Exo-Planetare Presseschau (März)

BLOG: Exo-Planetar

Meteorite, Planeten, Sternenstaub (und was sonst so runterfällt)
Exo-Planetar

Eine zentrale Rolle in der (naturwissenschaftlichen) Forschung spielen die wissenschaftlichen Veröffentlichungen (heutzutage Papers genannt).

Da fassen Forscher ihre Ergebnisse zusammen und schicken sie an ein Fachblatt (Journal). Dort muss die Veröffentlichung erst mal an den Gutachtern vorbei kommen. Wenn das Paper dann in Druck geht (heute oft nur noch online), sollte es dann möglichst oft von anderen Forschern in deren Veröffentlichungen zitiert werden, auch ein wichtiges Kriterium für den Erfolg einer Veröffentlichung.

In der Forschung gibt es den Spruch Publish or Perish – etwas entschärft mit Veröffentlichen oder Verschwinden übersetzt. Auch (oder gerade) in der Grundlagenforschung (zu der die Meteoritenforschung oder Kosmochemie nun wirklich zählt) ist das Schicksal eines (jungen) Forschers in der Regel mit seinem Ausstoß an wissenschaftlichen Veröffentlichungen verknüpft.

Zum Einstieg deshalb eine weitere monatliche Presseschau oder Übersicht der fünf beliebtesten wissenschaftlichen Veröffentlichungen auf Cosmochemistry Papers. Das ist ein Blog, der die jeweiligen Veröffentlichungen auf dem Gebiet der analytischen Planetologie, Kosmochemie oder Meteoritenforschung auflistet (Disclaimer: Ich bin an dem Blog auch beteiligt).

Die Paper geben also eine Momentaufnahme, was vor allem die Forscher, aber auch sonstigen Interessierten auf den Gebieten so zur Zeit (vielleicht) am meisten beschäftigt. Natürlich ist nicht alles mein Spezialgebiet, deshalb Gnade wenn nicht alles perfekt sitzt.

Leider sind die Veröffentlichungen in der Regel nicht direkt zugänglich (ausser man zahlt ordentlich oder hat über die Universität zugriff). Ich versuche deshalb, zusätzlich auf frühere Tagungs-Abstracts der gleichen Arbeitsgruppen zum Thema, oder ArXiv-Veröffentlichungen der Autoren zu verlinken (die halt gratis sind). Falls da was verfügbar ist.

Dann mal ans Werk:

Auf Platz eins im März waren Krzesińska et al. mit Impact-related noncoaxial deformation in the Pułtusk H chondrite inferred from petrofabric analysis. (Veröffentlicht in Meteoritics&Planetary Sciences; hier ein Tagungs-Abstract).
Ein schönes Beispiel, wie sich aus Meteoritenproben weitergehende Rückschlüsse auf die Ursprungskörper schließen lassen, ohne gleich eine Sonde hinzuschicken. Meteoriten sind eben Proben von Asteroiden, die uns regelrecht in den Schoß fallen.

Hier wurde ein Meteorit untersucht, um Hinweise auf etwaige Einschläge oder Kollisionen in der Geschichte des Mutterkörpers (der Asteroid, wo das Material des Meteoriten herstammt) zu bekommen. Modellierer haben diverse Modelle über die Planetenentstehung im frühen Sonnensystem, in denen Kollisionen zwischen heranwachsenden planetaren Körpern eine zentrale Rolle spielen. Um eben solchen Modelle zu testen, sind Daten über Kollisionen aus jener Zeit von Interesse, und die erhält man aus der Untersuchung der ursprünglichsten, primitivsten verfügbaren Meteorite, den Chondriten.

Der Pułtusk H Chondrit ist eine regolithische Brekzie, Oberflächengeröll von dem Asteroiden. Das der Teil eines Planetarien Körpers, in dem man wohl am ehesten Zeichen von solchen Vorgängen finden sollte. H Chondrite gehören zudem zu den gewöhnlichen Chondriten. Wie der Name schon sagt, eben sehr typische Meteorite, weshalb die Ergebnisse wohl auch aussagekräftig sind.

