Die gleiche Prozedur wie jedes Jahr – Lunar and Planetary Science Conference 2016 in Houston, Vorschau.

BLOG: Exo-Planetar

Meteorite, Planeten, Sternenstaub (und was sonst so runterfällt)
Exo-Planetar

Der Wissenschaftler als solcher reist gerne. Entgegen dem immer noch verbreiteten Klischee des einsamen Kellerlaborbewohners, der sich nur selten ans Tageslicht traut, sind Forscher durchaus gesellige Gestalten. Natürlich nicht ganz ohne Ziel und Zweck – es handelt sich hierbei vor allem um Tagungen, Konferenzen und ähnlich gelagerte Veranstaltungen. Gleich und Gleich gesellt sich halt gerne.

Die auf dem Gebiet der Planetologie wohl wichtigste Tagung ist die alljährliche Lunar and Planetary Science Conference (LPSC). Diese findet seit 1970 in Houston statt (wenn auch in zunehmender Entfernung von der Innenstadt, in der Zwischenzeit in den Woodlands). Ort, Benamsung und Datum zeigen den Ursprung der Tagung – eigentlich sollten damals nur die Ergebnisse der Untersuchungen der ersten Apollo-Proben vorgetragen werden.

Aber über die Jahre ist die Tagung stetig gewachsen, schon lange ist sie (leider) zu groß für den ersten Veranstaltungsort, bis 2001 im Johnson Space Center zu Houston. Thematisch umfasst die LPSC inzwischen auch weit mehr als den Mond. Thema sind vor allem die inneren, terrestrischen Körper des Sonnensystems, Asteroide und Kometen.

Will man aktiv teilnehmen (kostet schließlich ordentlich was, die Reisemittel müssen natürlich begründet werden), so findet das in Form eines Vortrages (10 Minuten + 5 Minuten Fragen) oder eines Posters statt. Da steht man in einer langen Reihe von Stellwänden in einer großen Halle vor einem etwa DIN A0 großen Poster über die eigene Forschung. Im Gegensatz zum Vortrag kann man da natürlich lange mit Leuten diskutieren, vorausgesetzt jemand interessiert sich für das mühsam zusammengefrickelte Poster. Bei Vorträgen kriegt zumindest das anwesende Publikum die Präsentation mit (soweit nicht weggeratzt). Ich persönlich darf dieses Mal einen Vortrag geben, und für eine Kollegin das Poster präsentieren.

Vorträge sind, rein nervlich betrachtet, kurz&schmerzhaft. So richtig locker&lässig sind nur sehr wenige, kurz vor dem Auftritt geht nicht nur mir ordentlich die Düse. Bei Postern streckt sich die nervliche Belastung dann über etwa 3 Stunden am Abend – natürlich in Abhängigkeit vom Publikum. Manchmal steht man den ganzen Abend traurig vor dem Poster, an anderen ist schon ordentlich Betrieb. Meistens halt was zwischendrin – und zumindest zum tratschen kommen eigentlich immer ein paar alte Bekannte vorbei. Für Jungwissenschaftler sind Vorträge empfehlenswerter, da man so einfach bekannter wird. Und zur Abhärtung. Früher hatte die LPSC den Ruf einer ‘härteren’ Tagung, wo nach Vorträgen noch intensiv nachgefragt wurde. Aber eigentlich hat sich das gelegt, der Umgang ist durchaus zivilisiert. Wie auch die Erscheinungsweise an sich – die Zeiten der Kordhosen (gerne in Kombination mit besockten Sandalen) und zu kurzen, gelben Krawatten bestickt mit Raketenmuster sind vorbei.

Und der Austausch mit den Kollegen ist natürlich auch ein gewichtiger Punkt bei einer solchen Tagung – man bekommt nicht nur mit, was in wissenschaftlicher Hinsicht läuft, sondern auch was sonst so im Feld abgeht. Dazu gehören auch diverse Veranstaltungen im Umfeld, wie das legendäre NASA Headquarters Briefing. Da stellen sich die für Geld und Forschung zuständigen den Kollegen. Gerade in jüngerer Zeit wegen der Kürzungen eine lautstarke Veranstaltung.

