Dunkle Materie überall – Ein Bild des “kosmischen Netzwerks”

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Die Dunkle Materie abbilden – ein Ding der Unmöglichkeit. Nicht ganz. Mit ein bisschen Hilfe von Albert Einstein ist es Astronomen jetzt gelungen, einen ersten direkten Blick auf die Verteilung der mysteriösen Materie im Universum zu werfen. Das Ergebnis kommt nicht überraschend – und bestätigt nicht nur die Allgemeine Relativitätstheorie sondern auch unser kosmologisches Standardmodell.

Das “kosmische Netzwerk”, gelb und rot: Viel Materie (sichtbar und dunkle), blau: wenig. (van Waerbeke, Heymans, und die CFHTLens-Kollaboration.)

Dem zufolge besteht das Universum nur zu 4% aus “gewöhnlicher” Materie. Die Dunkle Materie dominiert das Weltall dagegen auf großen Skalen, sie hält durch ihre Schwerkraft die Galaxienhaufen beieinander. Auf kosmologischer Skala dagegen bestimmt die Dunkle Energie, wo es lang geht: ihre abstoßende Wirkung treibt die Expansion des Universums immer schneller voran.

Dummerweise kann man die Dunkle Materie nicht sehen, auch die größten Teleskope sind für sie blind. Woraus auch immer sie besteht – für Licht ist sie einfach durchlässig. Aber sie wirkt durch ihre Gravitation wie jede andere Masse auch, und bewirkt eine Krümmung der Raumzeit, besonders da, wo sich sammelt. Das Materie – dunkle und sichtbare – diesen Effekt hat, hat 1915 Albert Einstein vorausgesagt, und seine Theorie wurde und wird immer wieder glänzend bestätigt. Eine wichtige Folgerung: Licht muss dieser Krümmung folgen, deshalb wird das Licht einer fernen Galaxie beispielsweise abgelenkt, wenn es beispielsweise auf eine große Masse aus Dunkler Materie trifft, und erreicht die Erde daher auf einer gekrümmten Bahn. Das Bild der Galaxie erscheint uns verbogen und verzerrt.

Diesen Effekt nutzten die Wissenschaftler des Canada-France-Hawaii Telescope Lensing Survey (CFHTLenS), um die Verteilung der Dunklen Materie im Weltall zu untersuchen. Und damit indirekt ein Bild der Verteilung dieses Stoffs zu produzieren. Zehn Millionen Galaxien mussten sie dazu untersuchen, fünf Jahre dauerte ihre Arbeit. Mit dem Canada-France-Hawaii-Teleskop auf der Pazifikinsel stand ihnen dabei eine Kamera mit 340 Megapixel zur Verfügung, die den Himmel Quadratgrad für Quadratgrad abscannte.

In den dichtesten Materiekonzentrationen befinden sich massereichen Galaxienhaufen. Dazwischen ist im wesentlichen leerer Raum. (van Waerbeke, Heymans, und die CFHTLens-Kollaboration.)

In vier Himmelsrichtungen, verteilt über das Jahr beobachteten die Astronomen, überall fanden sie das gleiche Bild. Der bis dato beste Survey umfasste nur einen kleinen Teil des Himmel (NASA, ESA, P. Simon and T. Schrabback). Darin als Größenvergleich: der volle Mond (van Waerbeke, Heymans, und die CFHTLens-Kollaboration.) 

Wie schon von Computersimulationen vorhergesagt, scheint also die Dunkle Materie ein riesiges Netzwerk mit Knoten und Leerräumen zu bilden. Die sichtbare Materie, die Galaxien befinden sich meist in diesen Knoten, dort jedenfalls, wo auch die Dunkle Materie am häufigsten ist. Das ist nicht überraschend, wie Ludovic van Waerbeke von der Universität von British Columbia und Catherine Heymans von der Universität von Edinburgh heute auf der Winterkonferenz der American Astronomical Society in Austin, Texas, berichteten. Die Daten stimmten auf den ersten Blick sehr gut mit der Vorhersage der Simulationen überein, das zeigt schon ein flüchtiger Blick. Noch sei viel zu tun, die Daten würden jetzt weltweit zur Verfügung gestellt, damit Forscher sie nutzen können. Festzuhalten aber ist: die Dunkle Materie, was immer sie sein mag, scheint überall zu sein.      

