Phyllosilikate auf Jupitermond Europa entdeckt

BLOG: Go for Launch

Raumfahrt aus der Froschperspektive
Go for Launch

Wenn eine Raumfahrtmission zuendegeht, hinterlässt sie einen Riesenschatz. Bei jeder Mission ist dieser Schatz größer. Es handelt sich dabei um das Wichtigste und Wertvollste, das es geben kann, nämlich Wissen. Das Wissen muss allerdings noch geborgen und aufbereutet werden, denn zunächst liegt es nur als endlose Menge von Bits und Bytes vor, den wissenschaftlichen Daten, die die Experimente geliefert, die Raumsonden zu Erde gefunkt und die Projekte in Datenbanken geparkt haben, aus denen sie im Laufe der Zeit hervorgeholt und untersucht werden. Manche sofort, manche später, manche erst nach sehr langer Zeit … und manche vielleicht nie.

Manches Wissen verbirgt sich wie bei einem Palimpsest unter einer Schicht leichter zugänglicher Information. Es wird erst bei genaueren Nachuntersuchungen gefunden, beispielsweise unter Nuitzung neuer Analyseverfahren, die zunächst nicht verfügrbar waren, oder unter Zuhilfenahme erweiterten Wissens, das erst später vorlag, manchmal gar durch Zufall. Ein Wissenschaftler trifft einen Kumpel auf einer Konferenz und sagt, während sich diue beiden ein Bierchen einpfeifen: “Du hör mal, wir haben an der und der Stelle auf dem Mars XYZ gefunden, und eine ähnliche Struktur habe ich auch auf Bildern des Titans gesehen, sollte man da nicht auch mal gucken, ob ….”

Der Datenberg nimmt exponentiell zu, Typischerweise erbringt eine neue, große Forschungsmission so viele Daten wie sämtliche bisherigen Missionen zuvor. Nicht nur die räumliche, auch die zeitliche oder spektrale Auflösung, je nach Datentyp, kann mit moderner Experimenthardware gesteigert werden, neue Speichermedien erlauben die Haltung größerer Datenmengen an Bord und höhere Sendefrequenzen erhöhen die Datenübertragungsraten zu Erde. Die Geschwindigkeit und Effizienz der wissenschaftlichen Verarbeitung nimmt allerdings nicht in gleichem Maße zu … die in die Wissenschaft investierten Mittel stagnieren sogar oder nehmen ab. Die Folge ist ein gigantischer Rückstau. Wer weiß, welche Sensationen bereits registriert wurden, aber noch der Entdeckung harren. Sensationen, die unser wissenschaftliches Weltbild verändern könnten, die aber unter einem Berg an Daten verschüttet bleiben.

Überlagerung von NIMS-Daten auf einer Aufnahme des Jupitermonds Europa. Phyllosilikathaltige Ablagerungen erscheinen violett, Wassereis rot. Quelle: NASA/JPL-CalTech/SETI

In dem im nahen Infrarot gemachten Bildmaterial (Ich nehme an, es handelt sich nicht allein um Bilder, sondern um Daten des Abbildenen Nah-Infrarot-Spektrometers NIMS), das die Jupitersonde Galileo 1998, also vor 15 Jahren, bei einem Vorbeiflug am Jupitermond Europa machte, konnte mittels neuer Berarbeitungsverfahren ein Ring von phyllosilikathaltigem Auswurfmaterial um einen Einschlagkrater ausgemacht werden (NASA-PM dazu). Phyllosilikate umfassen auch Tonminerale, die organische Verbindungen tragen können. Werden auf dem Mars Phyllosilikatablagerungen gefunden, horchen immer gleich alle auf. Dort sind sie ein Anzeichen für die Verwitterung von Silikaten unter Mitwirkung flüssigen Wassers.

Die Existenz flüssigen Wassers auf Europa als von unten vulkanisch beheizter Ozean unter einem Eispanzer ist ein gängiges Modell für das Innere dieses Mondes. Insofern wäre die Existenz hydrierter Minerale auf Europa jetzt auch keine gar so ungewöhnliche Entdeckung. NASA-Pressemitteilungen sind dafür bekannt, dass sie erst einmal viel Getöse machen, aber wenn man genauer nachliest, stellt man oft fest, dass eher Spekulation anstelle gesicherten Wissens oder Hinweise anstelle von Beweisen vorliegen und dass am Ende gar nicht so sehr das als dramatisch zu sehen ist, was tatsächlich entdeckt wurde, sondern eher das, was daraus folgen könnte, aber keineswegs folgen muss. Auch hier könnte so ein Fall vorliegen. Die spektrale Auflösung von NIMS war eher gering, und die energische Bildbearbeitung von Material geringer Qualität könnte zwar ein fast im Rauschen verborgenes Signal zum Vorschein bringen – es könnte aber auch Artefakte produzieren, die die Interpretation erschweren.

Dunkle Ablagerungen entlang von Rillen im Eispanzer auf Europa, Quelle: NASAJPL/University of Arizona/University of Colorado
Dunkle Ablagerungen entlang von Rillen im Eispanzer auf Europa, Quelle: NASAJPL/University of Arizona/University of Colorado

Dass ein großer Einschlag in die Eiskruste grundsätzlich auch mineralhaltiges Material an die Oberfläche befördern kann, kann zwar durchaus aus der jetzt gemachten Beobachtung gefolgert werden. Das allein wird aber niemanden wirklich erstaunen, zumal bereits in anderem Bildmaterial dunkleres Material entlang von Bruchnähten im Eispanzer gesehen wurde. Interessanter wäre es, wenn die Zusammensetzung des Auswurfmaterials festgestellt und auch das Vorhandensein organischer Materie bestätigt werden könnte. Das aber ist hier sicher nicht der Fall, denn eine solche Neuigkeit hätte man ganz sicher bereits unüberhörbar hinausposaunt.

