Heimat und Identität: Die Heimat in den Zeiten der Weltraumfahrt

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
Go for Launch

Home is where I happen to be – ein beliebter Ausspruch, der beträchtliche Flexibilität impliziert. Wer das von sich behaupten kann, kennt keine Grenzen und wird überall problemlos heimisch werden. Aber ist ein solches Lebensgefühl wirklich kennzeichnend für den Homo Sapiens? Ich habe da so meine Zweifel …

In ihrer nun schon Tausende Generationen währenden Geschichte hat sich die Menschheit über die ganze Erde ausgebreitet. Migrationsbewegungen erfolgen meist in Wellen. Wahrscheinlich migrieren Menschen dann in großer Zahl, wenn sie es müssen, weil es nicht anders geht, aufgrund von Klimawechseln und damit verringerten Ressourcen. Das legt nahe, dass Menschen von Natur aus eher heimatverbundene Wesen sind, die ihr angestammtes Siedlungsgebiet eher nicht verlassen, wenn es nicht unbedingt sein muss.

Aber selbst wenn es dann doch sein muss – man findet auch auf der Erde eben doch wieder ein Plätzchen, das der eigenen Vorstellung von Heimat entspricht. So groß, wild und divers uns kleinen Erdenwesen unser Heimatplanet vorkommen mag – er ist im Grunde genommen doch ein erstaunlich homogenes, zahmes, wohlwollendes, aber vor allem auch kleines Ausnahmegebiet im unvorstellbar großen, wilden und diversen Weltall. Wie fremd uns eine Gegend auch vorkommen mag, die anders ist als die vertraute Heimat, und wie viel Aufhebens wir um minimale Unterschiede auch machen – objektiv ist “die Fremde” auf der Erde doch der Heimat sehr ähnlich. Umso mehr, als wir Menschen unsere Siedlungszonen vorwiegend auf die moderaten Klimazonen beschränken.

Die Gebiete, die Menschen vorzugsweise als ihre Heimat in Beschlag nehmen, eint unendlich viel mehr, als sie unterscheidet. Wir nehmen dies nur nicht wahr, weil wir so Vieles einfach für gegeben nehmen. Das ist durchaus verständlich. Immerhin hat sich die Menschheit, und davor die ganze Kette von Lebewesen, aus denen sich der Homo Sapiens entwickelte, in ihrer Evolution immer auf irdische Verhältnisse eingestellt.

Der erste wirkliche Grenzüberschreitung

Mit Anbruch des Raumfahrtzeitalters eröffnete sich für die Menschen erstmalig die Perspektive, den eigenen Wirkungskreis über die dünne Schale der irdischen Biosphäre hinaus auszudehnen. Wir sind die erste Generation, die sich ernsthaft mit dieser Möglichkeit befasst. Dies kann aber auch zu einer völligen Neudefinition des Begriffs “Heimat” führen – weg von der einer mehr oder weniger unaufregenden Variante des altbekannten Themas “terrestrische Biosphäre”, hin zu vollkommen neuen, mehr oder minder (meist mehr) menschengemachten Habitaten, die zunächst einmal nicht viel mehr miteinander zu tun haben, als dass sie zunächst einmal das menschliche Überleben und optional auch noch einen gewissen Grad von Wohlbefinden gewährleisten.

Die ersten Menschen, die sich enthusiastisch auf diese Option stürzten – zumindest gedanklich – waren Science-Fiction-Autoren und -Filmemacher. Ihrer überbordenden Fantasie entsprangen Ideen für Habitate fast überall, wo es nicht vollkommen ausgeschlossen erscheint. Unterirdische Städte in Mondkratern. Schwebende Städte in 50 km Höhe in der Atmosphäre der Venus (weil in der Höhe Druck und Temperatur ungefähr so sind wie auf der Erdoberfläche und die Schwerkraft etwa gleich der der Erde ist). Kuppeln auf dem Mars. Ausgehöhlte Asteroiden. Feenzarte Strukturen auf dem Saturnmond Titan, wo Eis so hart wie Stahl gefriert und die lokale Wirtschaft auf der Basis des Abbaus des dort massenhaft vorkommenden Rohstoffs Methan funktionieren würde.

Aber was wäre denn, wenn ein Mensch beispielsweise sein komfortables Habitat auf dem Mond auch nur für eine Sekunde ungeschützt verlassen wollte? Das Vakuum würde ihm schlagartig die Luft aus den Lungen saugen, Dampfblasen in Gewebe und Blut würden schnell zum Herzstillstand führen und der siedend heiße oder schneidend kalte Regolith (je nachdem, ob er den Mondtag oder die Mondnacht für seinen Ausbruch gewählt hat) brät oder shockgefriert die zu Boden sinkende Leiche.

