Ein Hubbleteleskop für Hobbysterngucker? Aus Deutschland?

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Himmelslichter

Es gibt Vortragsankündigungen, die hält man erst mal für einen Scherz. Letzten Samstag hatte ich wieder so einen Fall, auf der 31. Bochumer Herbsttagung der Amateurastronomen. Da sollte Heiko Wilkens referieren – sein Thema: “Ein optisches Weltraumteleskop für Amateurastronomen”. Wahrscheilich war ich nicht der einzige, der da dachte: “Meint der das ernst?”

Aber Wilkens machte sehr schnell klar, dass es ihm absolut ernst ist. Ein Weltraumteleskop für Hobbyastronomen, genutzt aber auch für Bildungsprojekte und von der professionellen Astronomie sei kein unerreichbarer Traum, sondern mit dem entsprechenden Know-How und den richtigen Leuten realisierbar. Und Wilkens, selbst Hobbyastronom, will es versuchen.

Das Hubble-Weltraumteleskop ist das berühmteste Fernohr der Welt. Gibt es sowas (ein paar Nummern kleiner) bald auch für Hobbyastronomen? Bild: NASA

80 bis 130 Millionen Euro

Das es kein Hubbleteleskop werden wird ist klar – das wohl berühmteste Fernrohr aller Zeiten hat mehr als eine Milliarde Euro gekostet. Das Amateurweltraumteleskop soll keine Milliarden verschlingen, meinte Wilkens – sondern Millionen. 80 bis 130 Millionen Euro, um genauer zu sein. In Bochum legte Wilkens ein Rechenbeispiel vor: 80 Millionen Euro Gesamtkosten, 50 Millionen davon für Planung, Bau und Start, die restlichen 30 Millionen für den auf fünf Jahre ausgelegten Betrieb des Instruments.

Koordiniert und gesteuert würde das Teleskop durch ein zu gründendes “Space Telescope Institute”, auch das sollte deutlich schlanker sein als das Pendant der großen NASA: Vier oder fünf Leute in Vollzeit – statt mehrere hundert. Und auch technisch würde das Teil eher ein Zwerg: mit einer Teleskopöffnung von 80 cm, einem Gewicht von ungefähr 300 Kilogramm und einem Volumen von etwa einem Kubikmeter. Hubble hat da mehr die Abmaße eines Schulbusses. Vom Spektralbereich soll es als optisches Teleskop ausgelegt werden – natürlich auch, um die beliebten pretty pictures produzieren zu können. Aber mit einem gesamten abgedeckten Bereich von 100 bis 1400 nm würde es auch das UV- und IR-Licht erfassen.

Breite Zielgruppe, deutsche Federführung

Und wer braucht sowas? Wichtig sei vor eine möglichst breite Zielgruppe potentieller Nutzer, meinte Wilkens. Neben Amateurastronomen möchte er auch Wissenschaftler an Universitäten und Instituten einbinden, sowie Schulen und die Öffentlichkeit. Deshalb auch der Auftritt auf der Herbsttagung in Bochum: ein erstes Ziel sei es, die Zielgruppen (in diesem Falle die Amateurcommunity) frühzeitig einzubinden – und herauszufinden, wer so ein Gerät denn verwenden wolle, und wozu.

Zumindest der in Bochum versammelte Teil dieser Community (darunter wie immer bekannte und gestandene Amateurastronomen) riss es vor Enthusiasmus nicht gerade von den Stühlen. Ich würde die Reaktion des Auditoriums als “verhalten interessiert” beschreiben – und auch als skeptisch. Zu groß scheint das Vorhaben, und so mancher kam (so wie ich) wohl nicht umhin zu denken: “Verhebt der sich nicht da mit seiner Idee, allem Optimismus zum Trotz?” Ganz ausräumen konnte Heiko Wilkens diese Bedenken nicht, so war mein Eindruck. Die wohl wichtigste Frage konnte er nämlich nur sehr schwammig beantworten: Wer bezahlt das?

Zumal er das Projekt zunächst einmal (man höre und staune!) unter deutscher Federführung aufziehen möchte. Wenn es um Länder geht, die ambitionierte Raumfahrtprojekte angehen und umsetzen – und dann auch noch für Amateure und Schulen (also Bildung!) – fiele mir Deutschland ziemlich spät ein. Auf öffentliche Gelder zähle er auch gar nicht, antwortete Wilkens. Er baue eher auf private Sponsoren aus der Raumfahrt und Privatwirtschaft.

Kleine, preiswerte Satelliten sind nichts neues – Funkamateure verwenden sie und Studenten lernen mit ihnen. Das Cubesat-Projekt ist ein Beispiel, darunter der an der FH Aachen gebaute Compass-Satellit. Das Bild zeigt drei Cubesats nach dem Aussetzen von der ISS. Warum sollte es also nicht auch ein kleines Weltraumteleskop für Amateure geben? Bild: NASA.

1000 Euro pro Stunde

Gesetzt, das Teil wird gebaut und die obige Rechnung kommt ungefähr hin. Eine Beobachtungsstunde würde dem interessierten Hobbysterngucker dann immer noch um die 1000 Euro kosten. Klar, dass für so eine Summe nicht gerade ein Weltraumbild des Orionnebels geschossen werden soll – das wäre auch nicht Sinn der Sache. Eher richtet sich das Ganze wohl an ziemlich ambitionierte “Amateure” – hier mit ziemlich dicken Anführungszeichen. Und wenn man das Geld nicht selbst aufbringen kann, könne man sich ein Beobachtungsprojekt ja von einem Sponsor finanzieren lassen.

Immerhin hat sich Wilkes, so sagte er in Bochum, schon der Unterstützung zahlreicher Personen und Institutionen versichert, darunter die der ESA, des DLR, zweier Universitäten, einiger Unternehmen und nicht zuletzt auch vom ESA-Astronauten Gerhard Thiele. Würde es gelingen, etwa eine Raumfahrtagentur für eine detaillierte Machbarkeitsstudie zu bewegen (die immerhin mit einigen hunderttausend Euro zu Buche schlagen würde), wäre das ein gutes Zeichen.

Keine brandneue Idee

Ist das alles nun realistisch oder Träumerei? Schwer zu sagen. Daniel Fischer wies darauf hin, dass wenigstens zwei ähnliche Projekte bereits gescheitert sind, auch in den raumfahrtaffineren USA. “Die Zielgruppe war zu klein”, meinte Wilkens dazu – und man könne eben nun aus den gemachten Fehlern lernen. Bei mir blieben dennoch so meine Zweifel, vor allem ob das mit den “privaten Sponsoren” funktioniert. Zwar lässt sich mit spektakulären Einzelevents ein zumindest kurzfristiger Werbeeffekt erreichen, zumindest, wenn die Medien die kostenlose Werbung mitmachen. Das war beim österreichischen Brausehersteller und seinem vom Himmel fallenden Landsmann der Fall. Aber bei einem Weltraumteleskop für Weltraumnerds?

