Lüge und Wahrheit

BLOG: Go for Launch

Raumfahrt aus der Froschperspektive
Go for Launch

Parabelflüge, die zweite. Bereits vor vier Jahren habe ich zu diesem Thema geschrieben. Eigentlich habe ich dort schon Alles gesagt – es ist inzwischen nichts geschehen, was meine Meinung geändert hätte. DasThema ist aber offenbar immer noch nicht ganz ausgelutscht. Erst gestern schrieb eine Mitbloggerin einen (erstaunlich unkritischen) Artikel, in dem Jeff Grearson, CEO der Firma XCOR Aerospace zitiert wird.

XCOR ist eine der diversen Upstarts, deren Geschäftsmodell darin bestehen wird, einem Flugzeug eine kleine Rakete in den Hintern zu stecken, damit es senkrecht nach oben fliegen kann, bis in 100 km Höhe, wo die Atmosphäre so dünn ist, dass dort schon ein Satellit fliegen könnte. Das Flugzeug soll es genau bis dorthin schaffen, dann hat es keinen Schwung mehr, bleibt stehen und fällt dann, erst langsam und dann immer schneller, zur Erde zurück, bis es in dichteren Luftschichten ankommt, wo seine Flügel wieder Auftrieb produzieren. Das Ganze dauert nicht länger als ein paar Minuten.

Das ist nichts weiter als ein Parabelflug. Gut, also eigentlich ist es ein elliptischer Flug, aber die elliptische Flugbahn ist so dünn und langgezogen, dass sie aussieht wie ein Strich. Ihr Perigäum liegt weit, weit unter der Erdoberfläche. Es liegt in der Nähe des Erdmittelpunkts. Ihr Apogäum liegt dagegen besagte 100 oder vielleicht noch ein paar mehr km oberhalb der Erdoberfläche.

Letzteres ist von großer Bedeutung für das Geschäftsmodell von Firmen wie XCOR, denn die verkaufen ihr Produkt natürlich nicht als Parabelflug. Dafür würde kaum einer Hunderttausend Dollar oder mehr hinlegen. Nein, sie verkaufen es als Raumfahrt, wenn auch oft garniert mit dem Adjektiv “suborbital”. Das klingt doch gleich viel besser, oder? Da zückt man doch gern die dicke Brieftasche.

Aber Jeff Grearson ist, zumindest so wie Frau Schwabe ihn zitiert, nicht zufrieden. Angeblich berichtet die Presse zu negativ über sein Produkt und würdigt es nicht als die Pioniertat, die Herr Grearson darin sieht.

Das wundert mich nun schon. Die Presse? Die bejubelt doch mehrheitlich die Parabelflüge als “Raumfahrt” und plappert unkritisch alles nach, was die PR-Abteilung der betreffenden Unternehmen ihnen vortextet. Wo bitte ist denn mal eine kritische Analyse des angebotenen Produkts “suborbitaler Raumflug” zu finden?

Raumfahrt ist der geschickte Umgang mit Energie. Um minimale Raumfahrt zu betreiben, also im niedrigen Erdorbit, gerade außerhalb der Atmosphäre, ist schon ein erheblicher Energieaufwand unumgänglich. Die Energie eines Raumfahrzeugs im niedrigen Orbit besteht zu etwa 97% aus Bewegungsenergie und zu nur 3% aus potenzieller Energie. Das heißt, das Ding aus der Atmosphäre herauszuheben, ist nur 3% des Problems. Wenn es dort still steht – und das ist bei diesen Parabelflügen der Fall – ist seine Bewegungsenergie Null. Die Parabelflieger schenken sich also eben mal so glatt 97% des Problems.

Sie schenken es sich sogar zwei Mal. Energie verschwindet ja nicht einfach, ebenso wenig, wie sie aus dem Nichts gezaubert werden kann. Sie wird von einer Form in die andere umgesetzt. Beim Start ins Orbit braucht man eine Maschine (üblicherweise eine Rakete), die gewaltige Energiemengen umsetzt, was oft genug schief geht. Wenn man aber, wie bei bemannter Raumfahrt eigentlich immer – zurück zur Erde will, dann muss man die orbitale Energie wieder loswerden. Zum großen Teil wird sie durch atmosphärische Reibung beim Wiedereintritt dissipiert. Die Schwierigkeit liegt darin, zu verhindern, dass man dabei die Insassen grillt.

Wohl dem, der nicht mehr als nur Parabelflüge will. Der hat schon mal beim Aufstieg kein Problem. Er braucht ja nicht die ganze orbitale Energie, sondern es reichen die schlappen 3%, die reichen, um die Kiste auf Höhe zu bringen. Und da man von vorneherein wenig Energie ‘reingesteckt hat, ist auch der Wiedereintritt unproblematisch, da relativ langsam.

Parabelflüge sind nun mal eben keine Raumfahrt. Sie sind allenfalls eine Art geschickter Etikettenschwindel. Man lässt alles weg, was wirklich schwierig und gefährlich ist. Aber warum bitte sollte dann am Ende die technische Lösung, die ausreicht, um dieses Drei-Prozent-Problem zu lösen, ein Schritt hin zur wirklichen bemannten Raumfahrt sein? Mal ganz abgesehen von der allgemein bekannten Tatsache, dass wirkliche bemannte Raumfahrt bereits Stand der Technik ist, und das schon seit Längerem – es ist nicht so, dass es da erst noch der Pioniertaten der Parabelflieger bedarf.

An der Stelle kommt gern das Argument mit den “early adopters”, also den Zeitgenossen, die bereit sind, viel Geld zu zahlen, um eine Technologie im Anfangsstadium zu nutzen. Allerdings ist nicht alles, was hinkt, ein Vergleich.

Dank den “early adopters” steht Kapital zur Verfügung, um die Technologie weiter zu entwickeln, so dass sie allen zugänglich wird. “Early adopters” kaufen für viel Geld die ersten CD-, DVD- oder BluRay-Player, die zwei Jahre später einen Bruchteil kosten. Bei vielen Technologien, wie bei der Luftfahrt, gehen “early adopters” auch ein erhebliches persönliches Risiko ein, aber dank ihres Einsatzes wird die Technologie massentauglich.

Nun gut, das galt in der Luftfahrt. Aber Flugzeuge in den 1920ern waren Flugzeuge und Flugzeuge von heute sind immer noch Flugzeuge, wenn auch sicherer, komfortabler, leistungsfähiger und größer. Aber ein Parabelfluggerät ist kein kleines, frühes Raumschiff. Es ist ein Flugzeug, und der Einsatz eines “early adopters” macht daraus kein Raumschiff, egal, wie wortgewaltig man das Gegenteil behauptet.

Und nun zu den Wissenschaftlern, die Experimente in der Schwerelosigkeit durchführen wollen. Einige brauchen nur einige Sekunden Schwerelosigkeit. Dafür reicht ein Fallturm. Müssen es einige Minuten sein, kann man heute schon eine kleine Rakete mieten, die einen Parabelflug durchführt. Genau das könnte auch XCOR Aerospace anbieten, oder Virgin Galactic oder wer auch immer suborbitale Flüge durchführen will. Ist ja auch nicht schlecht und vielleicht sogar nützlich, falls es bei solchen Experimenten wirklich des Piloten bedarf. Aber es ist keine Raumfahrt.

Wer langdauernde Schwerelosigkeit braucht, der wird keine suborbitalen Flüge, sondern echte Raumfahrt brauchen. In der ISS ist die Durchführung eines Experiments eine Sache, die viel Geld und lange Wartezeiten erfordert. Das wird XCOR Aerospace aber nicht ändern, denn deren Produkt bedient nicht diesen Markt. Da geht es um ein ganz anderes Problem, nämlich dass es heute viel zu teuer ist, Nutzlasten ins Orbit zu transportieren. Ferner gibt es zu wenig Laborkapazität und deutlich zu wenig Flexibilität in deren Zuteilung.

Hier wird sich etwas ändern müssen, aber wie kann denn jemand daran etwas ändern, der von vorneherein darauf verzichtet, die tatsächlichen Probleme der orbitalen Raumfahrt anzugehen?

Eins stimmt: Die kommenden Jahre werden interessant. Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel. Das erdnahe Orbit wird – endlich – für kommerzielle bemannte Aktivitäten erschlossen. Das verdanken wir aber nicht Firmen wie XCOR oder Virgin. Da sind vielmehr Namen wie SpaceX, Bigelow und Boeing zu nennen, also eben nicht Unternehmen, die sich auf den bloßen Anschein der Raumfahrt kaprizieren, sondern solche, die das wirkliche Problem angehen.

Natürlich sollte man sich keiner Illusion hingeben. Bis auf Weiteres wird die Raumfahrt etwas für gut Betuchte bleiben. Aber hier reden wir von wirklichen “early adopters” und von Technologien, die eines Tages Allen zur Verfügung stehen werden. Es handelt sich um Technologien, deren Sinn man erkennen kann. Das ist mehr, als man von dem bloßen senkrecht-nach-oben-fliegen-und-nach-unten-plumpsen behaupten kann. Darauf, was diese “suborbitale Raumfahrt” eigentlich soll, gibt Jeff Grearson keine Antwort – was auch eigentlich keinen verwundern sollte.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

58 Kommentare

  1. @Jan

    Es gibt natürlich immer eine Grauzone. Shepards Flug war sicher dichter an einem tatsächlichen orbitalen Flug, allemal, wenn man die thermischen Belastungen der Kapsel beim Wiedereintritt betrachtet.

    Man ist bei der ganzen Sache sehr schnell weg aus dem Bereich, der mit einem umgebauten Flugzeug zu machen ist, und sehr schnell in dem Bereich, zu dem man ein Raumschiff braucht. Eben deswegen ist diese Parabelfliegerei ja eine Sackgasse – in der Praxis wollen die Leute ja nicht dort landen, wo sie abgeflogen sind.

  2. Volle Zustimmung (mit Ausnahme der Medienschelte, das sehe ich – naturgemäß – etwas differenzierter).

    Es gibt noch einen weiteren großen Unterschied zwischen dem, was Weltraumtouristiker heute machen und der von ihnen gern ins Feld geführten Analogie zum Aufblühen der Luftfahrt: Die ersten Transatlantikflüge für Passagiere waren in den 30er Jahren tatsächlich etwas völlig Neues, die heutigen suborbitalen Späßchen sind dagegen nur ein aufgewärmter Ansatz aus den 50er und 60er Jahren, der von der Nasa mit X-15 ausprobiert und dann aus guten Gründen abgelegt worden ist. Sicherlich lässt sich das mit heutiger Technik besser und billiger machen, die versprochene Revolution der Luft- und Raumfahrtbranche sehe ich trotzdem nicht.

    Aber aus Neugier noch eine ganz andere Frage: Gibt es wirklich zu wenig Laborkapazitäten im Orbit? Ich höre, besonders aus den USA, nur immer, dass die Nachfrage überschaubar ist und dass vor allem die erhoffte anwendungsnahe Forschung fast komplett ausgeblieben ist?

  3. Schöner als Wahrheit ist funding

    XCor’s Jeff Greason ist jedenfalls sein Geld Wert: XCOR Aerospace gets another $5 million in funding

    Jeff Greason, Founder and CEO of XCOR noted, “I believe we were able to raise funds in these trying economic times because XCOR has demonstrated compelling value to investors and customers. Our $60-plus Million backlog of orders for Lynx suborbital vehicles, flights on Lynx, and our unique reusable non-toxic rocket engines gives the investor community reason to take notice.”

  4. Weltraum

    Danke für die Antwort. Es ist auf alle Fälle interessant, die gegenteilige Meinung zu der auf dieser Konferenz vorherrschenden zu hören.

