Der Philosoph gegen die “technotopische Vision”

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Auf spektrum.de erschien heute ein Leitartikel des australischen Politikers und Autors Clive Hamilton. Ich habe versucht, mich über Hamilton zu informieren, um festzustellen, wo genau seine Kernkomptenz liegt. Man will ja wissen, vor welchem Hintergrund jemand argumentiert. Hamilton hat offenbar eine bunte akademische Karriere in diversen Soft Sciences hinter sich. Nicht untypisch für Politiker.

Clive Hamilton will eine neue Art von Umweltbewegung ausgemacht haben, die angeblich die Folgen und Gefahren des Klimawandels zwar nicht bestreitet, aber “verharmlost”. Diese neue Bewegung soll nämlich der – natürlich! – irrigen Annahme unterliegen, der Klimawandel sei sei mit technologischen Mitteln zu meistern. Absolutes Anathema für Hamilton, der die Anhänger dieser Ideen auch mit Proponenten von sehr groß angelegten Projekten aus dem Bereich des Geoengineering (globale Eingriffe in die Hochatmosphäre und die Meere mit dem Ziel der gesteuerten Klimabeeinflussung) in einen Topf wirft.

Bereits diese Darstellung ist wegen ihrer Verallgemeinerung und Vereinfachung unzulässig, ebenso wie es unzulässig wäre, jede Organisation und jede Idee aus dem Bereich des Umweltschutzbewegung über einen Kamm zu scheren.

Hamilton zählt einige Faktoiden und Thesen auf, auf deren Richtigkeit oder Vollständigkeit ich hier nicht eingehen möchte. Das muss ich auch gar nicht, denn es geht mir eigentlich nur darum, ob das von Hamilton gezeichnete Bild in sich schlüssig ist. Da wird zwar allein auf Kohlendioxid als klimarelevatem Spurengas abgehoben und nicht namentlich genannten “Klimaforschern” die Behauptung untergeschoben, die USA würden bereits in den 2070er Jahren in “backofenheißen Sommern schmoren”. Geschenkt, es ist halt politische Rhetorik. Wissenschaft geht allerdings anders.

Nur: Hamilton selbst hat den von ihm gescholteten überoptimistischen, technikgläubigen “Ökopragmatikern”, denen er am Ende unlogischerweise eine quasi-religiöse Naivität unterstellt, bei Licht betrachtet gar nichts entgegenzusetzen (Was denn nun: Pragmatismus oder Messianismus? Seine Vorwürfe sollten er doch zumindest mal etwas sortieren.). Was schlägt er denn vor? Ein nicht näher definiertes “Umdenken” und die “konventionelle Klimaforschung”. Mehr nicht.

Zunächst zu letzterer: Klimaforschung, also die Verbesserung der Modelle zur mittelfristigen Vorhersage des globalen Klimageschehens, ist doch sicher nichts, was die von Hamilton als “Ökopragmatiker” Bezeichneten ablehnen würden. Das Kennzeichen eines Pragmatikers ist doch gerade, dass er in der Wahl der Mittel offen ist und nutzt, was zur Verfügung steht.

Allerdings stellt die Klimaforschung ja erst einmal nur ein Mittel zur besseren Abschätzung des Problems dar, also ein Diagnosewerkzeug. Man löst damit ebensowenig das identifizierte Problem, wie Thermometer, Stethoskop und EKG einen Kranken heilen.

Bleibt also nur das “Umdenken”, wobei Hamilton, der doch zuvor so wortgewaltig benennen zu können meint, was man auf keinen Fall machen darf, leider sehr zurückhaltend wird. Ich möchte hier aber andere von Hamilton im selben Text vorgebrachte Thesen zitieren, nämlich erstens:

[…] die weit reichenden und langfristig nicht umkehrbaren Veränderungen, die der Klimawandel mit sich bringt

und zweitens:

[…] dass der eigentliche Schuldige die aggressive, auf fossilen Brennstoffen basierende Expansion der industrialisierten Welt ist, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts begann.

Wenn die weit reichenden Veränderungen (weit reichend bedeutet ja wohl tiefgreifend, nicht ignorierbar und schwer wiegend) nicht umkehrbar sind, dass ist doch offensichtlich, dass ein “Umdenken” allein das Problem nicht wird lösen können. Wenn Hamilton nun auch noch meint, den einzigen Schuldigen erkannt zu haben, nämlich die Industrialisierung auf Basis fossiler Brennstoffe, dann halte ich als pragmatisch denkender Mensch doch für logisch, dass man zunächst einmal den Schuldigen angeht.

Die Industrialiserung aufzuhalten oder gar umzukehren, das halte ich, um mich der Diktion Hamiltons zu bedienen, für “gefährliches Wunschdenken” und “grenzenlosen Optimismus”. Nein, noch nicht einmal das. In einer vorindustriellen Welt mit all ihren Gefahren und Nachteilen sollen meine Nachkommen nicht leben müssen – ich selbst will das auch nicht. Und – seien wir doch mal ehrlich – auch sonst kaum jemand. Bis zum Ende des Jahrhunderts wird sich die Industrialisierung in jeden Winkel der Welt verbreitet haben. Wer meint, diese Entwicklung sei aufhaltbar, macht sich bestenfalls etwas vor. Relevant sind solche Meinungen nicht.

Bleibt also der von Hamilton benannte Schuldige. Nun ist seine so monokausale Sicht zwar bedenklich … selten ist sie in politischen Kreisen nicht – im wissenschaftlichen Umfeld schon. Da zeigt Clive Hamilton, wo man ihn verorten sollte. Aber ich wollte ja allein die Schlüssigkeit von Hamiltons Argumentation beleuchten, deswegen nehme ich mal diesen Punkt so hin. Wenn die Expansion der industralisierten Welt ein rezentes Phänomen ist und das eigentliche Problem darin liegt, dass diese auf der Nutzung fossiler Brennstoffe aufbaut, dann sollte man doch genau daran etwas ändern – ein Gebot der Logik.

Aber was man auch tut – Ausbau der Kernspaltungstechnik, forcierter Entwicklung der Kernfusion, Nutzung der Windenergie, de Photovoltaik, der Geothermie und auch der Wasserkraft, mittelfristig auch Nutzung von Ressourcen im Weltall – wie man es dreht oder wendet, die Lösung des Problems ist technologischer Natur. Es ist ein komplexes Problem und die ideale Lösung liegt in einer klugen Kombination der verschiedenen Optionen, aber es läuft immer auf Nutzung von Technologie hinaus. Da haben die so genannten Ökopragmatiker Recht und Clive Hamilton kann sich noch so sehr dagegen stemmen: er hat Unrecht.

Technologie braucht man auch noch, um den auch bei Lösung dieses Problems nicht mehr zu verhindernden globalen Veränderungen entgegen zu treten. Das Problem globaler Erwämung wird soziale und politische Umwälzungen und Migrationsbewegungen mit sich führen. Die Menschheit braucht technische Antworten in den Bereichen Küstenschutz, Sicherung gegen Stürme, Urbarmachung von Brachland, Aufforstung, Be- und Entwässerung, Schädlingsbekämpfung, an die veränderten Umweltbedingungen angepasste Nutzpflanzen und -tiere. All das sind Probleme, zu deren Lösung in vorderster Linie Technologie erforderlich ist.

Was nun das Geoengineering angeht, also die tief greifenden Eingriffe in Ozeane und irdische Atmosphäre durch den Menschen: Der vom Menschen verursachte oder mitverursachte Klimawandel ist doch genau das! Das, was Clive Hamilton also meint, als gefährlichen Überoptimismus abqualifizieren zu können, läuft mit beträchtlicher Wahrscheinlichkeit bereits seit Jahrzehnten, wenn auch ungeplant und unkontrolliert, anfangs sogar unbemerkt. Sicher ist es mit Risiken behaftet, Experimente globalen Ausmaßes vorzunehmen, aber noch einmal: Genau das geschieht gerade jetzt.

Auch gezielte Eingriffe globalen Umfangs haben bereits stattgefunden, zum Beispiel das Verbot der Nutzung von FCKW. Eine Maßnahme, die jetzt erste Erfolge zeigt, wenn auch langsam. Auch das ist ein Beispiel für Geoengineering. Solche Maßnahmen bedürfen eines langen Atems und sie brauchen Zeit. Wir brauchen aber mehr davon, nicht weniger.