Wenn es überhaupt gelingen kann, dann nur mit verlässlichen Partnern aus Raumfahrt und Wissenschaft. Zu wünschen wäre es jedenfalls. Über eines sollten sich potentielle Weltraumamateurastronomen aber klar sein: Ein Teleskop für “jedermann” wird das Mini-Hubble eher nicht. Das verhindern schon die Kosten. Eher wird es so etwas wie die “IAS im All”. Die Internationale Amateursternwarte in Namibia (in diesem Bild so etwas wie der “Paranal für Hobbyastros”) steht schließlich auch nur finanzkräftigeren Sternguckern zur Verfügung, und ist für den Rest fast so unerreichbar wie eben jener Berg in Chile. 

Aber das ist natürlich kein Grund, dagegen zu sein. 

Hier geht es zur Projekt-Website.

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Mit dem Astronomievirus infiziert wurde ich Mitte der achtziger Jahre, als ich als 8-Jähriger die Illustrationen der Planeten auf den ersten Seiten eines Weltatlas stundenlang betrachtete. Spätestens 1986, als ich den Kometen Halley im Teleskop der Sternwarte Aachen sah (nicht mehr als ein diffuses Fleckchen, aber immerhin) war es um mich geschehen. Es folgte der klassische Weg eines Amateurastronomen: immer größere Teleskope, Experimente in der Astrofotografie (zuerst analog, dann digital) und später Reisen in alle Welt zu Sonnenfinsternissen, Meteorschauern oder Kometen. Visuelle Beobachtung, Fotografie, Videoastronomie oder Teleskopselbstbau – das sind Themen die mich beschäftigten und weiter beschäftigen. Aber auch die Vermittlung von astronomischen Inhalten macht mir großen Spaß. Nach meinem Abitur nahm ich ein Physikstudium auf, das ich mit einer Diplomarbeit über ein Weltraumexperiment zur Messung der kosmischen Strahlung abschloss. Trotz aller Theorie und Technik ist es nach wie vor das Erlebnis einer perfekten Nacht unter dem Sternenhimmel, das für mich die Faszination an der Astronomie ausmacht. Die Abgeschiedenheit in der Natur, die Geräusche und Gerüche, die Kälte, die durch Nichts vergleichbare Schönheit des Kosmos, dessen Teil wir sind – eigentlich braucht man für das alles kein Teleskop und keine Kamera. Eines meiner ersten Bücher war „Die Sterne“ von Heinz Haber. Das erste Kapitel hieß „Lichter am Himmel“ – daher angelehnt ist der Name meines Blogs. Hier möchte ich erzählen, was mich astronomisch umtreibt, eigene Projekte und Reisen vorstellen, über Themen schreiben, die ich wichtig finde. Die „Himmelslichter“ sind aber nicht immer extraterrestrischen Ursprungs, auch in unserer Erdatmosphäre entstehen interessante Phänomene. Mein Blog beschäftigt sich auch mit ihnen – eben mit „allem, was am Himmel passiert“. jan [punkt] hattenbach [ät] gmx [Punkt] de Alle eigenen Texte und Bilder, die in diesem Blog veröffentlicht werden, unterliegen der CreativeCommons-Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.

23 Kommentare

  1. Adaptive Optik

    Ich bin nicht mehr auf dem Laufenden was den Stand der Technik in der Astronomie angeht, aber die ESA hat hat doch wenn ich micht recht entsinne vor kurzem die Gelder für ein 30m terrestrisches Teleskop mit adaptiver Optik im optischen und Infrarotbereich bewilligt?

    Der ganze optische Bereich wird von AO glaub ich noch nicht abgedeckt, aber wäre es nicht sinnvoller hier zu warten 5-10 Jahre als wesentlich teurere Weltraumteleskope zu bauen.

    An sich gefällt mir die Idee den Hobbyastronomen mehr Teleskopzeit an den teuren Teleskopen zu geben, wird die Arbeitskraft der Hobbyastronomen und interessierten ja auch in Citizen Science Projekten wie Galaxy Zoo genutzt. Gucken und Gucken lassen 🙂

  2. Planetary resources, CheopsIm

    Im genannten Preisbereich von 50 bis 100 Millionen Euro sind in näher Zukunft auch ernsthafte Projekte geplant. Cheops ( CHaracterising ExOPlanets Satellite soll für 50 Millionen Euro extrasolare Planeten, die bereits von Kepler gefunden wurden, spektroskopisch untersuchen. Die Billigteleskope von Planetary Resources, Arkyd 100, 200 und 300 sollen Asteriden ins Visier nehmen.
    Hinter Cheops steht eine Forschungsgruppe und Planetary resources ist eine kürzlich gegründete Space Exploration Firma, hinter der milliardenschwere Unternehmer wie die Google-Gründer stehen.
    Dass Amateure allein schon 50 Millionen Dollar für Planung, das heißt Einarbeitung in die Aufgabe, ausgeben wollen, zeigt dass der Weltraum wohl ein zu teurer Lehrplatz ist.

  3. @Michael Ruttor

    Sie spielen denke ich auf das E-ELT der ESO an, mit seinem 39m-Spiegel und adaptiver Optik. Das ist natürlich eine ganz andere Kategorie, und kann mit diesem Projekt hier nicht verglichen werden. Beim Weltraumteleskop für Amateure geht es eben genau um das: ein Weltraumteleskop für Amateure.

    Dass die adaptive Optik einen wichtigen Nachteil erdgebundener Teleskope ausgeglichen hat, stimmt. Dennoch haben Weltraumteleskope weiter ihre Berechtigung, denn sie können auch in Wellenlängenbereichen beobachten, die für erdgebundene Teleskope per se unzugänglich sind.

    Was die Kosten betrifft wäre das “Amateurteleskop” absolut preiswert – im Vergleich zu den Weltraumprojekten der Profis. Aben eben nicht für Amateure. Statt 1k€ für eine Stunde Beobachtungszeit im All auszugeben, würde ich mein Geld lieber in viele, viele Beobachtungsnächte unterm Sternhimmel mit meinem bescheidenen erdgebundenen Equipment investieren…

  4. Warum so teuer?

    Die europäische Weltraumbehörde ESA sollte nicht mit der europäischen Südsternwarte ESO verwechselt werden. Der Fehler unterläuft allerdings auch vielen Journalisten. Nach jeder Ankündigung der ESO ruft regelmäßig die Art von Journalist, die zu faul ist, um ein bisschen Recherche zu betreiben und sich lieber irgendwo ein paar O-Töne abholt (d.h., die Mehrheit) sogleich bei der nächstgelegenen ESA-Niederlassung an.

