Neuer LHC-Sicherheitsbericht

BLOG: Einsteins Kosmos

Vom expandierenden Universum bis zum Schwarzen Loch
Einsteins Kosmos

Endlich ist er da: der neue LHC-Sicherheitsbericht 2008 (LSAG report 2008). In den KOSMOlogs führen wir seit Wochen eine kontroverse Diskussion, um die Sicherheit des im Sommer startenden Teilchenbeschleunigers LHC am CERN. Nun liefern CERN-unabhängige Wissenschaftler ein Dokument [1], das mögliche Katastrophenszenarien vorstellt, die sich am LHC ereignen könnten. Der Bericht wurde vom CERN-Council, der aus CERN-externen Wissenschaftlern besteht, begutachtet und bestätigt. Im Folgenden stelle ich die gefährlichen Szenarien und die Hauptargumente des Berichts kurz vor.

Kosmische Strahlung
Teilchenbeschleuniger ahmen die Natur nach, indem Teilchen auf hohe Energien beschleunigen. Die schnellen Teilchen erleiden schließlich einen Zusammenstoß. Die erreichten kinetischen Energien der kosmischen Strahlung (100 Millionen TeV) sind allerdings um ein Vielfaches höher als im irdischen Teilchenbeschleuniger LHC (Protonenstrahl mit 7 TeV). Astronomen und Hochenergiephysiker haben nie beobachtet, dass aus kosmischer Strahlung ein Katastrophenszenario erwächst.

Schwarze Mini-Löcher
Zunächst muss festgestellt werden, dass kosmische Schwarze Löcher mit Massen von einigen Sonnenmassen (stellare Löcher) bzw. Milliarden Sonnenmassen (supermassereiche Löcher) um ein Vielfaches massereicher sind als ein hypothetisches Schwarzes Mini-Loch mit einer Masse auf der TeV-Skala. Der LHC wird niemals in der Lage sein, etwas so Massereiches wie ein kosmisches Schwarzes Loch herzustellen.
Nun gibt es spekulative Theorien, die vom Standardmodell der Teilchenphysik abweichen und die zusätzliche Raumdimensionen (mehr als die bekannten drei) fordern – z.B. die Stringtheorien. Im Rahmen dieser Szenarien wird die Produktion von Mini-Löchern am LHC vorhergesagt. Aber: All diese Theorien und Szenarien sagen auch den schnellen Zerfall der Mini-Löcher durch Emission von Hawking-Strahlung voraus. Daher – falls sie wirklich entstünden – würden Mini-Löcher in Sekundenbruchteilen auch wieder verschwinden. Sie würden nicht genug Zeit haben, um Materie aus der Umgebung aufzusammeln. Mini-Löcher würden nicht makroskopisch in Erscheinung treten und erst recht kein Desasterszenario verursachen.
Nun etwas für die Skeptiker: Nehmen wir an, Mini-Löcher hätten eine lange Lebensdauer. Folgendes würde passieren: Sind sie elektrisch geladen, so werden sie durch die elektromagnetische Kraft schnell in der Erde abgebremst. Sind sie elektrisch neutral geladen, so werden sie schnell die Erde durchwandern und ins All entkommen. Es ist nie astronomisch beobachtet worden, dass derlei geladene Mini-Löcher in dichten Himmelskörper wie Weißen Zwergen oder Neutronensternen steckenbleiben, und den Stern von innen "auffressen" oder in etwas Neues umwandeln. Es ist nie astronomisch beobachtet worden, dass derlei ungeladene Mini-Löcher durch das All vagabundieren, hemmungslos wachsen und schließlich eine Katastrophe anrichten. Wir schließen: Die Himmelsbeobachtungen belegen, dass es langlebige Mini-Löcher nicht gibt.