Die Vorträge finden in bis zu 5 Sitzungen parallel statt, was es schwierig macht, alles mit zu verfolgen. Das wurde nötig (normal waren bisher 4), nachdem erst nach der Buchung des Hotels realisiert wurde, dass Karfreitag in vielen Ecken der  Welt ein wichtiger Feiertag ist, so dass Freitag nur noch halbtags Programm hat.

Und Tagungen sind natürlich prima Gelegenheiten, mit der Kollegenschaft in Kontakt zu bleiben – und halt Netzwerking zu betreiben, wie man das heutzutage so ausdrückt. Das geht dann in der Regel beim Icebreaker Sonntagabend los. Früher wurde da noch ziemlich feudal Essen&Flüssigkeit mit variablem Alkoholgehalt aufgetischt. Leider haben die vielen Kürzungen auch nicht bei der NASA haltgemacht, und da geht es bei dieser Veranstaltung jetzt deutlich bescheidener zu (aber wir sind ja nicht zum spachteln da… auch wenn der Alk etwas teuer geworden ist).
Die Tagung findet in einem recht ordentlichen Hotel nördlich von Houston statt, mit einer zwar völlig künstlichen Umgebung, die nichtsdestotrotz auch recht flauschige Ecken zum abhängen im kleineren Kreise bietet.

In den 15 Jahren, seit ich fast jährlich dort aufschlage, hat sich die Tagung ordentlich verändert – alleine schon von der Größe her. Aber auch inhaltlich: früher hielten sich sagenwirmal die analytische Planetologie (also Laboruntersuchungen von extraterrestrischem Material, was ich so treibe) und planetare Geologie, eher Oberflächenstudien basierend auf Fernerkundungsdaten, in etwa die Waage. Dank der vielen Raumsonden-Missionen in der Zwischenzeit hat sich das Gewicht deutlichst zugunsten letzteren Feldes verschoben (auch wenn insgesamt die Beiträge für alle Gebiete gewachsen sind).

So ist die LPSC ist auch eine prima Gelegenheit, auf den neuesten Stand eben solcher Missionen zu kommen, bei der Tagung werden gerne neue Ergebnisse präsentiert.

So bekommt dieses Jahr mal wieder die DAWN Mission eine Sonder-Session an Montag und Dienstag: CERES UNVEILED: THE NEXT LAYER und CERES UNVEILED:DAWN EXPLORES A NEW WORLD. Während sich die Sonde jetzt auf den tiefsten Orbit heruntergeschraubt hat, werden die neuesten Ergebnisse der Mission so weit gezeigt, vor allem was die Zusammensetzung der Oberfläche betrifft. Wo passt Ceres denn nun genau hin, hat er irgendwas mit Meteoriten in unseren Sammlungen zu tun (oder nicht…) Zumindest scheint Ceres zu einem ordentlichen Teil aus Matsch zu bestehen (Schichtsilikate), was schon mal in Richtung kohlige Chondrite deutet. Auch gibt es zunehmend Anzeichen von Karbonaten (so was wie Kalk), was auch auf eine ordentliche Vermatschung (vor allem in der Frühzeit) durch Flüssigkeit hindeutet. Und da ist ja noch der mysteriöse Ahuna Mons….

Und dann natürlich Pluto/New Horizons, erst in einer kurzen, aber knackigen Sitzung – SPECIAL SESSION: NEW HORIZONS AT PLUTO! FIRST YEAR OF MAPPING, und dann geht es in die Vollen mit PLANET 9 FROM OUTER SPACE: PLUTO GEOLOGY AND GEOCHEMISTRY.

Schließlich beides mal unter gleichem Blickwinkel betrachtet – SPECIAL SESSION: DWARF-AGE DAYDREAM: SURFACE ICE DYNAMICS ON DWARF PLANETS CERES AND PLUTO. Da scheint sich ein Trend abzuzeichnen.

Und noch eine Sondersession: NASA PLANETARY SCIENCE DIVISION FACILITIES. In unseren Zeiten der gekürzten Budgets ist Zusammenarbeit untereinander immer wichtiger, hier stellen sich die von der NASA mitfinanzierten Einrichtungen vor.

Und auch sonst viele, viele interessante Sessions, zu viel um sich alles anzuschauen. Bester Titel für eine Session: POSTER SESSION II: COMETS RUNNING AMOK AROUND THE SOLAR SYSTEM WITHOUT ANY PANTS.

