Wer darf über Wissenschaft berichten?

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die Psychologie irrationalen Denkens
Gedankenwerkstatt

Mitte Juni haben in Deutschland drei Wissenschaftsakademien1 eine Stellungnahme unter dem Titel Zur Gestaltung der Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und den Medien vorgelegt. Die Schrift offenbart ein seltsames Selbstverständnis, ein veraltetes Bild der Öffentlichkeitsarbeit und erstaunliche Ideen zur Pressefreiheit.

Die Akademien möchten die Kommunikation zwischen Wissenschaft, Journalisten und Öffentlichkeit strengen Regeln unterwerfen.

Nach eigenen Worten halten sie es für notwendig,

dass die Wissenschaft und die Medien selbst, aber auch die politischen Entscheidungsträger und die Gesellschaft einen aktiveren Beitrag leisten, um die Qualität der allgemein zugänglichen Information – und dazu gehören das wissenschaftliche Wissen und seine Darstellung in den Medien – künftig sicherzustellen.“ (Aus dem Vorwort der Stellungnahme, vorletzter Absatz)

Ich mag solche Phrasen nicht, denn der Begriff Sicherstellung der Qualität von Informationen war fast überall und immer ein Vorwand für Pressezensur. Ich habe mir also die Schrift genauer vorgenommen. Das Ergebnis hat mich – ehrlich gesagt – etwas erschüttert. 2

Markus Pössel, Blogger-Kollege bei Scilogs, hat in einem hervorragenden Beitrag gezeigt, dass die Stellungnahme der Akademien den Begriff Blog komplett falsch definiert. Außerdem scheint den Akademien entgangen zu sein, dass die Wikipedia inzwischen die wichtigste Anlaufstelle für die Information über wissenschaftliche Begriffe geworden ist. Das Wort „Wikipedia“ kommt in der Stellungnahme nicht vor.

Das lässt den Verdacht aufkommen, dass die Akademien nicht nur auf eine stolze Tradition zurückblicken, sondern darin stecken geblieben sind. Auch das Bild von Gesellschaft und Demokratie, das sie zeichnen, ist seit Jahrzehnten überholt und in Teilen schlicht falsch. Sehen wir uns das mal im Einzelnen an:

 

Demokratie, Wissenschaft und Presse

Die Akademien fordern, den Informationsfluss zwischen Wissenschaft, Presse und Öffentlichkeit besser zu steuern. Sie begründen das so:

In einer Demokratie entscheide das Volk über die Politik und die Verwendung der Steuern. Daraus folge ein Recht auf Information. Die Überschrift des Kapitels spricht von „angemessener Kommunikation“.

Meine Meinung dazu: Das ist sachlich falsch. Wenn es ein Recht auf Information gäbe, müsste es der Staat durchsetzen. Der Staat garantiert aber nur, dass Presse und Wissenschaft frei sind und dass man sich aus allgemein zugänglichen Quellen frei informieren kann (die sogenannte Rezipientenfreiheit). Er muss solche Quellen aber nicht bereitstellen (siehe Grundgesetz). Er muss schon gar nicht dafür Sorge tragen, dass Informationen „angemessen“ vermittelt werden. Dann käme man sehr schnell an den Rand einer Zensur.

 

Parlamentarische Demokratie als verdrießliche Angelegenheit

Weiterhin schreiben die Autoren, dass das Mitwirkungsrecht des Volkes heutzutage an gewählte Vertreter oder sogar an Expertengremien delegiert sind. Daraus folgt eine Entfremdung, die wiederum zu Politikverdrossenheit führt.

Meine Meinung dazu: Diese Argumentationskette ist brüchig. Expertengremien entscheiden nichts, sie bereiten allenfalls Entscheidungen vor. Wenn die Verlagerung von Entscheidungen auf gewählte Vertreter zur Politikverdrossenheit führen muss, dann hätte die parlamentarische Demokratie einen unbehebbaren Geburtsfehler.

 

Wissenschaft im Spannungsfeld

Von diesem zweifelhaften Ansatz aus schlagen die Akademien einen Bogen zu Wissenschaft und Technik. Deren Bedeutung für die modernen Gesellschaften sei allgemein anerkannt. Trotzdem gebe es Proteste dagegen, was hauptsächlich an unzureichender Information liege. Die Verhärtung der Fronten könne sich sogar bis zu einer Gefährdung demokratischer und rechtsstaatlicher Verfahren aufschaukeln.

