Sternentstehung auf breiter Front im frühen Universum

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Spurensuche im jungen Universum
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Mit Kollegen aus Frankreich, den USA und Indien konnte wir erstmals das kühle molekulare Gas in großen, ansonsten gewöhnlichen Galaxien im frühen Universum beobachten [1,2,3]. Dabei entdeckten wir weit mehr davon, als in den Galaxien unserer heutigen kosmischen Umgebung vorhanden ist. Dieses Gas ist der Baustoff, aus dem auch heute noch in normalen, ungestörten und nicht aktiven Galaxien neue Sterne entstehen. Die Beobachtung wurde am Millimeterinterferometera auf dem Plateau de Bure (Frankreich)  durchgeführt, das vom Institut für Radioastronomie im Millimeterbereich (IRAM) in Grenoble betrieben wird. Der Befund zeigt, dass massereiche Galaxien große Teile ihrer stellaren Komponente langsam und innerhalb großer Zeiträume aufgebaut haben, und nicht, wie bisher angenommen, während explosionsartiger Ereignisse, ausgelöst durch Zusammenstöße zweier oder mehrerer Galaxien. Damit eröffnen sich neue Wege zum Verständnis der frühen Entwicklung von Galaxien im fernen, jungen Kosmos kurz nach dem Urknall.

 

 

Abb. 1: Massereiche ferne Galaxien besitzen, ähnlich unserem Milchstraßensystem, eine scheibenartige Form, aber ihr Gasgehalt, und deshalb auch ihre Sternbildungsaktivität, ist wesentlich höher. (Künstlerische Darstellung. MPIA/ESO/ESA/NASA/HST)

 

Die Leuchtkraft der Galaxien im fernen Infrarot, LFIR, ist ein direktes Maß für die Rate der aktuell ablaufenden Umwandlung von molekularem Gas (hauptsächlich Wasserstoff) in neue Sterne. Will man die Effizienz der Sternbildung bestimmen, so muss man die Rate ins Verhältnis zur Gesamtmenge des vorhandenen molekularen Gases setzen. Dessen Hauptbestandteil ist der molekulare Wasserstoff; andere Molekülsorten, zum Beispiel Kohlenmonoxid (CO), sind zwar viel seltener, lassen sich aber leichter nachweisen und können als Indikatoren für die insgesamt vorhandene Menge an interstellaren Molekülen verwendet werden. Deshalb ist zum Beispiel die Leuchtkraft der CO-Emissionslinien, LCO, ein Maß für die zur Sternbildung insgesamt verfügbare Menge an interstellarem Gas. Ein Maß für die Effizienz der Sternbildung in einer Galaxie ist also durch das Verhältnis LFIR/ LCO gegeben.

In den Galaxien unserer kosmischen Nachbarschaft beobachten wir die Sternentstehung, wie sie in der Gegenwart abläuft. Wir beobachten hier zwei grundlegend verschiedene Arten der Sternentstehung. In mehr oder weniger ungestörten, »normalen« Spiralgalaxien, etwa in unserem eigenen Michstraßensystem, entstehen neue Sterne hauptsächlich in den Spiralarmen und in der galaktischen Scheibe. Hier stehen dafür große Mengen des hauptsächlichen Baumaterials zur Verfügung: molekularer Wasserstoff. In unserer (für unsere kosmische Umgebung recht typischen) Galaxie beträgt die Rate für die Umwandlung von diesem molekularen Gas in neue Sterne einige wenige Sonnenmassen pro Jahr.

Wenn Spiralgalaxien sich infolge einer nahen Begegnung gegenseitig durchdringen, entstehen Sterne während begrenzter Zeiträume von bis zu etwa hundert Millionen Jahren mit einer wesentlich höheren Rate: Bei solchen Zusammenstößen wird das molekulare Gas stark in Richtung des Zentralbereichs der beteiligten Systeme komprimiert und erreicht dort wesentlich höhere Dichten als in gewöhnlichen Spiralgalaxien. Dadurch kann in diesen Zentralbereichen die Rate der Sternentstehung kurzfristig auf mehrere hundert Sonnenmassen pro Jahr ansteigen, sodass das Baumaterial relativ schnell aufgebraucht wird. Galaxien, die wir in diesem Zustand beobachten, bezeichnen die Astronomen als Ultra-Leuchtkräftige InfraRot-Galaxien (ULIRG).

