Das eigene Bild vom Mars

BLOG: Go for Launch

Raumfahrt aus der Froschperspektive
Go for Launch

Mit wissenschaftlichen Daten ist es wie mit Allem: die Meisten begnügen sich damit, bereits aufbereitete (vorverdaute?) Ergebnisse zu konsumieren. Einige Wenige wollen mehr: Im Zeitalter des Internets gibt es vielfältige Möglichkeiten, komplette Datensätze herunterzuladen und eigene Analysen durchzuführen.

Beispiel: Planetare Forschung. Als Amateur kann man mit dem eigenen Teleskop und einer Digitalkamera aufgenommene Bildserien beispielsweise vom Mars, vom Jupiter oder vom Saturn in Komposittechnik überlagern, um das Rauschen herauszurechnen. Das ist keine triviale Sache, aber wenn es richtig gemacht wird, können die Ergebnisse absolut überzeugen.

Wer auf größere Nähe zum roten Planeten setzt, der macht sich die Tatsache zunutze, dass der ESA-Sonde Mars Express eine Webcam mitgegeben wurde. Aus deren Bildern kann man eine Menge herausholen, oder man kann sie für eigene Forschungsvorhaben einsetzen.

Aber das ist noch lange nicht alles. Gewaltige Datensätze der Experimente an Bord von Raumsonden werden der Allgemeinheit verfügbar gemacht. Eine zentrale Anlaufstelle ist das von der NASA betriebene Planetary Data System (PDS).

Ich interessiere mich beispielsweise für die Oberfläche, Geologie und Atmosphäre des Planeten Mars. Natürlich könnte ich einfach bei Google Mars oder einer der interaktiven Karten im Web vorbeischauen. Aber ich finde es viel interessanter, eigenen Zugriff auf die dahinterstehenden Daten zu haben, weil man diese nach Belieben kombinieren kann und nicht auf die bereitgestellte Funktionalität irgendeines Web-Interfaces angewiesen zu sein.

Der erste (aber keineswegs letzte) Schritt ist die Erkundung der Topographie. Dazu gehe ich auf den Geosciences Node im PDS und lande schließlich bei den MEGDRs (Mission Experiment Gridded Data Records) des Laser-Altimeters MOLA auf der NASA-Sonde MGS. Die Daten sind dort in unterschiedlichen Auflösungen vorhanden, bis hin zu 128/Längen- bzw. Breitengrad. Dies entspricht einer Breitenauflösung von 1/128 Grad=460 m. Sicher nicht genug für ein digitales Elevationsmodell einer gegebenen Lokalität – dieses berechnet man relativ mühselig aus Bilddaten – aber allemal ausreichend für regionale Analysen.

Nach dem Herunterladen der Daten braucht man eine Software zum Auslesen und zur darstellung einer ausgewählten Region. Es gibt zwar fertige Tools, aber das ist langweilig – außerdem will ich ja gerade an die Daten ‘ran. Also habe ich die Datensätze, die wegen ihres Volumens in verschiedene Daten verteilt wurden, zu je einer Daten pro Datenmodell zusammengefasst. Die Datei der MOLA-Messungen mit der Auflösung von 1/128 Grad hat schon eine Größe von 2 Gigabyte, aber was soll’s, Festplatten sind heutzutage groß genug. Jeden Messwert habe ich als 2-Byte-Ganzzahl abgelegt, das ist genau genug. Das Darstellungsprogramm ist in Fortran geschrieben und erzeugt Postscript-Ausgabe: Sie sehen, Sie haben es mit einem Hardcore-Ingenieur alter Schule zu tun.

Ich will einfach nur die Daten darstellen, und nicht pretty pictures wie bei Google Mars erzeugen. Deswegen habe ich außer der Farbcodierung nur einen ganz moderaten Schattierungsalgorithmus und Höhenlinien eingebaut, damit zumindest steiles Gelände auf den ersten Blick als solches erkannt wird. Ansonsten wäre es beliebig schwierig, in der topographischen Darstellung Strukturen wie Krater oder Canyons zu erkennen. Die Daten verwende ich mittlerweile recht häufig in der täglichen Arbeit; im Anhang sehen Sie einige meiner ersten Anwendungsfälle.

Weitere Information

NASA Planetary Data System (PDS)

Zugang zu den MGS MOLA MEGDRs auf dem Geoscience Node des NASA PDS

Anhang

Annotated MOLA map of Mars with past and future landing sites, source: Michael Khan/ESA

