Wie flexibel müssen soziale Netzwerke sein, damit Kooperation stabil bleibt?

BLOG: Frey-händig

Kognition & Kooperation
Frey-händig

Soziale Netzwerke bei Menschen müssen bestimmte Bedingungen erfüllen, damit sich Individuen vertrauen und stabile, kooperative Beziehungen aufbauen.

Mit diesem Thema wollte ich nach einer laaangen Familienpause wieder mit meinem Blog einsteigen und zwar ist dies auch eine Ergänzung zum letzten Beitrag.

Ausgehend von den vor allem theoretisch-mathematischen Grundlagen, die Nowak in seinem Buch „SuperCooperators“ gelegt hat, kommt er auf eigene Weiterentwicklungen zu sprechen, die vor allem räumliche Anordnungen von Individuen betreffen, die kooperieren bzw. defektieren. Die Frage ist also: Welche Auswirkungen haben räumliche Effekte auf Kooperation?

Nowak zufolge sind räumliche Anordnungen von großer Bedeutung. Nicht nur, dass es typischerweise zu cluster-Bildungen kommt, also Bereichen, wo bestimmte Strategien vorherrschen und nur unter sich spielen, sondern auch, dass sich bestimmte Strategien als Puffer zwischen Kooperatoren und Defektoren schieben können und dabei gut fahren. Eine weitere Einsicht ist auch, dass es bei Populationen nicht statisch zugeht. Weder ändern sich Individuen nie, noch wenden sie immer diesselbe Strategie an. Zusätzlich sind statische Strategien auch aus anderen Gründen kaum denkbar, da es z. B. immer Störungen gibt (es sollte kooperiert werden, aus Versehen wird aber defektiert), es zu Mutationen kommt (stark simplifiziert: aus einem Kooperator wird ein Defektor), sowie „Hintergrundrauschen“ existiert (Individuum B denkt A hat defektiert, obwohl es kooperiert hat)

Das heißt aber auch, dass eine Mehrheit von Kooperierenden notwendigerweise Defektoren anzieht und Defektion attraktiv macht. Sind Defektoren wiederum in der Mehrheit, werden viele Individuen nicht mehr interagieren (loner) und auf mögliche Kooperationen ganz verzichten. Sind dadurch kleinere Grüppchen entstanden, so blüht wieder Kooperation auf, weil die Gewinne größer sind, und über direkte Reziprozität (siehe vorigen Beitrag) profitable Kooperation wieder möglich ist. Und so weiter und so fort (dies ist z. B. bei Semmann et al. (2003) in Volunteering leads to rock–paper–scissors dynamics in a public goods game in Nature 425(6956), S. 390-392 beschrieben.

Interessant ist nun der Schritt von den Simulationen und mathematischen Grundlegungen zu tatsächlichen experimentellen Umsetzungen bei Menschen. Dies hat in einem sehr empfehlenswerten Artikel David Rand et al. getan. Der Titel lautet „Dynamic social networks promote cooperation in experiments with humans“, und ist zu finden unter www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1108243108.

David Rand arbeitet bei Martin Nowak (www.ped.fas.harvard.edu) und seine Arbeit ist eine logische Weiterführung der Forschung zu räumlich beeinflusster Kooperation.