Dazu schreiben die Fantasten in der Regel nichts. Fantastische Ideen gibt’s im Dutzend billiger, aber überstehen sie auch den simpelsten Stresstest? Ähnliche  Ideen gab es früher auch für die Erde: Riesige Städte unter dem Meer, über den Wolken schwebend oder in der Antarktis. Das eine oder andere könnte man sogar realisieren, aber will das jemand? Wohl nicht – denn zu einer Heimat, die Menschen als solche akzeptieren, gehört eben mehr als eine aufwändig mit einem gewissen Komfort ausstattete Zone inmitten einer lebensfeindlichen Umwelt. Für mich gehört dazu auch das Wissen, dass ich, wann immer ich es will, aus meiner Heimat heraus und anderswohin gehen kann. Auch wenn ich diese Freiheit gar nicht in Anspruch nehme, ich brauche die Gewissheit, dass ich es könnte. Heimat ohne Freiheit ist ein Gefängnis. In diesen Fällen sperrt die lebensfeindliche Umwelt die Insassen zuverlässiger ein als noch so hohe Mauern.

Ich vermute, nicht nur ich sehe das so. Deswegen werden besagte Fantasien auf der Erde Fantasien bleiben, und die Fantasien zu vergleichbaren Habitaten auf anderen Himmelskörpern ebenso. Das heißt nicht, dass dort keine Menschen sein werden. Auch heute leben ja Menschen auf Bohrinseln, auf Leuchttürmen und auf Forschungsstationen. Aber sie sind wenige, sie sind dort nur vorübergehend, und sie wollen dort nicht heimisch werden. Sie haben dort einfach nur einen Job zu erledigen.

Der technische Fortschritt wird in nicht allzu ferner Zukunft dazu führen, dass Wissenschaftler sich auf Asteroiden, andere Planeten oder deren Monde begeben, um mehr über das Sonnensystem zu lernen. Auf absehbare Zeit werden Maschinen den Menschen nicht ersetzen, nur ergänzen. Mittelfristig werden auch Ressourcen auf anderen Himmelskörpern vom Menschen genutzt werden. Auch das wird unvermeidlich in gewissem Umfang der menschlichen Präsenz vor Ort bedürfen. Aber in diesen Fällen sind Lösungen vergleichbar antarktischen Forschungsstationen bzw. Bohrinseln plausibler als permanente, gar große Siedlungen. Langfristig werden auch Touristen ihren Weg zu diesen Orten finden. Aber wird diese Form des Extremtourismus wirklich eine dauerhafte Besiedelung fördern? Da ist es wohl eher plausibel, dass dies nicht anders läuft als heute der Antarktistourismus.

Ausschnitt aus dem epochalen Science-Fiction-Film “2001 – A Space Odyssey” von Stanley Kubrick. Hier wird die Landung auf der Mondbasis im Mondkrater Clavius gezeigt. Die Basis ist komplett unter der Oberfläche vergraben, so wie heute auf der Erde die militärischen Abschussbasen für interkontinentale Raketen. Anheimelnd?

Es ist kaum vorstellbar, dass Menschen bereit sein sollen, ihre Heimat dort zu schaffen, wo das Wichtigste immer fehlen wird: die Freiheit, das Nicht-Eingesperrtsein. Zumal für die, die sich ihre Heimat auf einem anderen Planeten suchen, erschwerend hinzukommt, dass sie und ihre Nachkömmlinge vielleicht nie diesen Schritt werden rückgängig machen und zur Erde zurückkehren können. Wenn sich der menschliche Körper jahrelang an eine viel geringere Schwerkraft gewöhnt hat, kann die Erdschwere sehr gefährlich werden.

Manche SciFi-Macher haben einfach auf die Realität gepfiffen und dem Mars oder frei erfundenen Planeten Lebensbedingungen verpasst, die denen der Erde auffallend ähnelten, bis auf ein bisschen Lokalkolorit wie Details der indigenen Fauna. Diese erfundenen Orte haben sie in ihren Werken mit Menschen besiedelt. Das entbehrt ironischerweise nicht eines gewissen Realismus. Zumindest haben diese Leute sich der Einsicht nicht verschlossen, dass Menschen wohl eher nicht bereit sein werden, einen der Erde beliebig unähnlichen Ort als Heimat zu akzeptieren.

