Raumsonden, Tsunamis und Tempel: Ein Trip nach Japan

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Meteorite, Planeten, Sternenstaub (und was sonst so runterfällt)
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Der Titel sagt alles. Etwas ausführlicher: wie schon öfters in diesem Blog erwähnt, besteht das Leben eines Wissenschaftlers nicht nur aus Laborarbeit. Diese beansprucht in der Regel gar nicht so viel Zeit, den Großteil selbiger verbringt man am Schreibtisch um die Ergebnisse zu verarbeiten bzw. zu Paper (PDF) zu bringen. Und dann sind da noch die Treffen und Tagungen. Da gibt es die großen Fachtagungen (wie die LPSC, EPSC oder MetSoc), wo neueste Ergebnisse des gesamten Fachgebietes (hier Planetologie) präsentiert werden. Und halt die kleineren Treffen, die sich auf speziellere Themen konzentrieren. Diesesmal also ein Trip nach Japan. Immer eine Reise wert, nach zweieinhalb schönen Jahren als PostDoc in Kobe und 8 Jahren seit meinem letzten Besuch war es mal wieder höchste Zeit.

Ich verdiene meine Brötchen mit Studien im Rahmen der BepiColombo Mission. Das ist eine Raumsonde, die in 2018 starten und nach vielen FlyBys 2024 am Merkur ankommen soll. Ich selber bin in MERTIS involviert, das ist ein Infrarot-Spektrometer, mit dessen Hilfe die Mineralogie der Oberfläche des innersten Planeten kartiert werden soll. Mein Job ist, entsprechende Labormessungen durchzuführen, mit denen man dann die zukünftigen Daten interpretieren kann. So eine Raummission ist eine komplizierte Sache. So empfiehlt es sich, in ständigem Kontakt nicht nur mit Kollegen des eigenen Instruments, sondern auch den Arbeitsgruppen anderer Geräte zu bleiben. Aus diesem Grunde war ich Anfang des Monats auf einem kleineren Treffen in Tokio. Wieso Tokio? BepiColombo ist eine gemeinsame Mission von ESA und der japanischen JAXA. Diese baut den MMO, den Mercury Magnetospheric Orbiter. Wie der Name schon sagt, diese separate Sonde kümmert sich um die Magnetosphäre des Planeten, während der Mercury Planetary Orbiter (MPO), auf dem mein Instrument ist, sich eher um die Oberfläche kümmert.

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Nur ein Modell vom MMO. Foto: A.Morlok

Das Treffen bestand vor allem aus vielen internen Statusberichten der Komponenten der Sonde, und dazu kann ich hier natürlich nix schreiben (und ist thematisch auch zumeist sehr trocken). Meine Präsentation war ein halbstündiger Vortrag über den momentanen Status der Labormessungen in Münster (läuft gut). Er fand im Rahmen eines Austauschs der verschiedenen Gruppen, die sich mit der Oberfläche des Planeten beschäftigen, statt. Die anschließende Diskussion der verschieden Gruppen, die sich mit der Zusammensetzung des Merkur aus verschiedenen Blickwinkeln beschäftigen, war sehr ergiebig. Es geht zurzeit vor allem darum, basierend vor allem aus den Ergebnissen der MESSENGER-Sonde (die den Merkur von 2011 bis 2015 besuchte) lohnenswerte Ziele auf Merkur zu definieren, die man dann mit BepiColombo besonders unter die Lupe nehmen wird. So werden die Bilder der Oberfläche systematisch für Karten ausgewertet, so dass interessante Ziele identifiziert werden können. Das wiederum gibt dann z.B. mir eine Idee, um was für Gesteine es sich handeln könnte (z.B. Impaktgesteine), was dann wiederum die Auswahl der Proben für meine Labormessungen beeinflusst (man kann ja nicht alles durchmessen…)

Zu einer Tagung gehört auch ein soziales Event, in diesem Falle ein spektakulär gutes Banquet in traditioneller Umgebung (Hinweis: Sake und Bier, nicht durcheinander Trinken). Generell gehört das abendliche Beisammensein auch zu einem Treffen, da wird oft genau so viel angeschoben und besprochen wie den Tag über. Und Essen & Trinken kann man Japan ordentlichst, keine Frage. Auch wenn ich trotz meiner Zeit in Japan nie so ganz warm mit der japanischen Küche wurde (mag keine Tentakel…)

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Typische Plastikattrappen, wie man sie vor den meisten Japanischen Gaststätten findet, das echte Essen sieht in der Regel deutlich besser aus. Foto: A.Morlok
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Das Banquet: Essen wird in Japan auch visuell schön angerichtet. Foto: A.Morlok