Meine Meinung dazu: Auch diese Argumentation ist zweifelhaft. Bei wichtigen Themen wie Atompolitik, Klimawandel oder Fracking fehlt es nicht an Informationen. Die Kontroverse setzt vielmehr bei der Aufarbeitung, Interpretation und Bewertung ein. Eine Demokratie lässt ausdrücklich eine Vielfalt von Meinungen zu. Es ist Unsinn, an dieser Stelle ein Defizit konstruieren zu wollen. Wichtig wäre allenfalls, die Zugänglichkeit von staatlich gesammelten Informationen zu verbessern.

 

Das Ansehen der Wissenschaft

Weiter schreiben die Autoren, dass sich die Wissenschaftskommunikation verändert habe. Forscher legten mehr Wert darauf, ihre Arbeit verständlich zu erklären. Allerdings sei durch bessere Bildung und Information keine verbesserte Akzeptanz erreicht worden. Man habe deshalb auf interaktive Formen der Kommunikation umgestellt, was auch nicht recht gelungen sei.

Die neuen Medien führten zu mehr Interesse und mehr Diskussion, aber auch zu weniger Vertrauen zur Wissenschaft als Institution und natürlich auch zu einzelnen Wissenschaftlern.

Auch die Wissenschaft sei schuld, meinen die Akademien. Bis zu den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts hätten sie im wesentlichen gesichertes Wissen weitergegeben und keine brandneuen, noch unsicheren Forschungsergebnisse.

Das habe ihre Autorität und ihre bevorrechtigte Rolle beschädigt.

Meine Meinung dazu: Das ist zum einen schlicht falsch und zum anderen überheblich. Im einzelnen:

  • Akzeptanz erstreckt sich niemals auf Wissenschaft an sich, sondern nur auf bestimmte Leistungen. Außerdem muss sie stets neu gewonnen werden. Sie beruht auf Vertrauen, einem durchaus empfindlichen und vergänglichen Gefühl.

  • Wissenschaftler hatten niemals die hier angesprochene absolute Autorität. Der Typus des anmaßenden Gelehrten war schon in den Komödien der Renaissancezeit bekannt und beliebt. Eine gute Beschreibung findet sich in der deutschen Wikipedia.

  • Seit Ende der Sechziger Jahre kenne ich populärwissenschaftliche Veröffentlichungen aus eigener Anschauung. Schon damals wurden technische und wissenschaftliche Erkenntnisse unmittelbar veröffentlicht, ohne auf ihre endgültige Bestätigung zu warten.

Mein Selbstverständnis als Wissenschaftler unterscheidet sich erheblich von dem, das die Akademien hier als Ideal aufbauen. Ich verlange keine Privilegien und ich verkünde keine endgültigen Weisheiten, die möglichst unwidersprochen hingenommen werden. Ich bin fehlbar wie jeder andere Mensch. Wenn ich wissenschaftliche Erkenntnisse vermittle, weise ich immer auf die Grenzen hin.

 

Wissenschaft und Politik

Die Akademien würden es als ideal ansehen, wenn die Politik ihre Entscheidungen auf den Erkenntnissen der Wissenschaft aufbauen würden. Die Wissenschaft soll garantieren, dass die Entscheidungen nicht auf der Basis von „politisch gebotenen Kalkülen“, sondern auf „Sachgerechtigkeit“ beruhen. Die Spezialisierung der Wissenschaftler führe aber dazu, dass sie sich der übrigen Welt entfremden und wichtige Erkenntnisse nur noch schwer vermitteln könnten. Dazu trage auch eine Berichterstattung bei, die zu sehr vereinfacht. Das Problem werde fortlaufend schlimmer.

