Wer die Wahl hat…

BLOG: Formbar

Plasmen im Mittelpunkt
Formbar

…der hat die Möglichkeit aktiv an unser Demokratie mitzuwirken, das ist doch etwas! Damit das auch möglichst viele Menschen machen, bemühen sich die Parteien im Endspurt intensiv um die noch unentschlossenen Wähler. Neben den klassischen Wahlkampfveranstaltungen, bei denen man sich die Kandidaten einmal live und in Farbe anschauen kann gibt es auch neue Formate, wie z.B. #efdw. #efdw steht für "Erst fragen, dann wählen" und das #-Zeichen kommt aus der twitter-Welt. Dabei handelte es sich um eine Sendung, in der Internetuser Fragen an die Spitzenpolitiker der verschiedenen Parteien stellen durften. Meiner Meinung nach, eine sehr schöne Idee, den Wahlkampf spannender zu gestalten, da die Politiker so zu konkreten Aussagen gezwungen werden können.

Eine weitere Möglichkeit sich gezielt zu bestimmten Themen bzw. zu den Meinungen der Politiker über diese Themen zu informieren, bieten Fachzeitschriften. Wie zum Beispiel das Physik-Journal, das in seiner aktuellen Ausgabe die im Bundestag vertretenen Parteien zu Bildung/Forschung, Energie- und Klimapolitik befragt haben. Das komplette Interview gibt es hier als pdf-file. Ich werde nur einige wenige Punkte aus diesem Interview herauspicken und versuchen, die Standpunkte der Parteien kurz darzustellen.

Was mich persönlich sehr interessierte, war die Frage nach den Zielen und Schwerpunkten der Energieforschung der Parteien, schon aus ganz persönlichem Interesse 😉 Die CDU trete für eine breite und technologieoffene Energieforschung ein. Dazu würden dann sowohl die Verbesserung von Gas- und Kohlekraftwerke als auch die weitere Erforschung erneuerbarer Energien, der Kerntechnik und der Geothermie gehören. Kerntechnik, aha, könnte ja die Kernfusion mit gemeint sein. Die SPD will die Energieeffizienz steigern, womit vermutlich die Verbesserung aktueller Kraftwerkstypen gemeint ist. Zudem bekennt sie sich klar zu erneuerbaren Energien: Es wird angestrebt, dass der Strom aus Photovoltaik-Anlagen bis 2013 nur noch soviel kostet, wie der Strom aus der Steckdose. Die "Forschungsfront" scheint hier also weniger breit als bei der CDU ausgerichtet zu sein. Ein eindeutiges Statement zur Kernfusion fehlt aber auch hier leider.

Kommen wir zur FDP: Sie ist der Meinung, dass alle Energietechnologie, die zu einer Reduzierung der Klimabelastung beitragen, uneingeschränkt gefördert werden müssen, um die Optionsvielfalt zu erhalten. Es werden dann explizit die erneuerbaren Energien genannt und die Notwendigkeit einer "Langfristforschung zur Kernfusion". Na, wenn das keine klare Aussage ist. Die FDP ist aber nicht die einzige Partei mit klaren Aussagen: Die Grünen sagen explizit, dass es sich bei den Forschungsmitteln, die in die Kernspaltung und die Kernfusion geflossen sind, um eine "völlig falsche Schwerpunktsetzung" handelt. Die Erforschung erneuerbarer Energien sowie weiterer Potentiale zur Energieeinsparung hätten Priorität. Die Linke will sich auf die Förderung von effizienten und erneuerbaren Energien begrenzen. "Effiziente Energien" wird zwar nicht spezifiziert, aber ich vermute mal, die Kernfusion ist damit nicht gemeint.

Gut, jetzt wissen wir, wie die Parteien zur Kernfusion stehen. Ein weiterer Punkt, der mich sehr interessierte, war die künftige Hochschulpolitik der Parteien. Die CDU betont, dass die Hochschulpolitik, Ländersache bleiben solle, Bund und Länder aber enger zusammenarbeiten müssen. Ein gutes Beispiel dafür sei die Exzellenzinitiative, die unbedingt fortgeführt werden müsse. Der Wettbewerb zwischen den Hochschulen solle gefördert werden, um sie attraktiver für die Studierenden zu machen. Der Bologna-Prozess bzw. das Ergebnis dessen, "muss unvoreingenommen überprüft werden". Für diese Prüfung könnte man ja das Bologna-Gewitter als erste Orientierung vorschlagen. Die SPD meint, dass eine "Abschwächung des sog. Kooperationsverbots, das Finanzhilfen des Bundes im Schul- und Hochschulbereich untersagen sollte" zumindest möglich wäre. Auch hier wird die Exzellenzinitiative lobend erwähnt. Die SPD spricht sich klar für ein "gebührenfreies Studium bis zum Master" aus. Die Umstellung auf Bachelor und Master müsse konsequent und umsichtig fortgeführt werden. Außerdem soll das BAföG an die Lebenserhaltungskosten gekoppelt werden.

