Schon wieder außerirdisches Leben entdeckt

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Zwischen Molekularbiologie und Medizin
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Im Journal of Cosmology ist seit kurzer Zeit eine wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel "Fossils of Cyanobacteria in CI1 Carbonaceous Meteorites: Implications to Life on Comets, Europa, and Enceladus" von Richard B. Hoover zu lesen. Mal wieder hat die NASA ihre Finger im Spiel und mal wieder wurde außerirdisches Leben gefunden. Diesmal auf einem Meteoriten, der 1864 in Frankreich gelandet ist. Er enthält demnach Cyanobakterien-ähnliche Mikrofossilien, die aus dem Stein herausragen. Nähere Analysen ergaben, dass die strukturellen und chemischen Eigenschaften dieser Fossilien nicht mit derer anderer bekannten Lebewesen auf unserer Erde übereinstimmen. Der Stickstoffgehalt der Fossilien ist zudem kaum detektierbar, da die Konzentration, die das Meßgerät registrieren kann, fast unterschritten wird. Stickstoff ist aber ein notwendiges Element in den biologischen Bauteilen wie z.B. der DNA und der Aminosäuren. Dies deutet angeblich daraufhin, dass die Mikrofossilien schon sehr alt sind, da nur in sehr alten Fossilien kaum noch Stickstoff mehr nachweisbar ist. Zudem wurde eine Kontamination des Meteoriten mit Bakterien als er hier auf der Erde gelandet ist, nur mutmaßlich ausgeschlossen. Der Autor geht nämlich davon aus, dass der sehr geringe Stickstoffgehalt ein Zeichen dafür ist, dass der Meteorit die Organismen mit hierher gebracht haben MUSS. Jetzt geht natürlich der ganze Presserummel wieder los. Bevor das aber der Fall ist, hier nun sechs glasklare Argumente, dass an der Sache nichts dran sein wird.
  • Argument 1: Wenn die Ergebnisse tatsächlich stimmen würden, hätte man sie als Top-Story in den renommiertesten wissenschaftlichen Zeitschriften gebracht und nicht im Journal of Cosmology.

  • Argument 2: Die Internet-Domain des Journals of Cosmology ist sehr unseriös. So gestaltet sich keine seriöse wissenschaftliche Seite, die ihr eigenes wissenschaftliches Magazin betreibt.

  • Argument 3: Die Internet-Domain des Journals ist mit unzähligen Links zu Amazon verlinkt, wo man auf die Schnelle viele tolle Bücher über den Urpsrung des Lebens kaufen kann. Auch hier springt wieder die fehlende Seriösität ins Auge. Selbst wenn man den Titel der Publikation anklickt, landet man bei Amazon.

  • Argument 4: Die Arbeit besitzt keine DOI-Nummer. Jede Arbeit, die aber in der Wissenschaft publiziert wird, besitzt so einen "Digital Object Identifier".

  • Argument 5: In der Arbeit lässt sich kein Datum finden, wann sie im Journal zur Publikation eingereicht und wann sie letztendlich zur Publikation freigegeben wurde.

  • Argument 6: Das Journal of Cosmology geht angeblich nach einer Pressemeldung, die am 13. Februar diesen Jahres gemacht wurde, bankrott. Man möchte also wohl noch einmal kräftig Tschüss sagen oder sich mit dieser Veröffentlichung retten.
  • +++Nachtrag 7. März+++ Argumente 7 und 8: Der Autor mutmaßt nur über das Alter der Mikrofossilien, indem er die Stickstoffkonzentration interpretiert. Er könnte aber durch radiometrische Untersuchung ganz klar bestimmen, wie alt die Fossilien in Wirklichkeit sind. Dies hat er nicht getan. Wieso nicht? Das Alter spielt hier nämlich eine verdammt große Rolle.  Zum anderen, wenn man sich den Methodenteil der Arbeit anguckt, ist dieser sehr kurz gehalten und sehr lückenhaft. Womöglich soll man nicht nachvollziehen können, wie der Autor zu seinen Meßdaten kam? Zudem sei nochmal erwähnt, dass er einer möglichen Kontamination des Meteorits mit diesen Bakterien auf der Erde nicht wirklich nachgegangen ist.
  • +++Nachtrag 9. März+++ Argumente 9 und 10: Ein offizielles Statement der NASA besagt, dass diese Arbeit bereits 2007 beim Journal for Astrobiology zur Publikation eingereicht wurde. Das Peer-Review wurde allerdings nie abgeschlossen. Die Arbeit wurde also niemals von anderen Experten und Wissenschaftlern in ihrer Richtigkeit begutachtet und überprüft. Man suchte sich also einen anderen Publikationsweg und veröffentlichte schlussendlich beim Journal of Cosmology. Es wurde groß angekündigt, dass 100 Experten beauftragt werden, die Arbeit zu überprüfen. 5000 weiteren Wissenschaftlern wollte man die Arbeit zukommen lassen. Bis heute hat noch niemand ein Wort davon gehört, wie sie nun zu der Arbeit sagen.

