Hyperintelligente Weltraum-Dinosaurier!

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Ich hatte ja schon öfter den Verdacht geäußert, dass die Kollegen bei der American Chemical Society gelegentlich mehr Lösungsmittel einatmen als gut für sie ist, aber jetzt haben sie sich noch mal selbst übertroffen. Mit Dinosauriern im Weltall. Der erste Satz der Pressemitteilung sagt eigentlich schon alles:

New scientific research raises the possibility that advanced versions of T. rex and other dinosaurs — monstrous creatures with the intelligence and cunning of humans — may be the life forms that evolved on other planets in the universe.

Grundlage dieser Behauptung ist eine neue Publikation des Chemikers Ronald Breslow, in der es um rechts- und linkshändige – nein, nicht Dinosaurier – Aminosäuren geht. Der Hintergrund ist durchaus spannend, denn es geht um den Ursprung des Lebens auf der Erde: Meine Leser werden wissen, dass Aminosäuren, die Bausteine der Proteine, in zwei spiegelbildlichen Formen vorkommen und dass irdische Organismen nur eine dieser Varianten verwenden, nämlich die L-Aminosäuren. L steht für laevus, das heißt links. Das Gegenteil ist D für dexter. [1] Dass alle Organismen dieses Planeten nur diese eine Variante verwenden, fasziniert Chemiker und Biologen schon seit geraumer Zeit, denn es gibt keinen ersichtlichen Grund warum das so sein sollte. D– und L-Aminosäuren sind chemisch absolut identisch.

Das hat jetzt noch nicht wirklich etwas mit Dinosauriern zu tun, aber immerhin mit dem Weltall. Dort nämlich verortet Breslow den Ursprung der irdischen Präferenz für “unsere” Aminosäuren, genauer gesagt auf Meteoriten. Wir wissen seit einiger Zeit, dass Meteoriten eben nicht nur tote Staubklumpen sind, sondern dass in ihnen viel interessante Chemie passiert. Dort entstanden unter dem Einfluss von Zeit und UV-Strahlung unter anderem Aminosäuren, Fettsäuren und andere Stoffe, die wir auch aus lebenden Zellen kennen. Die Vermutung steht deswegen im Raum, dass die chemischen Rohstoffe für das erste Leben mit solchen Meteoriten auf die Erde kamen. Und Breslow sagt nun, diese Meteoriten hätten bevorzugt die L-Formen der Aminosäuren auf die Erde gebracht, und aus denen seien die ersten Zellen dann hervorgegangen.

Der Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist der Umstand, dass man in einigen Meteoriten tatsächlich einen Überschuss an einigen L-Aminosäuren gefunden hat. Seit einigen Jahren gibt es die These, dass zirkulär polarisiertes UV-Licht selektiv nur eine spiegelbildliche Form der Aminosäuren zerstört und so die andere anreichert. Allerdings können unsere normalen Aminosäuren chemische Umlagerungen durchlaufen, durch die sich das Verhältnis der beiden Formen wieder umkehrt.

Barslows stellt nun fest, dass man in Meteoriten auch mit unseren chemisch eng verwandte Aminosäuren gefunden hat, die diese Umwandlung nicht mitmachen und deswegen in Meteoriten tatsächlich häufiger in der L-Form auftauchen. Das Paper befasst sich unter Anderem mit der Frage, wie diese Aminosäuren in die klassischen Aminosäuren umgewandelt worden sein konnten, ohne dass die Anreicherung der L-Form verloren ging. Es kommen Begriffe wie “decarboxylierende Transaminierung” vor.

All das ist nun der Ausgangspunkt der gewagtesten Schlussfolgerungskette seit der These vom Selbstporträt-bastelnden Riesenkraken: Anderswo im Universum könnte das UV-Licht nämlich andersherum polarisiert sein und entsprechend die Bildung von D-Aminosäuren bevorzugen, auf denen dann das Leben auf fremden Planeten basiert. Diese Lebensformen könnten nun fortschrittliche Versionen unserer Dinosaurier sein, die nicht von einem Asteroideneinschlag ausgelöscht wurden und deswegen Intelligenz evolviert haben. Die Menschheit hat Glück gehabt dass das Weltall so groß ist und wir den Viechern noch nicht begegnet sind. Das steht buchstäblich so im Paper.[2]

Man sollte daraus jetzt nicht den Schluss ziehen, dass der Autor irgendwie bekloppt oder ein Crackpot ist. Das ist der letzte Absatz einer ansonsten völlig legitimen und interessanten Veröffentlichung, und da kann man sich auch als Wissenschaftler gerne einen kleinen Spaß mit dem Leser erlauben. Zumal hyperintelligente Weltraum-Dinosaurier ein Gewinn für jedes Paper sind.[3] Und als Gutachter des Papers hätte ich das auch durchgehen lassen. Aber was zum Henker denkt sich die Öffentlichkeitsarbeit der ACS dabei, das in einer Pressemitteilung als ernstzunehmende These zu verkaufen?

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[1] Die beiden Bezeichnungen beziehen sich auf eine bestimmte altertümliche Darstellungsweise, in der sich beide Formen eindeutig unterscheiden lassen.

[2] Das ist auch kein Stück pointiert zusammengefasst oder so. Das ist fast die wörtliche Übersetzung dessen, was in der Veröffentlichung tatsächlich drin steht.

An implication from this work is that elsewhere in the universe there could be life forms based on D amino acids and L sugars, depending on the chirality of circular polarized light in that sector of the universe or whatever other process operated to favor the L α-methyl amino acids in the meteorites that have landed on Earth. Such life forms could well be advanced versions of dinosaurs, if mammals did not have the good fortune to have the dinosaurs wiped out by an asteroidal collision, as on Earth. We would be better off not meeting them.

Warum das im Detail Blödsinn ist kann man ausführlich u.a. bei Dave Hone und Dinosaur Tracking nachlesen.

[3] Die Wissenschaftler-Version von “everything’s better with pirates”.

4 Kommentare

  1. Ein verspäteter Aprilscherz wird’s wohl nicht sein.
    Wobei es schon einiges an Vorstellungskraft braucht, um ernsthaft solch eine These zu verbreiten…

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