Es gibt sicher keine Garantie, dass die Menschheit mithilfe der Technologie die Herausforderung meistert, mit die der Klimawandel sie konfrontiert. Nichts, was Menschen tun, kann jemals exakt vorhersagbar sein. Ich halte es aber für ausgeschlossen, dass wir es ohne entschlossenen und energischen Einsatz der Technologie schaffen werden. Wir haben keine Alternative.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

35 Kommentare

  1. Clive Hamilton meint nicht Technologie, sondern ein radikales Umdenken sei nötig um dem Klimawandel entgegenzutreten: In seinem Buch Requiem for a Species: Why We Resist the Truth about Climate Change spricht er von “consumption fetish” and “spiritual malaise” of humanity (laut Rezensent David Hume) und eine Besprechung in The Common Review fasst die Konsequenzen, die Hamilton sieht so zusammen:

    In doing so, he suggests that meeting the challenge of climate change requires far more than implementing the right policies and making minor adjustments in our lifestyles. Instead, it implies remaking our psyches and societies on a scale unseen since the dawn of the modern age

    Ein radikales Umdenken, Weg vom Konsumismus (consumerism), eine völlige Umgestaltung unserer Gesellschaft unter Aufgabe des Wachstumsfetischismus – das ist für mich eine Botschaft für die westliche, gesättigte Welt. Die Chinesen, Inder und Afrikaner werden darauf wohl antworten: Wenn Clive Hamilton weg will vom Konsumismus und vom Wachstumsdenken dann soll er das tun – doch wir wollen zuerst einmal das Erreichen von dem Clive Hamilton wegkommen will.

    Das Breakthrough-Institut, das er in seinem Beitrag für Spektrum der Wissenschaft angreift, hat übrigens gerade mit dem Artikel The Planet of No Return eine heftige Debatte angestossen. Die These: Es gibt kein Zurück. Allerdings ist der Artikel sehr optimistisch und er entwirft tatsächlich ein Gutes Anthropozän wie folgender Abschnitt zeigt:

    While human societies are likely to continue to thrive and expand, largely unconstrained by any hard biophysical boundaries to growth, this trend need not be inconsistent with conserving and even restoring a solid measure of our ecological inheritance. As populations, consumption, and technological power advance at an exponential pace, industrial systems appear to be evolving in new directions that tend to reverse many of the environmental impacts caused by agriculture and prior human systems.

    The “planetary boundaries” hypothesis asserts that biophysical limits are the ultimate constraints on the human enterprise.Yet the evidence shows clearly that the human enterprise has continued to expand beyond natural limits for millennia. Indeed, the history of human civilization might be characterized as a history of transgressing natural limits and thriving.
    ….
    The Earth we have inherited from our ancestors is now our responsibility. It is not natural limits that will determine whether this planet will sustain a robust measure of its evolutionary inheritance into the future. Our powers may yet exceed our ability to manage them, but there is no alternative except to shoulder the mantle of planetary stewardship. A good, or at least a better, Anthropocene is within our grasp. Creating that future will mean going beyond fears of transgressing natural limits and nostalgic hopes of returning to some pastoral or pristine era.

    Warum Clive Hamilton falsch liegt
    Clive Hamilton weiss als professioneller Ehtiker und Ehtikprofessor wahrscheinlich einfach nicht, dass die Menschheit seit der Industrialisierung die natürlichen Grenzen der Erde schon weit überschritten hat – wenn man als natürliche Grenzen das sieht, was ohne fossile Treibstoffe möglich ist. In Europa könnte Holz als alleinige Energiequelle (Brennholz etc.) nicht einmal 10% der Energie bereitstellen, die wir verbrauchen. Wir können nicht zurück. Es gibt nur einen Weg um dem Klimawandel zu begegnen: Wir müssen die fossilen Roh- und Energiestoffe die zu CO2 verbrennen – also Kohle, Öl und Erdgas – durch etwas anderes ersetzen.

    • Wer sich die Aussagen aus dem Artikel des Breakthrough-Instituts ansieht, stellt fest, dass die genauso wie Clive Hamilton ein Umdenken anmahnen, nämlich die Anerkennung unserer Verantwortung als Sachwalter der Biosphäre unseres Planeten. Nur schließen diese Leute nicht gleich von vorneherein und prinzipiell Optionen aus. Angesichts der Größe des zu lösenden Problems finde ich das auch vernünftig.

      • Das Breakthrough-Institut spricht auch die Republikaner und konservativen US-Amerikaner an. Damit überbrücken sie eine Kluft zwischen Al-Gore-Demokraten und den orthodoxen, den Klimawandel leugnenden Republikanern.
        Ein Beispiel für den Einbezug der Konservativen ist der Artikel The Conservative Case for Climate Policy

      • Richard Tol, a climate troll?
        Clive Hamilton gegen das Breakthrough-Institut steht für die Polarisierung innerhalb der Klimaszene.
        Im Umfeld der Klimapolitik arbeitende und Publizierende werden von einer Gruppe von “grünen” Klimapolitiker zunehmend als Abweichler qualifiziert obwohl sie keine direkten Klimaleugner sind, obwohl sie also den Klimawandel bejahen.
        Beispiele:
        Richard Tol
        Richard Tol ist ein Klimaökonom, der zum Schluss kommt, dass eine 2 bis 4 Grad wärmere Welt nur geringe ökonomische Einbussen mit sich bringen würde. Dafür und für weitere Aussagen in diese Richtung wurde er schwer angefeindet. Allerdings hat Richard Tol den Konflikt selbst gesucht. Hier ein Ausschnitt aus dem Wikipedia-Eintrag:

        In an interview with Der Spiegel in 2005, he argued that temperature rises between 2–4 °C would also have advantages. North of a line drawn from Paris to Munich, people would benefit, e.g., from reduced energy bills. However, south of it, people would be overall “losers” of climate change.[11]

        In 2007, Tol predicted a reduction in annual economic growth by 0.4% in the Republic of Ireland if greenhouse gases were reduced by 3% per year.[12]

        Originally designated as a lead author for the IPCC Fifth Assessment Report Working Group II: Impacts, Adaptation and Vulnerability, Tol said in March 2014 that he had withdrawn from the work with the report in September 2013, citing disagreement with the profile of the report which he considered too alarmist and putting too little emphasis on opportunities to adapt to climate changes.[13] On May 20, 2014, Tol wrote, in an article for FoxNews.com, that the IPCC is alarmist because it favors initial scientific papers published on an issue, rather than the follow-up papers, which, he says, tend to “pooh-pooh the initial drama

        Roger Pielke junior
        Roger Pielke gilt als kontroverse Figur. Unter anderem vertritt er immer wieder die Meinung, es gebe noch kaum Auswirkungen des Klimawandels, insbesondere keine vermehrten Extremwetterereignisse ausser etwas mehr Hitzewellen. Vor kurzem schrieb Paul Krugman in der New York Times über ihn “Pielke is regarded among climate scientists as a concern troll “

        Mein Fazit: In den USA ist das Thema Klimawandel stark politisiert. Republikaner leugnen ihn, Demokraten definieren sich über den Glauben an ihn. Auch Klimaökonomen und Umweltwissenschaftler müssen dort immer mehr “Farbe bekennen”.

  2. Am interessantesten finde ich immernoch die Idee, dass der Klimawandel so langsam verlaufen wird, dass die Umsiedlungskosten kaum spürbar sein werden. Ähnliches gilt für andere Klimaanpassungen.

  3. Was kann heute dem Klimawandel angelastet werden?
    Die Versuchung für Klimaaktivisten ist gross, schon heute den Klimawandel für Extremwetter und negative Entwicklungen verantwortlich zu machen wie im Euraktiv-Artikel An energy crisis bound to happen geschehen, wo man liest:

    Climate change is already exacerbating hunger and poverty worldwide. ….
    climate change is already impacting global crop yields, and will increase global food prices at a rate that threatens to push an extra 50 million people into hunger by 2050.

    Doch ich würde da vorsichtig sein. Speziell bei Voraussagen wie der, dass die Folgen des Klimawandles die Nahrungsmittelpreise erhöhen und bis 2050 50 Millionen Leute zusätzlich in den Hunger treiben werden.
    Zumal diese Aussage dem widerspricht was auf der Site Millenium Development Goals and Beyond 2050 zu lesen ist:

    Target 1.A: Halve, between 1990 and 2015, the proportion of people whose income is less than $1.25 a day
    – The target of reducing extreme poverty rates by half was met five years ahead of the 2015 deadline.
    Target 1.C:
    Halve, between 1990 and 2015, the proportion of people who suffer from hunger
    – The hunger reduction target is within reach by 2015.

