Zu viel versprochen – War´s das schon mit den Genexpressions-Arrays?

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Mitte der 90er Jahre weckte eine neue Methode zur Messung der Genaktivität die Hoffnung, Tumore mit Hilfe ihres Expressionsprofils zu charakterisieren und gezielt zu behandeln. Doch diverse Probleme verhindern nach wie vor, dass die Technik in der Praxis zum Einsatz kommt. Inzwischen wachsen Zweifel daran, dass sie es jemals in die Klinik schafft

Eines der großen Probleme bei der Behandlung von Krebs ist, dass die Krankheit so variabel ist. Tumore können aus den unterschiedlichsten Ursachen entstehen, und kleine molekularbiologische Unterschiede können große Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf haben. Ob zum Beispiel ein Tumor mit hoher oder niedriger Wahrscheinlichkeit Metastasen bildet, hängt unter anderem davon ab, welche Gene besonders aktiv sind. Und das misst ein Expressions-Array.

Ein Expressions-Array ist im Grunde eine Platte vielen kleinen Schälchen, an deren Boden kurze einzelsträngige Erbgutstückchen befestigt sind. Sie fangen aus der Probelösung die zu ihnen passenden, fluoreszenzmarkierten DNA-Stränge ein, die zuvor mit Hilfe des Enzyms Reverse Transkriptase aus mRNA-Strängen gewonnen wurde. Die mRNa wiederum ist das Ausgangsprodukt der Proteinsynthese: Je mehr von ihr vorhanden ist, desto aktiver ist das Gen. Und desto stärker leuchtet das Schälchen mit der dazu passenden Sonde.

Das Prinzip erscheint fast verlockend einfach, und die nötige Technik ist ebenfalls seit Jahren kommerziell erhältlich. Trotzdem sieht es so aus als würde der Stern dieser Technologie bereits wieder sinken, bevor sie es auch nur in den Klinikalltag geschafft hat. Die Expressions-Arrays sind den hohen Erwartungen nie gerecht geworden.

Warum das so ist, damit hat sich gerade Serge Koscielny in einem Paper in Science Translational Medicine beschäftigt. Er zieht als Beispiel den Brustkrebs heran, um die zentralen Probleme der Methode erläutert. Zum Beispiel hat man anhand von Expressionsanalysen Mammatumore in vier Hauptklassen unterteilt, deren Unterscheidung man an der Expression mehrerer (Stand der Dinge scheint wohl 37 zu sein) verschiedener Gene festmacht. In der Klinik werden diese Arrays aber nicht genutzt.

Stattdessen verwenden Ärzte immunologische und histologische Verfahren zur Klassifizierung von Tumoren. Der Grund dafür ist, dass die Expressionsanalysen den Medizinern in diesem Fall nur mitteilten, was sie auf anderem Weg schon längst wussten und auch ohne die neuen, aufwendigen Verfahren herausfinden können.

Noch vielversprechender war ein zweites Verfahren, das die Expression von 70 Genen mit der Rückfallhäufigkeit und der langfristigen Prognose korrelierte. Das Verfahren funktionierte auch sehr gut bei der Vorhersage schlechter Tumorprognosen, in späteren Untersuchungen erwies sich die Vorhersage aber als zu wenig spezifisch, ein Problem, dass die ersten klinischen Tests schlicht übersehen hatten. Dieses Problem sieht Koscielny als zentrale Hürde bei nahezu allen Expressionsmarkern: Die Literatur ist voll mit Expressionsprofilen, die angeblich Aussagekraft haben, jedoch ist nur ein winziger Teil davon ordentlich geprüft. Und damit ist der größte Teil dieser Daten schlicht unbrauchbar.

Diese Schwierigkeit berührt ein generelles Problem medizinischer Forschung. Grundlagenforschung, also die Identifizierung solcher Marker, ist vergleichsweise kostengünstig, während die klinische Validierung enorm viel Geld kostet. Diese Übertragung grundlegender Erkenntnisse in die Praxis ist deswegen fast nur mit Hilfe der Industrie möglich und geschieht dementsprechend nur da, wo rasche Anwendung und eine große Patientenbasis winken. Damit stecken nicht nur aussichtsreiche Marker in einer frühen Phase der Entwicklung fest, sie verschwinden zusätzlich noch in einer immer größer werdenden Zahl schlecht belegter Korrelationen.

Unter Druck gerät die Methode allerdings auch von anderer Seite: Moderne Sequenzierungstechniken ermöglichen direkte DNA-Analysen in immer kürzerer Zeit für immer weniger Geld. „Mutationen und andere genetische Veränderungen sind wahrscheinlich für die Pathogenese und den medikamentösen Ansatzpunkt wesentlich bedeutsamer als Expressionsdaten.“ Sagt Martin Fenner, der nicht nur Blogger im Nature Network, sondern auch Onkologe in Hannover ist.

