Dänemark greift nach dem Nordpol

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Seit ruchbar wurde, dass an den Kontinentalschelfen des Nordpolarmeeres ein beträchtlicher Teil der verbliebenen Ölreserven lagert, kann es einigen Leuten mit dem Klimawandel gar nicht schnell genug gehen. Die fünf Anrainerstaaten der Arktis prügeln sich jedenfalls seit ein paar Jahren um buchstäblich jeden kahlen Felsbrocken und jeden Quadratzentimeter Meeresboden.

Das Procedere regelt der Theorie nach das UN-Seerechtsübereinkommen, nach dem jedem Küstenstaat eine 200 Seemeilen breite Sonderwirtschaftszone um seine Küsten herum zusteht. Damit sollte das Thema eigentlich gegessen sein, allerdings gibt es in dem Vertrag eine obskure Nebenklausel, nach der die Sonderwirtschaftszone größer als besagte 200 Meilen sein darf, wenn der Kontinentalschelf sich weiter nach draußen erstreckt.

Leider legt das SRÜ nicht fest, was genau wir als Kontinentalschelf definieren. Und das ist gar nicht so einfach. Tektonisch betrachtet ist der Schelf einfach der Teil eines Kontinents, der unter dem Meeresspiegel liegt, nur wo hört der auf? Die Arktisnationen haben sich jedenfalls darauf geeinigt, dass die äußerste eben noch feststellbare Kante des Kontinentalhanges gilt und dazu noch eigentlich jedes Stück Stein, von dem man glaubhaft machen kann, dass es mal an diesem oder jenen Erdteil geklebt hat. Und alles drumherum im Umkreis von 200 Seemeilen, wohlgemerkt. Acquiris Quodcumquae Rapis, wie Terry Pratchett es so schön ausgedrückt hat.

2008 haben sich fünf Arktisanrainer (Dänemark, Norwegen, Russland, Kanada und die USA) darauf geeinigt, halbwegs fair zu spielen und die Schürfrechte streng nach den geologischen Faktenvon der UN vergeben zu lassen. Und so ist die Vermessung der Tiefsee plötzlich hohe Politik geworden. Bis 2014 dürfen die beteiligten Staaten auf der Basis von neuen Unterwasserkarten ihre Ansprüche der UN mitteilen, die den Kuchen dann hochoffiziell verteilt.

Wie das ganze zumindest in groben Zügen aussehen wird, weiß man inzwischen, allerdings gibt es noch ein paar Feinheiten zu klären. Zum Beispiel wem dann der Nordpol gehört. Seit August 2007 steht dort eine russische Flagge auf dem Meeresgrund in 4300 Metern Tiefe, weil die Russen damals auf der Basis dubioser Karten und einer guten Portion Wunschdenken den Lomonossow-Rücken zum Teil ihres Schelfs erklärt haben, und der liegt in Reichweite des Nordpols. Allerdings erhebt jetzt Dänemark offiziell Anspruch auf den nördlichen Kontinentalhang Grönlands, und jetzt ist bekannt geworden, dass – nach dänischer Interpretation – auch der Lomonossow-Rücken samt Nordpol irgendwie dazugehören muss. Das geht jedenfalls aus einem Entwurf eines dänischen Arktis-Strategiepapiers hervor, der derzeit die Runde durch die internationale Presse macht.

Ein Blick auf die Karte zeigt, dass das nicht so arg abwegig ist. Wohlgemerkt, der Nordpol hat rein symbolische Bedeutung. Es gibt da nichts wirklich spannendes, und schon gar kein Öl oder Gas, es ist einfach ein geografischer Punkt. Wobei Symbole in der Politik natürlich ziemlich wichtig werden können – sonst wären die Russen sicherlich nicht vier Kilometer unters Eis getaucht um eine kleine Flagge mitten im Nirgendwo aufzustellen. Ich gehe sehr davon aus, dass das noch ein Riesentheater gibt. Die Dänen werden es sich wahrscheinlich auch nicht nehmen lassen, medienwirksam ihre eigene Flagge statt der Russischen in den Diatomeenschlamm zu pflanzen. Vielleicht mieten sie dazu ja russische U-Boote.

(via Ole)

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