Es gibt natürlich einen offiziellen Hashtag für Twitter (#LPSC2016), auch wenn die ‘Live’-Berichterstattung in den bisherigen Versuchen nur so lala klappte. Einen Eindruck über die Poster demnächst hier.

Das Ganze wird sicher wie üblich sehr interessant, allerdings habe ich noch nicht mal mit der Powerpoint Präsentation für meinen Vortrag angefangen (gulp). Wird allmählich Zeit…

 

 

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Mein Interesse an Planetologie und Raumforschung begann schon recht früh. Entweder mit der Apollo/Sojus Mission 1975. Spätestens aber mit dem Start der Voyager-Sonden 1977, ich erinnere mich noch wie ich mir mein Leben in der fernen Zukunft des Jahres 1989 vorzustellen versuchte, wenn eine der Sonden an Neptun vorbeifliegen würde. Studiert habe ich dann Mineralogie in Tübingen (gibt es nicht mehr als eigenständiges Studienfach). Anstatt meinen Kommilitonen in die gängigen Richtungen wie Keramikforschung zu folgen, nahm ich meinen Mut zusammen und organisierte eine Diplomarbeit über Isotopenanalysen von Impaktgestein aus dem Nördlinger Ries Einschlagkrater. Dem folgte dann eine Doktorarbeit über primitive Meteorite in Münster. Nach 10 Jahren als PostDoc in verschiedenen Ecken der Welt arbeite wieder am Institut für Planetologie in Münster, an Labormessungen für die ESA/JAXA Raumsonde BepiColombo, die demnächst zum Merkur aufbrechen wird. Mein ganzes Arbeitsleben drehte sich bisher um die Untersuchung extraterrestrischer (und damit verwandter) Materialien: Gesteine aus Impaktkratern, die ganze Bandbreite Meteoriten (von den ganz primitiven Chondriten bis hin zu Marsmeteoriten). Zu meiner Forschung gehören auch Laborexperimente, in denen Vorgänge im frühen Sonnensystem nachgestellt wurden. Mein besonderes Interesse ist, die Laboruntersuchungen von extraterrestrischem Material mit Fernerkundungsdaten (im Infrarot) zu verknüpfen. Das vor allem mit Daten aus der planetaren Fernerkundung durch Raumsonden, aber auch mit Beobachtungen junger Sonnensysteme durch Teleskope.

4 Kommentare

  1. Vorträge waren/sind auch nicht so ganz mein Fall. Zumindest vorher. Nach dem Votragen fühlt man sich ja meist ganz erleichtert. Von daher wünsche ich dir viel Spaß und noch mehr Erfolg.

  2. Ach, diese Monsterkonferenzen. LPSC finde ich schon lange viel zu gross. Total unübersichtlich, man springt (hetzt) nur von einer Session in die nächste. Und wegen der Größe findet das ganze auch so weit außerhalb der Stadt in dieser (wie du richtig schreibst) “künstlichen” Umgebung statt.
    Und von einem Unsinn wie AGU ganz zu schweigen (letztes Jahr zwanzigtausend Teilnehmer). Da ist die MetSoc (300-400) gerade richtig. Oder Nördlingen. 😉

    Auch aus wissenschaftlicher Sicht finde ich dieses 10+3 (nicht 5) Minuten Vortragssystem nicht sehr fruchtbringend. In 10 Minuten kann man kaum ein Projekt vollständig darstellen und 3 Minuten Diskussion sind eh ein Witz.

    Besser fände ich: Deutlich weniger, dafür längere und fundiertere Vorträge (30-60 min), anschließend auch längere Diskussionen. Und für die Massen mehr Poster. Mit nem Bier in der Hand läßt sich auch viel besser diskutieren. Und selbst keinen Vortrag zu haben schont das eigene Nervensystem

    • Vielelicht ein Mix aus beidem … bei längeren Vorträgen kämen nur wenige zum Zuge. Ich finde schon, dass Vorträge vor einem Fachpublikum (gerade international) wichtig sind, gerade für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Nicht nur, um ‘bekannt’ zu werden, sondern halt um zu lernen, seine Position/Forschung vor der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zu verteidigen. Was die Tagungsgröße betrifft, stimme ich voll&ganz zu, die wuchern zu sehr ins Kraut. Gerade die LPSC ist meiner Meinung nach in ihrer jetzigen Form überholt, da müßte mal ein Schnitt gemacht werden – thematisch und/oder vom Tagungsort.

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