    • Die klimabedingte Häufung von Extremwettern mit negativem Einfluss auf die Nahrungsmittelproduktion schliesst eine gleichzeitige Verbesserung der Ernährung der Menschheit nicht aus. Es gibt heute weniger Hungernde vor allem weil Hunger mit Extremarmut gekoppelt ist und das viel stärker als mit Nahrungsmittelerträgen, denn Narung wird insgesamt auf diesem Planeten mehr als genug produziert. Landwirte, die auf ihre Eträge angewiesen sind, die von der Hand in den Mund leben, werden von einem extremwetterbedingten Ertragsausfall schwer getroffen und können dann zu den Hungernden gehören. Der tiefere Grund liegt in der Extremarmut in der diese Betroffenen leben, denn sie haben kein Geld um sich trotz fehlender Erträge Nahrung auf dem Markt zu kaufen. Diese Extremarmut ist zurückgegangen. Deshalb müssen selbst regional schlechtere Eträge nicht zu mehr Hunger führen. Fehlende Nahrungsmittel können importiert werden. Wie das heute in Afrika geschieht wo mehr Nahrungsmittel importiert als exportiert werden und wo Reis vielerorten zum Hauptnahrungsmittel geworden ist obwohl dieser Reis nur zum kleineren Teil in Afrika selbst angebaut wird.
      Der ETH-Klimablogbeitrag Klimaschutz entschärft künftige Ernährungsprobleme konstatiert eine geographische Verschiebung der landwirtschaftlichen Fruchtbarkeit und Erträge:

      Die Resultate zeigen, dass die Bodenfruchtbarkeit in 40 bis 60 Jahren auf Breitengraden nördlich des Mittelmeers zwischen 5 und 25% zunehmen und südlich des Mittelmeeres um 5 bis über 25% abnehmen wird. Der Schwerpunkt der Produktion von Nahrungsmitteln wird sich somit von den südlichen in die nördlichen Breitengrade verschieben. Die Bevölkerungsentwicklung und die Ernährungsgewohnheiten werden dazu führen, dass Afrika in 40 Jahren 400% mehr, Asien 150% Mal mehr und Südamerika 60% mehr Nahrungsmittel benötigen wird. Die Nachfrage in Nordamerika und Europa wird um 20% ansteigen. Der Schwerpunkt der Nachfrage nach Nahrungsmitteln wird sich tendenziell in die durch den Klimawandel beeinträchtigten Regionen verlagern.

      In früheren Zeiten hätte sich eine solche geographische Verschiebung der landwirtschaftlichen Erträge katastrophal ausgewirt. Doch in Zeiten des Welthandels kann dies durch Warenströme, die in diesem Fall Nahrungsmittelströme sind, ausgeglichen werdne.

  4. Clive Hamilton fordert angesichts der Klimakrise (Konsum-)Verzicht und gleichzeitig wendet er sich expizit gegen technologische Lösungen wie sie vom Breakthrough-Institut vorgeschlagen werden.

    Es gibt noch eine dritte Vision für eine klimaschonende und nachaltige Lebensweise: Diese beinhaltet Relokalisierung (zurück von der Globalität zur Lokalität) , ein Grösstmass an Dezentralisierung verbunden mit einer naturnäheren Lebensweise. Diese Relokalisierung soll aber überall auf dem Globus stattfinden und wäre somit eine Art globale Dezentralisierung und Lokalisierung. Bei dieser Vision stehen Erneuerbare Energien kombiniert mit Masshalten (eine schwache Form des von Hamilton geforderten Verzichts, der von Hamiltion geforderten Umkehr) im Vordergrund. Energie wird lokal mit Sonne, Wind und eventuell Erdwärme erzeugt und sie wird lokal verwendet. Flauten und fehlende Sonne werden durch Verbrennen von Biomasse, durch Pumpspeicher, durch Abschalten grosser Leistungsverbraucher bis hin zum selbst gewählten Stromausfall gemeistert. Dies ist die energetische Seite dieser “grünen” Vision. Zur Vision gehören typischerweise auch Bio-Landbau (organic farming), Ablehnung von Gentechnik, Vegetarismus, Dämonisierung von grossindustriellen Konzernen (speziell von Energiekonzernen) und von industrieller Landwirtschaft.
    Diese dritte Vision, die ich einmal in Anlehnung an Tolkiens Retrowelt “green middle-earth” nennen möchte, wird hier in Europa und in den demokratisch/liberalen Teilen der USA (Kalifornien z.B.) von sehr vielen Leuten angestrebt und hat dort – in Europa und Teilen der USA – die Medien und viele Köpfe soweit durchdrungen, dass sie ungeachtet von Widrigkeiten noch viele Jahre wirksam bleiben wird. Der Haken dabei: Diese Vision ist mit heutiger Technik nicht realisierbar ohne die Vorteile des modernen Lebens zu verlieren, ja es fragt sich sogar, ob mit dieser Lebensweise heute 7 und später einmal 9 Milliarden Menschen auf diesem Globus leben können. Das Problem fängt schon bei der erneuerbaren Energieversorgung mit Wind und Sonne an und es setzt sich fort bei den Problemen, die eine weniger intensive Landwirtschaft auf engem Raum mit sich bringt. Die heutige Qualität der Stromversorgung kann heute mit lokalem Einsatz von Wind und Sonne und etwas Biomasse nicht aufrechterhalten werden, denn es bräuchte gewaltige Mengen an Biomasse (z.B. an Holz) um in den Zeiten von Flaute und fehlender Sonne die nötige Energie zu erzeugen. Selbst neue Stromtrassen können das Problem der unzuverlässigen Stromversorgung nicht vollständig lösen, solange diese Stromtrassen auf ein Land beschränkt sind und nicht ganze Erdteile verbinden. Solch ein Supergrid wäre zudem ein Widerspruch gegen die Vision von der lokalen und dezentralen Versorgung. Auch die Umwandlung von erneuerbar erzeugtem Strom zu Erdgas ist keine befriedigende Lösung wei damit sehr viel Energie verloren geht und zudem mehr Fläche mit Solarpanel und Windturbinen überstellt werden muss.

    Vieles spricht gegen die “green middle-earth”-Vision. Und Autoren wie Thomas Grüter aber auch Michael Kahn glauben gar, es müsse eher früher als später zum Verwerfend dieser Vision kommen. Tendenziell gehöre ich auch zu dieser Fraktion. Doch ich bin zum Schluss gekommen, dass die Vision “green middle-earth” trotz allem was gegen sie spricht noch viele Jahre, ja gar Jahrzehnte Bestand haben kann. Dies ist möglich, weil diese Vision von den reichsten Menschen dieser Erde gepflegt wird. Selbst wenn die Strompreise sich verdoppeln oder vervierfachen stört das die Reichen dieser Erde nicht sehr stark, denn die Ausgaben im Bereich Energie sind in den reichen Ländern klein im Vergleich zu anderen Ausgabeblöcken wie Gesundheit. Ein weiterer wichtiger Grund, dass diese Vision aufrechterhalten werden kann liegt darin, dass gar nicht der Kampf gegen den Klimawandel die Hautpmotivation für diese Vision ist, sondern die als ideal betrachtete Lebensweise (dezentral, vegetarisch, naturverbunden, Anti-Industriell und Anti-Nuklear). Viele grün fühlende stören sich gar nicht so stark an Kohlekraftwerken solange es eine Option gibt, irgendwann später auf sie verzichten zu können. Und tatsächlich könnten Entwicklungen im Batteriebereich, bei konventionellen oder Flow-Batterien irgendwann die kostengünstige lokale Speicherung von Strom ermöglichen – und solange das aussteht kann man ja weiter die Braunkohlekraftwerke betreiben oder zur Not später einmal ein Power-to-Gas-Lösung anvisieren.

    Kurz zusammengefasst: Die Vision von der dezentralen, erneuerbaren Energieversorgung ist heute nicht kostengünstig realisierbar. Doch diese Vision haben sowieso nur die reichen Westmenschen und irgendwann könnte es durchaus Technologien geben, die diese Vision kostengünstig realisierbar machen. Prognose: AKW’s und andere Technologien, die nicht in die Vision Green Middle-Earth hineinpassen werden es noch lange schwer haben in Europa und anderen reichen Staaten.

    • Ich sage hier einmal nichts zu den Leuten, die vorgeblich Visionen der Entsagung anhängen, die sich vom eigenen Lebensstandard diametral unterscheidet.

      Clive Hamilton selbst sagt gar nicht konkret, was er eigentlich will, jedenfalls nicht im zitierten Artikel. “Umdenken” ist zunächst einmal nur eine beliebig vage Floskel und die Behauptung, er würde der “konventionellen Klimaforschung” Vertrauen schenken (was wohl unterstellen soll, diejenigen, die der Meinung sind, die Klimaerwärmung ließe sich mit technologischen Mitteln bekämpfen sollen, tun das nicht – aber wo ist der Beleg für eine solche Behauptung?) ist hier irrelevant, denn es geht um die richtige Behandlung, nicht um die richtige Diagnose.