    Verblüffend finde ich aber die Diskussion darüber, ob es sich bei Suborbitalflügen um Flüge in den Weltraum handelt. Dessen Grenze ist klar definiert: 100 km Höhe – und das wollen die Suborbitalflüge erreichen. Dass das etwas anderes ist, als in den Orbit zu kommen, bestreitet ja niemand.

  5. Forschung auf der ISS

    Gibt es wirklich zu wenig Laborkapazitäten im Orbit? Ich höre, besonders aus den USA, nur immer, dass die Nachfrage überschaubar ist und dass vor allem die erhoffte anwendungsnahe Forschung fast komplett ausgeblieben ist?

    Also laut Bernd Leitenberger gibt es auf der ISS mehr Forschungskapazitäten, als Personal auf ihr Station zur Verfügung steht:

    Die Forschung selbst geschieht auf der ISS in lediglich drei Labormodulen. Eines von den USA, eines von Japan und eines von Europa. Ursprünglich waren noch ein weiteres US-Modul und eine variable Anzahl von russischen Labormodulen geplant. Finanzielle Kürzungen führten aber zu einer Beschränkung auf nur ein US-Modul. Jedes Modul bietet voll bestückt genügend Arbeit für zwei bis drei Astronauten, sodass schon die verbleibenden drei Module heute nicht voll ausgelastet werden.

    Quelle: http://www.bernd-leitenberger.de/…gsmodule.shtml

  6. @Mierk Schwabe

    Ich verstehe meine Rolle als Wissenschaftsblogger so, dass ich mein Fachwissen einsetze, um das, was in der Öffentlichkeit behauptet wird, kritisch zu hinterfragen. Manchmal stoße ich dabei auf Ungereimtheiten, wie im gegebenen Fall oder unlängst auch hier. Idealerweise stelle ich dabei auch Fragen, die anderswo nicht gestellt wurden. Manchmal komme ich auch zu dem Schluss, dass mein Zweifel unbegründet ist. Dann bin ich trotzdem froh, noch einmal nachgerechnet zu haben.

    Ich habe ja meine Meinung ausführlich begründet und fürchte mich nicht vor dem Nachrechnen. Wenn jemand mir nicht zustimmt, habe ich gar nichts dagegen, aber über einen begründeten Widerspruch freue ich mich.

    Mich verblüfft, wieso gerade Projekte, bei denen ausdrücklich alles unternommen wird, um die größten zwei der untrennbar mit der Raumfahrt verbundenen Schwierigkeiten gleich von vorneherein außen vor zu lassen, immer wieder öffentlich als Vorstufe für den Schritt ins Orbit bezeichnet werden.

    Wo ist da die Logik? Wenn man die Schwierigkeiten ausdrücklich nicht angeht, kann man sie doch auch nicht lösen.

    Ferner verblüfft mich, dass den Projekten, die ausdrücklich gar nicht Raumfahrt anstreben, so viel Publizität zuteil wird, denen, die aber bereits an der kommerziellen Nutzung des erdnahen Weltraums arbeiten, so wenig. Das will mir nun gar nicht in den Kopf.

  7. In den USA …

    … scheint dieses Blog zumindest in Palo Alto auf der NSRC nicht gelesen zu werden, wie aus diesem enthusiastischen Fazit eines Teilnehmers hervorgeht. 🙂 Die Frage mit dem Nachschub an Projekten sieht er allerdings auch: “it will be fascinating to see how that develops”. Aber der Mix aus reinen Spaß-Passagieren – Virgin Galactic hat knapp 500 feste Buchungen – und Nützlichem macht’s ja vielleicht.

  8. @ Hans

    Zitieren läßt sich innerhalb von

    <blockquote> Zitat </blockquote>

    Ich habe es entsprechend geändert.

  9. Presse @Michael Khan

    Sie kritisieren auf Mierk Schwabes Blog den von mir verlinkten Artikel auf format.at und schrieben hier an Frau Schwabe: “Ferner verblüfft mich, dass den Projekten, die ausdrücklich gar nicht Raumfahrt anstreben, so viel Publizität zuteil wird, denen, die aber bereits an der kommerziellen Nutzung des erdnahen Weltraums arbeiten, so wenig. Das will mir nun gar nicht in den Kopf.”

    Was Sie hier beanstanden ist sicher richtig, wobei ich als Laiin (ein grausames Wort) den verlinkten Artikel gar nicht so schlecht fand, gibt er doch eine gewisse Aufbruchsstimmung wieder, die sicherlich auch der klassischen Raumfahrt neuen Auftrieb geben wird und darüber kann man doch froh sein oder?

    Was natürlich nicht ausschließen sollte, “dass ich mein Fachwissen einsetze, um das, was in der Öffentlichkeit behauptet wird, kritisch zu hinterfragen.” wie Sie schrieben. Darum liest man ja auch Ihre Posts und nicht nur das was in der Zeitung steht. 😉

  10. @Alexander Stirn

    Der Hauptunterschied zwischen diesen suborbitalen Touristikflügen und dem frühen Luftverkehr ist, dass der frühe Luftverkehr die Antwort auf einen objektiv bestehenden Bedarf, nämlich dem Bedarf an schnellem Transport über lange Strecken, darstellte. Menschen und Güter mussten über große Strecken transportiert werden, die Frage war damals nur, wie.

    Suborbitale Flüge machen aber etwas, was objektiv gesehen keiner braucht, selbst wen es subjektiv gesehen viele vielleicht wollen. Es hat keinen wirklichen Wert, wenn man einmal hoch und dann wieder runter will. Klar, es macht Spaß, aber das ist eine deutlich schwächere Motivation als ein objektiver Bedarf.

    Ein durch einen subjektiver Bedarf befeuerter Markt kann vollkommen zusammenbrechen, wenn der erste tödliche Unfall geschieht.

    Was die Experimentkapazität auf der ISS angeht, hätte ich einen anderen Begriff verwenden sollen. Ich meine nicht allein den Platz, der für Experimente zur Verfügung steht.

    Ich meine eher ein Ensemble von Fragen wie:

    – Wie vielseitig ist das auf der ISS bereitgestellte Experimentierumnfeld?
    – Wie “rein” ist denn die dort vorherrschende Mikrogravitation?
    – Wie gut ist das Personal an Bord geschult, wie viel Zeit können sie sich für mein Experiment nehmen und wieviel Eingriffsmöglichkeit hat der Experiment-Inhaber vom Boden aus?
    – Wie lange dauert es, bis ich mein Experiment endlich oben habe, wie viele Randbedingungen muss ich einhalten und was bekomme ich wieder zurück?

    Ich fürchte, dass die Bilanz da nicht sehr rosig für die ISS aussieht. Ich glaube allerdings nicht, dass das grundsätzlich nicht besser ginge. Bei der Auslegung der ISS stand der wissenschaftliche Nutzwert leider nicht an wirklich hoher Stelle.

  11. @Daniel Fischer

    Alan Stern sagt:

    We’re moving from an era of limited access to space using very expensive vehicles (Atlas V, space shuttle) to almost unlimited access with much more affordable systems. Multple companies will be providing regular access to space using different technological approaches that will give the system true redundancy.

    Ich sage:

    Die kommenden Jahre werden interessant. Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel. Das erdnahe Orbit wird – endlich – für kommerzielle bemannte Aktivitäten erschlossen.

    Ich sehe da keinerlei Widerspruch.

  12. Haltet die suborbitale Raumfahrt in Ehre

    Nach den strengen Regeln der “reinen Lehre” hat sicher Michael recht, nach den eher weichen Faktoren von Mierk eben sie. Ich selber würde mich eher in Mierks Kategorie einreihen, denn wie immer man das Ding jetzt bezeichnet: suborbitale Raumfahrt, suborbitale Parabelflüge oder auch nur Parabelflüge, es ist zu einem sehr großen Teil nicht nur die Technik, die mich anspricht, sondern das Faszinosum an sich. Hier ist mir Deine Sicht, Michael, ein wenig zu verknappt.

    Am Ende mögen es – absolut gesehen – nur drei oder vier Prozent des Energieaufwandes sein, den die “Suborbis” in ihre Flüge reinstecken müssen. Und sie können sich tatsächlich um die meisten Probleme weitgehend “herumdrücken”. Keine Lebenserhaltungssysteme, fast kein Thermalschutz, vergleichsweise simple Antriebstechnik mit grottigen spezifischen Impulsen, kaum Probleme mit der Strukturmechanik, praktisch keine Energiesysteme die über eine simple APU und ein paar Batterien hinausgehen und vieles mehr.

    Aber für die eher emotional definierten Raumfahrer wie mich (und vielleicht Mierk), aber auch für Ingenieure und überraschend viele Wissenschaftler ist die “suborbitale Raumfahrt” (ich nenn sie jetzt mal weiter so) ein tolles Experimentierfeld, auf dem man nicht nur mit einem Bruchteil des Energieaufwandes, sondern auch mit einem Bruchteil der Kosten zu Ergebnissen kommt, für die man sonst eben “wirkliche” Raumflüge bräuchte.

    Und als “Ergebnis” sehe ich durchaus auch, dass der Weltraum für jedermann zugänglich wird (na gut, für “jedermann” der oder die sich auch einen Porsche leisten kann). Es sind viele Elemente eines “wirklichen” Raumflugs drin. Vorbereitung, Startbeschleunigung, Schwerelosigkeit, Blick auf die Schwärze des Weltraums und die Krümmung des Erdradius, Bremsverzögerung, Landung.

    4.000 Kilometer pro Stunde (und soviel Anlauf muss man hier auch nehmen und am Ende wieder vernichten) sind auch nicht von Pappe. Und 100 Kilometer Höhe oder mehr sind es auch nicht. Da haben wir halt den Weltraum hindefiniert. Dass so was kleine Unternehmen stemmen (Masten und Armadillo beschäftigen 10-12 Leute, bei XCOR sind es weniger als 50), finde ich wunderbar. Und wenn am Ende dabei rauskommt, dass wissenschaftliche Experimente, von Wissenschaftlern begleitet, zweimal die Woche fliegen können, anstatt einmal nach siebenjähriger Vorbereitungszeit und mit 20mal so hohen Kosten (und man bekommt es in der Regel dann noch nicht mal wieder zurück), dann ist das auch schon was.

    Und ich sehe in der “suborbitalen Raumfahrt” durchaus auch viel technologisches Potential. Derzeit vor allem auf dem Triebwerkssektor, wo aus hoch gezüchteten, stets am Rande der Desintegration laufenden Maschinen alltagstaugliche Geräte mit nur noch mäßigem Gefahrenpotential gemacht werden.

    Die suborbitale Raumfahrt ist der Bereich, in dem es auch jeder (ganz im Gegensatz zur “richtigen Raumfahrt”) akzeptiert, dass es in der Erprobungsphase auch mal Bruch gibt. Da kann noch nach Herzenslust herumgesponnen und probiert werden. In der weitgehend institutionell oder kommerziell geprägten “richtigen Raumfahrt” ist das seit vielen Jahren schon nicht mehr der Fall. Entsprechend niedrig ist das Innovationspotential.

    Kurz und Gut, ich will mein Plädoyer hier beenden: Haltet mir die suborbitale Raumfahrt in Ehren. Die macht Spaß und hat Potential.

    Wenn ich denn eine Abgrenzung zwischen “richtiger” und “falscher” Raumfahrt machen sollte, dann die, dass seit einiger Zeit jeder Ballonaufstieg, der höher als 5000 Meter geht, schon als “Near Space Mission” bezeichnet wird. “Rocket-Science” sollte es dann schon noch sein.