    Was das “Geschäftsmodell” des vorgeschlagenen Weltraumteleskops für Amateure angeht, da teile ich Jans Bedenken. Wer sollen denn die betuchten Amateurastronomen sein, die für eine Stunde Beobachtungszeit mal eben so 1000 Ocken locker machen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Projekt so auf seine Kosten kommt. Dann müßten schon institutionelle Anwender in die Bresche springen, die aber beantragen lieber Beobachtungszeit bei einem terrestrischen oder weltraumgestützten Observatorium.

    So viel zur Ertragsseite.

    Nun muss ich aber auch sagen, dass ich nicht nachvollziehen kann, wieso denn bei einem Projekt, das absichtlich klein gehalten wird (800 mm Apertur, 300 kg Systemmasse), Missionskosten von mindestens 80 Millionen anfallen sollen. Erfahrungsgemäß werden es eher mehr, und wenn der Vorschlagende selbst eine Obergrenze von 130 Millionen nennt, dann ist wahrscheinlich – das zeigt die Erfahrung – diese näher an der Realität.

    Ob nun 80 oder 130, die erste Frage ist: Warum auch nur annähernd so viel? Mit solchen Zahlen stößt man doch schon in den bereich wesentlich ambitionierter Kleinmissionen wie COROT vor. Es ist vollkommen unrealistisch, als Amateure mit so etwas konkurrieren zu wollen.

    Satelliten von Vereinen oder Universitäten, und zwar beleibe nicht nur Cure-, Mini-, Micro-, Nano- und Picosats und wie sie alle heissen, werden schon seit langem genaut und gestartet. Zwar haben die meisten von denen kein Volumen von einem Kubikmeter und keine Masse von 300 kg, aber manche eben schon, und auf solche Missionskosten kommen die trotzdem nicht.

    Mit 300 kg Startmasse könnte sich der Satellit noch für einen Start als Ariane 5 Auxiliary Payload qualifizieren. Die Starts gehen allerdings fast ausschließlich ins GTO. Das ist zwar a-priori kein Ausschlußkriterium für ein kleines Teleskop, aber das zweimalige Durchqueren der Van-Allen-Gürtel auf jedem Bahnumlauf wird sicherlich die Auslegung aller elektronische Komponenten weder einfacher noch billiger machen.

    Besser ist ein niedriges Orbit. Mit 300 kg ist die Kapazität vieler Startsysteme ins LEO noch lange nicht ausgereizt. Da bietet sich ein gemeinsamer Start mit anderen kleinen Nuzlasten, beispielsweise auf einer Dnjepr-Rakete.

    So viel zum Start, dessen Kosten sich irgendwo zwischen null und wenigen Millionen Euros einpendeln sollten.

    Zum Satelliten: Da braucht man 1.) einen Bus (den Satelliten ohne Nutzlast) und 2.) eine Nutzlast.

    Zum Bus sollte man zusehen, dass man auf möglichst viele Reservekomponenten bereits geflogener Missionen zurückgreifen kann. Ansatzpunkt ist die Vorgehensweise bei den von Studenten gebauten Missionen des SSETI-Programms

    Zur Nutzlast sollte man sehen, ob nicht ein kommerzielles teleskop einfach aufgerüstet werden kann, sodass es weltraumtauglich wird. Natürlich kann man nicht erwarten, dass die “Weltraumqualifikation” den Ansprüchen von Raumfahrtagenturen entspricht. Aber das muss sie auch gar nicht.

    Zum Betrieb: Da scheint mir bei deren Kalkulation von 30 Millionen über 5 Jahre noch erheblich Sparpotenzial zu stecken. Es werden sich doch sicher noch diverse S-Band-Antennen an irgendwelchen Forschungsinstituten oder Universitäten rekrutieren lassen. Und ob man wirklich fünf fest angestellte Betreiber braucht, sollte man sich genau anschauen. Ich stelle mir da eher einen Betrieb analog dessen der AMSATs vor.

    Ich kann mir kaum vorstellen, dass über Sponsoren 80-130 Millionen zusammenkommen. Aber ich kann mir sehr wohl vorstellen, dass Firmen Hardware kostenlos zur Verfügung stellen, wenn hinterher ihr Name auf dem Projekt steht. Den Tubus, den Hauptspiegel, irgendwelche Reservekomponenten für Kleinsatelliten, das ist für eine Firma eine überschaubare Investition.

    Fazit: Ich glaube, es könnte gehen, aber nicht ganz so, wie Jan die Vorstellungen des Herrn Wilkens beschreibt. Ich würde vorschlagen, dass die Macher dieses Projekts sich schleunigst Know-How in Form von aktiven oder pensionierten Raumfahrtingenieren an Bord holen, von denen viele in der Amateurastronomieszene aktiv sind. Nicht nur deren Wissen, auch deren Verbindungen dürften sich als ausgespochen nützlich erweisen.

  5. Nachtrag: Die Proteus-Plattform

    Wenn ich mir anschaue, was ich hier mittlerweile in Form von Kommentaren geschrieben habe, dann hätte ich daraus lieber einen eigenen Blog-Artikel gemacht. Aber egal, jetzt ist es eh schon passiert ….

    Noch ein Nachtrag zum bereits in meinem Vorkommentar erwähnten “Bus”. Die Astero-Seismologie-Mission Corot setzt auf dem bewährten Proteus-Bus auf, der explizit zu dem Zweck entwickelt wurde, den Erstellungszyklus von Kleinmissionen dramatisch zu verkürzen. In Kürze: Proteus stellt alles, bis auf die Hardware, und der Anwender muss nur noch die Hardware dazu bereitstellen und sie integrieren, anhand definierter Interfaces und Richtlinien. Mehr dazu hier und hier.

    Die Proteus-Plattform ist allerdings selbst schon etwas zu groß für die anvisierten Eckdaten des gegebenen Projekts, allerdings ist sie nicht zu groß für den gesteckten Kostenrahmen. Das ist ein indiz dafür dass Masse udn Abmessungen nicht zu den genannten Missionskosten, bzw. umgekehrt.

    Eine ganze Konfektionsgröße darunter gibt es den Standardbus “Myriades” für Mikrosatelliten, siehe hier.

    Der ist nun vielleicht wieder zu klein – vielleicht aber auch nicht, das müsste man genauer eruieren. Beide Plattformen sind aus Frankreich.