Die dazu wurde das Gefüge (Petrofabric) einer Probe des Meteoriten mit einem 3D CT-Scanner durchleuchtet. Von Interesse war, ob die „Form“ der kleinen Metallkörner in Pułtusk eher kugelförmig ist, oder ob die Teilchen deformiert sind und eine Ausrichtung zeigen. Letzteres würde man wohl durch die Stoßwellen eines Einschlags erwarten. Das ist in der Tat der Fall, und die Probe zeigt auch generell Risse und Anzeichen von Scherkräften und damit verbundene Schmelzen, die auch auf ein Impakt- oder Kollisionsereignis hindeuten.

Weiter wurde die magnetische Suszeptibilität gemessen (musste ich auch selber erst mal nachschlagen), dabei geht es um die Magnetisierbarkeit des Metalls durch ein externes Magnetfeld in dem Meteoriten. Diese ist anisotrop, also Richtungsabhängig, was auch als Zeichen für Kompression durch einen Impakt oder Kollision interpretiert wird.

Die Arbeit bestätigt also, dass solche Prozesse stattgefunden haben.
Nummer zwei ist A search for shocked quartz grains in the Allerød-Younger Dryas boundary layer von Van Hoesel und Mitautoren (wieder aus Meteoritics & Planetary Sciences; auch hier ein Tagungs-Abstract). Und wieder geht es um Impaktprozesse, aber in dem Fall auf unserer guten, alten Erde.

Was ist zunächst mal der Allerød-Younger Dryas Boundary Layer ? Die Jüngere Dryaszeit war ein plötzlicher Kälterückfall während der auslaufenden Eiszeit vor knapp 11000 Jahren. Als Ursache wurde unter anderem ein Impaktereignis (eigentlich ein Airburst, also ein in der Atmosphäre zerlegter Körper) vorgeschlagen, begründet mit chemischen und mineralogischen Spuren in der entsprechenden Gesteinsschicht (eben der Allerød-Younger Dryas Boundary Layer).

Um die Impakt-Hypothese zu testen, untersuchte die Arbeitsgruppe des vorliegenden Papers Quarz-Körner. Diese sind zuverlässige Indikatoren für größere Einschläge. Die Stoßwellen bei einem Einschlag produzieren die sogenannten PDF – kein Dateiformat in diesem Falle, es steht für „Planar Deformation Features“ oder Schocklamellen.
Die Kristallstruktur des Quarzes wird durch die Stosswellen bei einem Impakt entlang von bestimmten Kristallebenen derart beschädigt, dass der Schaden mikroskopisch in Form von vielen feinen, parallelen Linien recht leicht zu identifizieren ist.

Leider fanden die Forscher nur einen einzigen Kandidaten für einen geschockten Quartz, in den Niederlanden. Das ist schon mal vom statistischen Standpunkt her mager, und selbst dieser Quartz könnte sehr wohl von einem anderen, älteren Einschlag stammen und halt zufällig dort sedimentiert sein.

Aber auch solche negativen Ergebnisse sind wichtig in der Wissenschaft, Hypothesen können halt auch widerlegt werden.

 

Nummer 3 von Sébastien Charnoz (et al.) ist Growth of calcium–aluminum-rich inclusions by coagulation and fragmentation in a turbulent protoplanetary disk: Observations and simulations, veröffentlicht in Icarus (hier ein ähnlich gelagerter Abstract).

Der Name des Journals passt irgendwie zum Paper: dieses handelt von den CAIs. Dahinter verbergen sich die Kalzium und Aluminium-reichen Einschlüsse. Das sind bis zum Zentimeter große Bestandteile, die in den Chondriten vorkommen. Sie bestehen aus Mineralen, die nur bei hohen Temperaturen entstehen (etwa über 1600°C), und gelten als die ersten Materialien, die sich im frühen Sonnensystem an sich gebildet haben. Entstehungsort war wohl das heisse, innere Sonnensystem nahe der jungen Sonne, wo sich die CAIs wohl aus Staub und heissem Gas gebildet haben. Datierungen ergeben Alter von bis zu 4.57 Milliarden Jahren, was auch als offizielles Alter des Sonnensystems verwendet wird.