  13. @Eugen

    Da würde ich den meisten Punkten, die du anmerkst, noch gar nicht einmal widersprechen. gerade fur wissenschaftliche Anwendungen sehe ich bei den suborbitalen Flügen schon noch einiges Potenzial.

    Nicht zustimmen kann ich allerdings bei der Annahme, dass hier auch “technolgisches Potenzial” steckt, wovon die wirkliche raumfahrt profitieren wird. das simple Triebwerk auf Space Ship Two, ein Rohr aus Brennstoffmasse, in das der Oxidator aus Stickoxid eingesprüht wird, ist doch gerade deswegen so einfach, weil eben relativ webig Schub gebracht wird, um das zu machen, was die damit vorhaben. Im Gegensatz zu orbitaler Raumfahrt, wo man nun einmal einen um zwi Größenordnungen höheren Energiedurchsatz zwimgend braucht.

    Und jetzt sind wir bei einem ernsten Thema. Obwohl das Triebwerk ja auf Anhieb so simpel und überschaubar und damit inhärent sicher erscheint, ist es den betreibern bei Bodentests um die Ohren geflogen, wobei drei Menschen getötet wurden – was offenbar überhaupt nicht erwartet wurde.

    Wer weiß denn, was noch alles passieren wird, wenn erst einmal der Betrieb aufgenommen sein wird? Die Firmen mit ihrer Handvoll Mitarbeiter können nun mal nicht so viel testen und simulieren, wie es in der kommerziellen Fliegerei üblich ist.

    Was ist denn beispielsweise, wenn bei Space Ship Two im Flug das Triebwerk explodiert? Oder wenn sich eins der großen Fenster ins Vakuum bei 100 km Flughöhe verabschiedet? Oder wenn die beim Wiedereintritt pneumatisch nach oben geklappten Flügel nicht wieder in Fluglage gebracht werden könen? Oder wenn es einen Haarriss im Rumpf gibt, aus dem die Luft entweicht?

    In allen diesen Fällen wird das nicht nur den unweigerlichen Tod aller Insassen bedeuten, sondern es könnte auch das schnelle Ende aller beteiligten Firmen einläuten. Dieser Aspekt wird in jeglicher Berichterstattung einfach nur ausgeblendet.

  14. @Martin Holzherr

    Der von Ihnen verlinkten Pressemitteilung entnehme ich Folgendes:

    XCOR Aerospace announced today that it recently closed a $5 million round of equity funding. The round, combined with cash on hand plus anticipated and existing contracts, should fund the company through production of its Lynx Mark I Suborbital vehicle.

    Wie soll man den das auffassen? Heißt das, denen fehlten die 5 Millionen, um den Lynx zu bauen, und jetzt, wo sie das Geld haben, kann es weiter gehen? Daher die Verzögerung von zwei Jahren?

    Falls ja: Na, das ist ja wirklich ein Projekt, dem ich bedenkenlos mein Leben anvetrauen würde.

  15. @Michael Khan

    Beim technologischem Potential meine ich hier nicht die “performance-getriebene” Auslegung der “richtigen” Raumfahrt: Für immer noch mehr Geld immer kleinere Prozentzahlen zusätzlicher Leistung aus immer leichteren und exotischeren Materialien und Betriebsstoffen zu wringen. Was die suborbitalen, einfach aufgrund der Tatsache, dass sie so klein und gering finanziert sind, schon der Not gehorchend machen müssen ist die operationellen und finanziellen Aspekte ganz in den Vordergrund zu stellen.

    Ihre Produkte müssen simpel, robust und zuverlässig sein. Es müssen “communalities” hergestellt werden, so wie – um bei Deinem Beispiel zu bleiben – beim Treibsatz von Sierra Nevada (die Explosion seinerzeit ereignete sich übrigens nicht bei einem Triebwerkstest, den würde ich eher als bedauerlichen Industrieunfall einordnen). Dieser Hybrid-Motor wird für das suborbitale SpaceShipTwo und für den orbital eingesetzten Dream Chaser ziemlich genau derselbe sein. Beim “Dream Chaser” für Orbit-Insertion und das Retro-Manöver am Ende der Mission, und für SpaceShipTwo als Hauptantrieb. In beiden Fällen braucht es nicht High-Performance zu sein. Es muss nur gut und solide und preiswert funktionieren und operationell “easy” sein.

    Was den möglichen “Unfall mit Todesfolge” eines suborbitalen Raumfahrzeugs betrifft: Das wird mit unausweichlicher Sicherheit passieren. Wahrscheinlich schon ziemlich am Anfang der Flüge. Anders als in der institutionellen “richtigen” bemannten Raumfahrt wird es aber bei den Suborbitalen eine ganze Anzahl sehr unterschiedlicher Systeme geben. Wenn eines “gegrounded” ist, aus welchen Gründen auch immer, wird das andere weiter fliegen können.

    Und dann gibt es noch den Aspekt der anderen öffentlichen Wahrnehmung. Für die Öffentlichkeit werden es bei den “suborbitalen” weitgehend Privatleute sein die da fliegen und nicht zu Helden hochstilisierte “Celebrities”. Wenn von den Privatleuten einer verünglückt, dann ist das sein persönliches Bier und “shit happens”. Bei den “richtigen” Astronauten ist es eine nationale Katastrophe, die – wie jedes Mal – “nie wieder” passieren darf, mit der Folge, dass gebetsmühlenartig die bemannte Raumfahrt an sich in Frage gestellt wird.

    Und schließlich wird – in den USA – auch die Gesetzgebung dahingehend ausgelegt, den experimentellen Charakter der suborbitalen Raumfahrt zumindest in den ersten Jahren (das entsprechende Gesetz, ich hab’s grade nicht zur Hand, wurde kürzlich verlängert) als solchen zu akzeptieren. Was in der Praxis bedeutet, dass mit “Liability cross waivern” gearbeitet wird. Jeder trägt seinen Schaden und gut ists. Ein tödlicher Unfall wird dann die neue Industrie als Ganze nicht gefährden.

  16. @Mona: das Lambertproblem

    In einem anderen Kommentar habe ich unter Bezug auf den von Ihnen verlinkten Artikel der Zeitschrift “Format” behauptet, dass ein Langstreckenflug in ganz kurzer Zeit zu Anforderungen führt, die von denen der orbitalen Raumfahrt nicht zu unterscheiden sind. Deswegen ist auch nicht damit zu rechnen, dass die suborbitalen Flieger jemals dort hinkommen werden. Vielmehr sind solche Anwendungen im Prinzip nur Varianten dessen, was die orbitalen Raumflieger üblicherweise machen werden.

    Das mathematische Problem, dass man zu lösen hat, wenn man zwei Punkte hat, die mit einer elliptischen Bahn verbunden werden sollen, und zusätzlich die Transferdauer, nennt man das Lambertproblem. Damit bekommt man allerdings nur einen theoretischen Wert für die Bahn.

    In der Realität wird alles etwas länger dauern, weil man ja erst noch von der Erdoberfläche weg muss, mit der Anfangsgeschwindigkeit Null, und weil man nachher nach dem Wiedereintritt wieder sanft landen will. Also sollte man auf die theoretische Flugzeit nochmals so 10 Minuten für die Startphase und 20 Minuten für die Landephase drauflegen.

    Ein Rechenbeispiel:

    Die Reise soll vom Startort zu den Antipoden gehen, also über einen Winkel von 180 Grad hinweg. Ich gebe eine theoretische Flugzeit von 2800 Sekunden vor, das wären 47 Minuten, plus eine halbe Stunde für Start und Lnadung, macht 77 Minuten, also in etwa die 1h 20 min, die im Format-Artikel für den “Flug nach Australien” erwähnt wurden.

    Die Lösung des Lambertproblems ist, dass die Flugbahn eine Ellipse mit einer Apogäumshöhe von 500 km ist. Die Abfluggeschwindigkeit, auf die das Vehikel beschleunigt werden muss, ist 7.85 km/s, und das ist auch die Eintrittsgeschwindigkeit. 7.85 km/s, das sind 28260 km/h.

    Dieser Wert ist fast genau derselbe wie der für einen Start ins niedrige Erdorbit. Man braucht also genau dieselbe Art von Rakete und genau dieselbe Art von Hitzeschild.

    Das andere Beispiel dort war ein Flug von London nach New York. Der ginge über einen Winkel von etwa 53 Grad. Wenn ich da mal 1000 Sekunden theoretische Flugzeit annehme, kriege ich auch eine Bahn mit einem Apogäum von 500 km und einer Abflug- und Ankunftsgeschwindigkeit von 6,64 km/s, also auch schon fast 24000 km/h. Nicht deutlich weniger als bei orbitaler Raumfahrt. Da ist allenfalls der Hitzeschild etwas weniger gefordert.

    Also: Mit einem “Raketenflugzeug” wie denen, die die Parabelflieger bauen, ist so etwas gar nicht zu machen. Das ist vollkommen undenkbar. Das ist Raumfahrt, und dafür braucht man ein Raumschiff. Wie dazu die folgende Aussage im “Format”-Artikel passt, weiß ich leider nicht:

    Diese Flüge wären nicht nur unglaublich schnell, sondern würden weniger Energie benötigen als heutige Interkontinentalflüge

    Damit zitieren die Journalisten zwar einen angeblichen Experten, aber eine Aussage dieser Art sollte man vielleicht auch mal verifizieren.

    Ebenso die später gemachte Aussage, die Falcon 9 verwende ein besonders sparsames Triebwerk. Haarsträubender Unsinn.

  17. @Eugen: Zu den Folgen eines Unfalls

    Erstens: Wenn es wirklich einen Grad von Kommonalität gibt, kann es sehr wohl sein, dass ein Problem bei einem gleich die anderen betrifft.

    Zweitens: Der Betrieb kann nur dann weiter gehen, wenn es auch Kunden gibt. Im Moment wird das Problem Sicherheit komplett ausgeblendet. Wann liest man davon? Dieses Problem ist aber in der Realität sehr präsent. Die Hersteller sparen ja nicht nur im Design, sie sparen notgedrungen, wo es geht. Die Konsequenz ist ein ein System, das keine Redundanz und kein wirkliches Auffangen selbst augenfälliger Problemquellen bietet. Der Weltraum ist aber, selbst wenn diese Suborbitalflieger nach Kräften allen Problemen aus dem Weg gehen, “an unforgiving environment”. Wer beispielsweise viele große Fenster vorsieht, obwohl draußen ein Vakuum ist, und drinnen die Leute im Overall sitzen, der fordert die Katastrophe geradezu heraus. Wenn es dann kracht – und es wird krachen – dann setzt sich keiner mehr in so ein Ding, wenn er nicht muss… und es muss keiner. Das ist ja hier das Problem, anders als bei wirklichen Transportmitteln.

    Drittens: Waiver? Wenn wirklich ein Flieger mit sechs Millionären drin, betrieben von einer US-Gesellschaft, gebaut von einer US-Gesellschaft und gestartet von US-Territorium, aufgrund eines technischen Fehlers oder Design-Problems Bruch macht, dann wird es eine gewaltige, teure und medienwirksame Schlacht vor Gericht geben. Wenn nicht beim ersten Unfall, dann beim zweiten.

    Viertens: Der Kundenstamm wird allein schon deswegen beschränkt sein, weil die wirklich Reichen ihr Geld wohl eher für die in absehbarer Zeit zu erwartenden orbitalen Reisemöglichkeiten anspringen werden, verglichen mit denen die Parabelfliegerei nur wie ein schwacher Aufguss erscheinen.

