Wie kooperationsbereit ist der Mensch?

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Kognition & Kooperation
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Wenn man, wie ich, daran interessiert ist, zu verstehen, wie menschliche Kooperation funktioniert, dann findet man sich schnell vor zwei Extremen wieder. Auf der einen Seite ist der Mensch mit Sicherheit dasjenige Lebewesen, das alle anderen sowohl quantitativ als auch qualitativ in der Zusammenarbeit übertrifft. Kein anderes Tier ist in der Lage, weltweit, anonym, in großen Gruppen und von großen zeitlichen Abständen unterbrochen zusammenzuarbeiten.

Auf der anderen Seite scheitern viele Kooperationen, bei denen man den Eindruck hat, dass die beteiligten Gruppen lediglich Kleinigkeiten hätten ändern müssen, um erfolgreich zu sein. Wie bereits in einem anderen Beitrag erwähnt, kommt es dann bei gemeinschaftlich bewirtschafteten Ressourcen wie Wald, Fischen, Bewässerungssysteme oder ähnlichem mehr zur so genannten Verelendung der Gemeingüter (tragedy of the commons). Da verweigern zum Beispiel ganze Dörfer die Zusammenarbeit, weil der neue Anführer mit seinem Plänen vor allem sich selbst bereichert und finden keinen Ausweg aus diesem Dilemma. Da führt der Neid eines Bauern auf den Nachbarn dazu, dass er mehr verbraucht als er eigentlich benötigt – nur um dem anderen die dringend benötigten Ressourcen wegzunehmen und ihm eins auszuwischen. Dass er dabei letztlich auch verliert, gerät da schnell aus dem Blick. Und diese Beispiele ließen sich natürlich fortführen.

Und in der Tat, ein erfolgreiches, effizientes und nachhaltiges Management natürlicher Ressourcen ist in vielen Projekten weltweit eher die Ausnahme als die Regel. Die Frage liegt nahe, woran das letztlich liegt. Zu diesem Zweck versuchen Forscher, wichtige Rahmenbedingungen im Laborversuch nachzustellen. Unter welchen Bedingungen sind Menschen kooperationsbereiter, unter welchen Bedingungen gewinnen Egoisten die Oberhand? Das reicht von Computersimulation über anonym durchgeführte Spiele bis hin zu manipulierten Situationen in der realen Welt.

Dazu gibt es eine Menge Studien, bekannt sind hier vor allem das Gefangenendilemma und die so genannten public goods Spiele geworden. Bei beiden Spielen entsteht ein Dilemma für jeden Spieler, denn Egoismus ist die erfolgreichste Strategie. Allerdings hat sie einen gravierenden Nachteil: im Gefangenendilemma hat eine egoistische Strategie, die man Defektion nennt, meist zur Folge, dass der Mitspieler auch defektiert, also zurückschlägt. Mit anderen Worten, es gibt nur wenige so vertrauensselige und gutmütige Menschen, die sich bereitwillig Runde für Runde ausnehmen lassen, indem sie kooperieren, obwohl der Partner dies nicht tut. Die Folge: Beide Spieler geraten in eine Abwärtsspirale aus Misstrauen, Egoismus und der schlechtestmöglichen Ausbeute, aus der sie alleine praktisch nicht mehr herausfinden können.

In public goods Spielen, in denen eine Gruppe von Spielern in einen gemeinsamen Topf einzahlt, ist dies ähnlich. Verhält sich jeder egoistisch und zahlt gar nichts ein (vergleichbar mit lauter Schwarzfahrern, oder einem Land, in dem niemand den Müll trennen würde), wird kein öffentliches Gut erzeugt bzw. das öffentliche Gut zu Grunde gerichtet und somit das schlechtestmögliche Ergebnis erzielt. Gibt jeder Spieler dagegen den vollen Betrag in den Pott, so ist das soziale Optimum erreicht und die Effizienzgewinne aus der gemeinsamen Kooperation entstanden durch altruistisches Verhalten sind maximal – jeder profitiert!

Daher das Dilemma – wenn niemand einzahlt, fahren alle schlecht; aber wenn ich nicht einzahle, aber alle anderen schon, dann fahre ich am besten.

Was findet man nun, wenn man diese Spiele im Labor spielt? Das hängt natürlich von den oben erwähnten Rahmenbedingungen stark ab. Aber zwei Dinge kann man sicher sagen. Erstens, standardmäßig ist die Mehrheit der Menschen eher altruistisch als egoistisch eingestellt (Achtung, gewagte Verallgemeinerung!). Zweiten, dabei handelt es sich nicht um einen stabilen Zustand.

Sind das nun gute oder schlechte Nachrichten? Ich persönlich würde dies prinzipiell zunächst als positiv einstufen, denn auf dieser prinzipiellen Freundlichkeit, Kooperationsbereitschaft bzw. Altruismus lässt sich mit geeigneten Mechanismen aufbauen. Diese Mechanismen müssen allerdings stimmen, denn sonst ist der Zusammenbruch der Kooperation eben unvermeidlich. Ein typisches Problem ist etwa, dass immer einige Egoisten dabei sind. Wenn nun altruistisch gesinnte Spieler deren Einsätze und Strategie beobachten, dann korrigieren sie meist ihren Einsatz nach unten – und damit sind wir in der oben erwähnten Abwärtsspirale.

Mit welchen Mechanismen man eine stabile Kooperation erreichen kann, davon im nächsten Beitrag mehr.

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Warum gibt es so viele Scheuklappen in unserem Denken? Warum machen wir dieselben Fehler immer wieder? Solche Fragen haben mich schon immer fasziniert. Um dieses Thema – Denkmuster und Denkfehler – wird es in diesem Blog deshalb öfter gehen. Mein zweites wissenschaftliches Interesse gilt der Frage, warum Menschen eigentlich nicht öfter kooperieren. Woran liegt das? Oder anders herum gefragt: Welche Bedingungen muss man schaffen, damit aus Egoisten Altruisten werden? Wie vermeidet man die "tragedy of the commons"? Dieses weite Feld reicht von der Kooperation zwischen Bakterien über den Erfolg von OpenSource bis zu den Problemen der Weltklimagipfel. Meiner Meinung nach sind in der Kooperationsforschung viele Lösungsansätze für Nachhaltigkeits-, Gerechtigkeits- und Umweltprobleme zu finden. Mit beiden Themen beschäftige ich mich im Rahmen meiner Forschung an der Universität Gießen als Postdoc bei Eckart Voland in der Soziobiologie. Dabei versuche ich das Beste aus den Welten der Philosophie und den Naturwissenschaften zu vereinen. Dass meine gesamte Arbeit stark von der Evolutionstheorie geprägt ist, verdanke ich wohl vor allem dem Einfluss meines Doktorvaters Gerhard Vollmer. Dr. Ulrich Frey

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