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Mit dem Astronomievirus infiziert wurde ich Mitte der achtziger Jahre, als ich als 8-Jähriger die Illustrationen der Planeten auf den ersten Seiten eines Weltatlas stundenlang betrachtete. Spätestens 1986, als ich den Kometen Halley im Teleskop der Sternwarte Aachen sah (nicht mehr als ein diffuses Fleckchen, aber immerhin) war es um mich geschehen. Es folgte der klassische Weg eines Amateurastronomen: immer größere Teleskope, Experimente in der Astrofotografie (zuerst analog, dann digital) und später Reisen in alle Welt zu Sonnenfinsternissen, Meteorschauern oder Kometen. Visuelle Beobachtung, Fotografie, Videoastronomie oder Teleskopselbstbau – das sind Themen die mich beschäftigten und weiter beschäftigen. Aber auch die Vermittlung von astronomischen Inhalten macht mir großen Spaß. Nach meinem Abitur nahm ich ein Physikstudium auf, das ich mit einer Diplomarbeit über ein Weltraumexperiment zur Messung der kosmischen Strahlung abschloss. Trotz aller Theorie und Technik ist es nach wie vor das Erlebnis einer perfekten Nacht unter dem Sternenhimmel, das für mich die Faszination an der Astronomie ausmacht. Die Abgeschiedenheit in der Natur, die Geräusche und Gerüche, die Kälte, die durch Nichts vergleichbare Schönheit des Kosmos, dessen Teil wir sind – eigentlich braucht man für das alles kein Teleskop und keine Kamera. Eines meiner ersten Bücher war „Die Sterne“ von Heinz Haber. Das erste Kapitel hieß „Lichter am Himmel“ – daher angelehnt ist der Name meines Blogs. Hier möchte ich erzählen, was mich astronomisch umtreibt, eigene Projekte und Reisen vorstellen, über Themen schreiben, die ich wichtig finde. Die „Himmelslichter“ sind aber nicht immer extraterrestrischen Ursprungs, auch in unserer Erdatmosphäre entstehen interessante Phänomene. Mein Blog beschäftigt sich auch mit ihnen – eben mit „allem, was am Himmel passiert“. jan [punkt] hattenbach [ät] gmx [Punkt] de Alle eigenen Texte und Bilder, die in diesem Blog veröffentlicht werden, unterliegen der CreativeCommons-Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.

6 Kommentare

  1. Raumkrümmung nur im “hellen” nachweisbar

    Die dunkle Materie lässt sich (bis heute) nur indirekt über “nichtgeradlinige” Ausbreitung des Lichts nachweisen. Mit dieser Methode kann man dunkle Materie also in völlig “sternlosen” Arealen nicht nachweisen.
    Folgendes verwundert deshalb nicht:

    Die sichtbare Materie, die Galaxien befinden sich meist in diesen Knoten, dort jedenfalls, wo auch die Dunkle Materie am häufigsten ist.

    Das könnte also allein aufgrund der Nachweismethode (Ablenkung von Licht) schon so herauskommen ohne dass es eine reale Verteilung der dunklen Materie widerspiegeln muss.

    Allerdings kann dunkle Materie auch in “sternlosen Arealen” nachgewiesen werden vorausgesetzt, es befinden sich Galaxien hinter dem “sternlosen Areal”.
    Mit etwas Statistik und viel Rechnerei kann man also doch ein realistisches Bild der Verteilung der dunklen Materie mit dieser indirekten Methode erhalten.
    Das wird bei oben genannter Untersuchung sicher so gemacht worden sein: Physiker und Astronomen sind ja sehr gewissenhafte Leute.

