Envisat: Strichspur lichtschwach und variabel

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Die Strichspur des seit zwei Jahren funktionsuntüchtigen ESA-Satelliten Envisat erschien gestern abend keinesfalls so hell, wie es in der heavens-above-Vorhersage stand. Mit dem bloßen Auge sah ich gar nichts, aber ich hatte gleichzeitig auch eine lange Kette von 10-Sekunden-Aufnahmen mit einer handelsüblichen DSLR mit angeschlossenem lichtstarkem 10-mm-Objektiv gemacht.

Auf diesen Aufnahmen (die deutlich reduziert gegenüber den jeweils mehr als 4 Megabyte großen Originalaufnahmen sind) erscheint Envisat lichtschwach und mit Schwankungen in der Helligkeit selbst über die Belichtungszeiten von nur 10 s hinweg. Dass die Helligkeit nicht die Vorhersage aus den heavens-above-Berechnungen erreicht, verwundert nicht. Wahrscheinlich beruht das dort verwendete Helligkeitsmodell auf den Daten für den operationellen Satelliten. Envisat ist aber nicht operationell, seine Radarantenne und sein Solargenerator können irgendwo hin zeigen. Die Extinktion und Schleierwolken tun ein Übriges, erklären aber für sich allein nicht diese geringe Helligigkeit.

Die kurzperiodischen Helligkeitsschwankungen verwundern schon eher, sind aber konsistent mit dem, was Kollegen und auch ich bereits zuvor beobachtet haben.

Nun ist die Helligkeit eines Satelliten von verschiedenen Faktoren abhängig. Es muss nicht gleich der ganze Satellit taumeln. Eine solch kurze Periode wäre auch angesichts der Größe des Objekts für eine komplette Taumelbewegung nicht plausibel. Möglich wäre eine Bewegung eines stark reflektierenden, kleinen Bauteils oder einer nicht mehr fest am Satellitenkorpus gehaltenen metallisierten Folie.

Strichspur von Envisat über Darmstadt am Abend des 24. April 2014, 22:12:30 MESZ. Canon EOS 600D, canon 10 mm F2.8 EX Fisheye-Objektiv, ISO 800, Blende 2.8, 10 s Belichtungsdauer
Credit: Michael Khan, Darmstadt / Strichspur von Envisat über Darmstadt am Abend des 24. April 2014, 22:12:30 MESZ. Canon EOS 600D, canon 10 mm F2.8 EX Fisheye-Objektiv, ISO 800, Blende 2.8, 10 s Belichtungsdauer
Strichspur von Envisat über Darmstadt am Abend des 24. April 2014, 22:13:00 MESZ. Canon EOS 600D, canon 10 mm F2.8 EX Fisheye-Objektiv, ISO 800, Blende 2.8, 10 s Belichtungsdauer
Credit: Michael Khan, Darmstadt / Strichspur von Envisat über Darmstadt am Abend des 24. April 2014, 22:13:00 MESZ. Canon EOS 600D, Sigma 10 mm F2.8 EX Fisheye-Objektiv, ISO 800, Blende 2.8, 10 s Belichtungsdauer

aaaas

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

3 Kommentare

  1. Interessant, gestern hatte ich zum ersten mal bewusst nach Envisat Ausschau gehalten. Aus der Münchner Gegend war der gestrige Überflug gut mit dem Auge zu sehen – zum Ende hin ist er auch einmal richtig hell aufgeblitzt.

    • Die Helligkeit muss von Ort zu Ort anders sein. Wenn auch die stark reflektierenden Bauteile auch diesmal nicht viel Licht zu mir schickten, haben andere Standorte eine ganz andere Sichtgeometrie. Ein Vereinskollege hat mir gerade mitgeteilt, er habe (wie ich) aus Darmstadt beobachtet und Envisat als visuell sehr helles Objekt wahrgenommen. Das erstaunt mich dann schon etwas, aber es erstaunt mich nicht, dass die Situation in München ganz anders war.

      Der andere Beobachter aus Darmstadt bestätigt aber auch die kurzperiodische Variabilität der Helligkeit.

      Wie haben Sie das wahrgenommen? Sie haben nur den kleinen Flare am Ende erwähnt; konnten Sie während des Überfluges auch deutliche Veränderungen der Helligkeit feststellen?

  2. Es gab in der Tat zwei kurze Aufblitzer: Einen eher zu Beginn des Überflugs – da habe ich wohl gerade auf die Kamera geschaut – und den schon erwähnten am Ende.
    Zeiten für Ottobrunn: Erstes Aufblitzen: 22:12:16, ca 1/4 Sec
    Zweites Aufblitzen: 22:13:17, ca 1/4 Sec
    Davon abgesehen gab es erkennbare, aber nicht besonders auffällige Helligkeitsschwankungen.

    Der Abstand zwischen den beiden Aufblitzern beträgt ca. 1 Minute.
    Spekulation: Wenn die z.B. durch das Solar Panel verursacht worden sind, dann entspräche der Zeitraum einer scheinbaren Drehung von 180° und damit einer scheinbaren Drehrate von 3°/Sek.

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