Facebook und die falschen Freunde

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Wie Wirtschaft und Ethik zusammenpassen
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Neulich rief mich ein flüchtiger Bekannter an, mit dem ich auf Facebook “befreundet” bin. “Ich wollte mal mit meinem Facebook-Freund sprechen”, meinte er mit einem Unterton analoger Gemütlichkeit. Ein Freund? Oder nur ein digitaler Freund? Ein netter Kerl, kurz danach haben wir zusammen Wein gebechert, aber unter “Freund” hatte ich bisher immer etwas anderes verstanden.

Das Problem ist zunächst ein sprachliches: Im Deutschen spricht man auch von Partei- oder Geschäftsfreunde. Aber nicht jeder Bekannte ist ein Freund. Im Englischen gibt es dagegen eigentlich keine Bekannten, dafür aber jede Menge “friends”.

Das Thema geht aber noch tiefer. Jetzt hat Facebook eine Funktion zur Prävention von Selbstmorden eingeführt. Wer den Eindruck hat, dass ein “Freund” gefährdet ist, kann Alarm schlagen, derjenige bekommt dann die Nummer einer Hotline zugeschickt. Anlass dafür war ein Fall, in dem ein junger Mann von ganz falschen “Freunden” durch gezielte Indiskretionen und Attacken in den Selbstmord getrieben worden war.

Es muss nicht immer gleich so schlimm enden. Aber ich höre häufig, wie Kolleginnen oder Kollegen ich über die Frage unterhalten: Wie gehen meine Kinder mit Facebook um? Wie weit soll ich das kontrollieren? Dabei geht es vor allem um junge Teenager (meine eigenen Kinder sind zum Glück schon erwachsen). Für manche jungen Leute ist Facebook die Welt – mindestens so real wie die Realität. Sticheleien und Gemeinheiten sind dabei noch öffenlicher als im analogen Leben. Auf der anderen Seite gibt es auch Teenies, die ungehemmt schimpfen oder beleidigen und sich nicht klarmachen, dass diese Äußerungen im Zweifel nie mehr aus ihrem digitalen Leben, das Facebook ja jetzt auch so hübsch aufbereiten will, zu löschen sind.

Das Beispiel zeigt eines: Durch die neue digitale Welt entstehen ganz neue ethische Probleme. Für die Unternehmen: Wie gehe ich damit um, wenn mein Netzwerk missbraucht wird? Für die Nutzer: Wer sind richtige Freunde, und was bin ich ihnen schuldig? Wie gehe ich mit falschen Freunden um? Für die Eltern der Nutzer stellt sich eine uralte Frage wieder neu: Wie viel Freiheit lasse ich meinem Kind, wie viel kann es schon selbst verantworten?

Standardantworten auf diese Fragen gibt es nicht.

 

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Veröffentlicht von

Ich habe Betriebswirtschaft in München und Philosophie an der Fernuni Hagen studiert, früher bei einer großen Bank gearbeitet, und bin seit über 20 Jahren Journalist beim Handelsblatt mit Spezialisierung auf Finanzthemen, davon fünf Jahre in New York und seit November 2017 in Frankfurt. Im Jahr 2013 habe ich das Buch „Wie fair sind Apple & Co?“ veröffentlicht.

10 Kommentare

  1. Facebook-Hatz versus Suizidprävention

    Auf Facebook wird von inzwischen 25’000 Leuten der Tod von Hamsa Kaschgari gefordert und gleichzeitig bietet (Zitat)Facebook eine Funktion zur Prävention von Selbstmorden.

    Das scheint mir ein kleiner Widerspruch. Facebook spiegelt halt inzwischen das ganze Leben und das Leben ist voller Widersprüche.

  2. Realität Facebooks

    “Für manche jungen Leute ist Facebook die Welt – mindestens so real wie die Realität.”

    Ich versteh den Sinn dieser Aussage nicht ganz. Selbstverständlich ist Facebook teil unserer Welt und ebenso real wie andere Teile der Realität. Was denn sonst. Gibt es einen neuen Geist-Körper-Dualismus, in dem alles, was im Netz geschieht teil der geistlichen und unabhängig von der körperlichen Welt ist?

  3. @Joachim Virtualität + Realität

    Facebook ist eine Repräsentation, eine View auf die Realität, die es auch unabhängig von Facebook gibt.
    Die Aussage von Frank Wiebe

    “Für manche jungen Leute ist Facebook die Welt – mindestens so real wie die Realität.”

    bezieht sich auf Facebook als virtuelle Welt. Eine mögliche Haltung zu Facebook wäre es als Spiel zu betrachten ähnlich wie Rollen- und Adventurespiele. Dann könnte man es wieder vergessen sobald man den Computer abgeschaltet hat. Wenn Facebook für junge Leute so (Zitat)real wie die Realität ist, dann heisst das nur, dass Facebook für sie so wichig ist wie die tägliche leibliche Begegnung mit realen (?) Mitmenschen, dass also Facebook-Kontakte denselben Status haben wie reale Kontakte, z.B. das reale Gespräch mit der Schwester oder dem Bruder (reale Gespräch?? Was ist den hier real?).