      Anders als ein Wissenschaftler, aber genau wie ein Politiker, argumentiert Hamilton faktenarm, teils sogar mit unzulässigen Vereinfachungen. Aber davon gehen die Fakten ja nicht weg. Die Weltbevölkerung wird noch einige Jahrzehnte zunehmen. Martin Holzherr hat die Zahl von 9 Milliarden genannt. Es sieht auf Basis heutiger demografischer Daten so aus, als würde diese Zahl sicher schon vor der Jahrhundertmitte erreicht und als ginge das Wachstum daraufhin gebremst bis Ende des Jahrhunderts weiter, auf 10 Milliarden und mehr. VIelleicht wird ja auch, wie es die optimischeren Szenarien annehmen, der Scheitelpunkt noch dieses Jahrhuntert durchlaufen, aber auch dann wird nicht von weniger als neun Milliarden Menschen auszugehen sein.

      Diese Menschen haben alle Grundbedürfnisse und über die Grundbedürfnisse hinausgehende Wünsche, und ihre durchschnittliche Lebensspanne wird länger sein als es heute der Fall ist.

      Die Industrialisierung und die Entwicklung der Infrastruktur wird auch die Gegenden erfassen, die davon bis jetzt ausgenommen waren. Dieser Megatrend ist in Südostasien und Südasien ebenso zu beobachten wie in Südamerika. In Afrika ist der Entwicklungsgrad regional sehr unterschiedlich.

      Kritische Ressourcen stoßen aber jetzt schon an Grenzen. Dazu gehören fossile Brennstoffe, Trinkwasser und landwirtschaftlich nutzbare Flächen.

      Das sind erst einmal die Randbedingungen, an denen sich realistischerweise wenig ändern lässt. Jetzt müsste mal jemand konkret benennen, wie angesichts dieser harten Fakten denn ohne intensive Nutzung bestehender, auszubauender oder noch zu schaffender Technologien die Welt überhaupt am Laufen gehalten werden kann. Ich rede da noch nicht einmal von Utopien des Glücks und Wohlstands. Es geht nicht ohne ganz viel Technologie.

      Jetzt ist es zudem auch noch so, dass gerade ein seit mindestens 200 Jahren betriebenes Experiment des unkontrollierten Geoengineering im Gang ist und wahrscheinlich deutliche Ergebnisse zeigt. In Teile dieses weitgehend ungeplanten Experiments werden durch geplante Maßnahmen eingegriffen. Wie kann die Machbarkeit des Geoengineerings infrage gestellt werden, wenn doch jeder sehen kann, dass es machbar ist? Und wieso soll eine geplante, berechnete und verifizierte Maßnahme des Geoengineerings grundsätzlich verwerflich sein, wenn sie den ungeplanten, nicht voraus berechneten und unverifizierten Maßnahmen entgegen läuft?

      • Es ist eine Illusion zu glauben, die Welt werde als Ganzes handeln. Jede Region handelt nach ihrem Gutdünken und ihren Zukunftsvorstellungen.

        In Europa, den USA und Australien werden vor allem Erneuerbare Energien, also Wind und Sonne zugebaut werden und die Lücken mit bestehenden oder teilweise neu gebauten Kohle- und Erdgaskraftwerken gefüllt werden. Das geschieht in Deutschland schon und in den USA ersetzt Schiefererdgas Kohle, daneben werden Solar- und Windfarmen gebaut und Einspeisevergütungen für Solarpanels auf dem eigenen Hausdach vergeben.

        In Asien dagegen kommen alle Energieformen zum Einsatz: fossile Energien, AKW’s und Erneuerbare.

        In Afrika werden wohl dünn besiedelte Regionen vermehrt Erneuerbare Energien einsetzen um Grundbedürfnisse abzudecken wie das Aufladen von Handys oder die Beleuchtung mit elektrischem Licht. Die afrikanischen Städte werden dagegen mit Hydroenergie und mit fossilen Kraftwerken versorgt werden. Im afrikanischen Rift Valley (Kenia) werden wohl auch Geothermiekraftwerke zugebaut werden.

        Auch Geoengineering wird kaum je weltweit eingesetzt werden, denn das bräuchte die Zustimmung sämtlicher Länder. Lang andauernde Hitzewellen könnten jedoch mit Sulfataersolen gut bekämpft werden. Das wird wohl der erste Einsatz sein von Geoengineering.

  5. Der Artikel Clive Hamilton: We need a new environmental radicalism zeigt die Stossrichtung von Clive Hamilton an. Dort liest man Sätze wie

    Yet given the cavernous gap between the far-reaching actions demanded by the science and the tokenistic actions the public is willing to support, Australians need to be thoroughly shaken up.

    That must be our strategy. In the case of climate change, gradualism is fatal.

    In the case of climate change the price of gradualism is the battle lost, because a delay to doing what we must for another one or two decades will lock in our fate for a thousand years.

    Yet incrementalism reinforces a political system that acts above all else to maintain the structure of power — a system dominated by parties that always put the interests of the economy, economic growth, and corporations first, parties that have shown themselves to be dragging the chain at best, or actually taking us backwards.

    In the 1990s and early 2000 there was some justification for an incrementalist strategy. But climate science now shows that the situation has become so urgent, and the forecasts so dire, that only radical social and economic transformation will give us a chance of avoiding dramatic and irreversible changes to the global climate.

    Clive Hamilton will weg vom Wachstumsfetischismus. Er will den Pfad zu mehr Wohlstand verlassen um das Klima zu retten. Das ist auch den australischen Grünen teilweise aufgestossen wie vor allem im Artikel Green wowser is no Leftie zu lesen ist. Hier ein erhellender Ausschnitt aus dem Artikel

    But all the different types of left-wing thought have one ideal in common: that working people deserve a better life, with more material wealth if they want it, and more freedom to decide how they should live.

    Unfortunately that dream, and the word Left, have been captured by people such as Hamilton, who have more in common with old-style Catholic haters of the modern world than with left-wing supporters of an industrial society and all the benefits that it brings working people.

    • Mit Kategorien wie “links” und “rechts” kommt man in der poltischen Szene von heute nicht weiter, ebensowenig wie mit “konservativ” und “liberal”. Wenn es um Technologie geht, sind zumindest im politischen Spektrum Deutschlands eigentlich alle Parteien konservativ bis reaktionär. Progressivismus als politische Kraft, die ich technologischen Fortschritt eine Chance sieht, nicht allein eine Bedrohung, sucht man hierzulande vergebens.

      Die Beschreibung Clive Hamiltons mit religiösen Kategorien ist nicht unberechtigt. Seit die Kirchen die Deutungshoheit in moralischen Fragen abgeben mussten, haben Teile der Umweltbewegung diese Rolle freudig übernommen und bedeinen die Öffentlichkeit mit einem ähnlichen Misstrauen gegenüber allem, was nicht Leiden und Einschränkung mit sich bringt, weil da sogar zum Weltuntergang führen kann. Auf gar keinen Fall darf dann jemand daherkommen, der vielleicht einen Lösungsweg für Probleme aufzeigt. Wo käme man denn da hin, wenn die Menschen vielleicht wirklich eines Tages ihre Ressourcenprobleme lösen könnten, anstatt dass sie auf alle Zeiten im Schweiße ihres Angesichts ihr Brot isst. Wahrscheinlich liegt auch diese Angst der einhelligen Ablehnung des ITER durch die Grünen zugrunde.

      Aber da genehmige ich mir gerade eine müßige Spekulation.

      Wichtiger ist mir die Gegenfrage:

      Die Anzahl der Menschen auf der Erde steigt. Der weltweite Energiebedarf wird steigen, wenn diese Menschen Ihr Recht auf Befriedigung von Grundbedürfnissen geltend machen. Daran kann man nichts machen. Gleichzeitig sind die Folgen der übermäßigen Nutzung der mittlerweile knapper werdenden Ressourcen wahrscheinlich global messbar und ireversibel. Daran kann man auch nichts mehr ändern.

      Wie aus aus der Faktenlage jetzt einer als angeblich einzigen Ausweg ein Ende des Wirtschaftswachstums herleitet, ist mir ein Rätsel. Unvoreingenommen betrachtet kann man sich doch der offensichtlichen Tatsache nicht verschließen, selbst zum Halten des Status Quo, der auch schon ein unzufriedenstellender Zustand ist, denn zu viele Menschen auf der Welt haben schlicht zu wenig zum Leben, sei ein nicht unerhebliches Wachstum unerlässlich. Nullwachstum oder gar negatives Wachstum können da einfach nicht funktionieren.

      Also, wie kommt der Mann zu seinen Ansichten?

      • Clive Hamilton will seine Landsleute zum Verzicht bringen/zwingen, der Sierra Club wil die Afrikaner bescheiden halten, denn der Sierra Club – ein kalifornischer Umweltclub – plant für alle Afrikaner in der Subsahara eine Energieversorgung (via kleinem Solarpanel) von 10 Kilowattstunden pro Person und Jahr, was 0.15% des Stromverbrauchs eines Kaliforniers ist.