Meine Meinung dazu: Es ist sicher der Traum jedes Wissenschaftlers, dass eines Tages die Regierung zu ihm kommt und sagt: „Du musst uns helfen. Du weißt mehr als wir, das sehen wir ein. Zeige uns den Weg zu richtigen Entscheidung!“

Das wird aber nie stattfinden, es wäre auch keineswegs sinnvoll. In der Politik geht es fast immer um Entscheidungen, deren Auswirkungen auch Wissenschaftler kaum vorhersehen können. Als das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) beschlossen wurden, ließ sich die Regierung mit diversen Gutachten belegen, dass der Betrag für die EEG-Umlage nie über 2 oder 3 Cent steigen würde. Einander widersprechende Gutachten sind eher die Regel als die Ausnahme. Schlimmer noch: die meisten politischen Richtungsentscheidungen müssen unvereinbare Ziele unter einen Hut bringen (→ Zielkonflikt). Universitäten sollen beispielsweise mehr leisten, dürfen aber nicht mehr Geld kosten. Der Mindestlohn soll mehr Geld unters Volk bringen, aber die Wirtschaft nicht zusätzlich belasten. In solchen Fällen ist die Lösung immer ein zäh ausgehandelter Kompromiss. Bei Zielkonflikten ist eine „sachgerechte“ Lösung meist nicht eindeutig definierbar. Da hilft auch die Wissenschaft nicht weiter. Sie wäre völlig überfordert, wenn sie sachgerechte Entscheidungen garantieren sollte. Das wäre kein Idealzustand, sondern ein Alptraum.

 

Zu viel Wettbewerb in der Wissenschaft?

Weiter meinen die Akademien, dass die Universitäten zu einer zu übertriebenen Darstellung ihrer Leistungen in der Öffentlichkeit neigen, weil sie immer mehr Geld selbst einwerben müssen und weil das New Public Management ihnen einen Wettbewerb aufnötigt. Leistung und Ergebnisse sollen belohnt werden, also präsentieren sich die Universitäten im besten Licht. Was sich der Öffentlichkeit nicht gut verkaufen lässt, bleibt auf der Strecke. So wie ich das Paper lese, bildet die Kritik an dieser neuen Regelung den Kern der Stellungnahme.

Man könnte das etwa so zusammenfassen: Die politisch gewollten neuen Richtlinien für die Belohnung von Leistungen und für den Wettbewerb belohnen solche Forscher, die öffentlichkeitswirksame Themen bearbeiten und ihre Ergebnisse ständig übertrieben sensationell präsentieren. Die Presse ist wegen der Krise der traditionellen Medien unfähig, solche Praktiken aufzudecken und kritisch darüber zu berichten. Sie sollte mehr über „sperrige“ Themen berichten, die eigentlich für die Öffentlichkeit weniger interessant sind. Dazu fehlt ihr aber die Expertise und das Volk würde es sowieso nicht begreifen. Soweit die Diagnose.

Meine Meinung dazu: Das kann man vertreten, sinnvollerweise hätte man sich aber den Diskurs über die hervorgehobene Bedeutung von Wissenschaft in der Demokratie gespart. Andere, wie z.B. Norbert Lossau in der Welt online vom 3.2.2014, kamen zu einem ähnlichen Ergebnis. Er meinte, die Wissenschaft brauchte mehr Geld, sonst sei sie international nicht wettbewerbsfähig.

 

Was sie gerne ändern würden

Die Akademien schlagen Maßnahmen vor, die zwischen wirkungslos und kontraproduktiv einzuordnen sind.

z.B.: Wer seine Ergebnisse gegenüber den Medien wissentlich übertreibt, macht sich eines Verstoßes gegen die gute wissenschaftliche Praxis schuldig und soll entsprechend sanktioniert werden. Leider gibt es keine verbindlichen Richtlinien, was eigentlich gute wissenschaftliche Praxis ist. Es existiert lediglich ein Vorschlag der Max-Planck-Gesellschaft aus dem Jahr 2013. Und was ist eine „wissentliche Übertreibung“?

Kontraproduktiv ist folgende Forderung: „Insbesondere muss eine systematische und kontinuierliche journalistische Aus- und Weiterbildung zur Sicherung der journalistischen Qualität in allen Medien wieder gestärkt, nach außen sichtbar gemacht und insbesondere für die öffentlich-rechtlichen Medien verpflichtend werden.“

Damit würde es für die Medien noch teurer, über Wissenschaft zu berichten. Und glauben die Autoren wirklich, man kann Journalisten untersagen, über Wissenschaftsthemen zu berichten, nur weil sie nicht ausreichend weitergebildet sind?