O’Neills Inseln im Weltall

Der amerikanische Wissenschaftler Gerard O’Neill war der Ansicht, dass planetare Oberflächen keine geeignete Heimat für den Menschen darstellen. Er wurde in den siebziger Jahren mit seiner Alternative für die menschliche Besiedlung des Weltalls bekannt. Als Junge habe ich seine Bücher und die Presseartikel darüber verschlungen – hier hatte wirklich einmal jemand eine kühne, weit reichende Vision, die jedoch, im Gegensatz zu anderen Ideen dieser Art nicht bloße Spinnerei war, sondern zumindest grundsätzlich durchgerechnet worden war.

O’Neills Konzept war eine Weiterentwicklung der schon in den zwanziger Jahren vom britischen Mathematiker John Desmond Bernal vorgeschlagenen Bernal-Sphäre. Die Bernal-Sphäre ist eine kugelförmige, rotierende, luftgefüllte Raumstation mit einem Durchmesser von einer Meile (1.6 km), deren Innenfläche das Habitat trägt. Durch riesige Fenster tritt Sonnenlicht ein, die Energieversorgung ist durch außen angebrachte Solargeneratoren oder solarthermische Kollektoren gewährleistet. Eine atemberaubende Vision, wenn man bedenkt, dass damals selbst die allerersten Erdsatelliten noch 30 Jahre in der Zukunft lagen.

Durch die Rotation der Bernal-Sphäre entsteht eine nach außen wirkende Fliehkraft, die für einen auf der Innenwand stehenden Menschen wie Schwerkraft wirkt. In einer Kugel ist diese künstliche Schwerkraft allerdings nicht an allen Orten gleich groß. In der “äquatorialen Zone”, bei maximalem Abstand von der Rotationsachse, wäre sie am höchsten, auf allen anderen “Breitengraden” geringer, an den “Polen” Null. Außerdem würde sie fast überall in der Bernal-Sphäre nicht genau nach unten wirken, wie wir Menschen es gewöhnt sind. Die Folge wäre eine erhebliche Komforteinbuße oder eine Beschränkung der Nutzung auf die äquatoriale Zone. Es wäre keineswegs erdähnlich, was man bei jeder alltäglichen Verrichtung merkt. Schlimmstenfalls wird einem dauernd schlecht.

Die offenkundigen Nachteile der Bernal-Sphäre bewogen O’Neill fast fünfzig Jahre später, auf ein zylindrisches Konzept zu setzen. Auf der Innenseite eines Zylinders wäre es viel einfacher als mit einer Kugel, fast überall gleichmäßige Schwerkraftbedingungen zu gewährleisten.

Allerdings ist es mit der Schwerkraft wie mit Allem – künstlich ist nie so gut wie natürlich. Selbst in einem Zylinder mit mehreren Kilometern Durchmesser, die so schnell rotiert, dass eine Zentrifugalbeschleunigung von 9.81 m/s² erzeugt wird, wären noch spürbare Unterschiede zwischen der an den Füßen und der am Kopf (der etwas dichter an der Rotationsachse der Station ist) eines Menschen wirkenden “Schwerkraft”. Wichtiger noch wäre die Coriolisbeschleunigung bei allen vertikalen Bewegungen. Dies hat man auf der Erde zwar auch, aber um viele Größenordnungen weniger. Daran müssten sich die Bewohner der Station gewöhnen.

Eine Variante des O’Neill-Entwurfs wäre eine Torus-(= Fahrradschlauch-)förmige Station, die bessere Beleuchtungsverhältnisse und Raumnutzung bieten soll, aber nach meinem Eindruck noch gravierende Sicherheitsprobleme als der Zylinder aufweist – denn darüber sollte man sich im Klaren bleiben: das Weltall ist ein gefährlicher Ort. Das Risiko von Asteroidenkollisionen und kosmischer Strahlung ignoriert man nicht ungestraft – ein riesiges Habitat mit Städten und Seen kann man nicht einfach mit Glas überdachen wie eine Einkaufsmeile. In den Siebzigern waren diese Risiken vielleicht weniger bekannt, heute aber aber wissen wir eine ganze Menge darüber und sehen, dass es da ein Problem gibt, vielleicht sogar einen Show-Stopper. Denn wenn die Habitate aus Sicherheitsgründen ganz von einem Gesteinsmantel umschlossen sein müssen und man noch nicht einmal mehr die Aussicht genießen kann, dann wird selbst der hartgesottenste Space-Fan dort nicht leben wollen. Es ist schon ganz gut, dass unsere Erde eine Atmosphäre und ein Magnetfeld mitbringt …

Die O’Neill-Stationen könnten in den Lagrange-Punkten des Erde-Mond-Systems, dem Mond etwa 400,000 km vor, bzw. nacheilend, positioniert werden. Zu ihrem Aufbau würde man Gesteinsmaterial vom Mond oder von Asteroiden verwenden, das von dort mit magnetischen Katapulten abgeschossen und an der Baustelle aufgefangen würde. Nur so könnte man die gewaltigen Mengen Materials aufbringen.

