Der Darwin-Film und die Kreationisten: Zu kontrovers?

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Ihr habt sicher auch schon gehört, dass der neue – und ersten Kritiken nach sehr gute – Spielfilm über das Leben Charles Darwins in den USA nicht gezeigt wird. Weil sich kein Filmhändler traut, ihn anzubieten. Zu Kontrovers. Schließlich glauben nur 39 Prozent aller US-Amerikaner an die Evolution, und wenn der Film in so einem rückständigen Land gezeigt wird, dann machen die dummen Kreationisten ein Wahnsinnstheater, so Mohammed-Karikaturen mal zehn. Besser nicht.

Ehrlich gesagt glaube ich da nicht dran. Ich habe eine ganz andere Theorie.

Nach den Plot-Zusammenfassungen, die man überall so liest, läuft Creation ungefähr so ab: Während er das Manuskript zu seiner großen Theorie verfasst, ringt er mit gesundheitlichen Problemen und ethischen Zweifeln, und muss einen ganzen Haufen innerer Dämonen besiegen (und acht Jahre lang Seepocken sezieren, aber ich fürchte das wird im Film nicht angemessen gewürdigt werden). Irgendwann erreicht ihn dann der berühmte Brief von Wallace, und der Rest ist Geschichte.

Worauf ich hinaus will ist die fast völlige Abwesenheit von schwer bewaffneten Riesenrobotern, Explosionen oder knuffigen Comicgestalten in diesem Film. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Mrs. Darwin im Laufe der Handlung lasziv ihre Brüste entblößt und ich sehe auch wenig Potential für entsetzlich entstellte und/oder geschminkte Erzbösewichte. Darwin wird übrigens nicht von Brad Pitt gespielt, und sein lustiger Sidekick nicht von Will Smith. Ich glaube es gibt gar keinen lustigen Sidekick.

Was wir also haben ist ein biographischer Film voller victorianischer Kostüme, in dem mittelmäßig bekannte Schauspieler eine wahre Geschichte voller Schicksalsschläge und Seelendramen erzählen. Die erfolgreichsten Filme der letzten zehn Jahre waren übrigens u.a. The Dark Knight, Transformers, Fluch der Karibik, Spiderman und Star Wars.

Bei Lichte betrachtet ist es auch sehr unglaubwürdig, dass der Film unter den hunderten amerikanischen Vermarktern keinen einzigen findet, der ihn nimmt. Zumal es kaum etwas besseres für die Verkaufszahlen gibt als einen handfesten Skandal. Der ist, wenn man genauer drüber nachdenkt, auch gerne mal von langer Hand vorbereitet. Jüngstes Beispiel ist die Marketing-Kampagne für den Film “Shortcut to Hollywood” mit einem fingierten Terrorakt in einer ebenfalls fingierten US-amerikanischen Kleinstadt.[1]

Deswegen vermute ich ja eher, dass sich die Filmemacher und Vermarkter abgesprochen haben, den Film erst einmal weltweit minus die USA zu verkaufen und dann die Geschichte mit dem “zu kontrovers” an die Presse zu lancieren. Und wenn sich die ganze Debatte im Netz ein wenig aufgeschaukelt hat und alle die Amis schon vor der ganzen Welt blamiert sehen, dann taucht plötzlich ein Vermarkter auf, “der den Mut hat”, diesen “kontroversen” Film auch in den USA zu zeigen.

Wetten?
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[1] In dem Zusammenhang wurde ja sehr auf den ach so gutgläubigen Journalisten rumgehackt, die völlig arglos auf diese Ente reingefallen sind. Tatsächlich hat sich da jemand im Vorfeld genau überlegt, wie die Journalisten wohl versuchen würden, die Eckdaten der Story auf die Schnelle zu verifizieren, und haben ganz gezielt diese Recherchewege manipuliert.

11 Kommentare

  1. Ja, so wird es sein! Steht zu befürchten, dass der Film erstmal in sämtlichen deutschen Schulen gezeigt wird. Dabei stehen die Schüler auch mehr auf schwer bewaffnete Riesenroboter und knuffige Comicgestalten. ((-:

  2. Deine Theorie in allen Ehren

    … aber ich finde den Trailer nicht so uninteressant. Okay, keine Kampfmaschinen, aber die gab’s bei den Buddenbrocks auch nicht und Ms Darwin macht ja doch was her 😉
    Die große Auseinandersetzung von Evolution und Schöpfung in den Mikrokosmos des darwinschen Haushalts zu verlegen ist doch keine schlechte Idee. Das macht die Problematik konkret und anschaulich.
    Ich habe keine Ahnung von der amerikanischen Kinoszene, aber nach dem Trailer würde ich mir den Film schon anschauen.

