McCarthys Hexenjagd auf einer exzellenten DVD

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die Psychologie irrationalen Denkens
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Gestern bin ich zufällig beim Einkaufen auf die Zeitschrift TV direkt gestoßen, die für 2,20 € mit einem hervorragenden Film auf DVD ausgeliefert wird. Er heißt „Good Night, and Good Luck“ und thematisiert die atemlose Kommunistenhatz des amerikanischen Senators Josef McCarthy in den fünfziger Jahren. Der bekannte Schauspieler George Clooney führte Regie und hat auch das Drehbuch mitverfasst. Die Produktion stammt aus dem Jahr 2005, aber er kopiert mit voller Absicht den Stil der fünfziger Jahr. Das Bild ist durchgehend schwarzweiß mit starken Bildkontrasten.

Der Film fängt erstaunlich genau die gedrückte Atmosphäre ein, die in den fünfziger Jahren herrschte. Auf der einen Seite hatten die Amerikaner Angst vor der kommunistischen Unterwanderung, auf der anderen Seite fürchteten viele, als Kommunisten denunziert zu werden. Die Medien, die Politiker, die Hollywoodstudios und die Universitäten bemühten sich, nicht den kleinsten Verdacht der Sympathie mit dem Kommunismus aufkommen zu lassen.

Das hinderte einige mutige Fernseh-Journalisten der CBS aber nicht daran, die blinde Kommunistenjagd von McCarthy und die damit verbundenen Verletzungen von Bürgerrechten scharf zu kritisieren. Daraufhin gerieten sie unter den Druck der Geschäftsleitung, der Anzeigenkunden und der Politik. Diese Episode schildert der Film und gibt zugleich einen spannenden Einblick in die Anfänge der Fernsehtechnik. Das alles ist sehr überzeugend dargestellt, und deshalb ist die DVD zweifellos einer der besten Heft-DVDs der letzten Monate.

Allerdings hat George Clooney den Film für ein intellektuelles amerikanisches Publikum gedreht, das über die Geschichte von McCarthys Aufstieg und Fall bestens Bescheid weiß. Deshalb möchte ich den historischen Hintergrund kurz zusammenfassen:

Joseph McCarthy wurde 1946 in Alter von erst 38 Jahre als Vertreter von Wisconsin in den Senat der vereinigten Staaten gewählt. Die Amtszeit eines Senators beträgt 6 Jahre, und McCarthy fiel in den ersten drei Jahren kaum auf, weder positiv noch negativ. Am 9.2.1950 behauptete bei einer politischen Rede vor den Republikanischen Landfrauen von Wheeling, Virginia, er habe eine Liste von 205 Kommunisten, die im Außenministerium arbeiteten.

Das sorgte für Irritationen, und McCarthy trug zur Aufklärung nichts bei, im Gegenteil, in den nächsten Wochen relativierte er erst die Zahl 205, dann legte er plötzlich nach und behauptete, es handle sich um 57 Individuen mit „gültigen Mitgliedsausweisen der kommunistischen Partei“.

Als er seine Behauptungen vor dem Senat in einer Anhörung belegen sollte, stellte er aber 81 Fälle vor. Sie hätten eine „deutliche Verbindung“ zum Kommunismus, seien aber nicht unbedingt Parteimitglieder. Und möglicherweise arbeiteten einige von ihnen nicht mehr im Außenministerium. McCarthys vorgebliche Beweise überzeugten aber die Senatoren in keiner Weise und die Anhörung geriet zur Farce. Jetzt hätte die Angelegenheit zu Ende sein können, denn im Grunde war McCarthy unsterblich blamiert.

Stattdessen geschah erstaunliches: Der unermüdliche Kämpfer gegen kommunistische Windmühlen erhielt lebhafte Unterstützung aus dem Volk. In vielen Briefen dankten ihm einfache Bürger für sein Engagement und sprachen ihm Mut zu. McCarthy zog daraufhin ein grandioses Verwirrspiel auf, in dem er ständig Anschuldigungen erhob, veränderte, zurückzog und nachschob.

Er vernichtete die Karriere von Owen Lattimore, einem anerkannten China-Experten der John-Hopkins-Universität in Baltimore, obwohl er seine Vorwürfe gegen ihn wieder einmal nicht beweisen konnte.

McCarthy sah sich im Kampf gegen „eine Verschwörung von so immenser Größenordnung, dass sie jedes andere derartige Unternehmen in der menschlichen Geschichte in den Schatten stellt“, wie er selbst erklärte. Er hatte sein Thema gefunden, das schlagende Argument, welches ihm die Wiederwahl sichern sollte. So wurde er auch tatsächlich 1952 für sechs weitere Jahre in den Senat gewählt. Die Senatoren steckten ihren querulatorischen Kollegen in einen Ausschuss, der die Effizienz der Regierungsarbeit kontrollieren sollte, und gaben ihm den Vorsitz. Damit hatten sie ihm viel Arbeit aufgehalst, und sie hofften, dass er für seine eher peinlichen Attacken kaum Zeit finden.