O’Neills Konzept entspringt der Überzeugung, dass Menschen als erdgebundene Wesen zu ihrem Wohlbefinden möglichst erdähnliche Umstände brauchen. Bei den Konzeptstudien für seine gewaltigen Habitate im Weltall wurde an viele Details gedacht und so manche überzeugende Lösung gefunden. Schon damals, als ich seine Bücher las, fiel mir eins auf: O’Neills Vorstellung vom Lebensstil in seinen Inseln im All wirkt seltsam spießig – eine Mischung aus bukolischer Beschaulichkeit und amerikanischer Vororts-Langeweile, in markantem Kontrast zur eigentlichen Großartigkeit des Konzepts.

Vor allem ist die wichtigste Frage nach wie vor unbeantwortet: wozu?

Wozu sollten Menschen solche gewaltigen Habitate bauen und sie bevölkern? Wozu sollten sie sich auf eine epische Reise zu fernen Punkten entlang der Mondbahn machen, nur um sich dort im ultimativen potemkinschen Dorf wiederzufinden – vordergründig Suburbia™, hinter den Kulissen überall tödliche Unendlichkeit? Sehr schnell würden ihnen mehr und mehr Unzulänglichkeiten gegenüber der Original-Erde auffallen. Wir Menschen brauchen schon noch mehr als einige erfüllte Grundvoraussetzungen, um uns heimisch zu fühlen … gerade die kleinen Dinge wie der Geruch des kommenden Winters in der frischen klaren Luft des Herbstmorgens oder die klaren, kräftigen Farben und der Duft der feuchten Erde nach einem Sommergewitter – Dinge, die eine künstliche Insel im Weltall nie bieten kann.

Also, wozu die O’Neillschen Inseln im Weltall?

Um den Bevölkerungsdruck auf der Erde zu mindern? Kaum plausibel. Eine technologisch fortgeschrittene, wohlhabende Zivilisation – und nur eine solche kann ein Projekt solcher Größenordnung heben – wird kein Problem mit Überbevölkerung haben. Das ist eher ein Problem von Nationen im Übergang zur Hochentwicklung. Und selbst wenn – welche wirkliche Entlastung würden denn die paar Hunderttausend oder selbst Millionen Menschen bieten, die solche Stationen bevölkern?

Um Arbeitskräfte für Produktionsprozesse im Weltall zu liefern? Auch nicht plausibel. Wie bereits oben beschrieben. Das werden robotische Produktions- oder Förderstätten, aufgebaut und überwacht von einer überschaubaren Anzahl von Fachkräften, besser können. Man nimmt seine Familie aber nicht an einen Ort mit und baut auch nicht sein Haus, wenn man sich dort nicht heimisch fühlt. Dorthin geht man allenfalls, wenn die Kohle stimmt. Mehr nicht.

OK, also was dann? Einfach nur so? Space, because it’s there? Mehr nicht?

Kinder des Weltalls oder Kinder der Erde?

O’Neill hat Recht mit seiner Einschätzung, Menschen brauchen erdähnliche Bedingungen. Aber selbst seine Idee, die noch um Klassen besser ist als alle denkbaren Alternativen, erscheint mir unbefriedigend. Ich meine, wir Menschen sind eben doch auf so viele Arten untrennbar mit unserem Heimatplaneten verbunden, dass wir nur ihn wirklich “Heimat” nennen können. Dies ist Bestandteil unserer Identität als Wesen vom blauen Planeten. Es ist ein Teil dessen, was uns ausmacht.

Wahrscheinlich ist dies der größte Verdienst der Raumfahrttechnik: dass mehr und mehr von uns die Erde von weit weg werden sehen können, von sehr weit weg … dass es sich im kollektiven Bewusstsein der Menschheit festsetzt, wie außergewöhnlich dieser Ort ist, wie wichtig, und vor allem, wie alternativlos.

Vielleicht werden wir Menschen unsere Heimat, die Erde, wirklich einmal endgültig verlassen und uns anderswo im Weltall ansiedeln. Aber dann nur, weil uns etwas dazu zwingt.

Freiwillig gehen wir hier nicht weg.