    In Deutschland kenne ich den Standard-Mikrosatellitenbus TET von Kayser-Threde. Wahrscheinlich gibt es auch bei OHB noch etwas, ebenso wie bei der britischen SSTL.

    Wenn man den Bus von der Stange kauft, bietet das eine gewisse Sicherheit bezüglich der Planung und der technischen Eigenschaften, wie auch bezüglich der Zuverlässigkeit. Allerdings lassen sich die Kosten dann nicht so leicht unter eine gewisse Grenze drücken, die möglicherweise nicht kompatibel mit dem realistischerweise voraussetzbaren Finanzrahmen eines solchen Vorhabens ist. Auch die Möglichkeit der Eigenintegration billig erworbener Einzelkomponenten sollte man nicht außer Acht lassen.

  6. Na, das sind doch schon eine ganze Menge guter Ansätze und Vorschläge! Stimmt – sicher genug Material für einen eigenen Blogeintrag. Mir scheints, als wäre so ein Projekt mit der richtigen Vorgehensweise also gar nicht so abwegig – und vor allem deutlich billiger möglich!?

  7. @Jan

    Nein, es ist nur dann möglich, wenn es deutlich billiger gemacht wird als die von dir genannten Zahlen. Sonst bleibt es halt bei der Idee, aber sie wird nie in die Tat umgesetzt.

    Man sollte als Beispiel die AMSAT-Satelliten nehmen. Die setzen auf der großen weltweiten Amateurfunker-Community auf. Die Amateurastronomen-Community ist aber auch groß.

    Ebenso, wie es bei den Amateurfunkern viele Synergien gibt, weil auch Profis in ihrer Freizeit als Amateurfunkern tätig sind, gibt es Synergien in der Amateurastronomenszene.

    Um es Neudeutsch zu formulaten: Diese Synergies gilt es clever zu leveragen.

    Und weiter im Klartext: Aber nicht zu Missionskosten, die am Ende das Produkt zu teuer für die eigene Community werden lassen, sondern am besten bereits vorfinanziert durch Geld- und Sachspenden von Mitgliedern und Sponsoren, aufgebaut mit der Arbeit von Freiwilligen und Studenten.

    Ich stimme zwar zu, dass die Nutzung später nicht ganz kostenlos sein sollte. das aber eher deswegen, weil man schon aufpassen muss, dass vorgeschlagene Beobachtungskampagnen schon Hand und Fuß haben.

    Die Gebühren sollten niedrig genug sein, um nicht wirklich Interessierte abzuschrecken, aber schon hoch genug, um eine gewisse Hürde für weniger seriöse Vorschl&aum;ge darzustellen. Zudem sollte jeder Beobachtungsantrag über ein standardisiertes Fomular online eingebbar sein, damit so schon eine gewisse Klassifizierung, zeitliche Einordnung und auch Filterung möglich ist. Andernfalls wäre im operationellen betrieb ein Experte nur mit der Sichtung der Vorschläge und der Trennung der Spreu vom Weizen beschäftigt.

    Aben 1000 Euronen pro Stunde halte ich für deutlich zu hoch. 50 sind eher angemessen, wobei Rabatte für besondere Fälle angedacht werden sollten. Duie Entscheidung obliegt natürlich nicht mir und ich maße sie mir auch nicht an – aber es ist etwas, was ich machen würde, wenn ich das Projekt handeln würde, also eine Privatmeinung.

  8. @Jan

    Keine Ahnung, ob das dasselbe System ist, aber wenn jetzt Astrium dahinter steckt, dann würde ich erwarten, dass dei zumindest das (überschaubare) unternehmerische Risiko selbst auf sich nehmen, das mit dem Bau und Betrieb eines solchen Kleinsatelliten einhergeht.

    Zum Text von Manfred Holl kann ich nur sagen, dass ich den Einschätzungen zur Finanzierbarkeit und zu den Gebührenstrukturen zustimme.

    Es ist immer ein Problem, wenn man Zahlen in die Welt setzt. Diese Zahlen nehmen ein Eigenleben an und man kriegt sie am Ende immer wieder zu hören, auch wenn sie schon lägst überholt sind. Deswegen sollte man immer sehr genau prüfen, ob die genannten Zahlen auch wirklich zutreffen.

    Bei den 80-130 Millionen für die Kosten möchte ich ebenso bezweifeln wie bei den genannten Daten zu Dimension und Masse des Satelliten, dass diese Zahlen auf einem soliden Fundament stehen und miteinander konsistent sind.

    Das Problem ist aber, dass jetzt jeder nur darüber redet: “Waaa, 1000 Euro pro Stunde!” “Huuu, 130 Millionen Gesamtkosten.” und nicht über das Konzept an sich.

    Dabei sollte doch erst einmal eine Erfassung der Bedürfnisse und Erwartungen potenzieller Nutzer erfolgen. Dann überlegt man sich, was man mitdem Ding anfängt. Und danach überlegt man sich die Realisierung. Nicht andersherum.

    Ich könnte mir auf Anhieb mehrere Anwendungsfälle denken:

    1.) Wide-Field-Aufnahmen aller Art
    2.) Beobachtungen besonderer Ereignisse wie Supernovae (mit kurzen Reaktionszeiten)
    3.) Beobachtungen und optische Kartierung von Weltraumschrott im geostationären Ring (gegen Kohle von Weltraumagenturen)
    4.) Suche, Entdeckung und Bahnvermessung von Asteroiden, vor allem erdbahnkreuzender Asteroiden (gegen finanzielle Beteiligung von Institutionen, vielleicht auch mit Einbindung in ein weltweites Netz wie Spaceguard)
    5.) Beobachtung von Kometen

  9. Warum es nur so teuer geht

    Wie ich ja geschrieben hatte, sind schon allerlei Weltraumfirmen und -organisationen beratend ‘an Bord’ und insbesondere auch mehrere Astro-Optikspezialisten – mir scheint zumindest die technische Seite weiter durchdacht als bei den gescheiterten früheren Plänen dieser Art.

    Was den erhofften Satelliten wohl v.a. so teuer macht (Wilkens schrieb zwar 80-130 M€ hin, nannte aber auch 50 M€ als denkbar), ist die enorme Anforderung an die extrem präzise und stabile räumliche Ausrichtung eines hoch vergrößernden optischen Teleskops im Orbit: Maßgeblich an deren Kosten soll ja letztens erst der AsteroidFinder des DLR eingegangen sein, den man eben nicht als Billigsatellit hin bekommen hat.

