Kleine Welten, in ihre Bestandteile zerlegt (plus: Sommerloch). Die wichtigsten Paper im Juli

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Meteorite, Planeten, Sternenstaub (und was sonst so runterfällt)
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Und schon wieder ein Monat rum. Auch ein Sommerloch will gestopft werden, also Zeit für den beliebten Monatsrückblick über die Paper, für welche sich die (analytischen) Planetologen über den letzten Monat am meisten interessiert haben. Wie üblich basierend auf Cosmochemistry Papers.

Allerdings habe ich den Modus ein wenig geändert, ich werde aus der Spitzengruppe die interessanten Paper herausgreifen, anstatt wie bisher die ersten fünf zu besprechen (alldieweil mir die ganzen doch etwas abstrakten Isotopenpaper den Kopf etwas schwummrig machten).

Was als trieb die Planetologie im Juli um ?

Da wären zwei thematisch recht verwandte Paper. In beiden geht es um Granit. Granit besteht aus Feldspat, Quarz und Glimmer (die drei vergess’ ich nimmer). Er ist ein sehr wichtiges Gestein der kontinentalen Kruste, sonst aber selten auch auf der Erde (0.001% vom Gesamtplaneten). Das ist aber immerhin noch besser als im restlichen Sonnensystem, da ist Granit sehr selten. Im Sinne von wirklich doch sehr selten. Das Vorkommen einer granitreichen Kruste wäre das Zeichen einer sehr aktiven Geologie – die Bildung von Granit im engeren, irdischen Sinne setzte Wasser und wohl auch Tektonik voraus.

In situ evidence for continental crust on early Mars von Violaine Sautter (Naturhistorisches Museum in Paris) et al. (erschienen in Nature Geoscience, hier ein passender Tagungsabstrakt) präsentiert eine doch recht spektakuläre Entdeckung des Curosity Rovers. Nämlich Gestein, das doch sehr an Granit (eigentlich Granodiorit, aber der ist sehr ähnlich) erinnert.

Wieviel Granit auf der Oberfläche vorhanden ist, darüber kann man aber momentan nur spekulieren – die analysierten Proben gehören zu Sedimenten, stammen wohl vom Rand des Kraters, in dem Curiosity umherfährt. Es gibt vage Hinweise von den Orbitern, dass es an weiteren Orten ähnliches Material geben könnte, aber ansonsten ist der Mars sehr basaltisch.

Dennoch, der Mars war wohl schon etwas aktiver, und unserer Erde ähnlicher als bisher bekannt. Nur wie genau sich der Granit gebildet hat, das ist natürlich die Frage – Plattentektonik hat es auf dem roten Planeten wohl nicht gegeben.

Über alternative Möglichkeiten geht es im zweiten Paper. Stephen Seddio (damals Wasington University, St.Louis) et al. zeigen in Silica polymorphs in lunar granite: Implications for granite petrogenesis on the Moon, daß es so was wie Granit auch auf unserem direkten Nachbar gibt.  Erschienen im American Mineralogist, dem wichtigsten Journal in der Mineralogie im Allgemeinen (hier ein Tagungsabstakt). Das ist an sich nicht völlig neu, kleine Fragmente mit irgendwie granitischer Zusammensetzung hat man schon öfters gefunden. Was aber schon erstaunlich ist, der Mond ist nochmal deutlich kleiner als der Mars. In dem Paper geht es dann schon um Details in der Entstehung des Granits – ob eben ähnliche Prozesse wie auf der Erde eine Rolle gespielt haben.

Es geht um verschiedene Formen von SiO2, das gerne als Quarz, aber zum Beispiel auch in leicht abgewandelter Kristallstruktur als Christobalit oder Trydimit vorkommen kann. Und das Vorkommen hängt von den Umgebungsparametern – Temperatur, Druck – während der Entstehung des Gesteins ab. Seddio und Kollegen haben in Apollo 12 Mondproben Hinweise gefunden, daß der Quarz ursprünglich eben als Cristobalit und Tridymit vorkam, die sich dann umwandelten. Und Quarz ist ein wesentlicher Bestandteil von Granit, wenn man die Entstehungsbedingungen von ihm kennt, weiß man in etwa, wie das ganze Gestein entstand.

Dazu wurden die Proben mit einem Laserstrahl bestrahlt, und aufgrund der Verschiebung von Bändern in resultierenden Spektrum (also Zacken in zackeligen Linien) lassen sich verschiedene Minerale identifizieren, mit einer räumlichen Auflösung von ein paar Mikron (tausendstel Millimeter). Das ganze nennt sich Ramanspektroskopie und ist eine ungemein nützliche, sowie vergleichsweise günstige analytische Technik, die sich gerade über die letzten 10-15 Jahre in der Mineralogie rasant ausgebreitet hat. Auch die Geschichte (und Person) hinter der Entdeckung des Effekts ist recht interessant.