Tokio selber ist riesengroß, laut, oft hektisch. Aber sehr gut organisiert und aufgeräumt, immer wieder beeindruckend. Den öffentlichen Nahverkehr in Tokio zur Hauptstoßzeit muss man mal erlebt haben (wenn auch nicht mit vollem Reisegepäck, war keine gute Idee). Die Tagung selber war auf dem Gelände der Universität Tokio, die neben einer oft eigenwilligen Architektur, der bestens organisierten Mensa die ich je erlebt habe, auch eine Insel der Ruhe in Form eines kleinen Parks besitzt, in dem man glatt vergisst dass man sich inmitten des größten Ballungsraumes des Planeten befindet (über 37 Millionen Leute!).

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Der See (mit Schildkröten) im Park der Uni Tokio. Foto: A.Morlok
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Offensichtlich nicht viel Platz übrig. Pragmatische Architektur auf dem Uni Campus. Foto: A.Morlok

 

Auch wichtig in der Wissenschaft sind Kollaborationen –  also die Zusammenarbeit mit Leuten außerhalb der eigenen Arbeitsgruppe. Auch dazu bot sich der Trip nach Japan an. Dazu musste ich erst einmal zu meinem alten Kollegen Nao in Kochi gelangen. Nach dem erwähnten Trip im Tokioter ÖPNV zur Hauptstoßzeit, gefolgt von einer Fahrt mit einer Einschienenbahn (voll integriertes Massenverkehrsmittel nicht nur in Tokio – samt Fahrer und Vorhängen in den Abteilen…) dann ein Flug über den Inlandsflughafen Haneda. Im südlichen Kochi war das Wetter dann fast spätsommerlich (im Gegensatz zum verregneten Tokio).

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Kochi: Impressionen. Foto: A.Morlok

Kochi liegt etwas abseits auf der kleinsten der vier großen Inseln Japans, in Shikoku. Die Insel wurde verkehrstechnisch erst spät erschlossen, war also lange Zeit sprichwörtlich etwas ab vom Schuss. Eine Gelegenheit, mal das Japan außerhalb der Metropolen kennen zu lernen. Kochi ist etwa so groß wie Münster, aber deutlich ruhiger. So ein Ort, wo einen die Omas noch auf der Straße grüßen. Wieso eigentlich Kochi, vor allem wenn es abgelegen ist ? In Kochi befindet sich ein sehr gut ausgestattetes erdwissenschaftliches Forschungsinstitut. Ein solches ist nötig, denn es gibt ordentlich was zu untersuchen. Kochi ist nämlich die Basis für Chikyu. Das ist ein Tiefseebohrungsschiff, das mal bis zu 10 Kilometer bis in den Erdmantel bohren soll. Also im Prinzip das irdische Gegenstück zum Entsenden von Raumsonden. Das Ganze ist auch ein Nachfolger des aufgegebenen Mohole Projekts.

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Chikyu, das Tiefseebohrschiff der JAMSTEC. Der Bohrturm ist 130 Meter hoch. Foto: A.Morlok
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Das Schiff ist sehr gut ausgestattet auch für die vorläufige Untersuchung der Bohrkerne. Hier ein CT-Scanner, mit dem die Kerne erst mal erfasst werden. Foto: A.Morlok

 

Mein alter Freund &Kollege Nao und seine Frau Kyoko arbeiten am Kochi Institute for Core Sample Research (KOCHI), wo dann die Bohrkerne von Chikyu gelagert und untersucht werden. Dabei geht es unter anderem um Hochdruckminerale, Nao’s Spezialität. Aber es wird auch einiges auf anderen Gebieten geforscht, darunter Hochdruckminerale die bei großen Impakten entstehen. Also ein prima Anknüpfungspunkt für eine Kollaboration, da wir in Münster sehr an den spektroskopischen Auswirkungen von solchen Impakten auf Gesteine interessiert sind. Planetare Oberflächen gerade der kleineren Körper wie Merkur sind von Regolith bedeckt, der nur aus umgewälztem Impaktmaterial besteht. Dazu passt, dass das Institut Analytisch sehr, sehr gut ausgestattet ist. Dazu gehört ein ultramodernes Transmissionselektronenmikroskop (TEM), mit dem man Strukturen abbilden kann, die einzelnen Atomlagen entsprechen. Und gleich 3 Ionensonden gibt es vor Ort, plus jede Menge weiterer Geräte. Also ein vielversprechender Ausgangspunkt für zukünftige Zusammenarbeit.