Das macht die CAIs auch sehr interessant, um etwas über die Zustände damals zu erfahren. Das macht sie gerade von Interesse für Astrophysiker, die solche jungen Sonnensysteme zu modellieren versuchen.
Aus diesem Grund wurden (und werden) die CAIs sehr intensiv untersucht, mineralogisch, chemisch und isotopisch sind die Teichen sehr gut erfasst. Charnoz und seine Kollegen haben sich dagegen in ihrer Studie die Größenverteilung der CAIs angeschaut. Denn auch diese liefert Hinweise auf die Vorgänge in der Entstehungsregion – die Teilchen müssen irgendwie wachsen, und die turbulente Umgebung eines jungen Sonnensystems mit seinen vielen Teilchenkollisionen ist dem eher abträglich.

Die Autoren nahmen sich ein paar Chondrite zur Hand, und erfassen erst einmal die Größe der CAIs. Im nächsten Schritt wurde mittels eines Computermodells (Numerical Simulation) versucht, die Größen der CAI je nach verschiedenen Umgebungsparametern (Gasdichte, Geschwindigkeit, Temperatur) zu errechnen. Wichtig ist der Cut-Off, die Maximalgröße, die für CAIs beobachtet wird, die im Zentimeter-Bereich liegt.

Ergebnis: CAIs können recht schnell wachsen, so im 1000 -10000 Jahre Bereich (recht schnell in dem Zusammenhang), werden aber auch permanent in Kollisionen zerbröselt und recycelt. Und das hat dann auch durchaus Konsequenzen, wie zum Beispiel für die Datierungen: Wenn Trümmer verschiedener Generationen gemixt und aufgeschmolzen werden, muss man auch mit der Interpretation der Alter vorsichtig sein.

 

Nummer 4, Geochemical terranes of Mercury’s northern hemisphere as revealed by MESSENGER neutron measurements von Peplowski (und recht vielen Mitautoren) ebenfalls in Icarus veröffentlicht (hier ein Tagungs-Abstract), ist dann aus einer ganz anderen Ecke der planetaren Wissenschaften.
Hier geht es um Daten der Raumsonde MESSENGER (ist eine Abkürzung). Diese hat die chemische Zusammensetzung der Merkuroberfläche (unter anderem) mittels des Gamma-Ray and Neutron Spectrometer (GRNS) untersucht. Merkur ist aufgrund seiner Sonnennähe und mangels Atmosphäre intensiv von hochenergetischen Partikeln und Strahlung ausgesetzt. Dadurch werden Neutronen freigesetzt (aus bis zu mehreren Metern Tiefe). Aus der Energie der Neutronen lässt sich dann etwas über die Chemie der beobachteten Region schliessen.

Und die Ergebnisse zeigen, dass die Nordhälfte Merkurs (die von dem Paper ausschließlich behandelt wird) chemisch deutliche Schwankungen zeigt. Die Daten deuten auf Vulkanismus mit zwei verschiedenen Magmen Quellen hin, und dies wiederum deutet auf eine kompliziertere innere Struktur Merkurs hin.

 

Nummer 5 ist thematisch einigen der obigen Papers auch wieder recht ähnlich. A protracted timeline for lunar bombardment from mineral chemistry, Ti thermometry and U–Pb geochronology of Apollo 14 melt breccia zircons, von Hopkins und Mojzsis erschien in Contributions to Mineralogy and Petrology. Dort erscheinen eher selten Veröffentlichungen aus der Planetarien Ecke (hier ein kurzer Tagungs-Abstract).

Wieder geht es um Impakte, hier auf dem Mond. Wie die Autoren betonen, ist die Impaktgeschichte des Mondes auch interessant, weil sie ziemlich direkt auch Auskunft über selbige der Erde gibt. Unser Nachbar ist nicht so weit weg, also sollte er statistisch die gleiche Anzahl an Asteroiden und Kometen abbekommen haben.

Auf unserem Planeten aber sind viele Krater, vor allem die ganz alten, durch die Plattentektonik recycelt oder von Erosion (Eiszeiten!) weggeschmirgelt worden. Auf dem Mond hingegen sind Krater länger erhalten geblieben. Deshalb lohnt es sich eben diesen genauer anzuschauen, wenn man etwas über die Frühzeit der Erde bevor während des Late Heavy Bombardments (LHB), dem letzten intensiven Beschuss aus dem All, wissen will. Und da besteht übrigens auch eine Verbindung zu Paper 1.