Aber leider funktionierte das nicht. McCarthy hatte als Ausschussvorsitzender die Macht, Regierungsmitglieder und Ministeriumsbeamte vorzuladen. Er zitierte sie vor seinen Ausschuss und warf ihnen absurde Verfehlungen vor, darunter immer wieder die Vertuschung von kommunistischen Aktivitäten in den Ministerien. Wahllos griff er Beamte oder kleine Angestellte heraus und erhob sinnlose Beschuldigungen gegen sie. In vielen Fällen ruinierte er damit ihr Leben, denn zu dieser Zeit, also im Jahr 1953, war McCarthy auf dem Höhepunkt seiner Popularität. Kein Minister traute sich, ihm zu widersprechen. McCarthy wuchs die Arbeit über den Kopf, und er stellte zwei junge Mitarbeiter ein: Roy Cohn und David Schine. Cohn war Anwalt, Schine der streng antikommunistische Sohn eines sehr reichen Vaters. Eine spezielle Ausbildung hatte er nicht vorzuweisen.

Bald wurde gemunkelt, dass Cohn und Schine mehr als nur Freunde waren. In den fünfziger Jahren konnte der Verdacht einer homosexuellen Beziehung jede öffentliche Karriere abrupt beenden, und McCarthy saß jetzt auf einem Pulverfass. Die Gerüchte erhielten neue Nahrung, als Schine zur Armee eingezogen wurde und Cohn Himmel und Hölle in Bewegung setzte, um ihm das Leben dort zu erleichtern.

Inzwischen hatte sich McCarthy seine Kampagne von den Ministerien auf die Armee erweitert und nach Cohns Aktionen sahen die Generäle endlich eine Gelegenheit, in die Offensive zu gehen. McCarthy habe die Armee im Fall Schine unzulässig zu beeinflussen versucht, klagten sie. Der Senat richtete einen Untersuchungsausschuss ein und der Armee-Rechtsanwalt Josef Welch nahm McCarthy in einer öffentlichen, live im Radio übertragenen Anhörung nach allen Regeln der Kunst auseinander.

McCarthy erhielt am Ende lediglich einen Verweis. Er habe sich ungebührlich benommen und dem Senat Schande gemacht, befand das hohe Haus. Obwohl McCarthy seinen Ausschuss behielt, hatte von jetzt an niemand mehr Angst vor ihm. Sein Nimbus war gebrochen, seine Tiraden fanden kein Gehör mehr.

Im Jahr 1957 starb er an einem akuten Leberversagen. Er habe zu viel getrunken, hieß es damals. Vermutlich war seine Leber allerdings durch eine frühere Leberentzündung bereits vorgeschädigt.

McCarthy gehörte zu der unangenehmsten Sorte von Verschwörungstheoretikern: den Hexenjägern. Anders als die anderen drei Typen (der Verfolgte, der besessene Aufklärer und der Zeichendeuter) will der Hexenjäger Verschwörungen nicht nur aufklären, nein, er will die Verschwörer auch gleich vernichten1. Jedes Mittel ist ihm recht, um das Übel und seine Vertreter auszurotten. Wenn ein Hexenjäger tatsächlich Machtmittel bekommt, wird er zu einer Gefahr für seine Mitmenschen.

Der Film „Good Night and Good Luck“ schafft es, die bedrückende Atmosphäre der MCarthy-Ära auf den Bildschirm zu bringen. Die Parallelen zur heutigen Zeit sind unübersehbar und vom Regisseur George Clooney sicherlich gewollt. Absolut sehenswert!

Für McCarthy ist im Abspann übrigens kein Darsteller genannt. Das ist auch nicht nötig: alle gezeigten Auftritte des Senators sind Originalaufnahmen.

 

[1] Thomas Grüter: Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer. Wie Verschwörungstheorien funktionieren. Scherz Verlag, Frankfurt 2006, S75ff

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www.thomasgrueter.de

Thomas Grüter ist Arzt, Wissenschaftler und Wissenschaftsautor. Er lebt und arbeitet in Münster.

3 Kommentare

  1. Danke für den Hinweis.

    Ich habe schon häufiger gelesen dass das ein ganz großer Film sein soll. Die Gelegenheit werde ich wohl wahrnehmen.

    Interessante Frage, ob etwas derartiges heutzutage noch möglich wäre…

  2. Interessante Frage

    “Interessante Frage, ob etwas derartiges heutzutage noch möglich wäre…”

    Noch eine interessante Frage, ob wir es als NeoMcCarthyismus wahrnehmen würden…

    Danke für den Hinweis, Thomas Grüter.

  3. Super Tip!

    Habe es gekauft und vorgestern Abend mit Interesse und Genuss gelesen! Vielen Dank, war super! Ein George Clooney-Film, den jede(r) kennen sollte!