Fehler kommen immer vor, Berichte werden entstellt oder aufgeblasen. Das kann man richtigstellen. Die Scilogs-Blogger haben das in vielen Fällen bereits getan. Übertreibungen werden heutzutage meist schnell erkannt und korrigiert.

In ihrer Gesamtheit laufen die Forderungen darauf hinaus, dass Berichte über Wissenschaft von den Pressestellen der Universitäten nur an bestimmte, dafür besonders qualifizierte Journalisten weitergereicht werden. Forscher sollen sich weder direkt an die Öffentlichkeit, noch an Journalisten wenden. Die Universitäten müssen dafür sorgen, dass alle Forschungsgebiete gleichmäßig behandelt werden, auch wenn sie für die Öffentlichkeit wahrscheinlich weniger spannend sind. Verleger und Rundfunkanstalten sind gehalten, nur die Berichte besonders qualifizierter Journalisten zu veröffentlichen. Beschwerdestellen, Ethikräte und Sanktionen für unbotmäßige Wissenschaftler sollen das System absichern und Übertreibungen weitgehend ausschließen.

Meine Meinung dazu: Es ist irrwitzig, die Berichterstattung über Wissenschaft in ein enges Korsett zwängen zu wollen. Wir leben im Zeitalter des Internet. Was immer die Menschen interessiert, findet den Weg an die Öffentlichkeit. Ich halte überhaupt nichts davon, der Presse ein „Gebot angemessener Kommunikation“ überzustülpen.

 

Fazit

Insgesamt zeichnen die Akademien in ihrer Stellungnahme ein verheerendes Bild von der akademischen Gemeinschaft. Sie trauern der Zeit nach, als Wissenschaftler noch für unfehlbar gehalten wurden und ihr Wort den Ausschlag bei politischen Entscheidungen gab (nicht, dass es diese Zeit je gegeben hätte). Sie fordern eine Kanalisierung von Berichterstattung. Sie klammern in ihrer Analyse das Internet vollständig aus. Das Wort Wikipedia kommt nicht vor. Und schließlich ist ihr Text selbst für Akademiker nur schwer lesbar.

Gesamtwertung: Ein PR-Desaster der Akademien.

 

Anmerkungen

1 Im Einzelnen: die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften – acatech und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften.

2 Da bin ich nicht der Einzige. Axel Bojanowski hat in Spiegel Online (Wissenschaft in den Medien: dafür sind Sie zu blöd) bereits auf die offenkundige Verachtung der Akademien für das gemeine Volk hingewiesen. Marcus Anhäuser hat eine Linkliste mit Kommentaren veröffentlicht, und Lars Fischer hat anlässlich eines Workshops der Volkswagenstiftung Gedanken zur Wissenschaftskommunikation geschrieben.

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Veröffentlicht von

www.thomasgrueter.de

Thomas Grüter ist Arzt, Wissenschaftler und Wissenschaftsautor. Er lebt und arbeitet in Münster.

22 Kommentare

  1. Pingback:Linkliste: Empfehlungen für eine bessere Wissenschafts-PR allerorten (Updates) – Plazeboalarm

  2. Das haben wir noch nie so gemacht, da könnte ja jeder kommen, wenn das alle täten. Am Ende leben wir in einer Wissensgesellschaft, das wäre ja noch schöner – das wird man ja wohl noch sagen dürfen.
    *facepalm*

  3. Der Artikel wirkt sehr klug,
    MFG
    Dr. W (der sich in seinem Ansatz bestätigt sieht auch in Einheiten des Webs zu lesen, die seine Meinungen grundsätzlich eher nicht abbilden)

  4. Pingback:Ergebnisse der Arbeitsgruppe “Wissenschaft, Öffentlichkeit, Medien” - Augenspiegel

  5. Pingback:Twitter = Lästerecke? Neue Medien und der Wissenschaftskommunikations-Workshop #wowk14 › RELATIV EINFACH › SciLogs - Wissenschaftsblogs

  6. In einer Demokratie entscheide das Volk über die Politik und die Verwendung der Steuern. Daraus folge ein Recht auf Information. Die Überschrift des Kapitels spricht von „angemessener Kommunikation“.