    Das Überraschendste an Wilkens’ Vortrag war m.E., dass er die ‘Business’-Seite für vergleichsweise einfach zu halten scheint und sich weit mehr um den Rückhalt in den diversen angepeilten Communities sorgt. Mal sehen, mit wieviel Details aus den Vorstudien man noch aufzuwarten gedenkt, um glaubwürdig(er) aufzutreten …

  10. Aber natürlich geht das billiger

    Als Wissenschaftler hat man es leicht – das habe ich in mehr al 25 Jahren im Geschäft gelernt. Da muss man einfach immer nur fordern, und fordern, und fordern, und wenn man nicht kriegt, was man will, dann stampft man mit dem Fuß auf und läuft puterrot an. Ein männlicher Wissenschaftler wird wahrscheinlich anfangen, herumzubrüllen, eine Wissenschaftlerin dazu auch noch Tränen vergießen. Alles schon erlebt.

    Als Ingenieur ist das schwieriger, da muss man sich nur unbewegten Gesichts die ganze Theatralik uber sich ergehen lassen, sondern man hat auch noch eine wirkliche Arbeit zu tun. Man hat nämlich ein System zu realisieren und muss tatsächlich auch Sachen wie Randbedingungen und Einschränkungen (requirements and constraints) berücksichtigen und Zeitpläne aufstellen und einhalten. Das spielt sich alles in der Realität ab, und wenn es das nicht tut, dann geht es in die Hose.

    Wenn man ein technisches Projekt durchführt, dann identifiziert man zunächst einmal die Nutzer. Man teilt sie in Gruppen ein und schreibt deren jeweilige Anforderungen auf, zusammen mit Gewichtungen (nicht alles, was ein User will, wiegt gleich schwer).

    Dann kann man technische Lösungen umreißen. Dabei gibt es wahrscheinlich schon einmal mehr als einen technischen Ansatz. Die unterschiedlichen Ansätze werden sich in Masse, Abmessungen, Komplexität, Kosten, Realisierungsdauer und Risiko unterscheiden und sie werden auch den Anforderungen und sehr unterschiedlichem Umfang gerecht – die billige und schnelle Lösung meist weniger, die teure und komplexe Lösung mehr.

    An der Stelle steht man am Scheideweg und kann (oder muss) schon eine Auswahl treffen:

    Will man sich auf die Minimallösung
    beschränken, dann verliert man meist eine Gruppe von Usern, nämlich die mit den High-End-Anforderungen. Das muss allerdings nicht unbedingt ein Problem sein, wenn die Nutzerbasis mit den Low-End-Anforderungen immer noch breit genug ist, um den dann deutlich geringeren Einstandspreis zu rechtfertigen.

    Wenn man den High-End-Anforderungen gerecht werden will, dann steht man sehr schnell vor der Situation, dass 2% der Nutzer 98% der Anforderungen definieren, und dass diese 98% der Anforderungen genau diejenigen sind, die das System schwierig und teuer machen. Die breite Mehrheit der Nutzer wird von diesem System nur einen Bruchteil nutzen, wird aber trotzdem für das Gesamtsystem mit seiner anspruchsvollen Funktionalität zur Kasse gebeten.

    Das heißt in etwa – nur gelinde übetrieben – ein Ferrari zu Ferrari-Preis und Ferrari-Betriebskosten Kosten und mit Ferrari-Leistungen für eine Nutzerschaft, von der die Mehrheit ein Auto braucht, um die Kinder in den Kindergarten zu bringen und auf dem Rückweg Pampers und Mineralwasserkästen einzukaufen.

    Ich kenne den gegebenen Fall nicht gut genug, um kategorisch behaupten zu können, wenn ich aber den Anforderungskatalog auf den Slides anschaue, die Daniel Fischer abfotografiert und hier gepostet hat, dann sieht es mir eher danach aus, als säßen bei der Anforderungsdefinition die High-End-User aus den Kreisen der Wissenschaft fest im Fahrersitz.

    Das schlägt sich in den Anwendungszwecken nieder, und dann natürlich auch in den technischen Anforderungen. Wenn die Ausrichtungsgenauigkeit, die Auflösung, der Rauschabstand und der Frequenzbereich des CCD in den Bereich gehen, der von den professionellen orbitalen Teleskopen erreicht wird, dann sind die Kosten natürlich auch in diesem Bereich – wie sollte es anders sein?

    Dann sollte man ehrlicherweise aber auch das Ganze nicht mehr als ein Amateur-Weltraumteleskop vorwiegend für User aus dem Amateurbereich präsentieren. Das hier sieht mir so aus, als wäre da ein Konzept von einigen High-End-Usern einfach gehijackt worden.

    “Das geht nicht billiger” .. dem widerspreche ich energisch. So geht es vielleicht nicht billiger. Aber so muss man ein solches Projekt auch nicht unbedingt angehen. Wenn die Macher es trotzdem durchziehen können, umso besser – ich wünsche ihnen viel Erfolg.

  11. Am Ende billiger?

    “Was den erhofften Satelliten wohl v.a. so teuer macht (Wilkens schrieb zwar 80-130 M€ hin, nannte aber auch 50 M€ als denkbar), ist die enorme Anforderung an die extrem präzise und stabile räumliche Ausrichtung eines hoch vergrößernden optischen Teleskops im Orbit”

    Soweit ich mich erinnere, sagte Wilkens, dass er glaube mit 50 Millionen käme man hin, aber man müsse ja seriös kalkulieren und deswegen eine höhere Summe ansetzen.

    Läuft das nicht sonst eher andersrum? Also erst zu wenig kalkulieren, und dann, wenn ein Großteil des Projekts schon finanziert ist wird es teurer und teurer? Wäre das etwa das erste Großprojekt das am Ende *billiger* wird?

  12. @Jan

    Das läuft wohl meistens eher etwas anders, auch wenn die Öffentlichkeit, wobei die Presse sich keine besondere Mühe gibt, den Eindruck gerade zu rücken, immer eine simplistische Sicht favorisiert.

    Eigentlich alles kostet, was es kostet, und daran ist wenig zu ändern. Wer vom fach ist, weiß auch, was es kosten muss.

    Es ist klar, was ein neuer Flughafen oder ein Bahnhof kostet oder ein Mautsystem oder auch, was ein Projekt wie das JWST kosten muss. Dass letzteres nicht 1.6 Milliarden Dollar kosten kann, wie der ursprüngliche Plan vorsah, ist offensichtlich.

    Dass auf politischen Druck hin zunächst unrealistische Vorgaben für die Kosten und die Realisierungsdauer gemacht werden, ist offenbar gang und gäbe. Das führt dazu, dass das Projekt nicht nur so viel kostet und so lange dauert wie es ohnehin unvermeidlich kosten und dauern muss, sondern dass noch Zusatzkosten und Zusatzverzögerungen hinzukommen, durch den vergeblichen Versuch die unrealistischen Ausgangsvorgaben zu erfüllen. Ich kann von solchen Fállen ein Liedchen singen, tue es aber wohlweislich nicht.