Aufnahme von Erde und Mond, gemacht von der ESA-Sonde “Mars-Express” auf dem Weg zum Mars im Juni 2003 aus einer Entfernung von ca. 8 Millionen km (ca. 5% des Abstands Erde-Sonne). Quelle: ESA/FU-Berlin. Auf einen Blick erfassen wir hier selbst aus dieser geringen Entfernung schon das gesamte Gebiet, auf dem alle bis jetzt geborenen Menschen sich jemals aufgehalten haben. Dies wird schon in wenigen Jahrzehnen nicht mehr zutreffen, aber dieser schönste aller Planeten wird nach wie vor für Menschen eine unwiderstehliche Attraktivität besitzen.

Weitere Information

G K O’Neill: The High Frontier – Human Colonies in Space, Apogee Books, ISBN: 0-9622379-0-6

Webseite der National Space Society, die aus dem Zusammenschluss der von Gerard O’Neill gegründeten L5 Society und des von Wernher von Braun ins Leben gerufenen National Space Institute hervorgegangen ist und für Habitate wie die von Gerard O’Neill vorgeschlagenen eintritt

H Benaroya: Turning Dust to Gold – Building a Future on the Moon and Mars, Springer Praxis Books, 2010, ISBN 978-1-4419-0870-4

T A Heppenheimer: Colonies in Space als Online-Buch auf der Webseite der National Space Society

NASA-Webseite mit weiterer Literatur zum Thema der Kolonisierung des Weltalls

Spacedaily.com, Januar 2005: Lunar Colony to Run on Moon Dust

G Landis: Colonization of Venus, NASA Glenn Research Centre, 2003

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

16 Kommentare

  1. Die Sehnsucht nach der anderen Heimat

    aus der Wikipedia: Heimat ist die Gesamtheit der Lebensumstände, in denen ein Mensch aufwächst. Auf sie wird seine Psyche geprägt, ihnen „ist er gewachsen“

    Fahrende haben also auch eine Heimat, sie wird gebildet durch die Lebensumstände und die Compagnions, die sie begleiten.

    Ein auf einer Mondbasis oder Bernalsphäre Aufgewachsener wird dort seine Heimat haben. Doch wozu extraterrestrische Habitate? Zuerst einmal sind es Produkte unserer Vorstellung und Sehnsucht nach anderen Welten – wie sie auch im Märchen vorkommen (Peter Pan) – mit ihren eignenen anderen Gesetzen. Es ist also eine Weltflucht – die Flucht vor der eigenen unbefriedigenden Heimat, die einem schal oder fremd vorkommt. Dieses Motiv ist so alt wie der Begriff Heimat: die Suche nach einer neuen Heimat, einem Land in dem Milch und Honig fliesst.

    Sind diese extraterrestrischen Habitate also nur Hirngespinste? Megastädte im Nichts, darauf müssen wir sicher noch hundert oder mehr Jahre warten. Aber extraterrestrische Forschungsstationen, die gibt es jetzt schon im Ansatz. Doch der Aufenthalt dort ist momentan noch so unbequem und kurz, dass wohl kein Heimatgefühl aufkommen kann.

    Wer weiss. Wenn die Menschheit so kriegerisch bleibt wie in der Vergangenheit, dann könnten extraterrestrische Habitate durchaus einen Zweck erfüllen – nämlich den eines Zivilisationsbackups. Der finale Atomkrieg wäre dann nur final für die Erdenbewohner und die Erde könnte wiederbesiedelt werden.

  2. @Martin Holzherr

    Ein auf einer Mondbasis oder Bernalsphäre Aufgewachsener wird dort seine Heimat haben.

    Wesentlich ist hier allerdings ein vorgelagerter Sachverhalt, den Ihre Aussage schon als gegeben impliziert: Damit Menschen überhaupt in so einem künstlichen Habitat geboren werden und aufwachsen, müssen sich ja erst einmal andere, auf der Erde geborene und aufgewachsene Menschen bereiterklären, in so eine Mondbasis oder ein O’Neill-Habitat zu ziehen und dort ihr Leben weiter zu führen und dort Kinder zu bekommen und aufzuziehen. Viele Menschen, denn für zwei wird man so eine Station nicht machen.

    Vielleicht erfolgt dieser Umzug unter Aufgabe der Möglichkeit, zurückzukehren, insbesondere für die gar nicht an 1 g gewöhnten Nachkommen (wenn es sich um eine planetare Basis handelt). Warum sollten ein solcher Ort diese Art von Anziehungskraft ausüben, die auf der Erde unterseeische oder gleichermaßen unpraktische Orte auch nicht haben? Wer zieht denn Kinder in einem Tiefseehabitat groß?