  18. Sicherheit

    “Zweitens: Der Betrieb kann nur dann weiter gehen, wenn es auch Kunden gibt. Im Moment wird das Problem Sicherheit komplett ausgeblendet. Wann liest man davon? Dieses Problem ist aber in der Realität sehr präsent. “

    Auf der Konferenz wurde immer wieder erwähnt, dass es keine Flüge geben soll, bevor diese nicht ‘sicher’ sind. Was nun sicher ist, ist natürlich eine gute Frage. Ich denke, es ist allen klar, dass diese Flüge vor allem am Anfang alles andere als vollkommen sicher sein werden. Sogar Greason hat das in seiner Rede ja gesagt – diejenigen, die diese Firmen finanzieren, um selbst zu fliegen, setzen ihr Leben aufs Spiel.

    Ich bezweifle aber, dass der erste Unfall der Todesstoß für die gesamte Branche sein wird. Einerseits, so zynisch wie das ist – es bringt Publicity. Ich war auch in einem Vortrag von Seth Shostak mit dem Titel “Everybody’s an astronaut!” Da wurden tödliche Unfälle als eine der drei Möglichkeiten aufgeführt, das Interesse der Allgemeinheit zu wecken: der erste sein, ein Rennen veranstalten, oder dabei sterben.

    Auch wenn man ihn vermeiden will – es erwarten alle so einen Unfall. Wenn er dann kommt, wird mit dem typisch amerikanischen Pathos den Helden gedacht und der Fortschritt beschworen werden und dann weitergemacht.

  19. @Astra

    Und dann gibt es noch den Aspekt der anderen öffentlichen Wahrnehmung. Für die Öffentlichkeit werden es bei den “suborbitalen” weitgehend Privatleute sein die da fliegen und nicht zu Helden hochstilisierte “Celebrities”. Wenn von den Privatleuten einer verünglückt, dann ist das sein persönliches Bier und “shit happens”.

    Das sehe ich genau andersherum: Wer sieht, wie Sonja Rohde und der erste deutsche “Lynx”-Kunde bereit jetzt von den Medien hochgeschrieben werden, kann erahnen, was bei den ersten suborbitalen Touristenflügen los sein wird. Das wird sich mit der Zeit sicherlich etwas legen, aber beim ersten Unfall ist trotzdem der Teufel los. Und im Zweifelsfall interessieren sich die Medien mehr für den Normalmenschen als für Astronauten, deren Job es in der öffentlichen Wahrnehmung ist, ihr Leben zu riskieren. Das war damals bei Christa McAuliffe und “Challenger” ja nicht anders.

    Wenn man mit den Leuten aus dem Umfeld der Touristenflieger spricht, merkt man übrigens, dass denen sehr wohl bewusst ist, dass es Unfälle geben wird. Sie versuchen das nur so wenig wie möglich zu thematisieren, genauso wie die Liability-Frage möglichst durch lautlose Lobbyarbeit geklärt werden sollte.
    Die Waiver werden ihnen aber nicht helfen, da bin ich ganz bei Michael Khan: Beim ersten schweren Unfall wird der Spaß-Markt zunächst einmal kollabieren. Die Firmen sind aber (vielleicht mit Ausnahme von Virgin) so klein, dass sie – anders als z.B. heutige Kreuzfahrtanbieter – längere Durststrecken nicht durchstehen können.

  20. @Mierk Schwabe: Sicherheit

    Sicherheit ist immer nur ein relativer Begriff. Das weiß jeder Beteiligte. Folgendes sagt dazu einer, der es wissen muss, nämlich Rutan, der Knstrukteur des “Space Ship Two” in einem Interview mit Business Week (ab Seite 3):

    “This is designed to be at least as safe as the early airliners in the 1920s. Don’t believe anyone that tells you that the safety will be the same as a modern airliner, which has been around for 70 years.”

    Wenn jeder, der sein Ticket in der Tasche hat, sich darüber im Klaren ist, was das bedeutet, dann ist es ja gut.

  21. Passagiere

    “Der Weltraum ist aber, selbst wenn diese Suborbitalflieger nach Kräften allen Problemen aus dem Weg gehen, “an unforgiving environment”.”

    Wäre interessant zu wissen, welche Art von Menschen diese Flüge buchen wollen. Ich nehme an, dass das Leute sind die extreme Erlebnisse suchen und einen Flow erleben wollen. Da wäre es vielleicht gar nicht erwünscht, dass der Weltraum eine ungefährliche Umgebung wäre, denn dann könnte man ja gleich daheim bleiben. Ich könnte mir eher vorstellen, es sind die gleichen Typen, die sich auch für Extremsportarten oder ähnliches begeistern. Solche Risikosucher sind sich aber in der Regel der Gefahr bewusst, denn sie dient ja dazu gewisse außergewöhnliche Emotionszustände zu empfinden. Insofern wird nach dem ersten schweren Unfall nicht gleich der ganze Hype zusammenbrechen, allenfalls der reine “Spaß-Markt”. Allerdings finde ich es schon mehr als zynisch, wenn in einem Vortrag tödliche Unfälle als eine der drei Möglichkeiten aufgeführt werden, das Interesse der Allgemeinheit zu wecken, wie Mierk Schwabe schrieb.

  22. Was kostet denn das?

    Hallo, danke für den wie immer unprätentiösen, sachlichen Artikel. Eine Frage beschäftigt mich aber schon länger, und das ist jene nach dem Preis des Treibstoffs einer Rakete.

    Man hörte immer unglaubliche Summen, die jeder Start eines Space-Shuttles verschlang, und ich wollte schon immer wissen, wie groß der Anteil der Treibstoffkosten an diesen ungeheuren Summen ist.

    Also, wissen Sie, wieviel einmal “Volltanken” bei einem Spaceshuttle kostet? Vielen Dank im Voraus.

    [Antwort: Ich weiß nicht, wieviel die reinen Materialkosten für LH, LOX und Festbrennstoff beim Space Shuttle liegen (um das es hier ja auch gar nicht geht), aber man kann getrost davon ausgehen, dass dieser Kostenfaktor
    nur einen sehr kleinen Anteil der Gesamtkosten ausmacht. Viel wesentlicher sind die Personalkosten für Herstellung, Qualitätskontrolle und im Fall des Festbrennstoffs, Einbau. MK]

  23. @Mona

    Die Liste der gebuchten Passagiere bei den unterschiedlichen Unternehmen ist meines Wissens nicht publik, außer bei denen, die das wollen. Man findet einige Unterlisten im Web, beispielsweise hier. Manche davon mögen waschechte Gefahrensucher sein, andere wohl eher nicht .. die Nummer 55 auf der Liste, beispielsweise. Als besonderer Nervenkitzel wird so ein Flug doch aber eigentlich nie verkauft – oder irre ich mich?

    Gerade Virgin Galactic reitet lang und breit auf der Sicherheit herum, allerdings müssen bei denen die Passagiere keinen Druckanzug tragen und brauchen sich auch in der Freiflugphase nicht anzuschnallen. Das ist bei den Mitbewerbern XCOR Aerospace anders, auch bei Armadillo Aerospace. letztere wollen eine senkrecht startende und landende Rakete einsetzen.

    Man vergleiche das mal mit Nervenkitzel-Anbietern wie Extrembergtour-Firmen. Die würden nie schreiben, dass das alles ganz sicher ist und gar nichts passieren kann. Die würden allerdings auch nie einen übergewichtigen Senior wie William Shatner zur Mitreise einladen, wie Branson das tat.

    Ein anderes Thema: Gestern war die rupes recta (lange Wand) auf dem Mond wunderbar zu sehen.

  24. Sicherheit & Treibstoffkosten

    Meine Bedenken bezüglich der Sicherheit des Ganzen gehen eher in die Richtung, dass sich Unfälle mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits in der Testphase ereignen werden. Bei Masten, Armadillo und Blue Origin hat es ja schon einiges von der – unbemannten – Hardware im Flug zerlegt. Bei relativ preisgünstigen Subscale-Prototypen macht das nicht viel, außer dass der Return of Investment-Punkt nach rechts geschoben wird.

    Wenn es in der bemannten Testphase passiert, kann das aber schon (neben dem Personenschaden) gleich das Ausscheiden aus dem Markt bedeuten. Bei Scaled Composites hat da ja schon bei einem der letzten Gleitflugtests der Sensenmann mal kurz durchs Fenster geguckt.

    Was die Treibstoffpreise betrifft: Am billigsten unter den derzeit gängigen Treibstoffen ist die Kombination Flüssiger Sauerstoff und Kerosin. Die Füllung einer Falcon 9 kostet etwa 200.000 Dollar. Bei Missionskosten von mindestens 50 Millionen also ein verschwindend geringer Anteil.

    Teurer ist es bei flüssigem Sauerstoff und flüssigem Wasserstoff. Die Stoffe selbst sind billig, aber die Infrastruktur für kryogene Treibstoffe schlägt hier zu Buche. Aber auch hier sind die Treibstoffkosten bei unter einem Prozent des Startpreises.

    Wesentlich teurer ist das bei Raketen, die Hydrazin als Treibstoff verwenden. Bei einer Proton M dürfte das mit 5-7 Millionen Euro zu Buche schlagen, das sind etwa 8-10 Prozent der Missionskosten. Dagegen ist der flüssige Sauerstoff vergleichsweise fast umsonst, der dürfte etwa 100.000 € für diesen Träger kosten.

    Richtig teuer sind die Treibstoffe in großen Feststoffboostern. Schon wegen der enormen Mengen, die man davon braucht. 70 % des Gesamtgewichts einer Ariane 5 sind in den Boostern konzentriert, die gerade mal die ersten beiden Flugminuten im Einsatz sind. Die sollte man auf jeden Fall vermeiden, wenn man private orbitale Raumfahrt betreiben will.

  25. @Astra

    Vielen Dank für die Auflistung der Zahlen zu den Treibstoffkosten.

    Es ist wahrscheinlich beliebig schwierig, die reinen Materialkosten von denen des Aufwands in der ganzen Produktionskette bis hin zur Befüllung der Rakete zu trennen. Gerade bei hochgefährlichen Stoffen wie Hydrazin.

    Der Oxidator in allen drei Stufe der Proton M sowie (wenn es weiter gehen soll als nur ins LEO) bei deren Oberstufe Briz M ist allerdings nicht Sauerstoff, sondern NTO, der wahrscheinlich ebenso hohen Aufwand in der gesamten Verarbeitungskette erfordert wie der Brennstoff Hydrazin (bzw. UDMH). Vor allem müssen diese beiden Stoffe peinlich genau voneinander ferngehalten werden.

    Der Vorgänger aller Raketenflugzeuge der Art, wie sie für die suborbitale Fliegerein vorgesehen werden, ist die Messerschmitt 163 Komet. Deren Betriebsstoffe waren auch hypergol, der Brennstoff (C-Stoff) ein Gemisch aus Methanol und Hydrazin, der Oxidator (T-Stoff) im Wesentlichen Wasserstoffperoxid. Traf irgendwo in einem Rohr, einem Schlauch oder der Kleidung von Personal das eine auf einen Rest des anderen, ging gleich alles hoch. Echtes Teufelszeug, vollkommen ungeeignet für bemannte Vehikel.

    Ich hatte gar nicht mitgekriegt, dass die Startkosten der Falcon 9 schon bei 50 Millionen angelangt sind. Mal sehen, ob am Ende die Startkosten ins LEO überhaupt nenenswert gesenkt werden können.

    Was die Verwendung von Festbrennstoffen angeht, so ist deren Verwendung in staatlich alimentierten Raketen vielleicht eher vor einem volkswirtschaftlichen als einem betriebswirtschaftlichen Hintergrund zu sehen: Den Herstellern militärischer Feststoffraketen soll so ein weiterer Absatzmarkt geschaffen werden.