  3. Ich glaube die Textpassage mit den Robotern, Brüsten und knuffigen Zeichentrickfiguren ist eher ironisch gemeint. Endlich mal ein Film, der auf solch bauernfängerischen Methoden verzichtet.
    Ansonsten würde ich der restlichen Theorie zustimmen.

  4. Gute Beobachtung

    Lieber Lars,

    ja, es stimmt – die “Kontroverse” zoomt den Film sofort hoch, jetzt werden zuerst die Nicht- und Antiamerikaner in die Kinos strömen, dann ein “heldenhafter” Verleiher in den USA noch ein paar Millionen einspielen.

    Naja, immerhin schaut es aus, als diene es einer guten Sache. Ich finde den Trailer hoch interessant und freue mich schon auf den Film!

  5. Hi Michael,

    ich hab bei der Geschichte gleich an dich denken müssen, ist bestimmt n Film für dich. Ich werde ihn mir auch bei nächster Gelegenheit angucken.

    Habe mich übrigens durch die Affäre “Erznemesis” bestens unterhalten gefühlt. Ganz großes Kino.

  6. Bestätigung

    Werbeeffekt erfüllt, Vertrieb wundersam gefunden: (Aus Twitter):

    “Creation” gets a distributor! http://bit.ly/108e6X. #Darwin #evolution quelle surprise…

    Tja, Lars, da hattest Du wohl mal wieder einfach Recht. Schon witzig, wie leicht sich auch “aufgeklärte” Menschen an der Werbe-Nase herumführen lassen. Eine angebliche Zensur in den USA, das MUSSTE ja nach Ansicht einiger einfach wahr sein…

  7. Mir fällt etwas anderes auf …

    … eigentlich eine Nebensache und auch nicht direkt auf das Thema des Artikels bezogen, und zwar dass der Schauspieler Paul Bettany, der hier Charles Darwin spielt, bereits in dem Streifen “Master and Commander: The Far Side of the World” von 2003 den Schiffsarzt und Tier- und Pflanzenkundler “Dr. Stephen Maturin” spielte, also eine ähnlich angelegte Rolle.

    Offenbar muss er so aussehen, wie sich Casting-Agenten der Filmbranche den vollkommen in seiner Arbeit aufgehenden Forschungsreisenden des 19. Jahrhunderts vorstellen.

    http://www.imdb.com/name/nm0079273/

    “Master und Commander” musste übrigens auch ohne blanke Busen, ja sogar ohen Frauen und natürlich allemal ohne Kampfroboter und Lichtschwerter auskommen. Ja, es gab ein paar Kampfszenen, aber man bediente sich da Vorderlader und Schwerter aus Stahl.

    Dafür gab es aber Witze, die den typischen Kinogänger (12-16-jähriges High-School-Kid) zumindest anstrengen und wohl eher nicht interessieren: “Always choose the lesser of two weevils”.

    Die Zuschauerschaft solcher Filme rekrutiert sich wohl zu nicht geringem Teil aus der in Großbritannien zahlreichen Leserschaft historischer Romane mit Marinebezug, die ein ganzes Geschwader von Autoren marinehistorischer Serienromane in Lohn und Brot halten.

    Zu Lars Fischers Theorie: Interessant, überzeugt mich aber nicht.

  8. Klingt plausibel. Der Film scheint weder komisch noch actionreich noch brutal zu sein, wenn man vom Sezieren von Seepocken mal absieht, was ja einem Genozid gleichkommt und eigentlich deutsche Tierschützer auf den Plan rufen müßte.
    Ich hatte wahrhaftig in meinem Elfenbeinturm nichts davon mitgekriegt und will nun versuchen, ihn zu sehen, sobald das im verpennten Berlin-Friedenau möglich ist.

  9. Creation

    Superbe Schauspieler, interessante Geschichte und exzellente Musik – tausend Dank für den Filmtipp!

    Weiß irgend jemand, wann “Craetion” in Deutschand anlaufen mag?

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