    Aber extraterrestrische Forschungsstationen, die gibt es jetzt schon im Ansatz. Doch der Aufenthalt dort ist momentan noch so unbequem und kurz, dass wohl kein Heimatgefühl aufkommen kann.

    Genau das ist die Grundaussage meines Artikels. Bloß meine ich darüberhinaus, dass eben in einer solchen Umgebung prinzipiell (und nicht nur in einer Übergangszeit) das fehlt, was zum Akzeptieren des Ortes als Heimat unabdingbar ist. Forschungs- und Arbeitsplattformen: Ja, sehr wahrscheinlich. Heimat: Unwahrscheinlich.

  3. Viele Menschen…

    Nur mal ganz subjektiv: Wenn mich einer fragt, ob ich auf den Mond oder sonstwo ins All ziehen will, bin ich sofort dabei. Eine rationale Begründung gibt’s dafür allerdings nicht.

    Aber vielleicht gibt es noch ein paar mehr Verrückte wie mich?

  4. Jein…

    Zitat:

    Sehr schnell würden ihnen mehr und mehr Unzulänglichkeiten gegenüber der Original-Erde auffallen. Wir Menschen brauchen schon noch mehr als einige erfüllte Grundvoraussetzungen, um uns heimisch zu fühlen … gerade die kleinen Dinge wie der Geruch des kommenden Winters in der frischen klaren Luft des Herbstmorgens oder die klaren, kräftigen Farben und der Duft der feuchten Erde nach einem Sommergewitter – Dinge, die eine künstliche Insel im Weltall nie bieten kann.

    Ich denke, jeder Ort hat seine besonderen Reize. Mediterranes Ambiente wird man auf dem atmosphärelosen Mond nicht finden, andererseits wird man auch dort mit spezifischen, intensiven Eindrücken konfrontiert werden, welche wiederum die Erde nicht bieten kann.

    Ich kann mir vorstellen, dass in den Emotionen einiger der künftigen Expeditionsteilnehmer bei der Rückkehr vom Mond oder Mars auch etwas Wehmut mitschwingen wird. Wer mal von der ‘Unendlichkeit’ gekostet hat, könnte auf den Geschmack kommen und den komfortablen Erdball dann als goldenen Käfig empfinden.

  5. Ich wäre sofort dabei

    Allerdings nicht in so einer spießigen Vorort-O’Neill-Station. Ich kann mir nicht vorstellen, wozu Habitate in Umlaufbahnen gut sein sollen, komisch, das das mal ernstzunehmende Überlegungen waren. Im Weltall werden die Habitate wohl für immer mehr oder weniger der ISS ähneln, vielleicht nochmit einem rotierenden Modul zwecks Schwerkraft.. Weltraumstationen sind Orte, an denen man arbeitet und forscht, jedenfalls nur kurzfristig tätig ist.

    Auf Planeten sieht das allerdings schon ganz anders aus. Ich denke schon, dass der Mensch dort Orte schaffen kann, die aufregend und gemütlich zugleich sind – Heimat eben.

  6. He, he, mal langsam, Leute ,,,,

    @All:

    Also, damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Sollte ich die Chancen zu Expeditionen bekommen, zum Mond oder zu einem Asteroiden, dann würde ich nicht lange fackeln.

    Aber das ist noch lange nicht dasselbe wie hier meine Zelte abzubrechen und dann auf immer dorthin zu ziehen.

    Es lohnt sich immer, das Kleingedruckte zu lesen, bzw., in diesem Fall, die Literatur zu wälzen und dort mal ganz genau zu lesen, was da über Umweltbedingungen steht.

    Was erwartet uns denn auf dem Mond oder auf dem Mars? Diese Riesenkuppeln aus vollkommen durchsichtigem, aber hochfestem, durchschlagssicheren, und dann auch noch wärme- und selbst Korpuskularstrahlung absorbierendem Unobtainium(TM), durch das ich den durch keine Atmosphäre getrübten Sternenhimmel und die Rundumsicht auf die atemberaubende kalte Schönheit der Montes Appenines sehen genießen kann?

    Nö, Freunde. Es sei denn, jemand erfindet das mal schnell in den nächsten Jahren. Was uns auf dem Mond erwarten würde, wäre für den Rest unseres Lebens 99% der Zeit gar keine Aussicht, weil wir nämlich wie die Erdmännchen in unterirdischen Tunneln hausen würden, außer, wenn wir mal draußen was zu erledigen haben, dann jedes Mal dick vermummelt im Raumanzug.