  26. Zum anderen Thema @Michael Khan

    “Gestern war die rupes recta (lange Wand) auf dem Mond wunderbar zu sehen.”

    Haben Sie davon Fotos gemacht, die man hier anschauen kann? Bei uns war es leider bewölkt. Außerdem gibt mein Fernglas nicht so viel her und die Sternwarte hat nur einmal in der Woche geöffnet. Bei einem weiteren Besuch dort konnte ich einige entfernte Galaxien (M 81 und M 82), den Jupiter und die Plejaden beobachten. Naja, vielleicht klappt es mit der langen Wand doch nochmal. Ich bleibe jedenfalls dran, denn “die Welt da draußen” gefällt mir.

    [Antwort: Ja, ich habe Bilder gemacht, mit denen ich aber alles andere als zufrieden bin. Ich werde sie dennoch bald hier posten, mit einer Erklärung, was schief gegangen ist und wie man es besser machen kann. MK]

  27. @Khan

    Mir ist klar, dass die hier dargestellte Grenze zwischen Raumfahrt und Parabelflug relativ scharf ist. Wenn man das aber energetisch vergleicht ist es doch fließender.
    Meine Vorstellung:
    Die Parabelflieger werden versuchen die Zeit in der Schwerelosigkeit immer weiter zu verlängern. Also immer mehr Energie reinstecken. Das werden die machen solange die ihre Entwicklungsschritte refinanzieren können. Es ist völlig klar, dass die irgendwann eine grundlegend neue Entwicklungsschiene brauchen. Wenn die dann an dem Punkt angekommen sind, haben sie aber einige wichtige Punkte erreicht:
    1. Erhöhte Akzeptanz und Glaubhaftigkeit beim Fundraising
    2. kapitalbringendes Nebengeschäft
    3. Kapital
    4. unkritische Technologien vorbereitet, die zwar vergleichsweise harmlos sind, aber dennoch erstmal etabliert und finanziert werden müssen

    Das danach noch ein Haufen Arbeit auf sie wartet, ist klar, aber sie stehen an dem Punkt besser da, als aus heutiger Sicht.

  28. Copenhaguen Suborbitals

    Hallo,

    Natürlich sollte man sich keiner Illusion hingeben. Bis auf Weiteres wird die Raumfahrt etwas für gut Betuchte bleiben.

    Es gibt zwei Dänen, die auch gerne mal in den Weltraum fliegen würden. Da sie keine finanziellen Mittel dafür haben, haben sie sich vorgenommen, einfach mal selbst eine Rakete zu bauen. Sie haben das Ziel, sich selbst in einem Suborbital-Flug in einer Ein-Mann-Kapsel an die Grenze des Weltraums zu befördern.

    http://en.wikipedia.org/…/Copenhagen_Suborbitals

    Ich muss sagen, mich begeistert die Idee, und ich wünsche ihnen, dass es klappt.

    Warum? Weil sie damit zeigen würden, dass es für einen Normalsterblichen mit genügend Enthusiasmus und Ehrgeiz möglich ist, an die Grenze des Weltraums zu gelangen, auch wenn man nicht zu den gut Betuchten gehört.
    Offenbar begeistern sie mit der Idee auch andere, inzwischen haben sie eine größer werdende Community um sich geschart.

    Die zwei wesentlichen Unterschiede zu den kommerziellen Anbietern sehe ich darin, dass sie nicht versuchen, damit Geld zu verdienen, d.h. sie müssen nicht auf Return on Investment achten. Dafür stehten ihnen allerdings auch weniger Mittel zur Verfügung. Und es ist ihr eigenes Leben, das auf dem Spiel steht, wenn etwas schief gehen sollte.

    Nun möchte ich Michael fragen, ob es von technischer Seite her realistisch ist, so etwas im “Eigenbau” mit geringen Mitteln und in einem überschaubaren Zeitrahmen hinzubekommen? Kann so etwas funktionieren? Oder gibt man sich im Glauben daran doch nur einer Illusion hin?

    Viele Grüße,
    Marius

  29. @Marius: Copenhagen Suborbital

    Vielen Dank für den Link zum Artikel über die dänischen Enthusiasten. Ach ja, Copenhagen Suborbital, das sind die mit der Rakete und der Kapsel obendrauf, in der ein Mann stehend ins All geschossen wird.

    Also erstens: Volle Punktzahl für die Coolheit. Gar keine Frage. Ebenso gefällt mir die “Just do it!”-Mentalität. Davon brauchen wir viel mehr in Europa.

    Nun zur Technik.

    Ich habe natürlich keine Detailkenntnisse über deren Projekt, außer dem, was im Web erhältlich ist. Auf den ersten Blick sieht mir das alles machbar aus.

    Als problemträchtig erachte ich (mit allen Vorbehalten wegen möglicher Unwissenheit meinerseits) zwei Bereiche, aber nicht den der ausreichend schubstarken Rakete, wie man vielleicht denken könnte. Dort scheinen die Jungs wirklich schon einigen Fortschritt gemacht zu haben, trotz aller Widrigkeiten wie geklauter Ventile. Wenn ich das richtig sehe, sind die jetzt nach einigem Herumexperimentieren bei Polyurethan als Brennstoff mit LOX als Oxidator angelangt.

    1.) Regelungstechnik. Die Stabilität des Raketenaufstiegs soll, wenn die Beschreibung bei Wikipedia noch aktuell ist, mit “Rollerons” sichergestellt werden, durch den Luftstrom angetriebene Drallräder. Ich bin mir nicht sicher, dass dieser Ansatz, der sicher den Charme konkurrenzloser Einfachheit hat, wirklich zuverlässig auch bis Brennschluss in wahrscheinlich schon recht großer Höhe und entsprechend niedriger Luftdichte funktioniert. Hinzu kommt ja die ganz erhebliche Schwerpunktwanderung nach oben gegen Brennschluss sowie die Wanderung des Momentenangriffspunkts beim Übergang zum Überschallflug sowie mögliche aerodynamische Instabilität im transsonischen Bereich.

    Gut, das werden die bei den weiteren Tests ja sehen.

    2.) Sicherheit. Da haben die jetzt noch ein erhebliches Problem, beispielsweise mit nicht funktionierenden Fallschirmen. Das werden sie hoffentlich in den Griff kriegen, bevor es an bemannte Flüge geht. Auch die Frage, ob die stehende Position des Insassen, die durch die Aerodynamik diktiert ist, bei der Landung nicht problematisch werden kann,
    erscheint mir erst einmal als … gestellt.

    Sicher kann man das alles lösen, aber die Frage ist, ob man es auch billig lösen kann. Ich hoffe aber, dass es ihnen gelingt, zur Not halt mit einem Sponsor.

    Wenn man mich allerdings fragen würde, ob ich da mitfliegen würde, dann müsste ich wahrscheinlich passen.

  30. @Khan -Treibstoff & Copenhagen Suborbita

    Michael: Zur Proton M: Klar, hatte ich übersehen. Die Proton fliegt über alle Stufen inklusive Breeze mit NTO als Oxidator. Der ist jetzt zwar erheblich billiger als Hydrazin kostet aber doch schon wieder ein Mehrfaches von flüssigem Sauerstoff.

    Zu Copenhagen Suborbital: Da gibt es eine interessante Betrachtung von Kristian von Bengtson, einem der Mitgründer der Firma: http://bit.ly/x0hvEo zur Risikofrage und das hier http://www.wired.com/…-panels-and-seat-in-place/ macht mir fast den Eindruck, als bekäme Dänemarks erster Astronaut am Ende doch noch einen Sitzplatz.

  31. @Anton Maier: Langsam hin zum Orbit?

    Der Entwicklungsweg, den sie da aufzeigen, würde ja ganz sinnvoll erscheinen – wären wir jetzt in einer Zeit, wo der orbitale Flug erst noch bevorsteht.

    Aber es ist doch so – und das scheint in der Debatte unterzugehen – dass bemannte orbitale Flüge bereits beherrschte Technik sind. Selbst kleine Startup-Firmen sind schon fast so weit. Der SpaceX-Dragon wird schon bald bemannt fliegen. Vielleicht sogar früher als einige der Parabelflieger soweit sind, ihre Flüge kommerziell anzubieten.

    Das ist doch wohl die Zukunft und nicht die kleine Nische, in der sich die suborbitalen Flieger zu etablieren suchen.

  32. Ein Bericht von der Konferenz

    Als 35. Kommentar (wow …) ein Link zu einem Bericht von der Tagung der Suborbitler, von einem m.E. den ‘new space’ recht durch durchblickenden Berichterstatter: “as multiple companies, with differing technical approaches, each demonstrate progress towards suborbital spaceflight, the era of routine, reliable, low-cost suborbital space access may finally soon really be within reach.”

  33. @Daniel Fischer

    Vielen Dank für den Link zum Bericht von Jeff Foust. Das war ja mal wirklich aufschlussreich. Von einigen der Mitbewerber hatte ich noch gar nichts gehört, zum Beispiel “Masten Space Systems”.

    Allein die Aussicht, Neil Armstrong live erleben zu können, wäre für mich ein hinreichender Grund gewesen, an der Konferenz teilzunehmen. Armstrong hat überzeugend die vielfach gemachte Behauptung widerlegt, nach der das, was die Suborbitalflieger machen (wollen), mit geringem Aufwand das wiederholt, was damals mit hohem Aufwand von Höchstgeschwindigkeitsflugzeugen wie der X-15 erreicht wurde. Stimmt nicht – wie so vieles von den Behauptungen um die suborbitale “Raumfahrt”.

    Auch diese Aussage ist interessant:

    Virgin Galactic vice president Will Pomerantz said dedicated research flights of SS2 could carry up to 600 kilograms of experiments, as well as a Virgin mission specialist to monitor the experiments during the flight.

    Wenn also Wissenschaftler sich Hoffungen gemacht haben, dass sie es selbst sein werden, die ihre Experimente auf Suborbitalflügen betreuen, dann scheint diese Hoffnung zumindest bei Virgin Galactic unbegründet zu sein.

    Dem Fazit, dass, während die Suborbitalflieger sich langsam zu ihrem Ziel hangeln, ganz andere Leute die wirkliche Wende in der Raumfahrt bewerkstelligen, kann ich nur zustimmen. Wir werden mal in 5, 6 Jahren sehen, was von dem Allen übrig geblieben sein wird.

  34. @khan

    touché
    ich könnte zwar sagen, dass es nicht um technische pionierarbeit geht, sondern um marktwirtschaftliche pionierarbeit
    (was nicht zu unterschätzen ist, man denke nur an Ford oder den HomePC)
    aber wenn spacex so viel schneller ist und auch ein funktionierendes geschäftsmodell hat
    ist das natürlich super 🙂

  35. Meinen Senf dazu…

    Ich habe gerade den Artikel und die vielen Kommentare gelesen und fühle mich genötigt, auch meinen Senf dazu zu geben…

    Die Frage, ob ein Parabelflug mit 101 km Scheitelhöhe nun Raumfahrt ist oder nicht, ist zunächst mal nur eine Frage von Begriffen (wie so oft bei solchen Diskussionen). Wikipedia definiert Raumfahrt als Reisen oder Transporte in oder durch den Weltraum. Erscheint mir logisch und vernünftig. Akzeptiert man ferner die FAI-Definition von Weltraum mit einer Grenzhöhe von 100 km, dann ist ein Parabelflug mit 101 km Scheitelhöhe zumindest kurzzeitig Raumfahrt. Punkt. Ob das sinnvoll ist oder nicht, ob man es machen sollte oder nicht, ob es was bringt oder nicht (viel Interessantes dazu im Artikel und den Kommentaren), hat damit erst mal nichts zu tun.

