Was der Fall Schlecker lehrt

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Wie Wirtschaft und Ethik zusammenpassen
Gute Geschäfte

Klar doch: Niemand kauft in irgendeinem Laden nur aus ethischen Gründen ein. Und niemand meidet ein Geschäft nur deswegen, weil er ethische Bedenken hat. Trotzdem lehrt der Fall Schlecker: Ethik kann beim Überleben einer Firma eine wichtige Rolle spielen.

Schlecker war in den letzten Jahren immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert, seine Mitarbeiter zu schlecht zu bezahlen und zum Teil auch zu behandeln. Und jetzt, wo die Drogeriekette in die Planinsolvenz geht, wird das sehr häufig als einer der Gründe für den Niedergang genannt. Es heißt: Die Kunden haben Schlecker auch deswegen gemieden, weil das Unternehmen in puncto Mitarbeiter einen schlechten Ruf hatte.

Umgekehrt war es bei dm. Zusammen mit Rossmann sind das die beiden großen Konkurrenten von Schlecker. Und dm hat sehr geschickt ein “Gut-Image” aufgebaut, zum Teil durch die Auswahl des Sortiments im Sinne der Nachhaltigkeit. Eine Rolle spielt sicher auch, dass Unternehmensgründer Götz Werner ein bekennender Anthrosoph ist und seine Führung bewusst “dialogisch” gestalten möchte. Die meisten Menschen wissen zwar wenig über Anthroposophie, und man kann darüber auch durchaus geteilter Meinung sein. Aber in der Regel wird die Bewegung vor allem mit ihren Waldorf-Kindergärten und -Schulen identifiziert, die den Ruf haben, besonderen Wert auf Kreativität und Entwicklung der Persönlichkeit zu legen.

Ich denke, dm und Schlecker sind daher Beispiele dafür, wie sehr das ethische Profil eines Unternehmens Auswirkungen auf den geschäftlichen Erfolg haben kann – auch wenn letztlich natürlich die Produkte und das Preis-Leistungs-Verhältnis die größere Rolle spielen.

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Ich habe Betriebswirtschaft in München und Philosophie an der Fernuni Hagen studiert, früher bei einer großen Bank gearbeitet, und bin seit über 20 Jahren Journalist beim Handelsblatt mit Spezialisierung auf Finanzthemen, davon fünf Jahre in New York und seit November 2017 in Frankfurt. Im Jahr 2013 habe ich das Buch „Wie fair sind Apple & Co?“ veröffentlicht.

14 Kommentare

  1. My name is “nobody”

    “Und niemand meidet ein Geschäft nur deswegen, weil er ethische Bedenken hat.”
    Dann bin ich wohl niemand. Sofern ich eine akzeptable Alternative habe, tue ich dies.

    Ansonsten ist der Fall Schlecker wohl Multikausal, aber ethisches Profil ist wahrscheinlich EIN Faktor.

  2. Viel hängt natürlich vom Preis ab und ob der Laden praktisch gelegen ist. Aber wer macht schon gerne dabei mit, wenn Mitarbeiter schlecht behandelt werden?

  3. Hm

    Schlecker hat sich nicht anders verhalten als viele andere Ketten auch. Würde das “ethische Verhalten” eines Unternehmens nennenswerten Einfluß auf den Umsatz haben, dürfte so manche Kette große Schwierigkeiten haben.

    Tatsächlich ist dem Kunden egal, wie ein Unternehmen mit seinen Mitarbeitern umgeht.

  4. @Tim

    Dem kann man nur widersprechen: Schlecker ist (war) ein extrem mitarbeiterfeindliches Unternehmen und für mich war das immer der Grund, da nicht einzukaufen. Ich hatte auch lange Probleme mit ALDI, doch scheint sich da manches zu bessern, oder?
    Wir wollen in einer modernen Gesellschaft mit bequemen Dienstleistungen und vielfältigen, billigen Warenangebot leben. Wir sollten aber auch aufpassen, dass dies nicht auf Kosten anderer geschieht. Beispiele wo wir mit unserer Macht als Verbraucher gefragt sind, gibt es genügend: “Amazon beschäftigt massenhaft Arbeitslose ohne Vergütung”: http://www.spiegel.de/…men/0,1518,800166,00.html oder “Sklavenhändler reloaded”: http://www.manomama.de/…sklavenhandler-reloaded/

    Dass der Niedergang von Schlecker auch als eine Folge unethischen Handelns diskutiert wird, finde ich gut und wichtig!

  5. @ Lichtecho

    ALDI ist nun wahrlich kein Unternehmen, das schlecht mit Mitarbeitern umspringt – im Gegenteil. Der Rest der Branche ist aber voll von schwarzen Schafen. Sub-Sub-Unternehmen mit entsprechenden Nachteilen für Mitarbeiter finden Sie auch bei Ketten, die die meisten Leute bestimmt für sehr seriös halten.

    Schlecker hat sich einfach nur prima als Sündenbock geeignet. Momentan scheinen sich die Medien ja schon einen Nachfolger-Sündenbock herauszupicken. Am Ende muß KiK für die branchenüblichen Probleme seinen Kopf hinhalten, tippe ich.

    Die deutschen Verbraucher wollen billig, also kriegen sie auch billig. Aber die deutschen Verbraucher wollen auch ein gutes Gewissens, also braucht man ab und zu einen Beispielfall, an dem man seine Anständigkeit unter Beweis stellen kann.

  6. “Niemand kauft in irgendeinem Laden nur aus ethischen Gründen ein.”