So wird also keine ernste Wissenschaft betrieben, weswegen es kaum Wert ist, diese Arbeit zu lesen. Da die Ergebnisse aber in den Augen anderer Leute erstaunlich sind, wurden nun 100 unabhängige Experten beauftragt, die Ergebnisse zu überprüfen. Es bleibt also abzuwarten, was diese dazu zu sagen haben. 
 
 
 

 
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Sebastian Reusch ist Naturwissenschaftler und studierte Biologie mit den Schwerpunkten Zell- und Entwicklungsbiologie, Genetik und Biotechnologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Danach arbeitete er am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin an molekularbiologischen Prozessen des Immunsystems. Derzeit promoviert er am IRI Life Sciences der Humboldt-Universität zu Berlin an grundlegenden Fragen der Zellbiologie und Biochemie des Tubulin-Zytoskeletts in Stammzellen. Seine Schwerpunktthemen hier im Blog sind Molekularbiologie und Biomedizin. Twitter: @MrEnkapsis

14 Kommentare

  1. Auch wenn ich nicht glaube, dass an dieser Arbeit viel dran ist und auch nicht allzu viel von der Seriösität der Herausgeber halte, muss ich doch sagen, mit so einer Argumentation spielst du denen nur in die Hände.
    Wenn man eine solche Behauptung wie die aus der Arbeit entkräften will muss man sich als Wissenschaftler zwangsläufig dazu bereit erklären die Ergebnisse ernsthaft überprüfen zu lassen. Tut man das nicht und sagt nur die Quelle sei unseriös oder das alles sei nur Werbung um Geld zu machen, dann lässt du dich auf genau das Niveau herab, auf dem du selbst nicht mehr als wirklich glaubwürdig gelten kannst.
    Bei einer solchen Argumentationsweise wird dir nur gesagt werden, dass auch unbekannte oder unseriöse Quellen durchaus den ein oder anderen Erfolg zu verbuchen haben und dass du voreilig Schlüsse ziehst.

  2. Publizität versus wissenschaft. Wert

    Die fossilen ausserirdischen Lebensformen haben tatsächlich einige Aufmerksamkeit von populärwissenschaftlicher Seite erhalten (siehe http://www.physorg.com/…-alien-life-fossils.html ).

    Wissenschaftlich wird wohl nicht viel übrigbleiben wenn man bedenkt, dass der Meteorit seit 1864 auf der Erde ist.
    Es wäre aber eine gute Gelegenheit um einen Kriterienkatalog und einen Katalog der Untersuchungstechniken zu erstellen, der den Forschern bei der Suchen nach ausserirdischen Lebensformen in Meteoriten helfen würde.

  3. Gerade weil politisch und wissenschaftlich nicht ganz korrekt (m.E zeichnen sich interessante und gute Blogs auch dadurch aus)
    ist der Beitrag kurz, bündig und informativ in vielerlei Hinsicht. Letzteres gilt für alle deine Artikel die ich bisher gelesen Habe.

    Dass der erhobene Zeigefinger des wissenschaftlich und politisch korrekten Gutmenschen als erste Reaktion kommen würde war ja klar! Völlig korrekt natürlich, aber ebenso überflüssig.

  4. Seriosität als Kriterium

    Ich finde es absolut legitim, die Seriosität einer Publikation als Entscheidungskriterium dafür heranzuziehen, wie viel Aufwand man in die wissenschaftliche Überprüfung einer dort gemachten Behauptung steckt. Nicht nur die Aufmachung selbst, sondern auch Stil und From der Artikel dort sind keineswegs geeignet, Vertrauen zu erwecken.

  5. Der nu wieder …

    Mal wieder hat die NASA ihre Finger im Spiel und mal wieder wurde außerirdisches Leben gefunden.

    Und auch bei der Person des Urhebers der Nachricht, Richard B Hoover vom Marshall Space Flight Center der NASA kann man sagen “mal wieder der”. Das ist nun schon das dritte Mal, das der extraterrestrisches Leben gefunden haben will.

    http://en.wikipedia.org/wiki/Richard_B._Hoover

  6. Unverständlich

    So langsam muss es sich doch herumgesprochen haben, dass derartige Veröffentlichungen von der wissenschaftlichen Netzgemeinde zerpflückt werden. – Sehr zum Schaden von Journal und Autor, wenn sich die Vorwürfe erhärten lassen.

  7. Argument 1

    Argument 1 stimme ich nur halb zu. Averys Paper von 1944

    “Studies on the Chemical Nature of the Substance Inducing Transformation of Pneumococcal Types”

    wurde damals im Journal of Experimental Medicine publiziert. Ob diese Zeitschrift damals eine renommierte wissenschaftliche Zeitung war, weiß ich nicht. Jedenfalls bekam das Paper damals nicht die Popularität, die es verdient hatte.

    Umgekehrt wurde das Paper “A Bacterium That Can Grow by Using Arsenic Instead of Phosphorus” von Felisa Wolfe-Simon in Science publiziert.