    Das ist zwar richtig, aber auch wieder falsch. Das Volk trifft ja nicht direkt die Entscheidung, sondern nur indirekt und selbst da oft aus völlig anderen Gründen. Oder anders Formuliert: Wer kennt eigentlich die wissenschaftspolitischen Ansichten seines Abgeordneten? Und ich meine damit nicht allgemeine ethische Kontroversen wie Stammzellenforschung, sondern sowas ganz alltägliches, wie ob er bestimmte Stieftungen fördern will oder das Geld lieber anders Anleihert. Welche Position hat er zur Personalpolitik…

    Auch wenn die Besetzung der Lehrstühle an den Hochschulen in unserem System keine Entscheidung der sog. Politiker ist, so wird dieses Thema von der Öffentlichkeit nicht mal diskutiert.

    Deren Bedeutung für die modernen Gesellschaften sei allgemein anerkannt.

    Ist das so oder werden gegenteilige Stimmen einfach nicht mehr gehört?

    Trotzdem gebe es Proteste dagegen, was hauptsächlich an unzureichender Information liege. Die Verhärtung der Fronten könne sich sogar bis zu einer Gefährdung demokratischer und rechtsstaatlicher Verfahren aufschaukeln.

    Achso, wenn man Proteste dagegen nur als Folge von Desinformation betrachtet, dann kann man natürlich niemals Opposition gegen diese Ansichten entdecken.
    Beliebiger Protest mit beliebigen Gründen: Ergebnis mangelnder Informationen, sonst wären sie dafür, ist diese Ansicht doch allgemein anerkannt.

    Das erinnert mich fast an die platonische Ansicht, dass ein Verbrechen immer mangels besseren Wissens handeln müsse…

    Allerdings sei durch bessere Bildung und Information keine verbesserte Akzeptanz erreicht worden.

    Hier wird “Bildung und Information” mit PR verwechselt.

    • “Hier wird “Bildung und Information” mit PR verwechselt.”

      Ich möchte da mal darauf hinweisen, dass Bildung von bilden kommt, was eigentlich formen bedeutet. Das macht es etwas gruselig wenn die Politik von Bildung spricht.

      • Wenn die politische Schicht oder andere städtische Einheiten, wie bspw. die drei Wissenschaftsakademien, von Bildung oder Information sprechen, dabei die Demokratie zitieren und die Meinungslenkung, also Demokratierückbau meinen, wird ‘es etwas gruselig’, korrekt.

      • Und so wird es auch gemeint sein.

        Im Hinterkopf auch des sanftesten unter uns…alle anderen scheinen dabei ihrer Naivität entlarvt.
        “Ideologie” statt “PR” – im Politischen ist es gleiche Bedeutung, anderer Begriff. Dass hier der Begriff “PR” dafür fällt, scheint einen Hinweis darauf zu geben, dass die Wirtschaften und ihre Interessen über die Wissenschaftsinteressen längst gewonnen haben – als hoffnungsvoller, naiver Betrachter der Welt zehrte man wohl noch aus einer “tollen” Vision der Vergangenheit, die ja auch nur eine notdürftige Idee war.

        “orwellsches Theorem” (1983). Bestimme den Inhalt des Bewusstseins der Menschen.

        In den Humanwissenschaften ist das politisch wichtig, damit man die Massen steuern kann – denn dort sind so manche Vesuchsergebnisse nicht das Erforschen der “seienden” Welt, sondern das Erschaffen der Wunschwelt (Soziologie, Ökonomie, Psychologie, usw.). Es handelt sich bei diesen Wissenschaftsgegenständen um gewisserweise “unnatürliche” Umgebungen und Sphären – woraus die Künstlichkeit sich automatisch ergibt – deren Existenz nur deswegen so ist, weil es irgendwer genau so für praktikabel hielt und sich eine kritische Masse davon “überzeugte”. Dazu ist normaleweise ein Anpassungsdruck notwendig und unter Druck sublimieren die Menschen in/zu Hochkultur.

        Und weil es Hochkultur sei, weil wir eine akademische Wisenschaft unterhalten, müsen wir diesem “Strategie-Papier” und seinen Urhebern den guten Willen und die Kompetenz auch abnehmen. Weil wir uns sonst ja gegen den “Fortschritt” wenden würden.

        Und da sich kaum jemand über dieses Papier aufregt, ist genau das der Fall: Kein Einspruch? Alles klar.