        Darüber berichtet der Breakthrough-Artikel The Low-Energy Club. Dort erfährt man auch, dass die Subsahara 33 Mal so viel Energie bräuchte wie sie heute hat um auf das Niveau von Südafrika zu kommen. Und dass ein Standard-US-Kühlschrank so viel Strom benötigt wie 9 Aethioper zusammen zur Verfügung haben.

        Wollen die Afrikaner der Subsahara zur Industriezivilsation vorstossen, also einen ähnlichen Lebensstil führen wie wir heute, dann haben sie also einen ungeheuren Nachholbedarf was die Stromversorgung angeht. Ähnliches gilt auch für die meisten Inder.

        Tatsache ist, dass ein Lebensstil in dem ein Kühlschrank selbstverständlich ist und wo man mit dem Auto oder Zug zu einer Arbeit fährt, die in Räumen stattfindet, die bei Bedarf klimatisisert sind, mit einem recht grossen Energiebedarf einhergeht. Heute leben noch die meisten Leute ohne diesen Komfort – und zwar schlecht: Basierend auf WHO-Standards kann man in Indien im Durchschnitt nur an 60 von 365 Tagen arbeiten ohne den Raum zu klimatisieren. Doch heute ist eine solche Klimatisation in Indien die Ausnahme. Die indischen Arbeiter arbeiten also meist unter schlechten Bedingungen und sind damit von vornherein weniger produktiv als wir hier. Korrigieren kann man das nur mit Air-Conditioning – und das braucht grosse Mengen an Energie.

        Fazit: Ein Leben ohne die nötige Energie ist ein schlechtes Leben. Wir hier müssen ein solches Leben nicht führen, aber viele Menschen in den Entwicklungsländern schon. Es führt nichts daran vorbei, diesen Menschen mehr Energie zuzugestehen.

        • Nachdem das Folgende über 2 Wochen unwidersprochen dastand, muss ich leider meinem SIWOTI-Syndrom folgen

          der Sierra Club – ein kalifornischer Umweltclub – plant für alle Afrikaner in der Subsahara eine Energieversorgung (via kleinem Solarpanel) von 10 Kilowattstunden pro Person und Jahr, was 0.15% des Stromverbrauchs eines Kaliforniers ist.

          Darüber berichtet der Breakthrough-Artikel The Low-Energy Club.

          Falsch! Wenn man sich auf den Sites des Sierra Club umschaut, findet man, dass die zwar vorschlagen, solche kleinen Solaranlagen möglichst flächendeckend im ländlichen Afrika zu verbreiten, aber nicht als fortan einzufrierenden End/Idealzustand, sondern als Anfang vom Ende der absoluten Energiearmut.
          Der Sierra Club wurde von neomarxistischen kalifornischen Kifferhippies im Jahre 1892 gegründet und ist bei Wikipedia die größte und älteste Umweltschutzorganisation der USA – in etwa so extrem wie der Deutsche Alpenverein (SCNR).
          Was das jetzt über das Breakthrough Institute aussagt?
          Vielleicht caveat emptor?

  6. Nachdem hier nun die Denkansätze von Clive Hamilton ordentlich zerfledert wurden, wäre es vielleicht mal an der Zeit die Dinge von einer anderen Warte aus zu betrachten, zumal der Mann ja selbst ein grundsätzliches Umdenken fordert. Als Ethik-Professor wird er jedoch kaum fertige technische Lösungen aus dem Hut zaubern können, da wären andere gefragt, aber solange die sich eine Zukunft ohne ständiges Wirtschaftswachstums nicht vorstellen können, solange wird die Menschheit weiter wursteln wie bisher. Warum sollte denn ein Wirtschaftssystem nicht möglich sein, bei dem Wachstum nicht mehr die oberste Maxime unseres wirtschaftlichen Handelns ist? Man sollte nicht anderen ein Denken in religiösen Kategorien vorwerfen, wenn man selbst darin gefangen ist. Religiöses Denken könnte man nämlich genauso gut auch den Wirtschaftwachstumsgläubigen unterstellen. Zumal ja der Kapitalismus ein Produkt der protestantischen Ethik ist (siehe dazu Max Weber: “Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus”).

    Inzwischen gibt es auch verschiedene Denkansätze, die sich mit einem “Nullwachstum” befassen:
    http://www.goethe.de/ges/soz/wsc/de6761939.htm

    Vielleicht sollte der Erfolg eines Unternehmen nicht nur am finanziellen Erfolg gemessen werden, sondern auch an dem Nutzen, dem es der Allgemeinheit bringt. In den entwickelten Ländern lässt sich ein Wirtschaftswachstum sowieso nur mehr über das künstliche Schaffen neuer Bedürfnisse erreichen, was natürlich auch einen steigenden Verbrauch der Ressourcen zur Folge hat. Zudem wirft jeder Bundesbürger im Durchschnitt 82 Kilogramm Lebensmittel und 28 kg Kleidung pro Jahr einfach in die Tonne. Auf der anderen Seite leben viele Menschen in Armut und es zeichnet sich nicht ab, dass die Reichen dieser Welt gewillt sind sie am Wohlstand teilhaben zu lassen. Vermutlich wird es in Zukunft sogar noch mehr Kriege geben. So hat beispielsweise erst kürzlich das japanische Regierungskabinett eine “Neuinterpretation der pazifistischen Nachkriegsverfassung” beschlossen. Wohl auch im Hinblick auf den Streit mit China wegen einiger ungeklärter Gebietsansprüche:
    http://www.tagesschau.de/ausland/japan-verfassung-100.html

    Auch wenn man Clive Hamilton nicht in jedem Punkt recht geben will, so sollte man sich doch auch mal Gedanken über den Tag hinaus machen und nicht einfach alles verteufeln. Vielleicht braucht es für die Zukunft einfach einen Fundus von neuen Ideen aus denen die Menschheit schöpfen kann, denn spätestens seit der Bankenkrise sollte uns allen klar sein, dass sich etwas ändern muss (oder wird).

    • In Deutschland gibt es Diskurs-Wellenbewegungen ähnlich der Zuschauerwelle in einem Fussballstadium: Einmal ist das Klagen über den Wachstumszwang en vogue und kurze Zeit später klagen die gleichen Leute über ihre wirtschaftliche Benachteiligung, die 1-Euro-Jobs, die Verelendung des Mittelstandes und dass sie selbst sich inzwischen Ferien nur noch in der Südtürkei nicht mehr aber im teurer gewordenen Griechenland leisten können.
      In einem Punkt stimme ich zu: Deutschland hat genügend Energie und genügend Strom zur Verfügung. Doch Deutschland ist immer noch die Ausnahme.

      • Es sind wohl eher nicht die selben Leute, die diese unterschiedlichen Klagen äußern. Die Klagen über den Wachstumszwang hört man in der Tat von eher oben – von denen, die gut vom wirtschaftlichen Wachstum profitieren, aber selbst nicht unbedingt am meisten dazu beitragen. Trotz aller Klagen werden diese Leute aber sicher selbst nicht auf Wohlstand verzichten wollen. Es ist ein Kennzeichen von Menschen, dass man nicht unbedingt das tut, was man sagt.

        Auf der anderen Seite gibt es eine wachsende Zahl an Leuten, bei denen es trotz eines oder mehrerer Vollzeitjobs nicht reicht. Problematisch ist bei dieser Gruppe vor allem, dass ihre prekäre wirtschaftliche Situation ihnen die Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen verwehrt. Dazu gehört auch der wichtigste Faktor zum gesellschaftlichen Aufstieg: Bildung.

        Wir haben nicht nur Luxusprobleme in Deutschland, sondern auch ein Armutsproblem. Problematisch ist dabei, vor allem, dass die gesellschaftliche Mobilität ab- statt zunimmt. Das kann für den Zusammenhalt einer Gesellschaft fatale Folgen haben. Die Leute nehmen Armut eher hin, wenn sie einen Weg heraus sehen. Wenn sie aber vorgeführt bekommen, dass der Weg hinauf versperrt und abgeschlossen ist, dann knallt es.

        Das aber sind soziologische Fragen. Leider werden im Kern technische Diskussionen gern in soziologische umgebogen. Im Kern steht aber die technische Antwort auf die Probleme des Klimawandels. Das wirkliche Problem mit dem Artikel Hamiltons ist, dass er keine Ideen liefert. Das Stichwort “Umdenken” in den Raum zu stellen, ist ja nicht wirklich eine Idee. Clive Hamilton ist an keiner Stelle dediziert für etwas, er listet nur auf, wogegen er ist.

        Wenn man ihm zugute halten will, dass er als “Ethiker” (sind wir das nicht alle in bisschen?) keine technischen Lösungen haben kann, dann sollte man ihm doch auch konsequenterweise nicht durchgehen lassen, dass er von vorneherein und kategorisch eine breite Menge technischer Lösungen ablehnt und als Weg in die Katastrophe bezeichnet. Woher will er das denn wissen?