Die Frage lautet nun: Auf welchem Wege ist die Mehrheit der Sterne im jungen Universum entstanden? Damals waren, wie Beobachtungen zeigen, Zusammenstöße zwischen Galaxien wesentlich häufiger als heute, weil die räumliche Dichte der Galaxien höher war (seither hat die kosmische Expansion die Galaxiendichte kontinuierlich herabgesetzt); und die Sternentstehungsrate war auch in gewöhnlichen Galaxien viel höher als heute. Allerdings wurde bisher allgemein angenommen, dass die meisten Sterne im frühen Universum während der durch Zusammenstöße ausgelösten, hochaktiven ULIRG-Phasen entstanden sind. Die Eigenschaften des molekularen Gases konnten nur in den hellsten und seltensten Galaxien (eben den ULIRGS) untersucht werden, und solche Beobachtungen schienen diese Vorstellung zu untermauern.

Um auch über die Sternentstehung in »normalen« Spiralgalaxien im frühen Universum quantitative Aussagen zu gewinnen, führten wir im Mai 2007 am MPI für Astronomie, gemeinsam mit Kollegen aus Frankreich, den USA und Indien, Beobachtungen von zwei massereichen, scheibenförmigen jungen Galaxien bei hoher Rotverschiebung (z = 1,5) durch, die ihre heute bei uns eintreffende Strahlung schon 4,3 Milliarden Jahre nach dem Urknall emittiert hatten.

Diese beiden, mit BzK-4171 und BzK- 21000 bezeichneten Galaxien befinden sich im so genannten Goods North Field im Sternbild des Großen Bären. Dieses Feld, das auch das berühmte Hubble Deep Field enthält, wurde in verschiedenen Wellenlängenbereichen besonders gründlich durchmustert. Es liegen hochaufgelöste Bilder der Objekte vor, die eine Klassifikation erlauben; und deren Rotverschiebungen (Entfernungen) und Infrarotleuchtkräfte sind bekannt. Deshalb eignet sich dieses Feld hervorragend zum Studium der Galaxienentwicklung im frühen Universum. Um die Effizienz der Sternentstehung in den beiden Galaxien zu bestimmen, musste »nur« deren Gehalt an molekularem Gas gemessen werden. Für unser Projekt nutzten wir das Millimeter- Interferometer auf dem Plateau de Bure – in den französischen Alpen gelegen – mit seinen kürzlich verbesserten, hoch empfindlichen Detektoren für Radiowellen im Millimeterbereich. Die Anlage wird vom Institut für Radioastronomie im Millimeterbereich (IRAM) in Grenoble betrieben. Die Auflösung dieser Beobachtungen beträgt etwa sechs Bogensekunden und ist damit wesentlich gröber als Beobachtungen im optischen Bereich von typisch einer Bogensekunde oder besser (das Weltraumteleskop Hubble erreicht hier eine Auflösung von 0,05 Bogensekunden). Wir konnten aber die Radioemission des CO-Moleküls nachweisen und kartieren (Abb. 2), und damit erstmals die Menge und den Gehalt des interstellaren molekularen Gases in gewöhnlichen, typischen Galaxien des fernen, jungen Universums bestimmen.

  


Abb. 2: Diese mit dem Weltraumteleskop Hubble gewonnenen Aufnahmen zeigen die beiden fernen, massereichen Galaxien (jeweils in der Bildmitte), deren Gehalt an molekularem Gas (weiße Konturen) jetzt erstmals bestimmt werden konnte. (Bild: E. Daddi/CEA-France/NASA/HST)

 

Die Ergebnisse dieses Projekts sind in einer Arbeit dargestellt, die am 20. Januar 2008 in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal Letters erschienen ist – sie haben weitreichende Folgen für unser Verständnis der Prozesse, die für das Wachstum massereicher Galaxien im fernen, frühen Universum maßgeblich sind. Es zeigt sich, dass beide Galaxien gigantische Mengen an molekularem Gas enthalten, während sie sich in ihrer Art Sterne zu bilden kaum von den Galaxien in unserer kosmischen Nachbarschaft unterscheiden – ein hier erstmals festgestellter Befund: Die gewöhnlichen fernen (und damit jungen) Galaxien verhalten sich wie eine vergrößerte Version unserer (recht typischen) Galaxie, in der die Rate der Umwandlung des molekularen Gases in neue Sterne einige wenige Sonnenmassen pro Jahr beträgt. Die fernen Galaxien besitzen wesentlich größeres Reservoir an molekularem Gas und ihre Sternbildungsaktivität ist höher, verläuft aber insgesamt mit recht ähnlicher Effizienz (siehe Abb. 3).

