Kalifornien: eine astronomische Rundreise (Teil 2)

BLOG: Himmelslichter

ein Blog über alles, was am Himmel passiert
Himmelslichter

Der Besuch der Endeavour, der sogar doppelte Besuch des Griffith-Observatoriums und immerhin die Fahrt auf den Mount Wilson (ohne Besichtigung der Sternwarte) an nur einem Tag legten schon ein ziemliches Tempo vor, dass natürlich auf keinen Fall fortzusetzen war. Ich wollte ja auch gar nicht an einem Wochendende mit meiner Kalifornientour fertigwerden. Alleine die Fahrt zum nächsten Observatorium dauerte immerhin schon drei Stunden (einfache Strecke): es ging von Los Angeles zum Palomar Mountain.

Das Palomar Observatorium (der der Palomar Mountain – aus sehr guter Quelle weiss ich nun, dass nur Unkundige “Mount Palomar” sagen) liegt ungefähr auf halber Strecke zwischen Los Angeles und San Diego. Damit ist es zwar schon deutlich weiter von der Metropole entfernt, was aber nicht bedeutet, dass es dort draußen richtig dunkel wird: Zwar war ich selbst nur am Tage dort, aber auf einigen Fotografien des Observatoriums bei Nach kann man sehr deutlich den orangenen Schein der Natriumdampflampen von Los Angeles und San Diego erkennen, und eine Informationstafel gleich am Eingang zum Besucherzentrum informiert über die Lichtverschmutzung. Es ist schade, dass menschlicher Fortschritt offenbar untrennbar mit der Zerstörung (nicht nur) des Nachthimmelsverbunden sein muss.

Das absolute Highlight des Palomar Mountain ist jedenfalls die majestätische Kuppel des 5-Meter-Hale-Teleskops. Dieses war seit seiner Inbetriebnahme im Jahr 1949 bis 1976 das größte Teleskop der Welt, und auch heute noch in Betrieb. Zwar hat die 8- bzw- 10-Meter-Klasse heutzutage ganz andere Maßstäbe in Sachen Teleskopgröße gesetzt, doch die schneeweiße, gewaltige Kuppel auf Palomar ist nach wie vor ein ehrfurchterbietender Anblick!

Natürlich darf man auch hinenein – Palomar Mountain ist das ganze Jahr durchgehend für Besucher geöffnet, bei kostenlosem Eintritt. Da das Teleskop allerdings permanent genutzt wird, kann man nicht direkt in den Teleskopraum, sondern betrachtet das massive Instrument durch eine Glaswand. Für Fotos eher suboptimal, sehen kann man aber trotzdem gut.

Auf Palomar lagen Mitte Januar recht stattliche Schneereste. Ein guter Teil der Besucher dort oben waren kalifornische Familien, die ihren Nachwuchs auf kurzen Pisten rodeln ließ, was sichtlich und hörbar für Vergnügen sorgte. Ich dagegen hätte gerne noch ein paar der anderen Kuppel besichtigt, doch das ist leider nicht vorgesehen. Führungen zu Haleteleskop gab es auch keine – sie werden ebenfalls nur in den Sommermonaten angeboten. Dennoch war ich mit meinem Besuch sehr zufrieden – zumal das Mitbringsel, eine Palomar-Mütze auf dem Geschenkeladen, sogleich seinem Zweck zugeführt werden konnte, denn es war schon ziemlich frisch dort oben!

Nach diesem Palomar-Besuch machen wir nun einen ziemlich großen Zeitsprung, denn erst nach etwa einer Woche wurde es wieder astronomisch. (Von den anderen Reiseerlebnissen möchte ich an dieser Stelle nicht berichten.) Als letztes Observatorium habe ich mich die Lick-Sternwarte auf dem Mount Hamilton (jetzt ist es wieder richtig so) aufgespart, und es war neben dem Griffith-Observatorium der Höhepunkt der gesamten Tour.

