Chemie-Nobelpreis 2009 für Katalyse?

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Update: Der Nobelpreis geht zu gleichen Teilen an Ada Yonath (siehe letzten Absatz), Venkatraman Ramakrishnan und Thomas Steitz für die Aufklärung von Struktur und Funktionsweise des Ribosoms. Damit gehen zwei von drei Nobelpreisen dieses Jahr an Themen aus dem Umfeld des zentralen Dogmas der Molekularbiologie. In der Sache ist das uneingeschränkt Nobel-würdig, so richtig glücklich bin ich mit dieser Häufung aber nicht. Mehr Informationen zu den Arbeiten der Preisträger gibt’s in einem eigenen Eintrag..

Nobelpreis-Saison: Jedes Jahr Anfang Oktober wartet die Welt gespannt auf Nachricht aus Stockholm. Für Wissenschaftsblogger ist der eigentliche Pflichttermin allerdings ein paar Tage vorher, wenn es gilt, die diesjährigen Preisträger vorherzusagen. Ganz besonders schwierig ist die Prognose in der Chemie. Nicht nur wegen der Vielfalt der Teilgebiete, von Analytik bis Makromolekularer Chemie ist alles schon mal dran gewesen, sondern auch, weil die Skandinavier ganz gerne mal ihre Kandidaten für den nichtexistenten Biologie-Nobelpreis bei uns abladen. Und so gibt es in der Chemie traditionell einen enormen Rückstau würdiger Kandidaten.

Ganz oben auf jede Liste gehören die Herren Heck und Suzuki, die sich um die Erforschung der Palladium-Katalyse verdient gemacht haben. Palladium-katalysierte Kupplungsreaktionen gehören zu den wichtigsten Verfahren zur Knüpfung einer Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung. Ebenfalls aus der Katalyse-Ecke kommt Benjamin List, der Entdecker der asymmetrischen organischen Katalyse mit Hilfe intermediärer Enamine. Das Prinzip ist, dass man der eigentlichen, gewünschten Reaktion eine Hilfsreaktion vorschaltet, die einen bestimmten räumlichen Ablauf der eigentlichen Umsetzung erzwingt. Wenn er gewinnt, erkläre ich das noch mal genauer. Ein Nobelpreis für eine dieser Arbeiten würde nicht nur einen Meilenstein der Chemie angemessen würdigen, sondern auch noch einmal die Bedeutung der Katalyse für die Gegenwart und Zukunft der Menschheit herausstellen.

Das sind meiner Meinung nach die heißesten Kandidaten, eventuell auch noch Sonogashira. In der zweiten Reihe kommt man kaum um die Einzelmolekülspektroskopie von Zare und Co. herum, mit der man die Dynamik einzelner Makromoleküle erfassen kann. Hier wäre die große Frage, wer mit ihm prämiert wird. Möglicherweise gibt es auch mal wieder explizit einen Preis für Computermethoden. Karplus ist ein Name, der immer wieder genannt wird, schon weil seine Erkenntnisse über stabile Konformationsbereiche von Biomolekülen inzwischen in Lehrbüchern fürs Grundstudium auftauchen. Ansonsten hört man Namen wie Grätzel, über dessen siliziumfreie Solarzellen ich schon mal geschrieben hatte. Der kriegt noch mal einen Nobelpreis, aber nicht dieses Jahr. Ähnlich sieht’s mit dem Entdecker der Li-Ionen-Batterie aus, der vom Sceptical Chymist favorisiert wird.

Naja, und dann gibt es noch den ganzen Bio-Kram. Ich glaube nicht, dass die Biochemiker dies Jahr zum Zuge kommen, weil ja schon letztes Jahr GFP dran war. Aber man weiß ja nie… Thomson Reuters hat jedenfalls das Thema Elektronenleitung durch DNA ganz oben auf der Liste, das wären Barton und Giese. Plausiblere Kandidaten wären meiner Meinung nach eher die vom Wall Street Journal vorgeschlagenen Lerner/Winter für ihre Arbeiten über synthetische Antikörper sowie Hartl und Horwich, die sich mit Hitzeschockproteinen befasst haben. Ashutosh bringt hier noch die Strukturaufklärung des Ribosoms durch Ada Yonath ins Spiel. Ich persönlich habe aber meine Zweifel, ob die Juroren wirklich Bock auf noch ein auseinandergefrickeltes Makromolekül haben.