    Schön und gut. Das mache ich gern mit. Aber nicht um den Preis, dass ich vielleicht nie wieder einen Wasserfall rauschen, eine Nachtigall singen oder den Donner der Brandung höre und nie wieder den Sommerregen im Gesicht und den Wind in den Haaren spüre.

    Die Erde, ein goldener Käfig? Doch eher das Gegenteil. Die Atmosphäre behindert uns nicht wirklich, so wie das Wasser den Fisch nicht behindert. Wir können hier losgehen, wenn wir es wollen, einfach so, ohne Vorbereitung, ohne etwas mitzunehmen, bis zum Horizont, hinter dem sich immer noch ein weiterer Horizont erstreckt, immer weiter. So weit wir wollen. Das ist Freiheit. Die gehört einfach dazu. Eine Freiheit, die die Mars- oder Mondkolonisten nie werden spüren können, und die O’Neill-Habitat-Bewohner schon gar nicht, denn die haben noch nicht mal einen Horizont, sondern sehen – o Graus – ihre ganze Welt auf einen Blick.

    Der Sternenhimmel? Irgendwo draußen hier auf unserer guten alten Heimaterde setze ich mich einfach hin, wo es dunkel ist, und der Nachthimmel erstreckt sich um mich herum. Ich höre am fernen Waldrand die Zweige knacken, weil ein Reh sich seinen Weg bahnt. Ich höre die Pfiffe der Fledermäuse, ich rieche den Duft frischen Heus. Ich spüre das kühle Gras unter meinen Füßen.

    Und auf dem Mond? Da luge ich durch das Visier meines Raumhelms. Ich höre das Brummen der Servos im Raumanzug und das Geschnatter im Funkverkehr. Ich schmecke den seltsam metallischen Geruch des Atemgases.

    Na, da ist aber wohl klar, wo ich intensiverem Kontakt mit dem Weltall bin.

  7. Mondhabitat

    immer her damit..
    Allein die Vorstellung was neues aufzubauen, ist faszinierend. Dort kann man Ideen umsetzen, die hier nicht möglich sind.
    Was trieb die Gründerväter Amerikas in den neuen Kontinent?
    Was treibt Menschen dazu, in den Weltraum zu gehen?
    Pinoniergeist, und das streben nach neuen Möglichkeiten. Der Mond ist nah genug, um eine herrliche Aussicht auf die Heimat zu haben, und dennoch weit genug weg, um frei zu sein, neue Wege zu beschreiten. Also immer her damit..

  8. @Mathias

    Was trieb die Gründerväter Amerikas in den neuen Kontinent?

    Bei sehr vielen die Notwendigkeit, der Verfolgung zu entgehen, bei anderen die Tatsache, dass man vor der Wahl stand, in die Kolonien zu gehen oder ins Gefängnis. Bei anderen wiederum der Wunsch nach Selbstverwirklichung, der Wunsch, Land zu kaufen, was man daheim nicht durfte oder konnte. Alle Motivationen sind in irgendeiner Form verbunden mit der Suche nach persönlicher Freiheit. Auch Wohlstand bedeutet in gewissem Maße Freiheit. Das merkt man genau dann, wenn man keinerlei Wohlstand hat und deswegem Allem und Jedem ausgeliefert ist.

    Mehr zu Migrationsbewegungen hier:

    http://www.nationalgeographic.com/…destudent.pdf

    Altruistische und gemeinschaftliche Motivationen sind vielleicht ganz hinten unter “Ferner liefen”.

    Was treibt Menschen dazu, in den Weltraum zu gehen?

    Bestimmt nicht der langgehegte Wunsch, sich für den Rest des Lebens in einem komfortabel ausgestatteten Kaninchenbau zu vergraben.

    Was das Material angeht, bedenke man, dass man erstens selbst durch eine solche hauchdünne Scheibe aus metallischem Werkstoff schon mal die Sterne nicht mehr sehen kann. Gegen die Einschläge selbst kleiner Gesteinsbrocken aus dem All sowie gegen solar oder gar galaktische kosmische Strahlung reicht das eh nicht, da braucht ma richtig dicke Materialstärken. Ab einige Meter.

    Nochmal, bevor es zu Aufregung kommt: Natürlich werden Leute ins Weltall gehen und es erforschen oder etwas aufbauen. Ich wäre sofort dabei, wenn ich die Chance bekäme. Aber das ist eben nicht dasselbe wie in Massen auszuwandern.