Das Lick-Observatorium befindet sich seit 1887auf dem Mount Hamilton, etwa eine Stunde Fahrt von San Jose, oder gut zwei Stunden von San Francisco. Es beherbergt als größtes Instrument das Shane-Teleskop, einen 3-Meter Reflektor. Man kann ihn wie Das Hale-Teleskop durch eine Glaswand betrachten. Lick ist ebenfalls das gesamte Jahr über geöffnet, im Winter allerdings nur Donnerstags bis Sonntags.

Insbesondere die letzten 15 Meilen des Aufstiegs führen durch eine reizvolle Landschaft – und ziehen sich länger, als man auf den ersten Blick meinen mag. Oben angekommen, begibt man sich am besten gleich zum Hauptgebäude, das den ältesten Teil des Komplexes ausmacht. Dort befindet sich eine kleine, aber sehr nett gemachte Ausstellung, zu der u.a. Original-Zeichnungen und Beobachtungsberichte von Lick-astronomen vergangener Tage gehören, etwa solchen von Edward E. Barnard.

Der absolute Höhepunkt des Lick-Observatoriums ist aber der 91-cm-Refraktor, das nach dem Begründer der Sternwarte benannte James-Lick-Teleskop. Der Lick-Refraktor ist eines der größten Linsenteleskope der Welt, das drittgrößte, um genauer zu sein. Es wird selbst heute nur durch den Yerkes-Refraktor (102 cm) bei Chicago und das Schwedische 1-m-Sonnenteleskop auf dem Roque de los Muchachos auf La Palma. Gemeinhin gilt 1 Meter als technische Obergrenze für den Bau einer Refraktorlinse.

Der Lick-Refraktor wird selbst heute noch vereinzelt für wissenschaftliche Beobachtungen genutzt. Vor allem aber kann man selbst einmal durch dieses historische Instrument blicken, wenn man an einer öffentlichen Führung teilnimmt. Das habe ich leider nicht gemacht, denn, (der geneigte Leser ahnt es sicher schon), diese Sternführungen werden nur im Sommer angeboten (wieso eigentlich: der Himmel im Winter ist doch kaum uninteressanter. Achja, ich vergaß: die “arktische” kalifornische Kälte!)

Der Refraktor ruht auf einer bemerkenswerten Säule, um ihn zu erreichen wird der Boden des Observatoriums hoch- und runtergefahren, je nach Position des gerade beobachteten Objekts am Himmel. Die Ausstattung und der technische Zustand der Sternwarte ist trotz ihres hohen Alters bemerkenswert gut, ein Besuch lohnt also auch bei Tage.

In der westlichen Kuppel befindet sich ein weiteres Instrument, das normalerweise nicht für das Publikum zugänglich ist. Dank des sehr freundlichen Personals war es mir aber möglich, auch dort hineinzuschauen. So konnte ich den 1-Meter Anna L. Nickel-Reflektor bewundern, der selbstverständlich ebenfalls noch in Gebrauch ist, heutzutage allerdings vom Campus der University of California in Santa Cruz ferngesteuert wird.

Man sieht der Einrichtung ihr Alter durchaus an – aber gerade das finde ich besonders reizvoll. Mir gefallen historische Sternwarten, insbesondere die noch in Gebrauch befindlichen, immer ein kleines bisschen besser als die ohne Zweifel beeindruckenden modernen Forschungstempel unserer Tage. Man kann die Historie förmlich spüren, insbesondere wenn sie mit bedeutenden Entdeckungen und großen Namen verbunden ist. Fast kann man die Stimmung greifen, die in diesen Kuppeln geherrscht haben muss, als die Astronomen noch selbst in kalten Nächten direkt an den Instrumenten arbeiteten, wie es heute eigentlich nur noch Amateure tun.