  2. kleinräumige Verteilung der DM

    Hallo Jan,

    den Bilder kann man ja entnehmen, dass sich auf großen Skalen die sichtbare Materie gerade dort sammelt, wo sich viel Dunkle Materie befindet, oder?
    Ist das auf kleinen Skalen auch so?
    Ich denke jetzt z.B. an unser Sonnensystem.
    Also kann man davon ausgehen, dass im Bereich der Sonne auch mehr DM ist?
    Oder spielt die DM auf diesen kleinen Skalen keine große Rolle?
    Immerhin scheinen die Keplerschen Gesetze ja ganz gut ohne DM zu stimmen.

    Viele Grüße
    Kai

  3. Antworten

    @Martin Holzherr

    Ich bin nicht sicher, ob ich Ihre Anmerkung richtig verstehe, insbesondere das mit den “sternlosen” Arealen. Es geht bei diesen Überlegungen um weit größere Ausmaße als um unsere Milchstraße, un der Größenordnung von Galaxienhaufen und größer. Der Satz “allerdings kann dunkle Materie auch in “sternlosen Arealen” nachgewiesen werden vorausgesetzt, es befinden sich Galaxien hinter dem “sternlosen Areal”.” ist sicher richtig, ich würde allerdings eher “galaxienlose Areale” dazu sagen. Die Galaxien, deren Licht abgelenkt wird, befinden sich weit hinter den angenommenen DM-Wolken.

    @Kai Neuhaus:

    Die Idee ist, dass die DM-Wolken sehr groß (viel größer als das Sonnensystem) und damit zwar sehr massereich sind, die WIMP-Dichte (DM-Teilchen pro Kubiklichtjahr z.B., wenn es sich denn überhaupt um WIMPS handelt, das ist eine andere Frage) innerhalb der Wolken aber sehr klein ist. D. h. wenn das Sonnensystem eine solche Wolke durchquert, würde man nichts messbares bemerken. Wobei es auch Ansätze gibt, dass sich WIMPs in Sternen und Planeten anreichern können sollen (und man das vll.messen können soll…): http://arxiv.org/abs/0902.1347

  4. @Kai, Nachtrag

    Schau dir nur mal das 2. Bild an, da passen ganze Galaxienhaufen in diese “Knoten”. Wie verschwindend da ein Sonnensystem gegen ist, kann man sich ausdenken…

  5. Wie sehen Sie das?

    Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag von der Forschungsfront!

    Zu später Stunde beschleicht mich plötzlich so ein seltsames Gefühl der Demut und Ohnmacht. (Möglicherweise eine weitere Alterserscheinung)
    Früher schien alles leidlich einfach: Sterne und Galaxien zu Hauf, ein womöglich bis in alle Ewigkeiten pulsierendes Universum, endlich groß, aber dank der Raumkrümmung grenzenlos – fertig!
    Aber jetzt benötigt man dunkle Materie, bestehend aus WIMPS, dunkle Energie und wer weiß was noch alles. Das Universum dehnt sich beschleunigt aus. DAS Universum? Immerhin kann sich Max Tegmark vier verschiedene Kategorien von Multiversen vorstellen. http://7th.in/1097
    Ich finde das wirklich alles wirklich sehr sehr spannend, aber mich beschleicht das Gefühl, dass man von einer ‘Theorie für Alles’ weiter entfernt ist als man je befürchtete. Die Entdeckungen durch Weltraumtheleskope etc. scheinen mehr neue Fragen nach sich zu ziehen, als sie beantworten – und das beschleunigt!

  6. Alternative zur Urknalltheorie

    ***Beitrag wurde moderiert***

    Verschwörungstheoretisches Geschwurbel und Eigenwerbung gelöscht. Wenn Sie zum Thema beizutragen haben, fassen Sie sich bitte kurz. JH

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