  8. @Largos: Ich finde, die Seriösität, die hier wirklich im erheblichem Maße fehlt, kann man wohl sehr gut als Argumentation bringen. Man weiß ja auch, wie Michael Khan schon erwähnt hat, dass Hoover wohl richtig darauf getrimmt ist, außerirdisches Leben zu finden und er dafür alles tut, was halt meistens in Lügerei endet. Wenn du es allerdings etwas wissenschaftlicher haben möchtest, dann denk mal drüber nach, wieso der Autor der Publikation nicht ganz einfach das Alter der Fossilien direkt durch radiometrische Altersbestimmungen untersucht hat. Dann hätte er sofort gewusst, wie alt sie sind und müsste nicht mutmaßen. Wenn man sich zudem den Methodenteil der Publikation anguckt, dann wird sofort klar, dass dieser sehr lückenreich ist.

    @Martin Holzherr: So ein Katalog wäre wirklich sinnvoll. Mir blutet da echt das Herz, weil ich die Exobiologie sehr spannend finde. Wenn ich mich aber so umschaue, dann wird dieses Forschungsfeld bisher echt nur als Öffentlichkeitsarbeit missbraucht.

    @RD: Vielen Dank: Ich bin auch der Meinung, wenn man die Mängel der Arbeit aufdeckt, die alleine in der Publikationsweise zu finden sind, dass dies dann völlig ausreicht, um eine Arbeit als ungenügend abzustrafen.

  9. @Joe: Du hast Recht, das einige Paper nicht das Ansehen bekommen, welches sie verdienen. Wenn man aber nun feststellt, dass der Ursprung des Lebens nicht von hier auf der Erde stammt, sondern von Meteoriten vor sehr langer Zeit mitgebracht wurde, dann musst du doch sagen, dass dies ein wirklicher Life-Changer wäre, weil wir dann quasi Außerirdische wären. Das wäre die Top-Story der nächsten Monate und würde sämtliche Theorien der Abiogenese etc. über den Haufen werfen. So ein Paper würde allein dadurch, dass die Exobiologie mit ihrem Ansehen in der Wissenschaft zu kämpfen hat, durch eine Publikation in Nature, Science, JBC, der gesamten Exobiologie einen positiven Schub geben und der Autor wäre der Held der Nation. Aber nein, man schreibt ein Paper, fachsimpelt ein wenig, lässt den Methodenteil zur Hälfte raus, macht sich nicht die Mühe der radiometrischen Altersbestimmung und verlinkt seinen Titel der Publikation zu Amazon, damit man dort ein schönes Buch kaufen kann. Also wenn das nicht stinkt, dann weiß ich auch nicht.

  10. Argument 11

    Ein offizielles Statement der NASA besagt, dass diese Arbeit bereits 2007 beim Journal for Astrobiology zur Publikation eingereicht wurde. Das Peer-Review wurde allerdings nie abgeschlossen

    Inzwischen gibt es hier …

    http://www.spaceref.com

    /news/viewpr.html?pid=32928

    … ein weiteres Update. Es lautet wie folgt:

    Keith’s 4:25 pm EST update: Just posted on NASA Watch in the comments section: “The statement “This paper was submitted in 2007 to the International Journal of Astrobiology. However, the peer review process was not completed for that submission.”Is not true, The paper was rejected, after peer review. Rocco Mancinelli, Ph.D., Editor, International Journal of Astrobiology.”

    Treffer, versenkt.

    Also geht er schon vier Jahre damit hausieren, bis er endlich bei dieser obskuren Postille “JoC” landete.

    Case closed.

  11. @Michael Khan

    Danke für diesen Hinweis Michael! Inzwischen gibt es auf der Journal-Seite auch 26 Kommentare von Wissenschaftlern zu der Arbeit. Eigentlich waren ja 100 versprochen, so viele Leute konnten dann wohl aber nicht aufgetrieben werden. Bin gerade dabei alle durchzugehen.

  12. Wissenschaftliche Selbstkontrolle

    Ich finde, auch dieser Fall zeigt sehr gut, dass die Wissenschaft – zumindest die echten Wissenschaften – sehr wohl zu Selbstkontrolle udn Selbstreinigung imstande sind. Die Prozesse dafür sind vorhanden und sie funktionieren.

    Dies mur mal als Randbemerkung, weil wir in letzter Zeit den politisch motivierten versuch erleben durften, eine Krise in der Wissenschaft herbeizureden.

  13. @Michael Khan: Fähig ja, aber wie in diesem Fall trifft es ein Paper, dass offensichtlich sehr fragwürdig ist. Man muss daher schon einen Unterscheid machen, finde ich, zwischen solchen Arbeiten die man leicht entkräften kann und richtig gut gefälschten, die teilweise in Nature oder Science publiziert werden, wo die Selbstkontrolle dann wieder weniger greift. Selbst gestandene Wissenschaftler gehen solchen Arbeiten teilweise auf den Leim und oftmals fällt die Fälschung nur auf, wenn ein anderer Spezialist sich genauer damit befasst, etwa ein Forschungskonkurrent. Die Selbstkontrolle kann also durchaus noch erhöht werden.

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