        Das zuweilen selbstkritisches zu lesen sei, ist kein Anzeichen dafür, dass dem nicht so ist.

      • Ich finde das Modewort “Bürger” auch im wahrsten Sinne des Wortes fürchterlich.

        • Ich finde das Modewort “Bürger” auch im wahrsten Sinne des Wortes fürchterlich.

          Diese Empfindung könnte angelernt sein, Ihr Kommentatorenfreund weiß nicht um Ihr Alter, vermutet aber dementsprechend, grob formuliert ist es in etwa so:
          Nomaden (das Fachwort) gelangten in prähistorischer Zeit zu dem Schluss, dass es sich eigentlich ganz gut leben lässt, wenn Landwirtschaft oder andere zuverlässige Quellen der Nahrungsaufnahme bereitstehen würden, sie verfielen insofern auf die Sesshaftigkeit. Die Sesshaftigkeit bedingt dann die Städtebildung, die Politik (steckt in der Stadt drinnen sozusagen), also auf besonderes städtisches Verhalten, das zur Zivilisation (“Bürgerwerdung”) führen musste, wobei sich mit dem politischen Handeln, bspw. die Ständebildung betreffend, auch eine besondere Art der Kommunikation einzustellen hatte.
          Dazu kam dann sozusagen logisch ergänzend die Schrift, die die prähistorische Zeit beendete.

          Das war gut, das war schön, aber als es in bestimmter Gegend anscheinend einigen zu gut zu gehen schien, kam -vor vielleicht 80 (!) Jahren- antibürgerliche Haltung auf, Stichwort: Neomarxismus, die feine Unterscheidung zwischen dem Citoyen und dem Bürger wurde gebildet und (oft französische) Filme begannen das Bürgertum, die Zivilisation oder die “Bourgeoisie” zu beklagen.

          Die Bürgerwerdung hat allgemein zur Ideologisierung, zur freiheitlichen oder zur kollektivistischen, welche nun besser ist, wird die Zeit entscheiden, allgemein scheint es aber schon zu sein, dass die individuelle Freiheit zu gewinnen scheint, beziehungsweise deren Achtung, die Schwarmintelligenz ist in diesem Zusammenhang ein moderner Begriff. der (umgesetzt) die Schaffung von Mehrwert deutlich zu befördern scheint.
          Insofern ziehen sich Kollektivisten auch idR und dankenswerterweise auf das Herrschaftssystem des sogenannten Demokratischen Sozialismus zurück.
          Der auch im Kommen scheint, aber nicht an der Bürgerlichkeit oder am Wesen des Citoyens nagen möchte.

          MFG
          Dr. W (selbst mal Halb-Nihilist oder Punk gewesen)

          • Irgendwo fehlten hier im ersten Absatz der Nachricht: ‘zielend’ und im dritten ‘beigetragen’, macht aber den Braten nicht fett.
            MFG
            Dr. W (der nichts gegen eine Vorschau hätte)

          • Oh vielen Dank für den aufmerksamen Kommentar. Gegen den Bürger als Menschen habe ich nichts einzuwenden, es ist vielmehr die Bezeichnung “Bürger”, die in der Öffentlichkeit benutzt wird. Da wollte ich nur eine lockere Verbindung herstellen zu dem Begriff und dem des “Bürgen”.

  7. Die Wissenschaftsakademien wollen die Kommunikation Wissenschaft Öffentlichkeit in einer Weise kontrollieren, die Ihnen nicht zusteht – da kann ich Thomas Grüter zustimmen.
    Autorisierte Kommunikationskanäle oder eine feinjustierte Kontrolle der Wissensvermittlung bis hin zum Transfer der “richtigen” Wertehaltungen gegenüber neuen Technologien und neuen Erkenntnissen wäre anmassend, paternalistisch und wäre ein Rückschritt.

    Vorstellen könnte ich mir aber Stellungnahmen der Akademien in besonders krassen Fällen der Falschdarstellung, der versuchten Manipulation der öffentlichen Meinung oder von ad-hominem-Attacken wie sie beispielsweise in der Klimaforschung immer wieder vorkommen. Solche Interventionen gäbe es selten und sie sollten vergleichbar sein mit der Vergabe von gelben und roten Karten im Fussball. Wer allzu krass gegen die guten Sitten verstösst, der sollte schon sanktioniert werden. Meine Vorstellungen gehen also in eine ähnliche Richtung wie im oben indirekt verlinkten Artikel An den Pranger.