  9. Aluminiumoxynitrid

    Aluminiumoxynitrid ist kein Metall, weil es kein freies Elektronengas enthält.

    Materialien, die freies Elektronengas enthalten, sind für sichtbares Licht weitgehend undurchsichtig.

    Genau so wenig ist Kochsalz ein transparentes Natrium.

    Es schmeckt auch noch viel besser.

    Aluminiumoxynitrid ist ein transparenter keramischer Werkstoff, bestehend aus Aluminium, Sauerstoff und Stickstoff.

    Es wird unter dem Handelsnamen ALON vermarktet und im US-Patent 452.0116 beschrieben.

    Das Material bleibt bis zu 1200 °C fest und ist härter als Glas.

    —–

    Weltraumstimmung?

    http://www.e-stories.de/…geschichten.phtml?23741

    http://www.e-stories.de/…geschichten.phtml?29633

    —–

    Ich muss mich kurz fassen, denn die Alien-Allianz hat HALO-Reach überfallen.

    Da gibt es nur eine Antwort:

    Blutbad wird nie fad.

  10. @Michael Khan

    Brandung hören und Sommerregen im Gesicht spüren hatten wir halt schon. Leben auf Mond oder Mars wäre halt was völlig Neues. Das zu machen ohne Rückfahrgarantie und somit für immer auf irdische Freuden zu verzichten ist vielleicht für jüngere Menschen wirklich nicht möglich – ein zu großer Verzicht. Aber irgendwo (space.com ?) habe ich mal gelesen, dass es gute Argumente dafür gibt, eben gerade nicht junge Leute für so einen Tripp auszusuchen, also nicht Leute, die noch Familie gründen wollen und noch ach so viel sehen wollen auf der Erde, sondern Leute, die schon Vieles erlebt haben, sich der Endlichkeit des Lebens allmählich bewusst werden und nochmal was ganz Neues erfahren wollen. Das wäre möglicherweise die richtige Pionier- und Dauerbesatzung für ein Mond/Mars-Habitat.

    Außerdem erinnert mich Deine Beschreibung mit dem “seltsam metallischen Geruch” und dem Leben in unterirdischen Röhren eher an die New Yorker U-Bahn 😉

  11. @Stefan

    Na gut, vielleicht bin auch ich in ein paar Jahren reif für das Habitat.

    Ich muss auch sagen – das ging mir aus gegebenem Anlass heute früh so durch den durch den Kopf – an einem Ort zu leben, wo man garantiert nie in Hundesch**** tritt, das hat durchaus was. Ein Punkt für das extraterrestrische Habitat.

  12. Den Lebensabend auf dem Mars verbringen?

    Eine bemannte Mission zum Mars einfach in der Tradition von Apollo als proof-of-concept-Mission “because we can” zu fliegen, 9 Monate hin, 6 Monate dort, 9 Monate wieder zurück, wäre etwas mager und ineffizient – erst recht, wenn vor Ort keine Tankstelle steht und der Treibstoff für den Rückflug zur Nutzlast des Hinflugs dazuzählt.

    Interessanter wäre es, (schon angesichts der Reisedauer) direkt einen Aufenthalt von mehreren Jahren einzuplanen, und vor Ort eine Tankstelle für Raketentreibstoff zu errichten. Und wenn man schon dabei ist, die Ressourcen des Planeten zu nutzen, kann man auch Ausschau halten nach interessanten Vorkommen seltener Schwermetalle (Gold, Platin, Yttrium, Neodym, Thorium, Uran…) die das ganze Unternehmen auch zu einem wirtschaftlichem Erfolg machen könnten.

    Wenn man aber jahrelang unter Marsgravitation arbeitet, dann ist der Körper bald an 3,69m/s² gewöhnt, und 9,81 kommt einem vor wie 3g – man müßte auf dem Rückflug ein 9-monatiges Body-Building-Programm mit ständig zunehmender künstlicher Schwerkraft durchziehen, um die Landung auf der Erde einigermaßen zu überstehen.

    Ich kann mir vorstellen, ein Stubenhockerdasein im Marshabitat einem derart anstrengenden Rückflug vorzuziehen.

    Der schlimmste Nachteil eines Lebens auf dem Mars wäre nicht das Fehlen eines blauen Himmels – auf den muß ich in Wuppertal auch manchmal monatelang warten. Das schlimmste wäre die 1 Stunde Ping-Zeit zu allen interessanten Internetseiten! Man stelle sich vor, ich würde diesen Kommentar vom Mars aus verfassen, und nach 1 Stunde sehe ich die Meldung
    “Fehler
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