    Es soll ja Leute geben, die sich von Facebook abgemeldet haben und die den Trennungsschmerz nach einigen Tagen (höchstens Wochen) nicht mehr ertragen konnten. Sich völlig von Facebook verabschieden kann wie der eigene reale Tod sein – obwohl es doch, wenn schon, nur ein virtueller Tod ist (?)

  4. @Martin Hozherr: Real wie telefonieren

    Was halten Sie den von dem Satz
    “Für manche ältere Leute ist ein Telefongespräch die Welt – mindestens so real wie die Realität.”?

    Facebook ist ein Kommunikationsmittel. Es ist so real wie jedes andere Kommunikationsmittel auch.

  5. @Joachim: Facebook als kleine Welt

    Das folgende sagt niemand:
    “Für manche ältere Leute ist ein Telefongespräch die Welt – mindestens so real wie die Realität.”?

    wenn schon müsste man sagen: “Für manche ältere Leute ist ein Telefon die Welt (die Verbindung zur Welt).

    Facebook ist aber noch etwas mehr als ein Telefon, also ein Kanal zwischen zwei Teilnehmern. Wenn man Facebook mit etwas aus der vordigitalen Welt vergleichen will, dann vielleicht mit einer Party, die nie endet in einem Haus mit vielen Räumen aber einem Hauptraum, in dem sich das meiste abspielt und jeder mit jedem kommunizieren kann. In diesem Raum zeigen sich die Partyteilnehmer ihre Fotoalben, hören die gleiche Musik, etc.

    Oder noch besser: Facebook ist wie ein Dorf in dem Parterre und Wohnzimmer jedes Hauses frei einsehbar sind und jeder jederzeit eintreten kann um ein Gespräch anzufangen oder ein Präsent mitzubringen. Das gibt es übrigens in Holland: Häuser ohne Vorhänge, die Einblick gewähren.

    Der Einwand: Facebook ist ein Kommunikationsmittel. Es ist so real wie jedes andere Kommunikationsmittel auch. kratzt nur an der Oberfläche und das Wort “real” ist nicht als Gegensatz zu “irreal” zu interpretieren sondern bedeutet hier wichtig, anregend, emotional, aufregend, lässt-mich-nicht-mehr-los

  6. Keine Party

    Tut mir Leid, aber Facebook hat so gar keine Parallelen zu einer Party. Und auch Einblick in Wohnzimmern erlaubt es uns nicht.

    Eher kann man es mit einer öffentlich zugänglichen Pinnwand, meinetwegen auf dem Dorfplatz, vergleichen. Natürlich hinkt auch der Vergleich. Facebook ist eben ein relativ neues Kommunikationsmittel mit all den Chancen und Risiken, die Kommunikation nun einmal hat.

    Es würde der Diskussion viel mehr Helfen, wenn man statt der ganzen unzutreffenden Vergleiche einfach mal erklärt, was Facebook wirklich ist und wie es funktioniert. Dann lassen sich auch die Risiken minimieren.

  7. @Joachim: Was ist Facebook?

    einfach mal erklärt, was Facebook wirklich ist Langsam wird es spannend. Physiker suchen ja nach dem was die Welt im Innersten zusammenhält.
    Sie sind es also gewohnt nach dem Wesen eines Dings oder einer Erscheinung zu fragen.

    Was also ist Facebook und wie minimiert man die Risiken von Facebook??

  8. Facebook-Welt

    Ich muss Martin Holzherr und seinen Erläuterungen zu dem kritisierten Satz “Für manche ist Facebook die Welt” beipflichten. Facebook ist für diese Betroffenen, die man häufig gerade unter Jugendlichen findet, viel, viel mehr als bloß ein Kommunikationsmittel wie ein Telefon oder eine Pinnwand. Alles, was in FB geschieht, hat für solche Menschen eine essentielle Wichtigkeit, ist wesentlich für das Selbstbild und das Verhältnis zu seiner Umwelt. Wieviele Freunde habe ich auf FB? Wieviele Kommentare und Likes bekomme ich für meine Beiträge und Fotos? Verpass ich auch nichts? Wieviele Freizeitevents kriege icb über FB? Wird mir geschmeichelt oder werde ich gedisst? Und wer steht mir dann bei? FB wird zur bestimmenden Metrik für den eigenen sozialen Status. Beliebtheit wird “messbar”. Einsamkeit auch. Und öffentlich sichtbar.

  9. real

    Hey, da habe ich einmal etwas leicht ironisch und ziemlich unpräzise formuliert – und schon sind wir mitten in einem tief philosophischen Diskurs – find’ ich super. So schrecklich viel hab’ ich mir gar nicht gedacht bei dem Satz …

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