Alle halbe Stunde werden auf Lick kostenlose Führungen zum großen Refraktor angeboten, die von der seit 35 Jahren dort tätigen Lotus Baker durchgeführt werden. Leider ist die Zukunft des Observatoriums ungewiss: Die University of California hat kein Geld, ein Schließung des Standortes durchaus möglich, zumal in der heutigen Zeit bessere Alternativen zur Verfügung stehen. Was den Lick-Refraktor betrifft, so kann man sich kaum vorstellen, dass er einmal geschlossen sein wird. Es gibt wohl Bestrebungen, ihn dann zu einem nationalen Denkmal zu erklären, so dass er zumindest für die Öffentlichkeit weiterhin zugänglich bleibt.

Wer also jemals in Kalifornien unterwegs ist, dem sei ein Ausflug zu diesen Stätten astronomischer Forschung empfohlen. Selbst wenn einen die Astronomie selbst kalt läßt (es soll solche Menschen geben, habe ich gehört) wird man die Aussicht und die großartige Landschaft genießen können, und ein wenig über die Historie der Orte erfahren.

Meine Reise ist noch nicht ganz vorbei, in nicht allzu ferner Zukunft werde ich an dieser Stelle über ein weiteres Observatorium berichten, das nicht ansatzweise so bekannt ist wie die hier beschriebenen, an bewegter Geschichte diesen aber keineswegs nachsteht. Momentan bemühe ich mich noch um einen ausführlichen Besuchstermin, ich bin zuversichtlich, dass das funktioniert.

Creative Commons License
This work is licensed under a Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International License.

 

Avatar-Foto

Mit dem Astronomievirus infiziert wurde ich Mitte der achtziger Jahre, als ich als 8-Jähriger die Illustrationen der Planeten auf den ersten Seiten eines Weltatlas stundenlang betrachtete. Spätestens 1986, als ich den Kometen Halley im Teleskop der Sternwarte Aachen sah (nicht mehr als ein diffuses Fleckchen, aber immerhin) war es um mich geschehen. Es folgte der klassische Weg eines Amateurastronomen: immer größere Teleskope, Experimente in der Astrofotografie (zuerst analog, dann digital) und später Reisen in alle Welt zu Sonnenfinsternissen, Meteorschauern oder Kometen. Visuelle Beobachtung, Fotografie, Videoastronomie oder Teleskopselbstbau – das sind Themen die mich beschäftigten und weiter beschäftigen. Aber auch die Vermittlung von astronomischen Inhalten macht mir großen Spaß. Nach meinem Abitur nahm ich ein Physikstudium auf, das ich mit einer Diplomarbeit über ein Weltraumexperiment zur Messung der kosmischen Strahlung abschloss. Trotz aller Theorie und Technik ist es nach wie vor das Erlebnis einer perfekten Nacht unter dem Sternenhimmel, das für mich die Faszination an der Astronomie ausmacht. Die Abgeschiedenheit in der Natur, die Geräusche und Gerüche, die Kälte, die durch Nichts vergleichbare Schönheit des Kosmos, dessen Teil wir sind – eigentlich braucht man für das alles kein Teleskop und keine Kamera. Eines meiner ersten Bücher war „Die Sterne“ von Heinz Haber. Das erste Kapitel hieß „Lichter am Himmel“ – daher angelehnt ist der Name meines Blogs. Hier möchte ich erzählen, was mich astronomisch umtreibt, eigene Projekte und Reisen vorstellen, über Themen schreiben, die ich wichtig finde. Die „Himmelslichter“ sind aber nicht immer extraterrestrischen Ursprungs, auch in unserer Erdatmosphäre entstehen interessante Phänomene. Mein Blog beschäftigt sich auch mit ihnen – eben mit „allem, was am Himmel passiert“. jan [punkt] hattenbach [ät] gmx [Punkt] de Alle eigenen Texte und Bilder, die in diesem Blog veröffentlicht werden, unterliegen der CreativeCommons-Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.

Schreibe einen Kommentar