    Nein, vermutlich nicht primär. Aber wenn ein Unternehmen, vor allem im Einzelhandel, seine Mitarbeiter schikaniert und sehr schlecht behandelt, dann wird sich das mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch auf die Kunden auswirken. Die Mitarbeiter, besonders die mit Kundenkontakt, sind schließlich ein Aushängeschild des jeweiligen Unternehmens. Bei schlechtem Betriebsklima oder Überarbeitung dürften die also kaum motiviert und freundlich auf die Kunden zugehen, sondern wohl eher unfreundlich und muffig. Das spüren die Kunden auch. Ähnliches mag für bestimmte Vorgabengelten, wie beispielsweise Kassiergeschwindigkeit. Das ist etwas, das mich lange von ALDI ferngehalten hat. Warum wird schneller über den Scanner gezogen, als ich wieder in den Einkaufswagen legen kann (nein, nicht schmeissen, das mag nämlich manche Ware garnicht gerne). Vor allem, wenn am Ende des Bandes am Platz gespart wurde und keine entsprechende Ablagefläche ist. Ich will als Kunde zwar nicht lange stehen, aber eben auch nicht das Gefühl bekommen, ich müsste beim Einkaufen hetzen. Ich bin da nämlich auch nicht auf der Flucht.

  7. Ethische Gründe

    Nun ja, ausschliesslich aus ethischen Gründen kaufe ich grundsätzlich nichts, das von der Molkerei Alois Müller aus Bayern hergestellt wird. Und dabei achte ich auch darauf, dass mir bei den sogenanten Billigmarken aus diversen Supermärkten nichts von dieser Firma untergejubelt wird, indem ich nach der “Milchnummer” bzw. Veterinärkontrollnummer (BY 718, SN 016) gucke. In ähnlicher Weise boykottiere ich soweit wie möglich alles, was von Nestle kommt, wobei das schon schwieriger ist, weil nicht immer klar ersichtlich ist, ob eine Firma wirklich noch besteht oder nur noch als Marke dieses Konzerns existiert.
    Bei Kik halte ich es ähnlich, wobei es in der Bekleidungsindustrie aber leider so ist, das sie alle auf mehr oder weniger auf ausbeuterischer billig und billigst-produktion beruht. Dem kann man wahrscheinlich nur entgehen, indem man seine Kleidung so lange wie möglich trägt, und sich nicht in jeder Saison neu einkleidet.

  8. Die Macht der Verbraucher im Internet

    Firmen die nicht anständig arbeiten (lassen) haben es immer schwerer, da kritische Verbraucher durch das Internet immer mehr zu einer “Schwarm-Intelligenz” werden.

    “Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hat an die Wirtschaft appelliert, die wachsende Macht von Verbrauchern im Internet ernst zu nehmen. Dem Hamburger Abendblatt sagte Aigner, Unternehmen müssten sich darauf einstellen, dass ihre Produkte und Dienstleistungen im Internet wesentlich kontroverser diskutiert und kritischer durchleuchtet werden als bisher. Früher hätten sich die meisten Internetnutzer darauf beschränkt zu lesen, zu kaufen und zu buchen. “Heute nutzen immer mehr Verbraucher die zahllosen Möglichkeiten, Produkte und Leistungen kritisch zu bewerten und zu kommentieren. Bewertungsportale und Informationsforen werden weiter an Bedeutung gewinnen”, so Aigners Einschätzung.”

    Quelle: http://www.abendblatt.de/…-Internet-waechst.html

  9. “Klar doch: Niemand kauft in irgendeinem Laden nur aus ethischen Gründen ein. Und niemand meidet ein Geschäft nur deswegen, weil er ethische Bedenken hat.”

    Für die Mehrheit mag das vielleicht zutreffen. Ich kenne jedoch einige Leute, für die das durchaus ein wichtiges Kriterium beim Einkaufen ist – mich eingeschlossen. Auch nehmen solche Überlegungen zumindest in meinem Umfeld zu.

  10. Ich konsumiere, also bin ich

    Lieber Frank,

    was man bei dieser Frage nicht vernachlässigen sollte: der Selbstinszenierungscharakter des Konsums. Einkaufen ist auch eine Möglichkeit, sich seinen Mitmenschen so zu präsentieren, wie man wahrgenommen werden will. Konsum hat heute eine soziale, kulturelle Bedeutung, die weit über das hinausgeht, was Ökonomen üblicherweise betrachten und berechnen. Hier in Prenzlauer Berg muss man sich bekanntlich schämen, wenn man keine Bio-Produkte kauft.

    “Echte” ethische oder selbstdarstellerische Gründe für Kaufentscheidungen sind, so denke ich, gar nicht von einander zu trennen. Wer Bio-Milch und Fair-Trade-Kaffee kauft, streichelt zugleich sein Gewissen und pflegt sein Image als kultivierter, moderner, trendbewusster Mensch. Dafür zahlt man gerne ein paar Cent mehr.
    Zu diesen Fragen hat sich in den letzten Jahren übrigens eine sehr rege Szene in der Wirtschaftssoziologie etabliert. http://www.handelsblatt.com/politik/oekonomie/nachrichten/konsum-der-schnoede-einkauf-als-gutes-werk/3300080.html

  11. Knauss

    Lieber Ferdinand,

    schön, dich so wiederzufinden. Ja, Einkauf ist auch Inszenierung, und das ist bei Schlecker gründlich in die Hose gegangen. Dem Hinweis zur Wirtschaftssoziologie gehe ich gerne nach …

  12. Zustimmung

    Ich kann nur für mich sprechen, aber mich tatsächlich gut erinnern, dass die Berichte über Schlecker-Schikanen gegenüber den Mitarbeitern bei mir Aversionen weckten, die sich auf die Marke übertrugen. Schlecker erschien mir als düster, kruschtig und unsympathisch. Dagegen genieße ich Transfair- und Bioprodukte mit einem besseren Gefühl. Und ich bin ein Bürgerlicher! 🙂

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