        In Deutschland ist das Wirtschaftswachstum Jahr für Jahr minimal, der Energieverbrauch nimmt im langfristigen Trend ab. Nicht zuletzt desewegen ist es übrigens auch zunehmend irrelevant, was wir machen. Unser Anteil ist zu klein. Bei vielen anderen Industrieländern ist es im Prinzip ähnlich wie in Deutschland.

        Aber es befinden eben nicht alle Staaten der Welt in dieser relativ komfortablen Lage. Gerade die volkreichsten tun das nicht, bei denen wächst die Bevölkerung und wird das noch einige Jahrzehnte lang tun. Auch der Ressourcenverbrauch dieser Gesellschaften wächst unvermeidlich. Und die stellen die überwiegende Mehrheit auf diesem Planeten. Was soll ein wie auch immer geartetes “Umdenken” daran ändern?

        Man kann doch ganz einfach mal nachrechnen, was 9 oder 10 Milliarden Menschen in einer weitgehend entwickelten Welt für einen Ressourcenverbrauch haben, selbst wenn der pro Kopf nur ein Viertel von dem wäre, was heute pro Kopf in den Industriestaaten verbraucht wird – d.h., selbst wenn gehörig umgedacht und Einsparung bis hin zur Entsagung geübt wird (ich wüsste nicht, wie ich 75% weniger verbrauchen soll).

        Man kann es drehen und wenden, wie man will, Einsparung löst das Problem nicht, selbst wenn man tatsächlich – und wie wahrscheinlich ist das? – eine weitgehende globale Bereitschaft dazu herbeiführen könnte und nicht nur verbale Zustimmung, der keine Taten folgen. Deswegen haben wir keine Alternative zur Flucht nach vorne und die geht nur mit gescheiter Nutzung vielfältiger Ideen naturwissenschaftlicher Art, und vielfältiger technologischer Lösungen.

  7. “Deswegen haben wir keine Alternative zur Flucht nach vorne und die geht nur mit gescheiter Nutzung vielfältiger Ideen naturwissenschaftlicher Art, und vielfältiger technologischer Lösungen.”

    Selbstverständlich braucht es auch diese Art von Ideen, ich würde das Ganze jedoch nicht nur auf technologische Probleme beschränken. Vom Zwang zu immer mehr Wachstum können wir uns beispielsweise kaum befreien, weil unsere ganze Geldwirtschaft davon abhängt. Helmut Creutz hat das in seinem Buch “Das Geldsyndrom” mal näher erklärt:
    http://userpage.fu-berlin.de/roehrigw/creutz/geldsyndrom/kap24.htm

  8. Ich sehe kein Grund, um jeden Preis weg vom Wachstum zu gehen, und ich sehe Wachstum auch nicht per se negativ. Es wird oft von “Wachstumswahn” geredet, und manche sehen Wachstum als etwas an, was es hinter sich zu lassen gilt.

    Diese Ansichten teile ich nicht. Nicht nur, weil sie ohnehin nicht realistisch sind, wie ich mittlerweile mehrfach ausgeführt habe. Die Weltbevölkerung wächst und ihre Bedürfnisse wachsen noch mehr, weil mit steigender Entwicklung eben auch der Armutspfad verlassen wird. Das halte ich für eine gute Sache, aber selbst wenn ich das nicht täte, würde sich an den Fakten nichts ändern. Wozu also das müßige Anhängen einer Wunschvorstellung, die ohnehin nicht realisierbar ist, und selbst wenn, sich wahrscheinlich sehr bald als gar nicht so ideal herausstellen würde.

    Wichtiger ist die Bewältigung des unvermeidlichen Wachstums. Das ist sicher nicht nur ein technisches Problem, aber dass Genügsamkeit predigende Philosophen dazu nützliche Ideen beitragen, sehe ich nicht.

  9. Müsste man anstatt über den Australier Clive Hamilton nicht eher die deutsche Vision “Gesellschaftsvertrag für eine grosse Transformation” des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen diskutieren.

    Clive Hamilton wirft man vor, eine ähnliche Transformation der Gesellschaft zu fordern wie das der WBGU tut und das unter Ausschaltung des demokratischen Prozesses. Der WBGU-Bericht dagegen will eine Transformation zu einer klimakompatiblen Gesellschaft durch (Zitat) partizipative Demokratie, lässt aber immer wieder durchblicken, dass die Gesellschaft global durch Experten in die richtige – also klimaverträgliche – Richtung gesteuert werden soll. Diese Experten würden den Volkswillen quasi im Sinne von Rousseaus Volonté générale lesen und partizipativ umsetzen. Deshalb fordert der Bericht den (Untertitel)Dialog zwischen Wissenschaft und Politik verbindlicher [zu] strukturieren und damit aktuelles Regierungshandeln von wissenschaftlichem Sachverstand leiten zu lassen. Heute sind Wissenschaftler nur Ratgeber, morgen, in der Welt der grossen Transformation, sollen wissenschaftliche Experten komplexe Sachverhalte wie den Klimawandel und seine politischen Implikationen aufarbeiten und darauf basierend ein Massnahmenbündel ausarbeiten, welches von den Politikern in Partzipiation mit dem Volk umgesetzt wird.

    Vor diesem Hintergrund sollte der Dialog zwischen Wissenschaft und Politik besser strukturiert und verbindlicher gestaltet werden. Generell ist eine systematische wissenschaftliche Begleitung transformativer Politikgestaltung erforderlich. Die notwendigen Anforderungen dafür sind mehr Verbindlichkeit bei der Rezeption wissenschaftlicher Politikberatung sowie ein strukturierteres Zusammenspiel von Wissenschaft, Politik und
    Verwaltung

    ….
    Der WBGU empfiehlt, diese Ziele auf vier miteinander zusammenhängenden Ebenen zu verfolgen: verfassungs rechtlich durch eine entsprechende Staatszielbestimmung Klimaschutz, materiell-rechtlich durch Festlegung von Klimaschutzzielen in einem Klimaschutzgesetz, prozedural durch erweiterte Informations-, Beteiligungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten der Bürger und Nichtregierungsorganisationen und institutionell durch ein klimapolitisches Mainstreaming der Staatsorganisation.

    Welche Gesellschaft soll durch den WBGU transformiert werden?
    Wer ist der Adressat des Berichts “Gesellschaftsvertrag für eine grosse Transformation”?
    Ist es der deutsche Staat? Wer den Bericht durchliest, kommt zum Schluss, dass der Gesellschaftsvertrag für eine grosse Transformation die ganze Weltgesellschaft transformieren will und dass Deutschland lediglich das Modell und die Vorhut für diese Transformation sein soll. Das wird zwar nirgends explizit gesagt, doch nur diese Interpretation gibt Sinn. Doch das wiederum irritiert, denn einzelne Regierungen scheint es in diesem Bericht nicht zu geben. Diese sind wohl durch eine Weltregierung ersetzt worden, welche die Vision der Klimaretter und der klimabesorgten Öffentlicheit umsetzt. Sätze wie (Zitat) “Die generelle klimapolitische Verantwortung des Staates und seine gestaltende und aktivierende Rolle für die Transformation sollte rechtlich verankert werden. Der WBGU empfiehlt, die umfassende Selbstbindung des Staates sowohl auf verfassungsrechtlicher als auch auf einfachgesetzlicher Ebene zu verdeutlichen. machen beim Anspruch des Berichts die Gesellschaft und Welt klimaverträglich zu gestalten nur dann Sinn, wenn man beim Wort Staat an alle Staaten dieser Welt denkt. Allerdings kommt an anderen Stellen des Berichts schon das Land Deutschland vor. Doch insgesamt erhält man den Eindruck es gehe um die ganze Welt und Deutschland sei allenfalls das Modell an dem das vorgeschlagene Rezept zum ersten Mal vorexerziert wird.

    Wer löst das Klimaproblem: Deutschland, die internationalen Staaten oder Wissenschaft, Technik und Wirtschaft?
    Nur all die oben genannten Akteure zusammen können das Weltenergiesystem dekarbonisieren, also von Kohle, Öl und Erdgas befreien. Die meisten überschätzen meiner Ansicht nach die Rolle internationaler Verträge und von Staaten. Denn meiner Ansicht nach braucht es mehr als den politischen Willen um von Kohle, Öl und Erdgas wegzukommen. Es bracht Alternativen. Und diese Alternativen müssen zuerst durch Forschung und Entwicklung bereitgestellt werden. Die Politik muss dann nur noch dafür sorgen, dass die Umstellung in einem überschaubaren Zeitraum passiert und das alte Energiesystem nicht weiter bestehen bleibt obwohl es Alternativen gäbe. Die Politik könnte diesen Prozess – die Entwicklung von Alternativen zu Kohle, Öl und Erdgas – durch Forschungsförderung stark beschleunigen. Hier im Westen wurde meiner Ansicht nach aber zu früh eine Technologie, nämlich die Erneuerbaren, zur Siegertechnologie erklärt. Dabei hätte man alle Technologien fördern und weiterentwickeln müssen, die Kohle, Öl und Erdgas verdrängen können.