 

Abb. 3: Ein Maß für die Effizienz der Sternbildung in Galaxien ist das Verhältnis aus der Leuchtkraft im Infraroten LFIR und der Leuchtkraft der CO-Emission LCO. Hier ist dieser Wert für normale Spiralgalaxien (blau) und Ultra-Leuchtkräftige InfraRot-Galaxien (ULIRGs, rot) in Abhängigkeit von der Rotverschiebung beziehungsweise vom Alter des Universums (oder die Zeit nach dem Urknall) aufgetragen. Die beiden großen blauen Punkte gelten für die jungen Scheibengalaxien BzK-4171 und BzK-21000. 

 

Diese Entdeckung hilft uns Astronomen bei unseren Bemühungen, den allmählichen Aufbau der stellaren Komponente in den Galaxien zu verstehen. Sie spricht dafür, dass Kollisionen zwischen Galaxien nicht der dominante Auslöser der Sternbildung im frühen Kosmos sind. Die hier beschriebenen, neu entdeckten riesigen Reservoirs an molekularem Gas können die Sternbildung in diesen Galaxien über hunderte bis tausende von Millionen Jahren hinweg aufrecht erhalten, zehnmal so lange wie in den bisher allein bekannten, extrem aktiven Objekten im jungen Universum. Das bedeutet, dass ein großer Anteil der Sterne in massereichen Galaxien relativ langsam entstand. Weil die großen Reservoirs an molekularem Gas aufgrund ihrer gravitativen Instabilität zur Fragmentation neigen, erklären die neuen Beobachtungen auch, warum ferne Galaxien ein klumpiges Aussehen haben.

Diese neuen Beobachtungen zeigen auch, dass »normale« Galaxien im fernen Universum, die zehn- bis hundertmal häufiger sind als die bisher untersuchten extrem akiven Galaxien (z.B. die ULIRGS), mit den modernsten Instrumenten bezüglich ihres Gasgehaltes gezielt untersucht werden können. Damit wird sich unser Bild vom allmählichen Aufbau der Galaxien weiter verfeinern und bereichern lassen.

 

Bis zum nächsten Blog,

Euer Helmut Dannerbauer

 

Fußnote:

a: Mehr über Interferometrie ist im Artikel ‘Zwei Teleskope sehen schärfer als eines’ von KOSMOlogs Bloggerkollege Leonard Burtscher zu finden.

 

Quelle:

[1]: E. Daddi, H. Dannerbauer, et al., The Astrophysical Journal Letters, January 20th, 673, 21, 2008, ‘Vigorous Star Formation with low Efficiency in Massive Disk Galaxies at z = 1.5’;

[2]: MPIA Pressemitteilung 08-01-23, 23. Januar 2008;

[3]: In der nächsten Ausgabe von Sterne und Weltraum, März 2008, Seite 20-22, erscheint ein Artikel in der Rubrik ‘Blick in die Forschung’ über diese Entdeckung.

 

E. Daddi, H. Dannerbauer, D. Elbaz, M. Dickinson, G. Morrison, D. Stern, S. Ravindranath (2008). Vigorous Star Formation with Low Efficiency in Massive Disk Galaxies at = 1.5 The Astrophysical Journal, 673 (1), 21-24 DOI: 10.1086/527377

 

E. Daddi, H. Dannerbauer, D. Elbaz, M. Dickinson, G. Morrison, D. Stern, S. Ravindranath (2008). Vigorous Star Formation with Low Efficiency in Massive Disk Galaxies at = 1.5 The Astrophysical Journal, 673 (1), 21-24 DOI: 10.1086/527377

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Veröffentlicht von

Der promovierte Astrophysiker Helmut Dannerbauer – wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg – fokussiert sich in seinem Blog auf die Erforschung von Galaxien und deren Entwicklung im jungen Universum.

1 Kommentar

  1. Frage an Herrn Burtscher

    Guten Tag Herr Burtscher
    Ich bin nicht bewandert mit bloggen und so, und so versuche ich es über dieses Kästchen Sie um Hilfe zu bitten.
    Ist nun unsere Sonne und das Sonnensystem ca. 2.6 Millarden Jahre alt und wird noch 2-3 Milliarden Jahre dauern? Oder muss ich andere Zeitmässtäbe rechnen?
    Ist die Erde gemäss unseren Atromen/Elementen in der 1. oder in der 2. oder gar 3. Generation (Fusionen Neuentstehungen) Stern/Planetenenstehung in der Entwicklung Universum Alters ca. 14.6 Milliarden Jahre?
    Wird die Sonne nach xxx Milliarden Jahren als roter Risen, …ca. wann, zur Supervona und zum weissen Zwerg, oder anders enden?
    In der Literatur finde ich immer wieder verschiedene Angaben zu den Fragen.
    Für Ihre Hilfe danke ich Ihnen herzlich.
    Mit vielen guten Seetalergrüssen aus der Schweiz
    A. Romer

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