    Ob ein Projekt mal weniger kostet als vorgesehen, weiß ich nicht. Allzu oft hört man so etwas nicht. Das betrifft aber, wie die Ausbauarbeiten an meinem Haus zeigen , beileibe nicht nur Großprojekte. Großprojekte können dagegen aber sehr wohl on-budget und on-time sein, wie das Apollo-Programm zeigt.

    Voraussetzung ist, dass von vorneherein die am Ende nun einmal erforderlichen Mittel von vorneherein bereitgestellt werden und nicht wieder einmal der Versuchung erlegen wird, einfach zu verlangen, es dürfe nicht so viel kosten. Warum das nicht endlich mal auf politischer Ebene kapiert wird, ist mir nicht einsichtig.

  13. Der sinnloseste Satellit aller Zeiten

    Vielleicht kann sich Herr Khan – als eiskalter Ingenieur im Kontrast zu uns tobenden und weinenden Astronomen, köstlich … – ja mit diesem ‘Projekt’ hier anfreunden, das auch primär der reinen Vergnügung der Öffentlichkeit (und natürlich der Werbung für eine britische Firma) dient und sicher keine 80 M€ gekostet hat. Aber an schierer Sinnlosigkeit m.E. alles in den Schatten stellt, was uns die vergangenen 55 Jahre Raumfahrt gebracht haben …

    Bzgl. des “Amateur-Hubble” warte ich immer noch auf die Erkenntnis, was ein System zur stabilen räumlichen Ausrichtung denn kosten muss, die es einem 80-cm-Teleskop erlauben würde, konstant 0.15″ scharfe Bilder zu liefern. In der erdgebundenen Astronomie gibt es m.W. eine Weiterentwicklung der CCD, wo während der Belichtung bei Bildzittern die Ladungen in benachbarte ‘Eimer’ umgelagert werden, so dass weiter integriert werden kann, aber das dürfte eine ausgefuchste Lageregelung kaum ersetzen.

    Und schließlich: An der ganzen Diskussion hier – eher eine einseitige Verdammung der Initiative – werden Raumfahrthistoriker sicher eines Tages ihre Freude haben und sagen können: “typisch deutsch, erstmal alles niedermachen”. Natürlich ohne die Fakten zu kennen, von denen ja erst ein paar Häppchen bekannt sind (Disclaimer: mir auch kaum mehr als was ich in Bochum hörte). In einem persönlichen Gespräch hatte mir Wilkens noch gesagt, es wurme ihn, dass die nennenswerten Beiträge Deutschlands zur L&R alle in (ferner) Vergangenheit lägen; er ging sogar bis Lilienthal zurück. Soll wohl so bleiben …

  14. “typisch deutsche Verdammung”

    Muss das Fehlen von kritiklosem Jubel sofort identisch mit “einseitige Verdammung”, “niedermachen” “typisch deutsch” sein? Denke nicht.

    Naja, wenn sich Raumfahrthistoriker in einer fernen Zukunft noch an mein kleines Blog erinnern wird’s mich auch freuen!

  15. “[D]as Fehlen von kritiklosem Jubel” …

    … ist nicht der Punkt, sondern dass ein Großteil der Negativität hier schlicht auf mangelndem Wissen über das basiert, was die geheimnisvolle Arbeitsgruppe – mit offenbar einigen Kontakten zu Raumfahrt-Veteranen – bereits zusammen getragen hat. Wilkens’ Vortrag war der allererste öffentliche Auftritt des Projekts: Selbst die rudimentäre Webseite wurde eigens für die BoHeTa eingerichtet, um überhaupt schon was zum Vorzeigen zu haben.

    Besonders daneben ist etwa die Spekulation, da “wäre da ein Konzept von einigen High-End-Usern einfach gehijackt worden”: Man geht ja gerade erst auf die potenziellen User – uns inklusive! – zu, um deren Wünsche zu ergründen. Und gerade die Breite der potenziellen Usergemeinde – weit über Amateur- und Profi-Astronomen hinaus – soll ja die Sache möglich machen. So, nd jetzt beruhigen wir uns alle wieder und warten auf die detaillierteren Artikel, die demnächst bei großen deutschen Astro-Zeitschriften eingehen sollen.

    Ach, eins doch noch: Wilkens meinte, dass Beobachtungszeit bei einem großen kommerziellen Remote-Teleskop auf der Erde schließlich auch einige hundert Euro die Stunde kosten würde (genau wie bei dem ‘Amateur-Hubble’ also, wo Sponsoren ja mindestens die Hälfte der €1000/h tragen sollen) – stimmt das eigentlich? Ich klinke mich da immer nur ein, wenn gerade Gratis-Sessions angeboten werden … 🙂

  16. Konstruktive Kritik oder Gemecker?

    Owei, was habe ich mir denn da für eine bitterböse Retourkutsche eingefangen. 🙂 Ich bin schwer getroffen. Wirklich. Aber die Spekulation darüber, was mir gefallen könnte, ist natürlich sehr schmeichelhaft.

    Um den ersten Punkt gleich ein für alle Mal abschließend aus dem Weg zu räumen: Wenn die die Wissenschaftlerriege entschlösse, sich von nun an wie erwachsene Menschen zu benehmen, wäre niemand darüber froher als ich.

    Und nun zu meiner negativen, uninformierten Spekulation und ungerechtfertigten Niedermache.

    Fangen wir beim Punkt an, bei dem ich besonders daneben liegen soll. Also gut. Da wird mal eben so eine Ausrichtgenauigkeit von 0.15 Bogensekunden gefordert. Das sind vier Hunderttausendstel Grad. Der Proteus-Bus, zu dem ich hier im Verlauf der Diskussion zwei Links gepostet habe (hat bestimmt wieder keiner gelesen), garantiert eine Ausrichtgenauigkeit von 0.02 bis 0.05 Grad.

    Selbst die Asteroseismologie-Mission Corot, die auf dem Proteus-Bus aufsetzt, erreicht nur eine “pointing accuracy” von 0.5 Bogensekunden, also immer noch mehr als das Dreifache der reichlich sportlich anmutenden Forderung für das vorgeschlagenen “Amateurastronomen-Weltraumteleskop”.