  10. Clive Hamilton hat sich auch mit Andy Revkin (Dot Earth) angelegt und Revkin verteufelt wegen der Verwendung des Ausdrucks “good Anthropocene”

    In der New York Times ist jetzt (08,07.2014) ein moderiertes Gespräch zwischen Andrew Revkin und Clive Hamilton zu lesen. Unter der Überschrift The Good, the Bad and the Anthropocene (Age of Us) verteidigt sich Revkin zuerst mit

    The primacy of energy access in most of the places in the world trumps long-term concerns about what we are going to do about greenhouse gas concentrations in the atmosphere.

    Sehr gut reagiert Revkin auf den Vorwurf Hamiltons, wir würden das 2°C-Ziel verpassen und auf eine um 4°C wärmere Hitzehölle zusteuern:

    When you have endpoints that you don’t know how to reach, chanting numbers like [four degrees, or] two degrees, or 350, or 80 by 2050, is less useful than saying, what are the traits in societies and individuals that I can work on that give us the best chance of bending curves in directions that are “good”?

    Das ganze Interview liest man hier.
    Es zeigt insbesondere, dass Clive Hamilton das Problem vor allem
    – bei der Industrie sieht, die auf Öl, Kohle und Erdgas setzt und
    – bei den beharrenden Kräften in dieser Gesellschaft sieht
    und dass er diese fossile Industrie “entmachten” will, während Andrew Revkin auch die Menschen im Auge hat, die jetzt in Energiearmut leben:
    Revkin:

    Is this a problem of big companies, or a problem of our attachment to cheap fossil energy? That ends up not being a scientific argument so much as a moral argument. If you make it a moral argument, and you go to the parts of the world where people have no energy options except dung to cook their food, that’s immoral, too.

    Der weitere Verlauf des Interviews macht noch klarer, dass Clive Hamilton den inkrementellen Pfad der Dekarbonisierung ablehnt und eine Energierevolution anstrebt und zwar eine Energierevolution, die nicht auf neuer Technik, sondern die auf politischer Entschlossenheit basiert. Schliesslich können Deutschland mit der Hälfte der Energie auskommen, die in den USA verbraucht werde und es gehe sicher mit noch viel weniger.

  11. Clive Hamilton glaubt wie viele “Denker” (Techno-Analphabeten), dass Umkehr und nicht neue Technologie der Weg in eine bessere, klimaverträgliche Zukunft sei
    Der Breakthrough-Artikel There’s No Way Around the Need for Innovation How Jonathan Chait Misunderstands the “Technology-First” Approach setzt sich mit der Ansicht des meinungsstarken Journalisten Jonathan Chait auseinander, welche sich bezüglich der Rolle von Technologie für die Bewältigung des Klimawandels so zusammenfassen lässt:

    Chait argues the technology-first approach “remains well short of grappling with reality” because it assumes that the research offers “something close to a miracle cure” in thinking that it can avoid paying the full cost of emissions reductions.

    Unser Lebensstil hängt von Energie ab und Kohle, Öl und Erdgas sind die wichtigsten Energieträger
    Jonathan Chait gehört für mich zur grossen Gruppe von Leuten, die sehr viel über Politik und Gesellschaft wissen, allerdings nur von der “geistigen” Seite her. Sie wissen nicht, wie stark die westliche Gesellschaft von Technologie geprägt ist, wie gross die Rolle der fossilen Energien ist und dass Energierohstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas überhaupt erst den Lebensstil ermöglicht haben, den wir heute als selbstverständlich und quasi als Menschenrecht betrachten. Dabei müssten diese Leute nur ganz wenige statistische Daten und Fakten kennen um zu erkennen, dass wir unser Leben hier nicht fortführen können ohne einen Ersatz für die fossilen Energien zu finden. Am deutlichsten zeigt sich dies beim Vergleich von Ländern, die von Armut geprägt sind (die subsaharischen beispielsweise) zu Ländern, die auch nur mässigen Wohlstand erreicht haben, zu Ländern also wie China: Während der CO2-Ausstoss eines Äthiopiers nur 80 kg pro Jahr ausmacht, beträgt er beim Durchschnittschinesen 6000 kg pro Jahr, also 75 Mal mehr. Damit im Zusammenhang steht die Tatsache, dass ein Äthiopier gerade einmal 1/6 der Elektrizität zur Verfügung hat, die es braucht um einen US-Standard-Kühlschrank zu betreiben. Der CO2-Ausstoss ist also heute eng gekoppelt mit dem Wohlstand.

    Es gibt Energiequellen, die Kohle, Öl und Erdgas ersetzen können, aber nicht in allen Bereichen
    Damit kommen wir zur zweiten Frage: Wie kann der CO2-Ausstoss deutlich gesenkt werden ohne dass man auf eine Grund-Wohlstand verzichten muss? Dies zeigt wieder ein Ländervergleich: Frankreich, die Schweiz und Schweden haben bei hohem Wohlstand alle einen CO2-Ausstoss der pro Kopf kleiner ist als der von China und erst recht viel kleiner ist als der von Deutschland oder gar der der USA. Diese Länder nutzen Wasser- und Atomenergie im grossen Stil. Warum haben Frankreich, Schweden und die Schweiz aber trotzdem eine Pro-Kopf-Ausstoss der mindestens 3 Mal zu gross ist um das 2°C-Ziel für das Jahr 2050 zu erreichen? Der Grund liegt darin, dass nicht nur die Stromerzeugung zum CO2-Ausstoss beiträgt sondern dass fast alle Fertigungsprozesse und sogar das Bauen von Häusern mit Zement und Beton mit einer CO2-Freisetzung einhergehen. Auch die Automobile und der Güterverkehrt tragen zum CO2-Ausstoss bei.
    Wer einmal weiss, wie stark unser Leben von den fossilen Energien durchdrungen ist, dem wird klar, dass wir unseren Lebensstil aufgeben müssten, wenn wir von heute auf morgen kein CO2 mehr ausstossen wollen. Den Lebensstil aufgeben bedeutet auch die moderne Medizin aufgeben, bedeutet eine Rückkehr zu einem Zustand in dem das durchschnittliche Lebensalter wieder 40 Jahre beträgt. Mit andern Worten: Ein Verzicht auf die fossilen Energien ohne Ersatzenergien kann kein Mensch wollen – mit Sicherheit wollen das Bon-Vivants wie Clive Hamilton und Jonathan Chait nicht.

    Dass nur ein Technologiewandel uns von Kohle, Öl und Erdgas wegbringen kann heisst aber nicht, dass wir lediglich ein technologisches Wunder quasi durch ein Klicken mit dem Techno-Zauberstab bräuchten und dann wäre alles in Butter. Denn
    1) ist Technologie allenfalls für Journalisten und Philosophen ein Wunder, für viele andere Leute ist es harte Arbeit
    2) geht ein Technologiewandel auch mit Änderungen in vielen anderen Lebensbereichen einher vom Wohnen über den Transport bis zu den Freizeitbeschäftigungen.
    3) Es könnte sein, dass es für gewisse Aktivitäten wie beispielsweise das Fliegen keinen CO2-armen Ersatz gibt. Dann müsste man diese Aktivität einschränken. Doch wenn wir nur eine Aktivität einschränken müssen ist das immer noch viel besser als eine Rückkehr in eine vortechnologische Gesellschaft

  12. Clive Hamilton und Amory Lovins sehen einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel und nicht Technologie als Schlüssel für die Bekämpfung des Klimawandels. Ihre Überzeugungen haben primäre gar nicht den Klimawandel als Ausgangspunkt. So hat sich Clive Hamilton schon sehr früh gegen den Konsumismus (consumerism) ausgesprochen und Amory Lovins hat als wichtige Figur in der Anti-AWK-Bewegung begonnen.

    Diese im weitesten Sinne antitechnologische Bewegung, im Falle von Amory Lovins wohl eher techno-alternativ motiviert, im Falle von Clive Hamilton aber mit einem eindeutig puritanischen Zug, ist schon sehr alt, ja geht mindestens auf die 1970er Jahre zurück.
    Aber auch das Thema Klimawandel und ein Bewusstsein dafür, dass der steigende Kohlendioxid-Ausstoss zu einer Erdystemerwärmung führt ist mindestens so alt. Schon 1975 gab es die Auseinandersetzung zwischen einer primär technischen Lösung des CO2-Problems und der Idee, den Klimawandel eher durch gesellschaftlichen Wandel anzugehen. Darüber berichtet Charles Barton (The Nuclear Green) in seinem Beitrag Two paths to Copenhagen: Weinberg and Lovins Repost , wo er zeigt wie die Position Alvin Weinbergs (Erfinder des Druckwasserreaktors und des Thorium-Salzschmelzereaktors) auf diejenige Amory Lovins trifft. Amory Lovins hatte gerade sein Buch “Non Nuclear Future The case for an ethical energy strategy”.” herausgebracht und Alvin Weinberg kritisierte das Buch dafür, dass es keine wirkliche Alternative für die Nuklearenerige vorschlug:

    Weinberg observes,
    Despite its title, the book is not concerned with a non-nuclear future.
    Then Weinberg quotes Lovins and Price, who justified the absence of an account of the non-nuclear future by claiming,
    ‘To show that a policy is mistaken does not oblige the analyst to have an alternative policy.