    Allerdings ist meiner bescheidenen Meinung nach die Definition von Weltraum mit der 100-km-Grenzhöhe ziemlich daneben. Der Wert kommt daher, dass etwa ab dieser Höhe die Geschwindigkeit eines Flugzeugs zum Erreichen eines ausreichenden aerodynamischen Auftriebs größer als die Orbitalgeschwindigkeit wird. So weit, so gut. Aber der Restdruck in 100 km Höhe ist noch von der gleichen Größenordnung wie der Druck auf der Oberfläche von Pluto (~0.1 Pa) und gilt dort als vollwertige Atmosphäre, ein Satellit in 100 km Höhe würde keinen halben Orbit überstehen, und meines Wissens schmörgelt ein aus dem Orbit wiedereintretendes Objekt in 100 km Höhe schon ziemlich bedenklich. Nicht gerade das, was ich mir unter Weltraum vorstelle. Eine sinnvollere Definition wäre eine Grenzhöhe, bei der ein durchschnittlicher Satellit wenigstens einen kompletten Orbit schafft, also wohl etwa 180 km. Das legt dann auch die Messlatte für einen Parabelflug-Hüpfer deutlich höher.

  36. Räume

    Ich möchte Ihrem Artikel nicht wissenschaftlich erwidern, nicht einmal technisch… ich möchte es, als Weltraum- und Raumfahrtbegeisterte, emotionla tun. Ein Aspekt, der schnell mal unter die Räder gerät bei der Frage, ob das Überqueren der 100km-Grenze nun Raumfahrt ist oder nicht.
    Sie haben sicher recht… wenn ich an einer Führung durch das weiße Haus in Washington teilnehme und das Oval Office betrete, dann bin ich noch lange nicht Präsident. Aber vielleicht war es schlicht mein Traum ein einziges Mal in diesem Büro zu stehen… und der Weg über einen Millionen um Millionen verschlingenden Wahlkampf war mir schlicht verbaut. Vielleicht gibt mein Lebenslauf es nicht her die politische Laufbahn einzuschlagen …und trotzdem will ich einmal in diesem Raum stehen, aus dem Fenster sehen, fühlen, wie das ist. Nicht mehr und keinesfalls weniger.
    Nur darum geht es.
    Die vorherrschende Definition der Grenze zum Weltraum lautet nun mal: 100km über der Erde. Und wenn es mir gelingt sie, auf welche Weise auch immer, zu überqueren – dann war ich im Weltraum. Mehr noch aber habe ich meinen Planeten aus einer Perspektive gesehen, wie ihn nur wenige betrachten dürfen… mit dem Horizont als gebogener Linie, statt dem geraden Strich, als der er auf der Erde daherkommt. Ich habe Ländergrenzen verschmelzen gesehen und einen größeren Blick auf meine Heimat genießen dürfen, einen einzigartigen Blick auf ein einzigartiges Zuhause.
    DAS ist die Sehnsucht, die ich kenne und keine staatliche Raumfahrtagentur kann mir dies ermöglichen… zumindest nicht zu einem halbwegs bezahlbaren Preis.
    Nun sind einige Firmen am Start diese Lücke zu schließen. Sie sind mehr oder weniger gut aufgestellt, mehr oder weniger weit gediehen in ihren Absichten.
    Und sie bilden die Speerspitze einer neuen Entwicklung… Weltraumbesuche nicht als wissenschaftliche Mission für Astronauten – sondern um die Sehnsucht und Träume von Begeisterten zu erfüllen.
    Das mag eine andere Zielsetzung sein, eine schlechtere ist es nicht.
    Raumfahrt leidet unter Ignoranz. Unverständnis. Langweilig, übertechnologisch, teuer… für die meisten Menschen abstrakt, überflüssig. Obwohl ein emotionales Spitzenprodukt generiert Raumfahrt weltweit weniger Fans und Begeisterung als “World of Warcraft”. Eine miese Bilanz.
    Wenn bezahlbares Überschießen der 100km Grenze, der kurze Handschlag mit dem Weltraum, Aufmerksamkeit, Interesse und neue Begeisterung generiert – dann nützt dies der Raumfahrt an sich.
    Abgesehen davon… die jetzige Projekte sind ein Anfang und sie erschaffen neu und breit aufgestelltes Wissen, das vormals staatlichen Agenturen vorbehalten war. NASA hat Verträge mit Virgin Galactic geschlossen über experimentelle Flüge. WhiteKnightTwo ist deutlich überdimensioniert angelegt und mit dem Lifting des jetzigen SpaceShipTwo nahezu unterfordert… durchaus ein Indiz dafür, dass die Absichten nicht beim derzeitigen Planungsstand enden müssen.
    Und deswegen …lasst Menschen in den Weltraum fliegen, lang, kurz, wissenschaftlich, leidenschaftlich – macht es publik, macht Werbung dafür. Keine NASA Mission wird beschädigt dadurch, dass man auch die Privatbestrebungen Raumfahrt nennt. Überhaupt, dass man über die Definition was Raumfahrt ist nun diskutieren kann ist ein großartiges Zeichen. Es bedeutet, dass etwas hinzugekommen. Realismus in der Betrachtung der Möglichkeiten der einzelnen Projekte – ja. Aber keine Ausgrenzung, kein elitärer Agenturgedanke. Eines Tages sind Ausflüge über die 100km vielleicht wie Japanreisen um 1950 – exotisch und selten, aber möglich für fast alle.
    Und was kann es schaden, wenn der Blick auf unseren Planeten und die Prägung, die er emotional hinterläßt verfügbarer werden.

  37. Die Illusion von Raumfahrt @Silvia Rhode

    Auch wenn ich Ihre Überlegungen recht interessant finde, so kann ich Ihnen doch nicht zustimmen. Ich würde daher diese “Parabelflüge” auch nicht mit Raumfahrt gleichsetzen wollen, ganz egal bei welchem Kilometer man die Grenze zieht. Vielleicht bin ich da zu sehr Science-Fiction-Fan, aber ich verbinde mit Raumfahrt bestimmte Ziele, wie die Erforschung fremder Planeten, z.B. dem Mars, oder die Auslotung der Grenzen unseres Sonnensystems, wie dies mit den Pioneer- und Voyager-Sonden gemacht wurde. Natürlich muss man auch die Erdbeobachtung aus dem Weltraum mit dazu nehmen, die für die Klimaforschung interessant sein dürfte.

    Die hier zur Diskussion stehenden Suborbitalflüge sind für mich aber keine “echte” Raumfahrt. Ich würde sie eher als das Produkt einer dekadenten Spaßgesellschaft sehen. Natürlich gönne ich jedem sein “emotionales Spitzenprodukt”, ich gehe selbst ja auch ins Kino oder ins Theater, um mich unterhalten zu lassen, aber trotzdem sollte man dabei die Realität nicht aus den Augen verlieren. Sicher: “Keine NASA Mission wird beschädigt dadurch, dass man auch die Privatbestrebungen Raumfahrt nennt.” Aber trotzdem sollte man es m. E. nicht tun, weil Suborbitalflüge eben nur ein Fake sind, die dazu dienen eine Illusion von echter Raumfahrt zu erschaffen. Freilich ist man da mal kurz im Weltraum und ich verurteile das auch nicht, aber mit “Japanreisen um 1950” würde ich diese Flüge keinesfalls gleichsetzen wollen, denn ein fremdes Land zu erkunden wäre für mich eine echte Erfahrung…

  38. “…denn ein fremdes Land zu erkunden wäre für mich eine echte Erfahrung…”

    Nun… “meinen” Planeten aus über 100km Höhe betrachten zu dürfen mag kürzer sein, als eine Reise in ein fremdes Land – eine echte Erfahrung aber wäre es zweifellos.
    Raumfahrt wird oft mit Forschung, Erforschung gleichgesetzt. Völlig unbestreitbar ist unsere Neugier, unser Wissensdurst und unsere Neigung Grenzen neu zu verschieben wesentlich verantwortlich dafür, dass wir auf unserem Planeten nicht halt machen mit fragen.
    Aber Space-Tourismus nur als Auswuchs einer dekadenten Spaßgesellschaft verstehen zu wollen widerstrebt mir sehr. Ich kann nur für mich sprechen, aber der Wunsch unsere Erde aus dem All zu sehen ist keine exaltierte Luxustendenz, ich will das nicht, weil es schick ist und zur Angabe taugt. Ich will es, weil ich es mir wünsche seit ich sechs Jahre alt war (inzwischen bin ich 42…), weil es Sehnsucht ist, Begeisterung, Traum, Wunsch.
    Ich bin Shuttle affin und Marsverrückt und ich kann gut unterscheiden zwischen zwischen den Missionen der NASA und dem Kratzen am Weltraum. Widerspruch oder Konkurrenz sehe ich nicht. Viel mehr Ergänzung und Möglichkeit. Denn die NASA wird diese lange Sehnsucht von mir sicher nicht erfüllen. Andere Firmen werden es vielleicht können. Und zusätzlich helfen Begeisterung und Beachtung für all das zu schaffen, was wir abseits unseres Planeten auf die Beine stellen können… oder schweben lassen. 😉
    Warum elitär aussortieren wollen was Raumfahrt ist? Warum nominell beschränken was doch Schranken überwindet? Ad astra… wie auch immer. 😉

  39. @Silvia Rhode

    “Warum elitär aussortieren wollen was Raumfahrt ist? Warum nominell beschränken was doch Schranken überwindet?”

    Es geht nicht darum “elitär aussortieren wollen was Raumfahrt ist”, sondern darum, nicht alles in einen Topf zu werfen. Herr Khan hat ja in seinem Artikel bereits auf die technischen Unterschiede zwischen Raumfahrt und Parabelflügen bzw. Suborbitalflügen hingewiesen. Er schreibt: “Parabelflüge sind nun mal eben keine Raumfahrt. Sie sind allenfalls eine Art geschickter Etikettenschwindel.” Ich finde daher, dass man die Begriffe schon auseinanderhalten sollte, auch wenn es dem Space-Tourismus nicht ins Werbekonzept passt. Wem es wirklich nur darum geht, “unsere Erde aus dem All zu sehen”, der braucht dazu doch keine beschönigende Werbung; und Schranken lassen sich viel leichter überwinden, wenn man sich nichts vormacht.

  40. Begriffe, @ Mona und Silvia Rhode

    Darf ich noch einmal wiederholen, was ich oben geschrieben habe: (1) Raumfahrt ist definiert als “Reisen oder Transporte in oder durch den Weltraum.” (2) Weltraum ist (nach FAI = Fédération Aéronautique Internationale, Internationale Aeronautische Vereinigung) definiert als der Bereich jenseits einer Grenzhöhe von 100 km über der Erdoberfläche. Demzufolge ist ein Parabelflug über die 100-km-Grenze eindeutig Raumfahrt. Die Begriffe “Parabelflug” und “Raumfahrt” schließen sich logisch nicht aus, das eine kann eben auch das andere sein, und das Ganze ist völlig frei von jeglicher Wertung rationaler oder emotionaler Art.

  41. @ragger65

    Die von ihnen angegebene Grenzhöhe mag zwar so definiert sein, trotzdem scheint sie mir etwas willkürlich zu sein, da der Übergang zwischen Exosphäre und Weltraum ja kontinuierlich vonstattengeht. Sicher musste man sich da irgendwo auf eine Grenze einigen, aber genau aus diesem Grund sehe ich Parabelflüge, die sich ab der 100-km-Grenze dann Raumfahrt nennen dürfen, nicht als richtige Raumfahrt an. Für die NASA gilt, meines Wissens, eine Höhe von 122 Kilometern als Wiedereintrittspunkt für ihre Raumfahrzeuge.