Darauf deuten inzwischen eine ganze Reihe Untersuchungen, und dementsprechend bezeichnen einige Blogger die neueste Sequenzierungsmaschine von Illumina schon als den Array-Killer. Dem Börsenkurs von Array-Hersteller Affymetrix hat dieser Launch jedenfalls nicht allzu gut getan. Angeblich kostet die Sequenzierung im Idealfall pro Base nur noch ein Achtel dessen, was man bei den Vorgängern abdrücken musste, und in der Technik steckt noch Potential.

Damit bleibt den Arrays nur die Nische. In der Forschung werden sie auch weiterhin Verwendung finden, und bei einigen Krebsarten ergänzen sie die klassischen Methoden, so dass sie in speziellen klinischen Anwendungen ihren Platz haben. Aber die Krebsdiagnostik auf breiter Front revolutionieren, wie es den Pionieren der Technik vorschwebte, werden die Genexpressions-Arrays nicht mehr.

(Dank an Volker Stollorz für den Hinweis und Martin Fenner für die Erklärungen zum Paper und seinem größeren Kontext

Koscielny, S. (2010). Why Most Gene Expression Signatures of Tumors Have Not Been Useful in the Clinic Science Translational Medicine, 2 (14), 14-14 DOI: 10.1126/scitranslmed.3000313

7 Kommentare

  1. wie wahr!

    Guter Artikel. Mit ähnlichen Problemem schlage ich mich auch herum. Wir arbeiten mit transplatierten Patienten und haben retrospektiv per Affy gene chip relevante Marker für eine Immuntoleranz gegenüber dem verpflanzten Organ herausgetüftelt. Ein Riesenaufwand, und die Trefferquote in der prospektiven Phase lässt zu wünschen übrig. Ausserdem müssen die Daten per Alternativvalidierung noch mit RT-PCR crossgecheckt werden.
    Bin mir sicher, dass die nächste grosse Studie auf Illumina oder Roche Pyrosequenzing basieren und ein whole-RNA Ansatz wird. Warum 50 000 Sonden anschauen, wenn man Alles sehen kann?

  2. Das wundert mich ehrlich gesagt gar nicht. Arrays sind, verglichen mit den neuen Techniken, zu teuer. Und man findet auch nur das, was man auf dem Chip drauf hat, wenn man nicht das ganze Genom covern will. Ein weiterer Nachteil ist auch, das man relativ viel Material einsetzen muss (was im Fall von Geneexpressionsstudien meistens weniger ein Problem ist, mRNA ist ja reichlich vorhanden), wenn man aber versucht ChIP-Studien durchzuführen, sieht das ganz anders aus. Da sind dann idR Amplifikationsverfahren notwendig, die auch hoffentlich nur linear amplifizieren, weil ansonsten das Signal für die Füsse ist.

  3. @Fee:
    Wieso nimmt man denn ne mRNA-Methode, um ein Antigenprofil zu erstellen? Tut’s da nicht auch die normale Immunochemie?

    @Chris:
    Was für Methoden gibt es denn, die Linear amplifizieren? Hab ich noch nie von gehört…

  4. Da gíbts einige Möglichkeiten, idR basieren die aber auf einer T7-DNA-Polymerase. Siehe beispielsweise hier:
    http://www.google.de/…it&fp=8296ed7cda3c48ba

    Es gibt (natürlich) auch Kits dafür:
    http://www.biocompare.com/…plification-Kits.html

    Andere Leute setzen PCR ein (LM-PCR, linker mediated PCR) und machen dort nur eine relative geringe Anzahl an Zyklen (so um 20) und nehmen an (oder hoffen, ich weiss es nicht), das sie dadurch nicht zu sehr im exponentiellen Bereich der Reaktion sind. Das Thema ist echt nicht ganz trivial und wenn man darauf verzichten kann, um so besser.

  5. @Lars: Dabei gehts nicht um Antigenprofile, die Testen wir im Elispot oder am Facs oder bei Alloantikörpern mit den typischen klinischen Diagnoseverfahren. Bei den Chips geht es um relevante Expressionsmarker, die sich zwischen den Patientengruppen als diagnostisch verwendbar herausstellen sollen (Betonung auf “sollen”!). Da trifft man natürlich ne Menge Gene, die an der Immunantwort beteiligt sind wie Rezeptoren, HLAs, Cytokine und noch ein paar seltenere Sachen. Aber wie immer mit Patienten, die eine reichhaltige immunologische Vergangenheit von einer immunologisch jungfräulichen Labormaus unterscheidet, sind die Ergebnisse zum Teil ausgesprochen vielfältig!

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