    Diese weit über die eigentliche Kapazität des Bus hinausgehende Genauigkeit erreichte man bei Corot dadurch, dass man das Instrument selbst in die Lageregelung einbezog (nachzulesen z.B. hier). Sowas kostet aber natürlich. Immer, wenn man Hardware von der Stange nicht im Werkszustand benutzen kann, sondern anfangen muss, irgendwelche Änderungen vorzunehmen, wie hier die Einbeziehung der Nutzlast in die Regelschleife der Lagekontrolle, dann kostet das gleich ordentlich mehr.

    Ich bitte darum, es diesem eiskalten Ingenieur mal zu glauben: die alte Faustregel “If it works, don’t …. with it!” gilt im Satellitenbau ganz genau so wie in jedem anderen Bereich der Technik. Wenn man eine Komponente oder sogar ein ganzes Subsystem von der Stange kaufen kann und das Ziel der Kosteneinsparung irgendeinen Stellenwert hat, dann wird man jedwede Änderung, die zu Requalifikation und damit endlosen Tests führt, meiden wie der Teufel das Weihwasser. Ist einfach so.

    Wer also wissen will, was denn ein System kostet, dass nochmals dreimal genauer ausrichten kann als Corot, der soll erst einmal sagen, auf welcher Basis selbiges System aufgebaut sein soll. Ein existierender Bus? Wenn ja, welcher? Wenn es Proteus ist (wie schon beschrieben, kommt man dann aber mit 300 kg Startmasse nicht hin), dann können die Missionskosten eigentlich nicht weit unter denen von Corot liegen. Warum sollten sie? Das wären dann 170 Millionen Kröten.

    Also, tut mir leid, ich sehe keinen Anlass, von meiner Schlussfolgerung Abstand zu nehmen: Es sieht nun mal ganz so aus, dass High-End-User das Konzept gehijackt haben. Wenn jemand angesichts des Anforderungskatalogs meint, das sei nicht so, dann möge er es begründen, aber bitte belastbarer als “Diese Aussage passt mir nicht”.

    Hoffentlich weiß derjenige dann auch mehr zum Bodensegment und kann sagen, mit welchen Bodenstationen in welchen Abständen das angesichts des 16 Megapixel-Sensors sicher auch nach Kompression nicht gerade unerhebliche Datenvolumen heruntergeladen werden soll.

    Wenn es wirklich so ist, dass jetzt erst die “User Requirements” erhoben werden, dann ist es um so verwunderlicher, wenn jetzt schon so knackige und nicht unbedingt problemlose Randbedingungen und vor allem auch schon ein konkreter Kostenrahmen in den Raum gestellt werden. Ich kenne das irgendwie anders. Da haben alle Beteiligten mir offenbar eine Menge Erfahrung voraus. Kann ja durchaus sein.

    OK, Schluss jetzt mit dem Sarkasmus.

    Klartext: Vielleicht treffen ja die Eckdaten nicht zu, auf die unter anderem auch die von Daniel Fischer abfotografierten Slides hinzuweisen scheinen. Treffen sie aber zu, dann handelt es sich hier um eine typische kleinere Wissenschaftsmission der Corot-Klasse, wie sie Raumfahrtagenturen realisieren. Das ist ja auch in Ordnung und durchaus konsistent mit einem Großteil der Anwendungszwecke für die wissenschaftlichen Nutzer, die in einek der Slides genannt werden.

    Bestimmt lässt sich eine solche Mission technisch realisieren. Warum denn nicht? (Ob eine von einem Außenstehenden vorgeschlagene Idee, und mag sie noch so gut sein, es tatsächlich in die Endrunde der Auswahlverfahren von Missionen schafft, ist eine andere Frage, da habe ich so meine Zweifel…) Aber bitte, Leute. Mit einem von der Amateurastronomencommunity getragenen
    Space Telescope für jedermann hat das doch nichts mehr zu tun. Mal im Ernst jetzt.

    Generell: Jeder hat seine eigenen Vorlieben, was Kommentare und Einschätzungen angeht. Mir ist konstruktive Kritik, eine die aufzeigt, wie man es machen könnte und Daten und Quellen nennt, die weiter helfen, allemal lieber, als ein unkritisches “Ja, das ist ganz toll und jeder, der das anders sieht, ist ein typisch deutscher Meckerfritze”.

    Auf das Angepflaumt-Werden kann ich gut verzichten. Wer meine Kommentare oder zumindest die enthaltenen Links ignoriert, sollte sich dann aber nicht beschweren, dass ihm Informationen fehlen. An mir liegt’s nicht.

  17. Hallo?

    “Ob eine von einem Außenstehenden vorgeschlagene Idee, und mag sie noch so gut sein, es tatsächlich in die Endrunde der Auswahlverfahren von Missionen schafft, ist eine andere Frage” für Herrn Khan – der sich offenbar gar nicht vorstellen kann, dass es auch in Europa einmal Weltraumforschung außerhalb der etablierten Agenturen und ihrer öffentlichen Finanzierung geben könnte (wie sie in den USA zumindest in Ansätzen schon erkennbar – und bodengebunden bereits eine über 100-jährige Tradition – ist) und diesen entscheidenden Punkt glatt übersehen hat.

    Selbstverständlich soll sich der angedachte Satellit nicht um einen Slot bei den ESA-M- oder S-Klasse-Missionen oder den NASA-Explorern bewerben sondern rein privat finanziert werden (selbst von PPP scheint man nichts zu halten): von Großsponsoren, mit denen womöglich sogar schon in Verhandlungen getreten wurde. Solche brisanten Details wurden in Bochum natürlich nicht verraten, aber ich hatte den Eindruck, dass es da durchaus schon welche geben könnte, die nur noch auf konkrete Ideen für eine sinnvolle Nutzung des Spacecraft warten.

    Deswegen wohl genau zum jetzigen Zeitpunkt das Heranpirschen an die deutsche Astro-Szene, wo man auf Amateur- wie Profi-Seite bis zum 27. Oktober offensichtlich nichts ahnte: Schon deswegen kann von “Hijacking” schwerlich die Rede sein. Wie die (derzeitigen) Spezifikationen genau zustande gekommen sind, weiß ich zwar nicht, aber sie wurden wohl von dem zentralen Wunsch diktiert, für möglich viele User-Gruppen interessant zu sein. So, mir langt’s jetzt aber, ich bin doch nicht deren PR-Mann. 🙂

  18. Hallo?

    Herr Fischer hat mich offenbar missverstanden, und zwar gleich mehrfach, und gründlich.

    Nicht nur bin ich von der Idee eines aus der Amateur-Community heraus getragenen Weltraumteleskops für Amateure und von Amateuren sehr angetan. Man kann sogar sagen, begeistert. Jedenfalls alles andere als negativ eingestellt.

    Das zum einen.