Was bedeutet das alles ? Wenn sich der Quarz gleich am Anfang im Granit gebildet hätte, wäre eine langsame Abkühlung in einer Magmablase deutlich unterhalb der lunaren Oberfläche (in der Größenordnung 10 km) nötig gewesen. Die Bildung der beiden anderen Variationen setzt niedrigeren Druck und sehr schnelle Abkühlung voraus – was auf eine Entstehung in einer vulkanischen Eruption an der Mondoberfläche hindeutet, in Strukturen ähnlich der Gruithuisen Domes. Und das ist schon interessant, denn auf der Erde entsteht Granit unterhalb der Oberfläche, er ist ein Plutonit, ein Tiefengestein das sich einige Kilometer weiter unten bildet. Also auch beim Granit ist dann wohl alles nicht so einfach.

Dann ein Paper von meinem guten, alten Bürokollegen aus Milton Keynes, Richard Greenwood (und et al.) Geochemistry and oxygen isotope composition of main-group pallasites and olivine-rich clasts in mesosiderites: Implications for the “Great Dunite Shortage” and HED-mesosiderite connection. Erschienen in Geochimica et Cosmochimica Acta, ein etwas verwandter Tagungsabstrakt hier, und ein kurzer, (alter) Artikel über seine Arbeit hier. Dann muss wohl ich ran:

Untersucht wurden die Mesosiderite. Das sind Stein-Eisen-Meteorite, also Eisen-Nickel-Klumpen mit Fragmenten vor diversen Mineralen. Entstanden sind die Mesosiderite wohl in frühen Kollisionen im Sonnensystem, als die heranwachsenden Planetesimale kollidierten. Folglich sind diese Meteorite ein wüstes Gemisch, Gesteins- und Eisenfragmente aller Größen und Formen kommen vor. Greenwood und seine Kollegen untersuchten die Sauerstoff-Isotopie von silikatischen Einschlüssen mit hohen Anteilen an Olivin, dem altbekannten Wald- und Wiesenmineral das eigentlich überall vorkommt. Der Gedanke ist, die Stein-Eisen-Meteorite anderen Meteoritengruppen zuzuordnen.

Wie oben schon erwähnt, besteht die kontinentale Kruste zu einem ordentlichen Teil aus Granit und ähnlichem Material. Aber halt nur die dünne, obere Schicht, im Schnitt vielleicht gerade mal 20-30 Km, und das nur auf Teilen des Planeten. Darunter besteht die Erde, sowohl Kruste als auch Mantel, aus dichteren, mafischen Gesteinen. Und dazu gehören die Dunite, ein vor allem aus Olivin bestehendem Gestein, die oberhalb von etwa 400 km typisch sind (auf der Erde).

Deshalb wären Olivine ein prima Mineral, um eine Verbindung zwischen Kernmaterial (denn das sind Eisenmeteorite) und dem restlichen Planeten herzustellen. Und tatsächlich, die untersuchten Mesosiderite lassen sich Achondriten zuordnen. Und zwar nicht irgendwelchen, sondern gleich den HED. Das sind die Howardite, Eukrite und Diogenite. Das sollte uns bekannt vorkommen – die HED sind nämlich wohl die Meteorite in unseren Sammlungen, die von Vesta kommen. Vesta wurde kürzlich von Dawn besucht, und die Ergebnisse der Mission haben den Link Vesta-HED verstärkt (obwohl natürlich ohne eine direkte Probennahme keine 100%ige Bestätigung möglich ist).

Wenn die meisten Mesosiderite (die Sauerstoff-Isotopie der Einschlüsse aus den Mesosideriten ist auch untereinander ähnlich) tatsächlich von Vesta stammen, hätten wir damit Proben von einem Kleinplaneten vom Kruste bis Kern in unseren Sammlungen. Das haben wir nicht mal von der Erde. Und dann auch noch ordentlich Material, HEDs sind nicht gerade selten (wie auch Mesosiderite). Das erlaubt dann schon weitergehende Studien über die Planetenentstehung als mit ein paar unzusammenhängenden Felsen möglich wäre. Aus der Richtung sollte in Zukunft einiges an Forschung zu erwarten sein.

Und schließlich der gute, alte Alan Rubin mit dem sicher besten Titel eines Papers seit langem: An American on Paris: Extent of aqueous alteration of a CM chondrite and the petrography of its refractory and amoeboid olivine inclusions. Erschienen in Meteoritics&Planetary Science, hier ein rezenter Tagungsabstrakt. Ein Artikel über den Fall hier. Es geht um die kohligen Chondrite vom Typ 2, die ja schon durch Wasser und ähnliches auf dem Mutterplanetesimal etwas umgewandelt wurden. Paris scheint ein Kandidat für den am wenigsten eingenässten Chondriten vom Typ 2 zu sein – also nicht mehr ganz ursprünglich (pristin, das wäre Typ 3.0), sondern nur ein wenig feucht geworden. Solche Proben sind von Interesse, da man bei Studien dieser Vorgänge eben Proben braucht die die ganze Bandbreite der Umwandlung zu Matsch abdecken. Und da hat am oberen Ende der Skala noch einiges gefehlt. Paris ist ein CM 2.7 Chondrit, es fehlt also immer noch Material in der Lücke zu CM 3.0.