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Mein alter Kollege Nao Tomioka und sein Super-TEM. Foto: A.Morlok
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Material für die TEM-Untersuchungen werden mittels eines FIB (Focused Ion Beam)-Geräts mit einem Ionenstrahl aus den Proben gefräst. Foto A.Morlok
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Gleich drei SIMS-Geräte sind vorhanden. Foto: A.Morlok
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Ich im Bohrkernlager. Ist noch deutlich größer, für die Zukunft ist vorgesorgt. Man beachte die Gatter, die sind dazu da, das im Falle eines Erdbebens/Tsunami die Proben nicht durch die Gegend fliegen. Foto: A.Morlok

Man sieht, die Bohrkerne befinden sich in besten Händen. In mehrfachem Sinne:  Das Bohrkernlager ist auch für schwere Tsunamis ausgelegt. Kochi ist leider auch eine sehr erdbebengefährdete Gegend (auch für japanische Verhältnisse). So gefährdet, dass es Zuschläge beim Gehalt für Wissenschaftler gibt, die sich für längere Zeit in die Gegend trauen. Man findet überall Schilder, die einen in Richtung des nächsten tsunamisicheren Gebäudes weisen (mein Hotel war zufälligerweise eines). Aufgrund der Erfahrungen des schweren Bebens von 2011 wurden in der Zwischenzeit auch zahlreiche Hochbunker errichtet, auf die die Bevölkerung bei genügend Warnung fliehen kann. Zeugen der intensiven tektonischen

Aktivität sieht man auch entlang der Küste, wo aufgeschobene Gesteine in fast surrealen Gebilden Zeugnis von diesen über viele Jahrmillionen wirkende Kräfte ablegen.

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Meine Gastgeber Nao und Kyoko in tektonisch geprägter Landschaft. Foto: A.Morlok
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Ein Tsunami-Hochbunker, wie sie bei Kochi überall in der Landschaft verteilt sind. Foto: A.Morlok
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Ein typisches Warnschild. Foto: A.Morlok

Das angebrochene Wochenende wurde vor dem Rückflug noch für einen Trip in die Umgebung von Kochi genutzt. Shikoku ist für seine 88 Tempel bekannt, die in einer festen Reihenfolge auch heute noch von zahlreichen Pilgern besucht werden. Außerdem befindet sich in der Stadt selber ein schön erhaltenes Schloss.

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Das Schloss zu Kochi. Foto: A.Morlok
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Einer der 88 Tempel in der Region. Foto: A.Morlok

 

Und dann wieder zurück, 11 Stunden Flug, Jetlag und so weiter. Aber schön war es schon.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Mein Interesse an Planetologie und Raumforschung begann schon recht früh. Entweder mit der Apollo/Sojus Mission 1975. Spätestens aber mit dem Start der Voyager-Sonden 1977, ich erinnere mich noch wie ich mir mein Leben in der fernen Zukunft des Jahres 1989 vorzustellen versuchte, wenn eine der Sonden an Neptun vorbeifliegen würde. Studiert habe ich dann Mineralogie in Tübingen (gibt es nicht mehr als eigenständiges Studienfach). Anstatt meinen Kommilitonen in die gängigen Richtungen wie Keramikforschung zu folgen, nahm ich meinen Mut zusammen und organisierte eine Diplomarbeit über Isotopenanalysen von Impaktgestein aus dem Nördlinger Ries Einschlagkrater. Dem folgte dann eine Doktorarbeit über primitive Meteorite in Münster. Nach 10 Jahren als PostDoc in verschiedenen Ecken der Welt arbeite wieder am Institut für Planetologie in Münster, an Labormessungen für die ESA/JAXA Raumsonde BepiColombo, die demnächst zum Merkur aufbrechen wird. Mein ganzes Arbeitsleben drehte sich bisher um die Untersuchung extraterrestrischer (und damit verwandter) Materialien: Gesteine aus Impaktkratern, die ganze Bandbreite Meteoriten (von den ganz primitiven Chondriten bis hin zu Marsmeteoriten). Zu meiner Forschung gehören auch Laborexperimente, in denen Vorgänge im frühen Sonnensystem nachgestellt wurden. Mein besonderes Interesse ist, die Laboruntersuchungen von extraterrestrischem Material mit Fernerkundungsdaten (im Infrarot) zu verknüpfen. Das vor allem mit Daten aus der planetaren Fernerkundung durch Raumsonden, aber auch mit Beobachtungen junger Sonnensysteme durch Teleskope.

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