Auch die FDP scheint die Exzellenzinitiave zu begrüßen. Eine stärkere Reglementierung über Bundes- oder Landesgesetzgebung wird abgelehnt. Es wird ein eigenständiges Tarifvertragssystem für Wissenschaftler gefordert und eine Aufstockung der Finanzmittel für die Hochschulen. Die Grünen fordern eine Aufhebung des "Kooperationsverbotes für den Bund im Bereich Bildung und Wissenschaft". Die in der Wissenschaft üblichen Zeitverträge seien nicht akzeptabel und die Verbeamtung von Professoren solle aufgehoben werden. Das BAföG soll ersetzt werden durch eine 2-teile Studienfinanzierung, von denen ein Teil aus einem elternunabhängigen Förderungsgeld besteht. Die Linke sieht in der Bildung eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern. Von Exzellenzinitiative scheint man nicht viel zu halten, stattdessen werden höhere Grundmittel für Lehre und Forschung gefordert. Die Professuren sollen mehr Dauerstellen erhalten und das BAföG soll zum "elternunabhängigen Vollzuschuss" ausgebaut werden.

So, aus dem geplanten kurzen Beitrag ist jetzt doch ein etwas längerer geworden. Und dabei habe ich noch gar nichts über die Piratenpartei gesagt, obwohl ich mich ja gewissermaßen in derem Stammgewässer, dem Internet, bewege. Daher noch ein paar kurze Worte: Das komplette Parteiprogramm kann man online nachlesen. Darin erfährt man dann, dass Bildungsgebühren jeglicher Art abzulehnen sind. Zur Kernfusion erfährt man dort leider nichts, aber es waren ja vor kurzer Zeit Europawahlen und in dem entsprechenden Parteiprogramm steht dann explizit drinnen, dass die Erforschung der Kernfusion weiter betrieben werden sollte.

Sollte jemand noch Fragen an seinen potentiellen Bundestagsabgeordneten haben, so empfehle ich mal einen Blick auf die Seite abgeordnetenwatch.de zu werfen. Zur Not kann man aber auch versuchen persönlich nachzufragen, wobei ich nicht weiß, ob das heutzutage noch möglich ist 😉

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Alf Köhn-Seemann hat in Kiel Physik studiert und in Stuttgart über Mikrowellenheizung von Plasmen promoviert. Von 2010 bis 2015 war er dort als Post-Doc tätig. Nach mehreren Forschungsaufenthalten im englisch-sprachigen Raum, arbeitet er von 2015 bis Ende 2017 am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching. Seit Ende 2017 forscht und lehrt Alf Köhn-Seemann wieder an der Uni Stuttgart.

4 Kommentare

  1. Jetzt wollen wir’s aber wissen:

    Unter welchem Namen twitterst du?

    Von den scilogs twittern u.a.

    @roterhai (Sören Schewe)
    @evoreligiosity (Michael Blume)
    @rgerhards (Rainer Gerhards)
    @fischblog (ich)
    @scilogs (Cmdr. Huhn)

    Bei den anderen weiß ich nicht ob ich sie outen darf… ^^

  2. twitter

    wollte twitter schon immer mal ausprobieren, drei Tage dauert mein Test jetzt an.
    Das ganze läuft aber erstmal nur unter einem Pseudonym, das hier noch nicht verraten wird^^

  3. Studenten – Studierende

    Erst einmal vielen Dank für die übersichtliche Zusammenfassung der Parteiabsichten auf den genannten Gebieten! Eine kleine Anmerkung sei mir aber am Rande erlaubt (vor allem, da ich es immer und immer wieder lesen muss):
    Sie schreiben: “Der Wettbewerb zwischen den Hochschulen solle gefördert werden, um sie attraktiver für die Studierenden zu machen.”
    Um einmal die Krümel zu sortieren: Studierende sind nur diejenigen Studenten, welche in ebendiesem Moment studieren. Leider werden die Studierenden, sobald sie nach Hause gehen, etwas essen und wissenslogs lesen zu nach-Hause-gehenden, Essenden und wissenslogs-lesenden.
    Um die weiblichen Studenten auch anzusprechen genügt eigentlich weiterhin “die Studenten” (hat ja sogar einen weiblichen Artikel). Das können sie mir und meinen Kommilitoninnen gern glauben. 🙂

  4. Von Studierenden und Studenten

    @Dominic:
    Da gebe ich Ihnen recht, ein Studierender ist noch lange kein Student, ein Student aber manchmal ein Studierender. Kann man sehr schön in diesem Zeit-Artikel nachlesen: http://www.zeit.de/…/Studenten-oder-Studierende.
    Im Sprachgebrauch halte ich mich persönlich aber auch an den Ausdruck “Student”. Ich habe mich wohl durch das Studieren der Parteiantworten zu dem Ausdruck “Studierende” hinreißen lassen, da diese Antworten natürlich in höchstem Maße politisch korrekt sein wollen, weswegen die Parteien dann wohl von diesem Ausdruck Gebrauch machen.

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