Dann noch Evidence for the exsolution of Cl-rich fluids in martian magmas: Apatite petrogenesis in the enriched lherzolitic shergottite Northwest Africa 7755 von Geoffrey Howarth (et al.), damals an der Tennessee University zu Knoxville. Abgedruckt in der Geochimica et Cosmochimica Acta, ein zeitnaher Tagungsabstrakt hier. Ein älterer Artikel über den Mars von einem der Mitautoren hier. Es geht um Phosphate, genauer um die volatilen Bestandteile, hier Chlor. Der aus diesen freigesetzte Chlor könnte oberflächennahe, hydrothermale Systeme auf dem jungen Mars in ihrer Zusammensetzung beeinflusst haben.

 

 

 

 

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Mein Interesse an Planetologie und Raumforschung begann schon recht früh. Entweder mit der Apollo/Sojus Mission 1975. Spätestens aber mit dem Start der Voyager-Sonden 1977, ich erinnere mich noch wie ich mir mein Leben in der fernen Zukunft des Jahres 1989 vorzustellen versuchte, wenn eine der Sonden an Neptun vorbeifliegen würde. Studiert habe ich dann Mineralogie in Tübingen (gibt es nicht mehr als eigenständiges Studienfach). Anstatt meinen Kommilitonen in die gängigen Richtungen wie Keramikforschung zu folgen, nahm ich meinen Mut zusammen und organisierte eine Diplomarbeit über Isotopenanalysen von Impaktgestein aus dem Nördlinger Ries Einschlagkrater. Dem folgte dann eine Doktorarbeit über primitive Meteorite in Münster. Nach 10 Jahren als PostDoc in verschiedenen Ecken der Welt arbeite wieder am Institut für Planetologie in Münster, an Labormessungen für die ESA/JAXA Raumsonde BepiColombo, die demnächst zum Merkur aufbrechen wird. Mein ganzes Arbeitsleben drehte sich bisher um die Untersuchung extraterrestrischer (und damit verwandter) Materialien: Gesteine aus Impaktkratern, die ganze Bandbreite Meteoriten (von den ganz primitiven Chondriten bis hin zu Marsmeteoriten). Zu meiner Forschung gehören auch Laborexperimente, in denen Vorgänge im frühen Sonnensystem nachgestellt wurden. Mein besonderes Interesse ist, die Laboruntersuchungen von extraterrestrischem Material mit Fernerkundungsdaten (im Infrarot) zu verknüpfen. Das vor allem mit Daten aus der planetaren Fernerkundung durch Raumsonden, aber auch mit Beobachtungen junger Sonnensysteme durch Teleskope.

6 Kommentare

  1. “Wald- und Wiesenmineral”, wie respektlos! ^^
    Wolltest Du hier nicht mal einen Eintrag speziell über Olivin schreiben? Da war doch was? 😉

  2. Die entdeckte kontinentale Kruste lässt den Mars wieder als kleinen Bruder der Erde auferstehen. In dieser Vision/Fantasie hat sich der Mars in den ersten 1 bis 2.5 Milliarden Jahren ähnlich entwickelt wie die Erde, was sich hier in den gefundenen Anteilen von kontinentaler Kruste zeigt. Erst später wurde er dann zu dem toten Planeten, der er heute ist. In dieser Vision gab es in dieser Frühzeit auch Seen, Meere und Flüsse auf dem Mars.

    Doch das könnte auch eine Überinterpretation sein. Selbst wenn es kontinentale Kruste gibt, selbst wenn es Seen, Meere und Flüsse für kurze Zeiträume auf dem Mars gab, könnte der Mars dennoch von Anbeginn an sich völlig anders entwickelt haben als die Erde, könnte der Mars schon immer recht lebensfeindlich gewesen sein.

    • Die Frage ist auch, wieviel Kruste sich da wirklich gebildet hat – ob das nun lokal oder überall auf dem Planeten stattfand. Und wie der Mond zeigt, kann es durchaus auch alternative Wege zu granitoidem Gestein geben. Das macht Planetologie auch für irdische Geologie interessant, es gibt allem eine andere Perspektive.

      • “Die Frage ist auch, wieviel Kruste sich da wirklich gebildet hat” Ja. Und wie kann man diese Frage beantworten? Durch Aufnahmen aus dem Marsorbit oder braucht es dazu einen Rover, der vor Ort die nötigen Untersuchungen machen muss?

        Eine systematische Erfassung der Marsoberfläche mit Marsrovern allein scheint momentan nicht möglich, haben alle Marsrover zusammen bis jetzt nur ein paar dutzend Kilometer zurückgelegt.

        • Der Mars scheint sowohl vom Orbit als auch von den Rovern aus fast völlig basaltisch zu sein. Falls es mal viel
          granitische Kruste gab, ist diese wohl verwittert. Und die zahlreichen Impakte haben dann wohl auch einiges untergepflügt.
          Dann aber sollte man das zumindest in der Chemie sehen…Ich denke mal, dass Granite schon von Anfang an seltener als auf der
          Erde vorkamen. Aber mal sehen.

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