Europa bleibt nach wie vor auf der Liste der potenziell habitablen Körper im Sonnensystem, wahrscheinlich sogar an erster Stelle. Potenziell habitabel ist aber nicht dasselbe wie tatsächlich lebensfreundlich oder gar belebt. Hier wird wahrscheinlich erst eine weitere Miussion mit moderner Instrumentierung Klarheit schaffen, die in eine niedrige Bahn um Europa eingeschossen wird eine eine globale Erforschung über einen längeren Zeitraum hinweg durchführt, idealerweise sogar unter Absetzung einer Landesonde für die In-Situ-Erforschung.

Das Europa-Clipper-Konzept des NASA-Zentrums JPL wäre ein Schritt in diese Richtung, aber immer noch kein Europa-Orbiter.

Dieses Paper detailliert das wissenschaftliche Interesse an einer Europa-Landermission. dass aber eine solche Mission wissenschaftlich hochinteressant wäre, bezweifelt keiner. Nur ist die Feststellung des wissenschaftlichen Interesses nicht dasselbe wie ein konkreter, finanzierter Missionsplan.

Die ESA wird im kommenden Jahrzehnt die Mission JUICE zum Jupitersystem schicken. Diese hat zwar eher die Monde Galileo und Callisto zum Ziel, beinhaltet aber auch zwei niedrige Europa-Vorbeiflüge in nur 300-400 km Abstand von der Oberfläche. Lange nicht dasselbe wie ein Orbiter, aber immerhin doch die Anwendung neuer Technologie.

                                                                                                         

Und jetzt ein anderes Thema, nicht die Suche nach möglichem Leben, aber doch die mögliche Rettung eines Lebens:

Wer im Raum Darmstadt lebt und bereit ist, sich registrieren zu lassen und im Fall der Eignung für ein an Myelodyplasie erkranktes 8-jähriges Kind Stammzellen zu spenden, den bitte ich darum, sich diese Webseite durchzulesen bzw. diesen Aufruf (als PDF). Vielen Dank. Vielleicht sehen wir uns ja am 22.12. in der Lichtenbergschule bei der Registrierung.

Avatar-Foto

Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

4 Kommentare

  1. Der Mars-Reconnaissance Orbiter kann tatsächlich nicht alle empfangenen Daten zur Erde zurück übermitteln. Höchste Zeit für die optische Kommunikation von Satelliten mit der Erde (über Laser).
    Mit dem Europa-Clipper Satelliten könnten immerhin 32 Nahvobeiflüge an Europa absolviert werden.

    Ich habe aber gesamthaft den Eindruck, jede der Missionen zu den Planeten und ihren Moden sei wieder eine Mission für sich, eine Art Unikat. Ideal fände ich dagegen ein systematisches Surveying mit einer Reihe von baugleichen Satelliten, die sich nur vom Zielort unterscheiden. Man könnte und sollte also um jeden Planeten und jeden Mond in unserem Sonnensystem Orbiter kreisen lassen und diese sollten alle 5 bis 10 Jahre durch bessere Versionen mit Kameras höherer Auflösung abgelöst werden. All die Beobachtungssatelliten würden dann sicher Hinweise für zukünftige Planeten- und Mondlander geben.

    • Das mit den Nahvorbeiflügen ist allerdings schon etwas mit einem Körnchen Salz zu nehmen. Zum einen liegen zwischen zwei aufeinander folgenden Vorbeiflügen, und damit zwischen zwischen zwei Science-Opportunities, mehrere Wochen, anfangs sogar Monate, von JOI bis Ganymed 1 sogar 6 Monate. Zum anderen ist es nicht so einfach, die Apsidenlinie oder die Bahnneigung so zu drehen, wie man will. Die Monde sind aber bekanntlich alle in genundener Rotation. Das heißt, was man aus den 42 Vorbeiflügen (32 an Europa und 10 an Ganymed) am Ende wirklich herauszieht, ist alles andere als eine globale Charakterisierung. Das hier ist die bis jetzt gewonnenene Titan-Karte von Cassini. Global geht anders – dabei sind die jetzt schon 9.5 Jahre im Orbit und haben Titan 97 Mal (Siebenundneunzig) überflogen.

      Zum detaillierten Studienbericht des Europa-Clipper geht es hier, dort ab Seite C-60.

      So eine Multi-Swingby-Mission ist der ideale Schritt nach dem Durchflug durch das Jupitersystem. Galileo war der logische Schritt nach Voyager. Jetzt aber ist der nächste Schritt fällig, und das wäre ein Europaorbiter. Ein Galileo reloaded, das wäre ein

  2. Phyllosilikate auf Europa: Eine typische Nasa-News-Meldung hat man den Eindruck. Zwar noch nicht ganz so spektakulär wie die Mikroorganismen, welche Arsen anstatt Phosphor verstoffwechseln oder den Methan-Kreislauf auf dem Mars, aber doch Neugier und Hoffnungen erweckend.
    Dabei vermisse ich bei den Nasa aber auch bei den Esa-Missionen Visionen und Ziele. Ziele sollten die systematische Ausweitung des Wissens und der Fähigkeiten sein. ein Moon-Shot wäre also nötig. Solch ein Moon-Shot-Programm wäre beispielsweise die systematische Kartierung sämtlicher Planeten und Mondoberflächen in verschiedenen Spektralbereichen mit einer Auflösung von mindestens 1 m (Venus ausgenommen).

Schreibe einen Kommentar