen vorstellen, über Themen schreiben, die ich wichtig finde. Die „Himmelslichter“ sind aber nicht immer extraterrestrischen Ursprungs, auch in unserer Erdatmosphäre entstehen interessante Phänomene. Mein Blog beschäftigt sich auch mit ihnen – eben mit „allem, was am Himmel passiert“. jan [punkt] hattenbach [ät] gmx [Punkt] de Alle eigenen Texte und Bilder, die in diesem Blog veröffentlicht werden, unterliegen der CreativeCommons-Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.

5 Kommentare


  1. Schön, daß Sie dieses Thema mal wieder aufgreifen. Leider wird darüber in der Tagespresse so gut wie gar nicht berichtet. Schreiben Sie doch mal über das Beleuchtungskonzept der Stadt Augsburg, darüber ist leider selbst im Internet kaum etwas zu finden. Das wäre doch eigentlich ein gutes Vorbild für andere Städte: Energie und damit Geld sparen wollen doch alle. Nebenbei kommt auch noch was für die Umwelt (Insekten u.a. nachtaktive Tiere) und für uns Sternfreunde dabei raus. Eigentlich gibt es nur Gewinner bei der Umsetzung solcher Maßnahmen.

  2. Lichtverschmutzung und Medien

    Schaut man sich die einschlägigen astronomischen Internetforen an so stellt man fest, dass das Thema Lichtverschmutzung in der letzten Zeit immer häufiger hochkocht. In den Medien findet man leider nur selten etwas dazu, das ist wahr. Hier sind die Astronomen (nicht nur die Amateure) selbst gefragt, das Thema nicht nur “unter sich” zu diskutieren, sondern es offensiv nach außen zu tragen. Meine Erfahrung ist, dass die Medien gerne auf solch ein “exotisches” (ist es das eigentlich immer noch?) Thema anspringen.

    Die Stadt Augsburg wird immer gerne als Vorzeigemodell genannt. Ich habe aber keine Informationen darüber, ob dort tatsächlich die Lichtverschmutzung wirksam reduziert wurde. Alles was ich darüber gelesen habe betraf i.W. den Austausch alter Hg-Dampflampen gegen energiesparendere Na-Dampflampen. Das ist aber schon ein alter Hut. Und ausserdem: Wenn alte Leuchtmittel gegen effizientere, aber auch hellere ausgetauscht werden, die Gehäuse aber die gleichen bleiben, steigt die Lichtverschmutzung an!

    Ist sicher interessant, bzgl. Augsburg mal nachzuforschen, danke für den Hinweis!

  3. Augsburg

    Hallo,
    der Beleuchtungsingenieur von Augsburg hat schon vor Jahren einen Amateurastronomen glücklich gemacht, indem er die Leuchtenwanne durch ein Flachglas ausgetauscht hat.
    Ansonsten ist in Augsburg der Energieverbrauch trotz 3000 zusätzlichen Brennstellen konstant gehalten worden durch: konsequente Umrüstung auf Natriumdampf-Hochdrucklampen, Optimierung der Anschlussleistung (“Helligkeit”), der Schaltzeiten, Anwendung der Halbnachtschaltung (in Leuchten mit 2 Lampen wird eine in den späten Nachtstunden abgeschaltet), Leistungsreduzierung. Vor allem aber zählt das Verständnis und Engagement der zuständigen Leute!

  4. Ist-Zustand

    Interessanterweise hat auf dem Gebiet der Radio-Emissionen sehr schnell eine andere Entwicklung stattgefunden. Seti-Forscher meinten, andere bewohnte Planeten anhand ihrer Radiostrahlung entdecken zu können, doch mittlerweile ist die Erde im Radiobereich fast wieder “stumm”, sodass diese Einschätzung revidiert werden musste. Warum ist das nicht auch im sichtbaren Spektralbereich möglich?

    In Österreich wird derzeit eine Erfassung des Ist-Zustandes durch Luxmeter vorangetrieben, um diese Entwicklung endlich präzise messen zu können.

    Lichtverschmutzung wurde auch als ein Leitthema für das Jahr der Astronomie 2009 durchgesetzt.

    Eine Initiative versucht den aktuellen Zustand und die laufende Entwicklung durch Beobachtungen zu messen – eine hohe Beteiligung wäre wünschenswert! Adresse: http://www.sternhell.at

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