Gute Personalpolitik in der Wissenschaft – Der „Herrschinger Kodex“

BLOG: Graue Substanz

Migräne aus der technischen Forschungsperspektive von Gehirnstimulatoren zu mobilen Gesundheitsdiensten.
Graue Substanz

Gestern bekam ich den Newsletter der GEW, auf den ich hier aufmerksam machen will.

Es geht um eine Wissenschaftskonferenz zum Thema „Baustelle Hochschule“. Hohlräume und doppelte Böden, den Estrichlegern der Unis wird am Ammersee auf die Wasserwaage geschaut. Denn die Hochschulen bekamen mehr Autonomie. Können sie verantwortungsvoll damit umgehen? Nutzen sie ihre Autonomie für eine gute Personalpolitik?

Eckpunkte für einen Kodex „Gute Personalpolitik“ sollen noch bis diesen Samstag in einem angemessenen Rahmen diskutiert werden. Schreiben Sie in den Kommentaren Ihre eigenen Erfahrungen, Meinungen und Wünsche. Ich leite es gerne weiter. Oder einfach selber twittern #GEW-Wissenschaftskonferenz / #GEW-WissKonf (übrigens, den Link zu dem eigenen Kommentar hier im Blog bekommt man, wenn man auf die Uhrzeit des Kommentars klickt, s.u.). Unter dem Newsletter kommen noch Hinweise auf weitere Beiträge, insbesondere zu einem Aufruf eines Journalisten, der Fälle dokumentieren möchte.

 

(Es folgt der Newsletter. Die Hervorhebungen sind von mir.)


 

Vom „Templiner Manifest“ zum „Herrschinger Kodex“

6. GEW-Wissenschaft in Herrsching am Ammersee eröffnet

“Attraktive Karrierewege und Beschäftigungsbedingungen gestalten” – unter diesem Motto steht die 6. Wissenschaftskonferenz der Gewerkschaft der Erziehung und Wissenschaft (GEW) zum Thema „Baustelle Hochschule“, die gestern Nachmittag in Herrsching am Ammersee eröffnet worden ist. Über 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – insbesondere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Vertreterinnen und Vertreter von Hochschulleitungen, Personalräten und wissenschaftspolitischen Organisationen – sind an den bayerischen Voralpensee gekommen, um bis zum kommenden Samstag zu diskutieren, was Hochschulen und Forschungseinrichtungen selbst dazu beitragen können, die Karrierewege in Hochschule und Forschung berechenbarer zu machen und die Beschäftigung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu stabilisieren. “Die Hochschulen haben nach mehr Autonomie gerufen und sie haben sie bekommen – sie müssen jetzt unter Beweis stellen, dass sie mit ihrer Autonomie verantwortungsvoll umgehen können”, sagte das für Hochschule und Forschung verantwortliche Vorstandsmitglied der GEW Andreas Keller zur Eröffnung der Konferenz.

Mindestlaufzeiten und geregelte Wissenschaftslaufbahn

Keller stellte zehn Eckpunkte für einen Kodex “Gute Personalpolitik” vor, auf dessen Grundlage sich Hochschulen und Forschungseinrichtungen zur Schaffung stabiler Beschäftigungsbedingungen und berechenbarer Karrierewege verpflichten sollten. Der “Herrschinger Kodex” sei ein Diskussionsangebot der GEW an Leitungsgremien und Selbstverwaltungsorgane, Betriebs- und Personalräte, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, führte Keller aus. Der Entwurf für den “Herrschinger Kodex” wird noch bis zum Samstag mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Wissenschaftskonferenz diskutiert, die endgültige Fassung soll anschließend den Gremien der GEW zur Beschlussfassung vorlegt werden. Geht es nach dem GEW-Vorschlag für einen “Herrschinger Kodex”, dann sollen sich die Hochschulen und Forschungseinrichtungen beispielsweise dazu verpflichten, Mindestlaufzeiten für befristete Beschäftigungsverhältnisse zu garantieren, promovierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern (Postdocs) eine geregelte Wissenschaftslaufbahn (“Tenure Track”) anzubieten oder ein aktives Personalmanagement zu betreiben, das stabile Beschäftigung auch bei wechselnder Finanzierung ermöglicht.

8 von 9 Wissenschaftlern sind befristet tätig

Mit dem “Herrschinger Kodex” setzt die Bildungsgewerkschaft GEW ihre Kampagne für den “Traumjob Wissenschaft” fort, die sie 2010 mit dem “Templiner Manifest“ gestartet hatte (www.templiner-manifest.de). Inzwischen setzen sich knapp 10.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des “Templiner Manifests” für eine Reform von Personalstruktur und Berufswegen in Hochschule und Forschung ein, mit der insbesondere die umfassende Befristungspraxis in der Wissenschaft eingedämmt und den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern berechenbare Karrierewege eröffnet werden soll. Mittlerweile treiben acht von neun wissenschaftlichen Angestellten auf Basis eines Zeitvertrages Forschung und Lehre, über die Hälfte der Zeitverträge hat eine Laufzeit von weniger als einem Jahr. Nachdem mittlerweile der Deutsche Bundestag und einige Länderparlamente über die Reform der Karrierewege diskutieren und Beschlüsse vorbereiten, möchte die GEW mit ihrer Wissenschaftskonferenz 2012 am Ammersee den Blick auf die Verantwortung der Hochschulen und Forschungseinrichtungen lenken. “Mit dem Herrschinger Kodex zeigen wir, wie die Wissenschaft schon heute die Attraktivität des Arbeitsplatzes Hochschule und Forschung steigern kann“, erklärte Keller.