    • Ein öffentlicher Pranger wäre natürlich möglich, aber gerade die krassen Fälle sind meinst längst an vielen Stellen korrigiert, bevor eine zentrale Stelle eingreifen kann. Er müsste auch sehr vorsichtig agieren, denn die Beurteilung von wissenschaftlichen Leistungen geht weit auseinander. Was ist beispielsweise ein “Durchbruch”? Der Begriff ist in letzter Zeit so überstrapaziert worden, dass er kaum noch eine Bedeutung hat. Im Moment klappt eigentlich die Korrektur von Übertreibungen oder Fehldarstellungen recht gut, und die Wissenschaftsblogger in aller Welt wirken daran sehr gut mit. Auch könnte eine zentraler Wissenschafts-Presserat nur Fehlleistungen deutscher Wissenschaftsorganisationen rügen. Damit bliebe ein Großteil der Tartarenmeldungen weiterhin ungerügt. Zugegeben: Ich ärgere mich auch, wenn jemand kleine Fortschritte gigantisch aufbläst und würde gerne sehen, dass ihm jemand auf die Finger klopft. Aber deswegen gleich eine entsprechende Institution einzurichten, scheint mir dann doch etwas zu viel des Guten, zumal sie außer der Rüge keine Sanktionsmöglichkeiten hat.

      • Neben Übertreibungen gibt es unter Wissenschaftlern auch ad-hominem Attacken – und die werden vor allem auf Blogs ausgetragen. Hier stellt sich ebenfalls die Frage ob man diesem Treiben gewisse Grenzen setzen könnte.
        Zwei Beispiele aus der Klimaforschung sind
        – der Vergleich von Joachim Schellnhuber (Direktor PIK, WGBU-Vorsitzender) mit dem Nazi Reinhard Heydrich durch Luboš Motl auf seinem Blog The Reference Frame
        – Die Verwendung des Begriffs Lysenkoismus und Postnormal science im Zusammenhang mit der aktuellen Klimawissenschaft durch Hans von Storch in der Klimazwiebel

        Solche Angriffe wie die beiden oben erwähnten gibt es auf Internet-Blogs nicht so selten. Allerdings muss man sich fragen, ob Wissenschaftler die Autoren und Federführer solcher Angriffe sein dürfen und falls nicht, was hier die beste Reaktion wäre.

    • Vorstellen könnte ich mir aber Stellungnahmen der Akademien in besonders krassen Fällen der Falschdarstellung, der versuchten Manipulation der öffentlichen Meinung oder von ad-hominem-Attacken wie sie beispielsweise in der Klimaforschung immer wieder vorkommen.

      Man mag das für moralisch verdammenswert halten, aber meiner Einschätzung nach kommen solche Phänomene in fast jeder real geführten Diskussion vor. Die positiven Ausnahmen gibt es natürlich, ob sie Beispiele für besonders fruchtbare Diskussionen oder nur seltene Sonderfälle sind, ist eine andere Frage.
      Genauso treten die Vorwürfe auf. Ein Autor hat vielleicht etwas missverstanden und schon bezichtigt ihn man der bewussten Falschdarstellung.

      Der eine spricht vielleicht von Falschdarstellung während der andere meint, den Kern der Sache damit wiedergegeben zu haben.

  8. ” In einer Demokratie entscheide das Volk über die Politik und die Verwendung der Steuern. Daraus folge ein Recht auf Information. Die Überschrift des Kapitels spricht von „angemessener Kommunikation“. Das gibt zu denken:Rahim Taghizadegan Demokratie Eine kritische Analyse von Rahim Taghizadegan

    • Der Essay von Rahim Taghizadegan befasst sich mit dem Unterschied zwischen moderner und antiker Demokratie und stellt die Frage, ob man das Wort Demokratie auf die modernen parlamentarischen Demokratien anwenden darf. Es wäre gut, wenn Sie kurz erläutern, welches neue Licht dies auf die die Stellungnahme der Wissenschaftsakademien wirft. Dann wird es für andere sicher leichter, auf ihren Kommentar zu antworten.