    Weinberg observed,
    But this is inadequate. They are not dealing with a hypothetical issue but with a real one. It is not enough to point out the deficiencies of nuclear energy; one must deal with the situation that would arise if Lovins and Price were successful in their onslaught: should the society indeed turn away from nuclear energy, what then?

    Weinberg quotes Lovins and Price:’

    Low-energy futures can (but need not) be normative and pluralistic, whereas high-energy futures are bound to be coercive and to offer less scope for social diversity and individual freedom.’

    And an
    ‘energy-intensive society’ leads to a highly centralized, highly bureaucratized high technology society very vulnerable to internal and external disruption.

    Weinberg observed:
    For them, energy itself is a villain: less energy is better than more energy, not merely because the environment can absorb only a limited energy load, But because society cannot handle it!

    But why energy, Weinberg asks, and pointed to Hitler’s use of the radio for political propaganda. The technology of mass communications was, Weinberg maintained a far greater threat to freedom than centralized poeert generation.
    ..

    Interessant scheint mir, dass für Weinberg schon im Jahr 1975 das CO2 Problem ziemlich weit oben auf der Prioritätenliste stand, während Amory Lovins scheinbar die Nuklearenergie als gefährlicher einschätzte als das Klimaproblem.

    Weinberg repeatedly notes that Lovins neglect a significant ethical issue posed by the generation of CO2 by burning coal.
    The Authors should compare the amount of heating from CO2, as well as the heat effluent from fossil fuel plants, with the heat from nuclear plants I must conclude that the authors regard net energy analyses a convenient device for casting nuclear in an unfavorable light. A feat they accomplished by attempt to accomplish by ignoring the really significant comparisons between nuclear and non-nuclear, of the same doubling time and relative effects of heat release and co2 release.

    Finally Weinberg asked,
    Can we really ignore CO2 during the coal burning, fission free bridge?

  13. Clive Hamilton ist ein typischer Vertreter der Dark greens:

    “dark greens” believe that environmental problems are an inherent part of industrialized capitalism, and seek radical political change. Dark greens believe that dominant political ideologies (sometimes referred to as industrialism) are corrupt and inevitably lead to consumerism, alienation from nature and resource depletion. Dark greens claim that this is caused by the emphasis on economic growth that exists within all existing ideologies, a tendency referred to as “growth mania”. The dark green brand of environmentalism is associated with ideas of deep ecology, post-materialism, holism, the Gaia hypothesis of James Lovelock and the work of Fritjof Capra as well as support for a reduction in human numbers and/or a relinquishment of technology to reduce humanity’s impact on the biosphere.

    Auf Clive Hamiltons Homepage findet man genau die oben erwähnten Themen, von Marketing and Modern Consumerism zum Blogaritkel Gaia Does Not Negotiate.
    Im Artikel The New Environmentalism Will Lead Us To Disaster
    So-called ecopragmatists say we can have a “good Anthropocene.” They’re dead wrong.
    – See more at: http://clivehamilton.com/the-new-environmentalism-will-lead-us-to-disaster
    nimmt er Stellung gegen die im Wikipedia-Artikel Bright Greens, die auch Ecomodernist genannt werden und die beispielsweise im Breakthrough-Institut vereint sind.

    Auffallend ist in Clive Hamiltons Argumentation und seinen nicht hinterfragten Grundannahmen ist, dass er annimmt, der Verzicht auf Konsumismus und eine bescheidene Lebensweise mit möglichst weitgehendem Verzicht auf fossile Produkte würde das Problem des Klimawandels lösen.
    Wie die meisten übersieht er das Ausmass des Problems, er übersieht, dass heute 85% aller Primärenergie aus fossilen Quellen kommt – wobei Australien, die Heimat Clive Hamiltons, eine grosse Rolle als Besitzer und Ausbeuter solcher fosssilen Quellen spielt – und dass ein völliger Verzicht auf diese Energien ohne einen Ersatz eine Welt schaffen würde, die niemand will (ausser vielleicht Clive Hamilton).

  14. Naomi Klein scheint mit ihrem Manifest (excerpt from:) This Changes Everything: Capitalism vs. the Climate die gleiche Stossrichtung einzunehmen wie Clive Hamilton. Man kann diese Stossrichtung als Ausdruck der Gedanken der dark green-Bewegung sehen oder in die ältere Tradition der Kapitalismuskritiker stellen. Der Breakthrough-Artikel The Left vs. the Climate beschäftigt sich mit der antikapitalistischen Interpretation:

    For many on the Left, capitalism is at the heart of climate change: the crisis of over-combustion stems from the capitalist dynamic of overproduction and overconsumption, all driven by the logic of over-concentration of profits in the hands of the wealthy few. And nothing will resolve the crisis, the Left hopes, but the transformation of every aspect of the world capitalism has made — to pull consumerism, waste, hierarchy, competition, trade and alienation up by the roots and replace them with a political economy of sufficiency, recycling, egalitarianism, cooperation, localism, and nature.

    Das scheint bei der nach Befreiung suchenden Naomi Klein noch besser zu passen als beim oft als pietistisch und moralinsauer karrikierten Clive Hamilton, was sich auch in den folgenden Sätzen ausdrückt:

    Even more than in her previous books, Klein advances a grand vision of “changing how we live, how our economies function, even the stories we tell about our place on earth,” [4] along with a sensibility that combines apocalyptic dread with utopian yearning to stimulate revolutionary determination.

    Genau wie bei Clive Hamilton fndet sich aber auch bei Naomi Klein grosses technisches Unverständnis:

    Her understanding of the technical aspects of energy policy — indispensable for any serious discussion of sustainability — is weak and biased, marked by a myopic boosterism of renewables and an unthinking rejection of nuclear power and other low-carbon energy sources. Having declared climate change an “existential crisis for the human species,” [15] she rules out some of the most effective means of dealing with it.

    Clive Hamilton und Naomi Klein gehören jedenfalls zur nicht kleinen Gruppe von Leuten, die das Klimaproblem zum Anlass nehmen wollen, die Gesellschaft komplett umzubauen. Es sind die alten linken Utopien vom befreiten Menschen, der das Joch des Kapitalismus abgworfen hat und erst dadurch in Glück leben kann. Selber sehen sich diese Vordenker wohl als Teil einer zukünftigen Elite wissen aber über die Technikabhängigkeit unserer Gesellschaft wenig. Dass bei Realisierung ihrer Utopie wohl viele Millionen bis Milliarden ihr Leben verlieren würden, wissen sie nicht oder würden es, wenn es einmal passiert ist, als notwendigen Schrit auf dem Weg zum Paradies, einordnen.

    • Wer wie Clive Hamilton oder Naomi Klein Klimaschutz nur als Abschied vom Kapitalismus sehen kann, der glaubt in letzter Konsequenz nicht daran, dass diese Welt das Klima schützen kann, denn Abschied vom Kapitalismus bedeutet nach dem Fall der letzten realsozialistischen Regime nichts anderes als Abschied von allem was wir kennen. Und das Klimaproblem könnte es nur dann lösen, wenn sich die ganze Welt auf den Weg in diese neue Utopie machen würde. Nicht nur Europa, sondern auch Russland, China und Afrika.
      Es dürfte dem hinterletzten, ja selbst Naomi Klein und Clive Hamilton, klar sein, dass es einen solchen Konsens hin zu einer postmaterialistischen Gesellschaft heute nicht geben kann. Naomi Klein denkt wohl bereits in postapokalyptischen Dimensionen und wohl auch Bill Mc Kribben, der in seiner Rezension über Naomis Buch This changes everything folgende Sätze geschrieben hat:

      “This is the best book about climate change in a very long time—in large part because it’s about much more. It sets the most important crisis in human history in the context of our other ongoing traumas, reminding us just how much the powers-that-be depend on the power of coal, gas and oil. And that in turn should give us hope, because it means the fight for a just world is the same as the fight for a livable one.” (Bill McKibben, author of The End of Nature and co-founder of 350.org)

      Ja, der Kampf für eine gerechte Welt ist schon mehrere hundert Jahre alt. Doch können wir für den Klimaschutz ebenfalls ein paar hundert Jahre investieren?

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