Dummerweise sind Mondgesteine ziemlich kompliziere Angelegenheiten, da unser Nachbar halt sehr viel abbekommen hat und deshalb frühere Ereignisse durch spätere Einschläge überprägt worden sind. Das macht die Datierungen (und deren Interpretation) recht schwierig. Lob an die Autoren für die Einführung zum Paper, wo die Thematik schön zusammengefasst wird, ist nicht immer selbstverständlich.

Datiert haben die Autoren Zirkone, ZrSiO4. Das sind sehr robuste Mineralien, die einiges aushalten. Noch wichtiger, die als Spurenelemente eingebauten Elemente und Isotope von Uran, Thorium und Blei werden nur durch hohe Temperaturen in ihren Konzentrationen beeinträchtigt. Deshalb sollten diese Datierungen basierend auf Isotopen dieser Spurenelemente robuster sein als die des gerne verwendeten, aber empfindlicheren Argon-Systems.

Technisch wurden die winzigen Zirkone in einer aufwendigen Prozedur aus dem Mondgestein abgetrennt, die Brösel sind kleiner als der Durchmesser eines Menschenhaares. Untersucht wurden die Zirkone dann mit einer Ionensonde (SIMS). Das sind sehr komplizierte und teure Maschinen, die eine Probe mittels eines feinen Ionenstrahls beschiessen, wodurch auf dieser in sehr hoher räumlicher Auflösung Ionen abgetrennt und in einem Massenspektrometer untersucht werden.

Die Ergebnisse der Beiden deuten darauf hin, dass der Mond bis vor ungefähr 4.2 Milliarden Jahren mehreren ,Schüben‘ an schweren Impakten ausgesetzt war. Gängige Modelle gehen entweder von einem langsamen Abklingen der Einschläge während der späten Planetenbildung (der Debris Disk Phase unseres Sonnensystems) aus – oder von einer großen Ladung an Impaktoren, die den Mond (und wohl das ganze innere Sonnensystem) damals in relativ kurzer Zeit trafen (LHB). Oder irgendwas dazwischen, mit vielen größeren Schüben an Einschlägen, was durch diese Arbeit bestätigt werden würde.
Zusammengefasst: Impakte und Kollisionen sind gerade recht populär, ausserdem sind weder Science oder Nature unter den ersten 5. Dafür je zweimal Meteoritics&Planetary Science und Icarus, und einmal Contributions to Mineralogy and Petrology, ein eher seltender Gast.

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Mein Interesse an Planetologie und Raumforschung begann schon recht früh. Entweder mit der Apollo/Sojus Mission 1975. Spätestens aber mit dem Start der Voyager-Sonden 1977, ich erinnere mich noch wie ich mir mein Leben in der fernen Zukunft des Jahres 1989 vorzustellen versuchte, wenn eine der Sonden an Neptun vorbeifliegen würde. Studiert habe ich dann Mineralogie in Tübingen (gibt es nicht mehr als eigenständiges Studienfach). Anstatt meinen Kommilitonen in die gängigen Richtungen wie Keramikforschung zu folgen, nahm ich meinen Mut zusammen und organisierte eine Diplomarbeit über Isotopenanalysen von Impaktgestein aus dem Nördlinger Ries Einschlagkrater. Dem folgte dann eine Doktorarbeit über primitive Meteorite in Münster. Nach 10 Jahren als PostDoc in verschiedenen Ecken der Welt arbeite wieder am Institut für Planetologie in Münster, an Labormessungen für die ESA/JAXA Raumsonde BepiColombo, die demnächst zum Merkur aufbrechen wird. Mein ganzes Arbeitsleben drehte sich bisher um die Untersuchung extraterrestrischer (und damit verwandter) Materialien: Gesteine aus Impaktkratern, die ganze Bandbreite Meteoriten (von den ganz primitiven Chondriten bis hin zu Marsmeteoriten). Zu meiner Forschung gehören auch Laborexperimente, in denen Vorgänge im frühen Sonnensystem nachgestellt wurden. Mein besonderes Interesse ist, die Laboruntersuchungen von extraterrestrischem Material mit Fernerkundungsdaten (im Infrarot) zu verknüpfen. Das vor allem mit Daten aus der planetaren Fernerkundung durch Raumsonden, aber auch mit Beobachtungen junger Sonnensysteme durch Teleskope.

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