So, das ist mein Tipp dieses Jahr. Nächste Woche erfahren wir mehr.

5 Kommentare

  1. “Bioschmuddelkinder”

    Interessantes Preview.. aber etwas weniger “Von-Oben-Herab” auf die armen Biologen hätts auch getan! Immerhin können wir ja nichts dafür, dass der Herr Nobel uns keinen eigenen Preis zugestanden hat und die in Stockholm uns zwangsläufig zu unseren Schwesterdisziplinen Medizin respektive Chemie packen müssen. So ganz glücklich ist damit wohl niemand aber letzlich belebt Konkurrenz ja das Geschäft, somit haben unsere (C,M,B) Preisträger mindestens die Gewissheit das Ding mehr als verdient zu haben!

    Solidarisch grüßt

  2. @ Bioschmuddel

    Das ist Jammern auf hohem Niveau. Immerhin werden Biologen berücksichtigt. Eine Nobelpreis für Technik hingegen gibt es nicht, ob wohl die Auswirkungen der Ingenieurswissenschaften den ganzen Alltag eines jeden berühren. Bleibt mir nichts anderes übrig als das Ganze aus Protest weitgehend zu ignorieren. 😛 😉

    @ Fischer: Wieder mal ein genialer Artikel.

  3. @Arne

    Es gibt halt nichts schöneres als Biologen ärgern, so ist das nun mal…

    Dafür dass es keinen eigenen Nobelpreis gibt, sind die Biowissenschaften in Stockholm ganz gut vertreten. Es gibt immerhin noch die Möglichkeit, bei den Medizinern berücksichtigt zu werden, was ja bei Lerner/Winter auch eine sehr reale Möglichkeit darstellt. Irgendwo kommt ihr also auf jeden Fall zum Zuge.

  4. Doch keine Katalyse?

    Hm, jetzt haben wir in Physik gleich zwei Preise, die explizit nach ihrer praktischen Relevanz ausgesucht wurden. Das deutet möglicherweise darauf hin, dass der Chemiepreis dieses Jahr eher an eine theoretische Arbeit geht, wahrscheinlich ne in-silico-Methode. Die sind eh bisher unterrepräsentiert.

  5. nobelpreis für list?

    list den nobelpreis zu verleihen, wäre ja wohl ein schlechter witz. die prolin-katalyse ist altbekannt seit der wiechert et. al. -reaktion. list war als postdoc bei barbas III, der mit proline arbeitete. dieses organokatalyse-konzept ist als nicht seine idee, zumal es weitaus beeindruckendere leistungen in diesem jungen feld der katalyse gibt. keines davon ist allerdings bisher reif für einen nobelpreis.

    list ist dafür bekannt, dass er wisenschaftlich über leichen geht und referenzen in seinen publikationen nicht oder nur unvollständig nennt (nicht mal seine eigenen). er betreibt zudem “salami-science”, indem er seine ergebnisse splittet und gleichzeitigb bei mehreren journalen einreicht.

    ich erinnere auch an die organokatalyse mit chiralen phosphorsäuren (von Rueping/Frankfurt am Main entwickelt, von list kopiert, er zitiert diesen aber nicht, sondern läßt sich selbst feiern) oder die organokatalyse mit wasserstoffbrücken-bildenden Thioharnstoffkats (Schreiner, Uni Gießen). Es gibt weitaus verdientere und aufrichtigere Chemiker in Deutschland als List und auf der Welt erst recht. es mag sein, dass herr lars fischer ein “list”-jünger ist. das allein kann aber seine ahnungslosigkeit nicht entschuldigen.

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