  42. Grenzhöhe, @ Mona

    Der Übergang zwischen der Exosphäre und dem freien interplanetaren Raum, wo man wirklich nichts mehr von der Erdatmosphäre merkt, liegt jenseits von 10000 km Höhe! Selbst die _Unter_grenze der Exosphäre liegt noch in einer Höhe zwischen etwa 400 und 1000 km (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Exosph%C3%A4re). Würde man einen dieser Werte als Grenze des Weltraums nehmen, gäbe es nicht viel Raumfahrt…

    Die Grenze wird üblicherweise tiefer angesetzt, und somit liegt der untere Teil des Weltraums noch in der Hochatmosphäre der Erde (“erdnaher Weltraum”). Ich stimme Ihnen allerdings zu, dass die FAI-Grenzhöhe von 100 km ein ziemlicher Quatsch ist, und habe das ja auch in meinem Kommentar “Meinen Senf dazu” (14.03.2012, 08:07) dargelegt. So 150-180 km müssten es schon sein, um wirklich eine Umgebung zu haben, die man/frau sich gemeinhin als Weltraum vorstellt (z.B., dass ein Satellit nicht sofort abstürzt). Aber wie dem auch sei, es gibt jedenfalls so etwas wie sub-orbitale Raumfahrt. Sonst wäre ja auch der erste bemannte amerikanische Flug von Alan Shepard im Mai 1961, ein 15-minütiger Hüpfer auf 187 km Höhe, keine Raumfahrt.

  43. @Mona: Entry Interface Point

    Mit dem Wert von 122 km, der oft in NASA-Quellen genannt wird, ist wahrscheinlich der “Entry Interface (Reference) Point” gemeint, der bei manchen NASA Missionen willkürlich auf eine Höhe von 400,000 Fuß gelegt wird. Der EIP ist ein Zielpunkt. Er muss einfach gerade noch hoch genug sein, damit aerodynamische Störungen noch vernachlassigbare Auswirkungen auf die Bahnparemeter haben, allerdings muss er aber auch so tief wie möglich liegen, damit alle anderen Störeinflüsse als die aerodynamischen Kräfte keine Zeit mehr haben, um sich noch auszuwirken.

    Als Anhaltspunkte kann man ansetzen, dass bei Höhen zwischen 110 und 115 km, bei fragilen Objekten vielleicht sogar noch etwas höher, die aerodynamischen Kräfte bereits ausreichen, um Beschädigungen zu verursachen. Unter 110 km beginnt der eintretende Körper abzumontieren und bei 60-80 km zerlegt er sich durch die dann plötzlich anwachsenden thermischen und mechanischen Belastungen. So um die 70 km erwischt es beispielsweise wieder eintretende Raketenstufen.

    Das Ganze hängt stark vom Aufbau des Objekts ab, ebenso von der Bahngeschwindigkeit und dem Eintrittswinkel. Meist geht man von einem flachen Eintritt auf einer sehr niedrigen kreisförmigen Bahn aus.

    Im Studium habe ich gelernt, dass die minimale theoretische Bahnhöhe, bei der ein sehr kompakter Körper (wie eine Kanonenkugel) noch einen kompletten Umlauf schafft, bei rund 87 km liegt. Aber für tatsächliche Raumflugkörper gilt das nicht, die sind nie so kompakt wie eine Kanonenkugel.

    Auch für die suborbitale Fliegerei gilt das alles so nicht, denn die haben ja gerade keine orbitale Geschwindigkeit erreicht, im Gegenteil ihre Geschwindigkeit relativ zur umgebenden Atmosphäre ist am Scheitelpunkt ihrer Bahn nahe Null.

  44. @Silvia Rhode

    Ich würde Ihnen bei keinem einzigen Ihrer Argumente widersprechen wollen, außer bei einem: der impliziten Annahme, dass es sich bei der suborbitalen Raumfahrt um etwas handelt, mit dem es noch irgendwohin weiter gehen kann – außer meinetwegen suborbital bis in 200 km statt 100 km Höhe oder so. Warum das so ist, das lässt sich wiederum nur technisch begründen, da aber wirklich abschließend, aber gut, Sie sprechen die emotionalen Aspekte an, also bleiben wir bei denen.

    Eigentlich ist nur das der Punkt, auf den ich hinauswill. Ich habe doch nichts dagegen, dass auch Privatleuten der – kurze – Blick von sehr hoch oben gewährt wird. Und selbst wenn ich etwas dagegen hätte, würde meine Meinung auf den Verlauf der Dinge keinen Einfluss haben.

    Nur sollte – meine ich – das Ganze einfach auch so verkauft werden, als bewusstes Umgehen der Schwierigkeiten und Risiken der orbitalen Raumfahrt, was den Charme hat, dass dadurch die Kosten sinken, wenn auch nur die Gesamtkosten, nicht die beispielsweise Kosten pro Minute Aufenthalt.

    Es sollte aber nicht so verkauft werden, als würde so Schritt für Schritt der Weg ins Orbit geschaffen, und dann auch noch gleich das Problem der Hyperschallfliegerei zu weit entfernten orten auf der Erde. Solche Behauptungen und Annahmen, wie sie in einigen der Zitiate im Artikel, in Links oder in Kommentaren auftauchen, sind unzutreffend und letztlich Hype.

    Hype funktioniert eine Zeitlang, aber irgendwann nicht mehr, und ich meine, man fährt grundsätzlich besser damit, reinen Wein einzuschenken.

  45. Grenze zum Weltraum @Michael Khan

    In der Praxis gibt es also für jedes Objekt, das in den Weltraum fliegt, eine eigene Grenze. Wobei die suborbitale Fliegerei ja nur ein Hüpfer ist und kein wirklicher Raumflug. Ihren Erklärungen zufolge wäre so ein “Parabellflieger” einer höheren Geschwindigkeit, die man braucht um in eine Erdumlaufbahn einzuschwenken, sowieso nicht gewachsen. Gäbe es da größere Probleme, wenn man die Grenze zum Weltraum weiter oben ansiedeln würde? Die Frage ab wann der Weltraum beginnt beschäftigt mich nämlich schon etwas. Anscheinend ist das überhaupt nicht wissenschaftlich definiert, zumindest fand ich nichts darüber. Da also keiner genau weiß, wo die Unterkante des Weltraums wirklich liegt, hat man sich für die FAI-Grenzhöhe von 100 Kilometern entschieden, die aber, wie in den anderen Kommentaren bereits erwähnt, zu niedrig angesetzt ist. Wo wäre da eine vernünftige Grenze?
    Im Übrigen glaube ich auch, dass der Hype, bezüglich der suborbitalen Fliegerei, bald abflauen wird. Spätestens dann, wenn man solche Projekte bewerkstelligen kann:
    http://derstandard.at/…em-Aufzug-in-den-Weltraum

  46. @Mona

    Das Problem mit der Definition, wann “das Weltall” beginnt ist dasselbe wie bei vielen oder fast allen Definitionen, beispielsweise des Todes, der Pornographie, der Kunst, der Wissenschaft, einer Wüste, eines Planeten usw.: Es gibt am Rand meist eine Grauzone, die die Abgrenzung erschwert.

    Ich wüsste auch nicht, wie man das ändern könnte. Jeder Definitionsvorschlag, mag er auch wohl begründet sein, wird gleich von Anderen mit ebenso guten Argumenten abgelehnt werden. Das haben wir doch bei der endlosen Debatte gesehen, was man Planet nennen darf und was nur Zwergplanet.

    Sie haben völlig Recht mit der Annahme, dass mit Verfügbarkeit eines Weltraumfahrstuhls weitreichende Auswirkungen haben wird. Da wird sich wirklich alles ändern, mit der Verlagerung diverser wissenschaftlicher, wirtschaftlicher und touristischer Aktivitäten in das gar nicht erdnahe Weltall.

    Ganz nebenbei wird auch das Energieproblem der Menschheit gelöst, wenn mittels eines Weltraumfahrstuhls ein geostationärer Ring von Solarkraftwerken erstellt werden kann.

    Aber mit der Verfügbarkeit der Werkstoffe, die dazu notwendig sein, also wahrscheinlich CNT in großen Längen, wird sich auch im Alltagsleben eine ganze Menge ändern, Autos, Brücken, Flugzeuge, Drucktanks, Treppen, Möbel – das wird ganz anders aussehen, wenn so ein Werkstoff allgemein verfügbar wird.

    Ob nun der Weltraumfahrstuhl kommt oder nicht – CNT kommen bestimmt in anbsehbarer Zukunft.

  47. @Michael Khan

    Sie schrieben: “Es gibt am Rand meist eine Grauzone, die die Abgrenzung erschwert.”

    Auf dem Blog von Bernd Leitenberger las ich: “Es ist nicht so einfach zu definieren wo der Weltraum beginnt. Die gängigste Definition ist aber, das die Atmosphäre dort so dünn ist, das sie keine kosmischen Strahlen mehr ausfiltern kann.”
    http://www.bernd-leitenberger.de/…trekorde.shtml

    Das beinhaltet aber wieder keine exakte Grenze, da der Übergang ja fließend ist. Anscheinend lässt sich diese Frage nicht wirklich beantworten, da haben Sie recht.
    http://www.aviation4u.de/school/erde.htm

    Noch etwas: Ihr Blogartikel, der unter die “Wissenschaftsblog-Auslese 2011” kam, hat mir sehr gut gefallen. Die Mischung aus Technik und persönlicher Geschichte finde ich recht gelungen.

  48. I know it when I see it

    Der amerikanische Supreme-Court-Richter Potter Stewart umging mit der Bemerkung “I know it when I see it” die Schwierigkeit, etwas schwer Abgrenzbares präzise definieren zu müssen, in diesem Fall Pornographie.

    Ja, es ist immer etwas Subjektives darin. Manche mögen sich damit be- oder vergnügen, die willkürliche Festlegung des Beginns des Weltalls wörtlich zu nehmen und damit jeden noch so kleinen Vorstoss jenseits dieser Grenze als Weltraumfahrt zu definieren.

    Formal haben alle Recht, die das so handhaben.

    Dieselben Leute werden es dann sicher auch als Ozeanfahrt bezeichnen, wenn einer mit seinem Kajak ein Stück jenseits der Mole rudert und dann schleunigst wieder in den sicheren Hafen zurückkehrt. Formal ist das gewiss eine Ozeanfahrt, denn da ist einer auf dem Ozean gefahren.

    Ich meine halt, man erkennt auch die Raumfahrt, wenn man sie sieht. Raumfahrt ist es genau dann, wenn die technischen Probleme angegangen und gelöst worden sind, die Weltraumfahrt zwingend mit sich bringt.

    Gagarins Flug war Raumfahrt, da gibt es keinen Zweifel. Was ist nun mit Shepards Flug? Zugegeben, der ist grenzwertig. Da muss man also den “I know it when I see it”-Joker ziehen.

    Shepards Raumschiff war gebaut und geeignet für einen Weltraumflug. Es war unzweifelhaft ein Raumschiff. Das Problem mit Shepards Flug war, dass die Atlas-Rakete noch nicht (ganz) fertig war. Also musste man die kleinere Redstone nehmen, und die schaffte halt nur den suborbitalen Lupfer, allerdings schon in einer Bahn deutlich höherer Energie als das, was die suborbitalen Flieger maximal anpeilen.

    Im Ende ist es eine Ermessensfrage, wie man das einschätzen will. Ich würde sagen, dass da die technischen Probleme ja wirklich angegangen und auch wirklich schon fast gelöst waren. Die Atlas war ja entwickelt und sogar gestartet worden, aber im Mai 1961 war sie halt noch nicht ausgereift und zuverlässig.