Eröffnet wurde die Konferenz von der stellvertretenden Vorsitzenden der GEW Marianne Demmer, Grußworte steuerten die bayerische GEW-Landesvorsitzende Gele Neubäcker sowie Dorothee Buchhaas-Birkholz vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bei, welches die Konferenz gemeinsam mit dem Bildungs- und Förderungswerk der GEW unterstützt. Gute Bildung und gute Arbeit seien für die GEW zwei Seiten einer Medaille, betonte Demmer. Wer von Hochschulen und Forschungseinrichtungen Spitzenleistungen fordere, müsse daher auch faire Beschäftigungsbedingungen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schaffen. BMBF-Vertreterin Buchhaas-Birkholz würdigte die Impulse, die die GEW für die nationale Debatte zur Reform der Karrierewege in der Wissenschaft setze. Sie stellte die umfangreichen Forschungsprogramme vor, die das Ministerium in diesem Zusammenhang fördert. Die bayerische GEW-Vorsitzende Neubäcker zeigte sich erfreut, dass die GEW-Wissenschaftskonferenz nach Hessen (2007), Niedersachsen (2008), Baden-Württemberg (2009), Brandenburg (2010) und Schleswig-Holstein (2011) nun nach Bayern gekommen sei, und berichtete, auf welch großes Interesse die GEW-Initative für den Traumjob Wissenschaft an den bayerischen Universitäten stoße.

Kommerzialisierung der Forschung & Verschulung des Studiums

Schließlich skizzierte der Berliner Soziologie-Professor Alex Demirovic in seinem Einführungsvortrag das Spannungsverhältnis zwischen Autonomie und gesellschaftlicher Verantwortung der Wissenschaft, vor dessen Hintergrund sich Hochschulreform in der Demokratie vollziehe. Der Vertreter der Kritischen Theorie in der Tradition der “Frankfurter Schule” machte deutlich, dass die Freiheit von Forschung, Lehre und Studium heute nicht allein von staatlicher Bürokratie, sondern auch von wirtschaftlicher Macht bedroht sei. Er kritisierte die Kommerzialisierung von Forschung und Hochschulbildung sowie die Verschulung des Studiums als eine Folge einer zunehmenden Ökonomisierung der Wissenschaft.

Die GEW-Wissenschaftskonferenz wird heute mit Vorträgen der Berliner Juristin Johanna Künne und der Konstanzer Expertin für Wissenschaftskarrieren Daniela Hrzán fortgesetzt. Sie gehen der Frage auf den Grund, welche Handlungsspielraum Hochschulen schon heute haben, um Karriereperspektiven und Beschäftigungsbedingungen zu verbessern, und welche positiven Ansätze es dafür schon gibt. Anschließend soll aus der Perspektive einer Mittelbausprecherin (Wiebke Esdar, Universität Bielefeld), einer Vizepräsidentin für Personal (Marina Frost, Humboldt-Universität zu Berlin), einer Gleichstellungsbeauftragten (Sahra Damus, Universität Viadrina Frankfurt/Oder) und einer Personalratsvorsitzenden (Bernadette Stolle, Fachhochschule Südwestfalen) ausgelotet werden, wie hochschulpolitische Akteure vor Ort an einer Universität oder Fachhochschule für berechenbare Berufsperspektiven und faire Beschäftigungsbedingungen sorgen können.

Dr. Andreas Keller

 

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Templiner Manifest-Newsletter
+ GEW-Newsletter Hochschule und Forschung
06.09.2012 – Vom Templiner Manifest zum Herrschinger Kodex
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Ausgewählte eigene Beiträge zum Thema Hochschulpolitik.

* Berufsverbot für Wissenschaftler
vom 16. August 2012
Bitte Platz machen für den neuen wissenschaftlichen Nachwuchs. Aufruf eines Journalisten.

* Die Umgehung der Zwölf-Jahres-Regelung
vom 23. November 2011
Darf ich als Gastdozent weiter forschen und lehren? Personalpolitik im Alltag.

und weitere.

 

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Markus Dahlem forscht seit über 20 Jahren über Migräne, hat Gastpositionen an der HU Berlin und am Massachusetts General Hospital. Außerdem ist er Geschäftsführer und Mitgründer des Berliner eHealth-Startup Newsenselab, das die Migräne- und Kopfschmerz-App M-sense entwickelt.

2 Kommentare

  1. Wie ich an den Link zum Kommentar komme.

    Dies ist ein Kommentar, auf den ich verweisen will. Dazu brauche ich den Link (die URL).

    Die bekomme ich so:

  2. Links zum Kommentaren

    Auf der Startseite https://scilogs.spektrum.de/ befindet sich eine Liste mit Links zu aktuellen Kommentaren (für meinen Geschmack zu wenige und es würde reichen nur den jeweils neuesten zu einem Blog-Post zu nennen). Leider funktionieren die dort angegebenen Links zu solchen Kommentaren nicht, die sich ab der zweiten Seite eines Blog-Posts befinden. Beispiel:

    06.09. 23:41 • von Dr. Wolfgang Engelhardt in RELATIV EINFACH
    @Chrys 06.09.2012, 12:47
    Eine tolle Idee! Ich bewundere Ihren Einfallsreichtum. Wenn ich also den Abstand zur Sonne wissen will, weil ich ihr Graviationspotential – G M/r auf…
    » weiter

    Als Link ist dort https://scilogs.spektrum.de/wblogs/index.php?op=ViewArticle&articleId=3098&blogId=14#comment-41725 angegeben.

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