Was wird gemacht? Über 700 Personen werden über das Internet in vier verschiedenen Arten von Netzwerken zusammengebracht (zufälliges, statisches, schwach dynamisch oder stark dynamisches Netzwerk) und dürfen sich in jedem Zug für Kooperation (C) oder Defektion (D) entscheiden. C kommt den angedockten Nachbarn zu Gute. Das Ergebnis ist eindeutig: Wird das Netzwerk jeden Zug neu gebildet (zufällig), kann sich Kooperation nicht halten. In einem statischen Netzwerk funktioniert dies auch nicht, da die Nachbarn immer dieselben bleiben. Darf jeder Teilnehmer in jedem Zug bis zu 10% seiner Nachbarn tauschen (Beziehung abbrechen oder zu Teilnehmer X neu aufbauen), reicht dies auch noch nicht für stabile Kooperation (schwach dynamisch). Bei 30% Umbaumöglichkeit (stark dynamisch) wird allein dadurch stabile Kooperation erzeugt – Kooperierende finden sich zusammen und bleiben es auch. Sie bilden stabile Gruppen unter sich. Defektoren werden nach außen gedrängt, finden weniger Interaktionspartner und haben demzufolge auch weniger profitable Interaktionen. Ein interessantes Nebenergebnis ist übrigens, dass Defektoren immer wieder die Chance zum Neuanfang gegeben wird.

So, ich hoffe, diese kurze Beschreibung macht Lust auf das Weiterlesen!

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Warum gibt es so viele Scheuklappen in unserem Denken? Warum machen wir dieselben Fehler immer wieder? Solche Fragen haben mich schon immer fasziniert. Um dieses Thema – Denkmuster und Denkfehler – wird es in diesem Blog deshalb öfter gehen. Mein zweites wissenschaftliches Interesse gilt der Frage, warum Menschen eigentlich nicht öfter kooperieren. Woran liegt das? Oder anders herum gefragt: Welche Bedingungen muss man schaffen, damit aus Egoisten Altruisten werden? Wie vermeidet man die "tragedy of the commons"? Dieses weite Feld reicht von der Kooperation zwischen Bakterien über den Erfolg von OpenSource bis zu den Problemen der Weltklimagipfel. Meiner Meinung nach sind in der Kooperationsforschung viele Lösungsansätze für Nachhaltigkeits-, Gerechtigkeits- und Umweltprobleme zu finden. Mit beiden Themen beschäftige ich mich im Rahmen meiner Forschung an der Universität Gießen als Postdoc bei Eckart Voland in der Soziobiologie. Dabei versuche ich das Beste aus den Welten der Philosophie und den Naturwissenschaften zu vereinen. Dass meine gesamte Arbeit stark von der Evolutionstheorie geprägt ist, verdanke ich wohl vor allem dem Einfluss meines Doktorvaters Gerhard Vollmer. Dr. Ulrich Frey

3 Kommentare

  1. Juchhu! 🙂

    Ich habe Dich eisern auf meiner Blogroll gelassen, weil ich nicht akzeptieren wollte, dass dieser Blog und dieses spannende Forschungsfeld (ent-)schläft! Wobei ich das Argument – Kooperation im familiären Nahbereich – natürlich völlig nachvollziehen kann! 🙂

    Nun freue ich mich über einen Klasse-Blogpost – und habe die Hoffnung, Dich in Deidesheim zu treffen! 🙂

  2. Vielleicht

    mal hier erläutern:

    Über 700 Personen werden über das Internet in vier verschiedenen Arten von Netzwerken zusammengebracht (zufälliges, statisches, schwach dynamisch oder stark dynamisches Netzwerk) und dürfen sich in jedem Zug für Kooperation (C) oder Defektion (D) entscheiden.

    Das Internet ist rein technisch auf den Ausfall von Stationen eingestellt, es gibt hierfür einen ausgeklügelten Paketversand.

    Soziale Netzwerke finden heute größtenteils im Web statt, dem Teilnehmer ist ähnlich wie beim o.g. Paketversand angeraten stark selektiv zu konsumieren wie zu kommunizieren.
    Was darauf hindeutet, dass die sogenannten Defektoren eine eher geringe Schadwirkung haben könnten. [1]

    Ein paar Zeilen zu den Netzwerktypen wären nett…

    MFG
    Dr. W

    [1] die eingesetzten Mittel, a.k.a. Software, sind allerdings noch unzureichend, so quält sogar hier bei den SciLogs.de vielleicht das Sequenzielle die Kommentierung betreffend den einen oder anderen

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