Erste Anwendung: Topographische Darstellung der gesamten Marsoberfläche mit reduzierter Auflösung. Die Farbkodierung gibt die Höhenabweichung vom Areoiden (dem Ellipsoiden, der die grobe Form des Planeten beschreibt) wieder. Diese Referenzhöhe MOLA 0 ist durch eine gelbe Färbung wiedergegeben, aber bemerkenswerterweise findet sich genau diese Farbe nur selten auf der Karte. Auffallend ist der masssive Unterschied zwischen der weitgehend hochgelegenen, stark verkraterten südlichen und der tiefgelegenen, glatten Nordhalbkugel. Hellas Planitia (70 Grad Ost, 40 Grad Süd) sowie Argyre Planitia (50 Grad W, 50 Grad Süd) sind große Einschlagbecken. Tharsis (60-140 Grad West, 45 Grad Süd – 40 Grad Nord) und Elysium (130 Grad Ost, 27 Grad Nord) sind vulkanische Hochländer über Hot Spots. Eindrucksvoll ist auch der Canyon Vallis Marineris, der entlang eines Grabenbruchs vom Tharsis-Hochland ins Chryse-Becken verläuft. Zusätzlich habe ich die Landeorte früherer Missionen sowie die Kandidaten für die kommende NASA-Mission MSL (Start 2011) eingefügt. Im Folgenden werden einige dieser Lokalitäten detailliert betrachtet.

Annotated MOLA map of Chryse Planitia, source: Michael Khan/ESA

Hier Chryse Planitia mit den Landeorten von Viking 1 (1976) und Mars Pathfinder (1997). Im Süden die chaotischen Gebiete und die Mündungskanäle des Vallis-Marineris, im Westen die Mündungen des Kasei Vallis.

Annotated MOLA map of Gusev Crater region, source: Michael Khan/ESA

Gusev, ein alter Einschlagkrater, in den sich das Ma’adim Vallis von Süden her ergießt. Die relative Glattheit des Kraterbodens legte nahe, dass dieser Krater ein alter See gewesen war, dessen Boden mit Sediment aufgefüllt und eingeebnet war. Deswegen wurde er als Ziel der Rover-Mission MER-A (Spirit, Landung Januar 2004) gewählt. Groß war die Enttäuschung, als nach der Spirit-Landung festgestellt wurde, dass der Boden in diesem Krater Olivin-haltig ist. Olivin ist ein vulkanisches Mineral, das sehr schnell verwittert, wenn es Wasser ausgesetzt wird. Die Existenz von Olivin schloss also , zumindest auf den ersten Blick, eine Historie als See aus. Dann aber kam man zu dem Schluss, dass das Olivin erst später durch einen Ausbruch eines nördlich des gezeigten Bildausschnitts liegenden Vulkans und dem dabei ausgestoßenen Magma in diesen Krater eingebracht wurde. Die spätere Untersuchung des Gesteins auf Hügeln, die aus der Umgebung herausragten, bestätigte diese Vermutung. Hier zeigt sich wieder einmal, wie wichtig Mobilität in der in-situ-Erforschung einer planetaren Oberfläche ist.

Annotated MOLA map of Meridiani Planum, source: Michael Khan/ESA

Meridiani Planum südöstlich von Chryse Planitia. Auch hier schön zu sehen: Das gewaltige Mündungsgebiet des Vallis Marineris mit seinen vielfachen Armen, chaotischen Regionen, und umspülten, erodierten Inseln. Östlich von Aram Chaos das Ares Vallis, in dessen Mündungsgebiet Mars Pathfinder 1997 landete, was weltweit eine Welle des Mars-Fiebers lostrat. In Meridiani Planum ist der Landeort des zweiten MER-Rovers (Opportunity).

Annotated MOLA map of Isidis Planitia, source: Michael Khan/ESA

Isidis Planitia, ein weiteres flaches, ebenes und sedimentreiches Tiefland und vorgesehenes Landegebiet des gescheiterten britischen Mini-Landers Beagle 2.

Annotated MOLA map of Mawrth Vallis region, source: Michael Khan/ESA

Mawrth Vallis, ein alter Flußarm, der sich durch das nördliche Meridiani windet. Ein heißer Kandidat für den Landeort der NASA-Rover-Mission MSL (2011).

Annotated Map of Holden, Eberswalde, Uzboi and Ladon region in Noachis Terra, source: Michael Khan/ESA

Der große Einschlagskrater Holden mit dem sich darin ergießenden Uzboi Vallis: Eine ähnliche Situation wie mit dem Gusev-Krater. Etwas nördlich davon der versunkene Krater Eberswalde, bei dem ebenfalls ein Reichtum an Sedimenten vermutet wird. Beide sind Kandidaten für den Landeort der MSL-Mission.

Annotated MOLA Map of Gale Crater region, source: Michael Khan/ESA

Der Einschlagskrater Gale, ein wahrscheinlich sehr alter, sedimentraicher Krater genau am Übergang zwischen südlichem Hochland und nördlichem Tiefland. Hier ein Artikel zu Gale auf dem Blog des Planetologen Ryan Anderson.

 

 

 

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

2 Kommentare

  1. Zukunft Mars und Google ist schon da

    Heute zukünftige Marslandestätten von unbemannten Marsmissionen auskundschaften, morgen vielleicht Kontakt mit Marsaustronauten aufnehmen.

    Beunruhigend nur: Google war schon da und wird auch dort sein, wenn es eine respektable Marskolonie gibt.

  2. Google Mars Street View

    Prima, wenn Google Mars Street View auch schon da war, wird das die Suche nach geeigneten Landeorten und die Navigation auf der Oberfläche ungemein vereinfachen.

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