    Zum Anderen kann ich mir nicht nur vorstellen, dass ein solches Projekt an dem üblichen Vergabeverfahren für staatliche Missionen vorbei hochgezogen wird, ich bin sogar der festen Überzeugung, dass man so ein Ding ganz anders angehen muss, als die Raumfahrtagenturen es angehen würden.

    Ich sage über Kommentare hinweg nicht anderes und bin einigermaßen verärgert, dass zumindest ein anderer Diskussionsteilnehmer sich standhaft weigert, das zur Kenntnis zu nehmen.

    Ich habe sogar Vorschläge dazu gemacht, woher die Komponenten kommen können und wie man das Ding für wenig Geld oder umsonst ins Orbit kriegt, und welche Randbedingungen daraus erwachsen, wenn man einen Start als Beipackpassagier haben will.

    Diese Randbedingunen stellen den technischen Parametern des Weltraumteleskops Obergrenzen. Mit diesen Obergrenzen muss man leben. Aber andererseits hat man dann auch eine gewisse Planungssicherheit und vor allem hat man die Chance, wirklich ein Weltraumteleskop für die Amateurwelt zu realisieren.

    Wenn nun das Projekt erst in der Anfangsphase steckt, in der überhaupt erst mal die Nutzerkreise identifiziert und deren Anforderungen niedergelegt werden sollen, und gleichzeitig liegt bereits eine – happige – Schätzung der Missionskosten und ein – knackiger – Satz an technischen Zielparametern auf dem Tisch, dann passt das nicht so ganz zusammen.

    Es ist allein schon deswegen nicht so gut, wenn das so läuft, weil dann jeder nur über die Kostenziffern redet. Das sieht man ja auch am Blog-Artikel und der folgenden Diskussion.

    Wer spitze Bemerkungen machen will, möge bitte vorher meine Kommentare aufmerksam lesen. Ich stelle fest, dass nach wie vor außer mir keiner hier Diskussionsbeiträge technischer Natur gemacht hat.

    Dass ein privater Großsponsor ein astronomisches Observatorium (ko-)finanziert, ist nicht ganz neu, siehe z.B. hier und hier, und es ist eine gute Sache. Aber ein aus einer breiten Amateurcommunity getragenes und aufgebautes Weltraumteleskop für jedermann ist eine ganz andere Sache. Wer das nicht wahrhaben will, macht sich – fürchte ich – etwas vor.

    Ich habe mal angefangen, Fühler auszustrecken, um zu sehen, ob man nicht etwas in Gang setzen kann, um ein wirkliches Student Space Telescope auf europäischer Ebene zu realisieren. Aber ob ich damit Erfolg habe, ist unsicher.

  19. Und da waren’s drei …

    “Ich habe mal angefangen, Fühler auszustrecken, um zu sehen, ob man nicht etwas in Gang setzen kann, um ein wirkliches Student Space Telescope auf europäischer Ebene zu realisieren.”

    Womit es dann schon drei parallele Initiativen wären, denn die von Astrium – oder einem übermütigen Ingenieur daselbst, das gilt es noch zu erforschen – Anfang des Monats angeleierte gibt es schließlich auch noch. Übrigens hat sich heute ein prominentes deutsches Mitglied jenes US-Vereins zu erkennen gegeben, der vor 30 Jahren mit dem Amateur Space Telescope scheiterte – leider gibt’s die Unterlagen von damals nicht mehr, da hätten wir sicher manches lernen können.

  20. Sagen wir mal: Zweieinhalb …

    Ich werde meine Aktivität nicht weiter führen, wenn sich herausstellt, dass es eh zu nichts führt. Die – ja, ich kann wirklich sagen “Pleite” – mit der europäischen studentischen Mondorbitermission ESMO war demotivierend genug, nicht nur für mich, sondern auch für die Hunderte von Studenten, die viele Mannjahre darin investiert haben.

    Anstatt dass diese sich nun ihr Leben lang daran erinnern, wie “ihr” Projekt, “ihr” Baby das erste Bild aus dem Mondorbit lieferte, werden sie sich nun daran erinnern, wie man sich engagiert wie verrückt und am Ende ist alles für die Katz’, obwohl alle technischen Hürden erfolgreich aus dem Weg geräumt wurden.

    Wenn ich absehen kann, dass eine weitere Initiative deselben Weg nimmt, dann sage ich mir: Ohne mich.

    Wenn jetzt jemand meint, dass das bitter klingt, dann kann ich nur sagen: Ja, verdammt, genau so ist es.

  21. Weitere Recherchen lohnen sich …

    Eigentlich wollte ich ja nichts mehr sagen, bis detailliertere Informationen vorliegen, aber in den letzten 3 Stunden sind doch eine Reihe spannende Mails eingegangen – aus denen kann ich hier zwar nur teilweise zitieren, aber es sollte doch die emsigen Diskutanten hier interessieren,

    – dass der deutsche Ex-Astronaut Gerhard Thiele zwar nicht Team-Mitglied im engeren Sinne ist aber im Beirat des Wilkens-Projekts sitzt und die Sache verhalten positiv sieht (“ich glaube, dass das Projekt durchaus Chancen hat. Wenn es nicht versucht wird, werden wir nie wissen, ob es nicht doch gelungen wäre.”),

    – dass in diesen Wochen viele Hintergrundgespräche sowohl mit der Industrie wie auch deutschen Forschungsinstituten geführt bzw. gerade vereinbart werden, und

    – dass es bald mehr Informationen geben wird. “Ich werde in den nächsten 2 Wochen die Website bearbeiten”, schreibt Wilkens: “Deutsch, Downloadbereich,
    ‘Geschäftsmodell’ etc. Das wird die gewünschte Transparenz bringen, hoffe ich. Und
    ich hoffe, es wird auch deutlich werden, dass ich niemandem ein fertiges Konzept
    überstülpen möchte, sondern einlade zur Mitwirkungen. Ich hoffe, dass dies die eine
    oder andere Ablehnung in Unterstützung wandeln hilft.”

    Das “Astrium-Projekt” scheint übrigens wirklich nur die Initiative eines einzelnen Ingenieurs zu sein, der inzwischen nichts mehr sagt und von dem man ‘weiter oben’ (wo Wilkens Kontakte hat) gar nichts wusste.

  22. Bericht vom Kick-Off für das Projekt

    Gerade hat in Heidelberg ein Kick-Off-Meeting für das Projekt stattgefunden, bei dem – in Anwesenheit etlicher selbst Raumfahrttreibender aus Akademie, Industrie und Amateurbereich – energisch diskutiert wurde. Zumindest den “raumfahrerischen” Aspekt (und die offenen Fragen) sehen wir schon jetzt erheblich genauer – ‘stay tuned’, wie man so sagt …

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