    Big deal.

    Also, ich wäre da großzügig.

  49. Eine Frage der Fantasie?

    “Der amerikanische Supreme-Court-Richter Potter Stewart umging mit der Bemerkung “I know it when I see it” die Schwierigkeit, etwas schwer Abgrenzbares präzise definieren zu müssen, in diesem Fall Pornographie.”

    Den Vergleich finde ich amüsant, weil ich annehme, dass für einen amerikanischen Richter, der 1915 geboren wurde, eine Fahrt mit dem Kajak durchaus als Ozeanfahrt durchginge, übertragen auf seine möglichen Vorstellungen von Pornografie.
    Aber Scherz beiseite, natürlich darf eine technische oder wissenschaftliche Definition nicht nur von der Fantasie bestimmt werden, sondern es sollte dafür schon klare Kriterien geben. Und diese Kriterien sollten nicht von Werbeagenturen festgelegt werden, sondern von Leuten die von der Sache was verstehen, d.h. Raumfahrt auch erkennen, wenn sie sie sehen. 🙂

  50. Ein toleranter Richter

    @Mona:

    Den Vergleich finde ich amüsant, weil ich annehme, dass für einen amerikanischen Richter, der 1915 geboren wurde, eine Fahrt mit dem Kajak durchaus als Ozeanfahrt durchginge, übertragen auf seine möglichen Vorstellungen von Pornografie.

    Grins … den Satz habe ich erst beim zweiten Lesen komplett verstanden, das ist zwar verschlüsselt, aber doch treffend formuliert.

    Richter Stewart war aber doch anders, denn es ging in dem damals anstehenden Fall um einen französischen Film, der 1964 bei einem Filmfestival in den USA gezeigt worden war und angeblich obszön und pornographisch sein sollte. Wäre der Anklage stattgegeben worden, dann hätte der Veranstalter des Festivals zur Zahlung einer empfindlichen Geldstrafe verknackt werden können.

    Richter Stewart wich aber mit seinem berühmt gewordenen Ausspruch “I know it when I see it” einer Definition des Tatbestands der Pornographie aus und fügte mit Bezug auf den betreffenden Film hinzu: “… and the motion picture […] is not that.”

  51. Film @Michael Khan

    Nachdem ich mir die Geschichte zu dem “französischen Film” durchgelesen habe, bin ich der Ansicht, dass es der Anklage dabei nicht in erster Linie nur um freizügige Darstellungen ging, sondern eher um die damaligen Moralvorstellungen, wonach eine Frau nicht aus einer unbefriedigenden Ehe ausbrechen darf. Schon das Theaterstück “Nora oder Ein Puppenheim”, von Hendrik Ibsen, erregte seinerzeit die Gemüter. Da hilft es oft auch nichts, wenn es sich um Kunst handelt. Von daher müsste man wohl auch einige freizügige Werke der bildenden Kunst aus den Museen entfernen. Was aber Richter Stewart dazu bewogen hat den Film nicht zu verurteilen, das kann man wohl erst verstehen, wenn man ihn gesehen hat. Ich nehme schon an, dass er ein toleranter Mensch war und er sich von daher über die Engstirnigkeit der Menschen seiner Zeit hinwegsetzen konnte. Aus heutiger Sicht wird einem der Streifen wahrscheinlich ziemlich harmlos vorkommen. Der Film ist übrigens kostenlos im Internet verfügbar und da ich bei alten Schwarzweiß-Filmen kaum wiederstehen kann, werde ich ihn mir herunterladen. Vielleicht möchten Sie sich den Film auch ansehen:
    http://www.c1neon.com/…benden-deutsch-13687.html

  52. Lüge und Wahrheit

    Sehr geehrter Herr Khan,

    ich schreibe Ihnen heute, weil ich Ihren Beitrag auf dieser Seite gelesen habe.

    Normalerweise antworte ich nicht auf jeden Artikel aber auf Ihren muss ich einfach zurückschreiben.

    Ich beschäftige mich seit nunmehr 8 Jahren mit dem Thema Sub-Orbital und ich denke, dass ich zu einem Experten geworden bin.

    Ich war sehr erstaunt, was ich von Ihnen hier lesen musste und hatte leider keine Möglichkeit frühere Beiträge von Ihnen in die Hand zu bekommen.

    Zuersteinmal ist ein Sub-Orbitaler Flug ein richtiger Raumflug. Der Weltraum beginnt offiziel bei einer Höhe von 100 Kilometern. Da spielt es keine Rolle, wie lange man dort oben ist. Hier gilt das erreichen der Karman Linie. Das muss ich Ihnen doch als Ingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik nicht erklären Oder?! Sie können noch in mehr als 1500 Kilomter Partikel der Erdatmospäre nachweisen. Die einzigen, die sich dann Astronauten nennen dürften und wirklich im Weltall waren, sind dann die Apollo-Astronauten.

    Es ist schon sehr anmaßend von Ihnen hier von Etikettenschwindel zu sprechen.

    Bei einem Sub-Orbitalen “Raumflug” sind alle Elemente eines Orbitalen Fluges vorhanden.
    Der Start mit der Rakete. Eine gewisse Zeit im All und der Wiedereintritt.

    Ich habe schon mit so vielen Experten gesprochen, darunter mit nationalen und internationalen Astronauten, Ingenieuren und Weltraumexperten. Alle sagen mir, ja, das ist ein richtiger Flug ins All. Nur Sie nicht. Das ist doch merkwürdig, ODER?, Sie spielen auch die Gefahren an.

    Bei einem Sub-Orbitalen Flug entsteht auf den Astronauten zwischen 3 und 3,8 G. Bei einem Start mit dem Space-Shuttle der NASA sind es nur 3 G. Beim Wiedereintritt enstehen auf den Sub-Orbitalen Astronauten bis zu 6 G. Beim NASA Astronauten sind es max. 1,4 G.

    Soviel zu den Belastungen. Sub-Obitale Astronauten heißen in der Fachsprache
    “Civilian Astronauts” Die einzige Presse weltweit die das nicht kapiert, ist die deutsche, die immer noch von Space-Tourists spricht. Sagen Sie das mal den Amerikanern.

    Wenn Sie im Internet bei Wikipedia die Liste der Raumfahrer suchen, finden sie unter B Brian Binni und unter M Mike Melvill. Beide waren Testpiloten von Virgin Galactic. Da würde niemand von Space Touristen sprechen. Aber Ignoranten gibt es ja immer.

    Die medizinischen Anforderungen sind die gleichen wie für Astronauten z.B der ESA.

    Und wer da nicht durchkommt, kann nicht fliegen.

    Herr Khan, wenn Sie über etwas schreiben, dann sollten Sie sich auch genau darüber informieren.

    Die Dame, die Sie angeschrieben hat, hat überhaupt keine Ahnung. X-Cor fliegt mit dem Lynx MK 1 nur auf eine Höhe von 61 Kilometern. Das ist natürlich kein Weltraumflug. Ob es den Lynx MK2 der auf eine Höhe von 103 Kilometr fliegt überhaupt geben wird, steht noch in den Sternen..

    FAKT ist jedenfalls: Wer in 100 Kilomtern Höhe fliegt ist definitiv im All, hat einen Weltraumflug unternommen und ist wenn er wiederkommt ASTRONAUT! BASTA!!

    Ihr

    Christian Mannfeld

  53. Hobbyisten im Weltraum

    @Christian Mannfeld

    “FAKT ist jedenfalls: Wer in 100 Kilomtern Höhe fliegt ist definitiv im All, hat einen Weltraumflug unternommen und ist wenn er wiederkommt ASTRONAUT! BASTA!!”

    …und bekommt von der privaten Firma, mit der er flog, eine schöne Urkunde, wo draufsteht, dass er nun Astronaut ist. Why not, schließlich ist Astronaut kein geschützter Titel. Man könnte zu dem Zweck sicher auch Orden vergeben, so wie im Karneval.

  54. @Herr Mannfeld

    Sehr geehrter Herr Mannfeld,

    Sie haben Recht, die Grenze zum Weltraum liegt formal bei 100 km. So wurde sie festgelegt. Wenn jetzt jemand sich bis in eine größere Höhe bewegt, dann betreibt der formal gesehen einen Weltraumflug und ist somit ein Weltraumfahrer.

    Im Übrigen sehen ich nicht, wieso Sie sich so aufregen. Wenn doch, wie Sie sagen, alle Ihrer Meinung sind und nur ich nicht, dann sollten Sie doch damit eigentlich ganz gut leben können. Zumal ich, wie Sie so treffend belegen, gar keine Ahnung habe, wovon ich rede, womit meine Meinung reichlich irrelevant wird.

    Ich hoffe doch nicht, dass Sie zu den Zeitgenossen gehören, die erst zufrieden sind, wenn sie 100% Zustimmung finden.

    Mit freundlichen Grüßen

    Michael Khan

  55. Sehr geehrter Herr Khan,
    ich schreibe Sie heute nochmals an,in der Hoffnung, dass dieser Blog noch existiert. Als ich meinen Beitrag abgeschickt habe, bekam ich die Nachricht, dass er wohl aus technischen Gründen nicht angekommen ist. Erst jetzt nach 4 Jahren habe ich per Zufall gesehen, dass er doch übermittelt worden ist.

    Natürlich gehöre ich nicht zu den Menschen, die eine 100 % Zustimmung brauchen um “glücklich” zu werden. Sie müssen aber verstehen, dass ich als ich das von Ihnen geschriebene las wirklich sauer war.

    Es gibt keine Presse auf dieser Welt, die einen größeren Unsinn über Sub-Orbitale Reisen schreibt als die deutsche und vor allem keine ignorantere. Und es gibt auch keine “sogenannte Experten” die so viel Müll verbreiten über sub-orbital wie deutsche Möchtegernexperten.

    Da wird geschrieben, dass Felix Baumgärtner aus dem All gesprungen ist obwohl es nur 39, irgendwas war, da wird kommuniziert, dass man Sub-Orbital 15-20 Minuten schwerelos ist, dass man eigentlich ohne Ganz-Körperuntersuchung am am besten in kurzer Hose und Hawaii Hemd fliegen kann und so weiter und so weiter. Nichts davon ist richtig.

    Richtig ist aber, dass es international nur eine Richtlinie gibt die die Abgrenzung zum Weltraum beschreibt und das ist die Karman-Linie in 100 KM Höhe.

    Jetzt kann man darüber streiten, ob man dann wirklich ein Astronaut ist oder nicht.

    Die Amerikaner (NASA) sagen:
    An astronaut or cosmonaut is a person trained by a human spaceflight program to command, pilot, or serve as a crew member of a spacecraft.

    Die FAA sagt:
    A commercial astronaut is a person trained to command, pilot, or serve as a crew member of a privately funded spacecraft

    Menschen die also in eine Höhe von 100 KM + fliegen sind im All gewesen und damit Raumfahrer und auch sogenannte “Privatastronauten”.

    Niemand will bestreiten, dass mehr dazu gehört ein “richtiger” Astronaut zu sein als einmal da rauf zu fliegen und wieder runter zu fallen. Fest steht aber auch, dass ein Mensch der sub-orbital fliegt als jemand anerkannt werden will der etwas geschafft hat und das nicht ohne Risiko.

    Also lassen wir diese Menschen sich doch ruhig “Commercial Astronauts” nennen mit der Anerkennung einen wirklichen Raumflug unternommen zu haben, egal wie lange er gedauert hat wenn er wirklich die Karman Linie überschritten hat.

    Im übrigen möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen, wenn ich Sie das letzte Mal persönlich angegriffen haben sollte.

    Mit freundlichem Gruss

    Cristian Mannfeld

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