Strangelets
Strangelets besteht aus seltsamer Materie, d.h. enthalten s-Quarks. Normalerweise zerfallen Strangelets schnell in gewöhnliche Materie (u- und d-Quarks). Das geschieht über Prozesse der schwachen Wechselwirkung wie beim radioaktiven Betazerfall. Es ist möglich, dass sich gewöhnliche Materie in Strangelets umwandelt und die Frage ist, ob das so schnell und umfassend geschehen könne, dass nur seltsame Materie übrig bleibt. Am LHC wäre diese Frage zu diskutieren, wenn er im Modus als Heavy Ion Collider mit Teilchenstrahlen aus Bleiionen arbeitet. Dabei ist das Forschungsziel, das Quark-Gluon-Plasma zu studieren.
Bei dieser Thematik wird im Bericht mit einem anderen Experiment argumentiert: Das seit acht Jahren laufende Beschleunigerexperiment RHIC in den USA bietet an sich bessere Bedingungen zur Herstellung von Strangelets als der LHC. Da jedoch am RHIC keine Stranglets entstanden, ist das am LHC genauso wenig zu erwarten. Das Argument aus älteren Veröffentlichungen zieht immer noch: Die Existenz des mit kosmischer Strahlung bombardierten Monds belegt, dass eine Umwandlung in Stranglets nicht so einfach vonstatten gehen kann.

Übergang in ein anderes Vakuum
Es gibt die Spekulation, dass sich unser Universum in einem metastabilen Zustand befinden könne. Hochenergetische Teilchenkollisionen könnten einen Übergang in einen neuen Vakuumzustand herbeiführen: es entstünden kleine Blasen des neuen Vakuums, die schnell expandieren und dabei die Erde und das ganze Universum wie es ist zerstören würden. Astronomische Beobachtungen legen nahe, dass kosmische Strahlung nirgends im Universum einen Übergang in einen neuen Vakuumzustand herbeigeführt hat. Daher wird das am LHC auch nicht möglich sein.
 
Magnetische Monopole
Ein theoretischer Ansatz in der Elementarteilchenphysik namens GUT, die von der Standardtheorie abweicht, sagt die Existenz magnetischer Monopole voraus. Analog zur elektrischen Ladung hätten diese Teilchen "nur einen Nord- oder einen Südpol". Nun, gefährlich wären die magnetischen Monopole, weil sie Protonen, also gewöhnliche Materie, zum Zerfall bringen würden. Allerdings hätten die magnetischen Monopole auch eine sehr große Masse (etwa eine Bilion TeV) – zu schwer, um am LHC produziert werden zu können. Die Existenz von Sonne, Mond und Sterne belegt, dass eine Variante leichter magnetische Monopole, die zum Protonenzerfall führen, nicht existieren. Wenn magnetische Monopole überhaupt existieren, dann nur in ihrer sehr schweren Form, was auch heißt, dass es sie nur in extrem frühen Phasen des Universums geben könnte.   
 
Schlussfolgerungen
Ich möchte betonen, dass die Argumentationen hier stark verkürzt wiedergegeben sind. Im unten verlinkten kompletten Bericht von Ellis et al. (2008) [1] und darin zitierten Publikationen sind viele Einzelheiten nachzulesen. Bezüglich der Mini-Löcher haben Giddings und Mangano nun ebenfalls einen mit 97 Seiten ausführlichen, neuen Bericht mit dem Titel "Astrophysical implications of hypothetical stable TeV-scale black holes" [2] vorgelegt. Sie schließen eine Gefährdung der Erde durch Mini-Löcher aus.
Die LHC-Befürworter, zu denen ich mich rechne, sind bereits in der Diskussion in den KOSMOlogs, die wir seit einigen Wochen führten, zu den gleichen Schlussfolgerungen gekommen. Sie basieren auf einem Bündel von Fachpublikationen und bereits erscheinen Sicherheitsberichten, die anlässlich der Inbetriebnahme von RHIC und LHC veröffentlicht wurden. Experten haben nun abermals bescheinigt, dass wir vom LHC nichts zu befürchten haben. Ich hoffe, dass die LHC-Kritiker nun beruhigt sind und sich ebenso auf die Aufnahme der LHC-Experimente freuen können. Was da unten am CERN passiert, ist ein einmaliges Forschungsunternehmen der Menschheitsgeschichte und eine Riesenchance für die Wissenschaft.

Links
[1] kompletter LSAG-Bericht 2008 von Ellis et al.

[2] wiss. Publikation von Giddings und Mangano: "Astrophysical implications of hypothetical stable TeV-scale black holes" (2008)

[3] deutsche Kurzzusammenfassung des LSAG-Berichts (2008)

[4] englische Kurzzusammenfassung des LSAG-Berichts (2008)

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Die Astronomie ist faszinierend und schön – und wichtig. Diese interdisziplinäre Naturwissenschaft finde ich so spannend, dass ich sie zu meinem Beruf gemacht habe. Ich bin promovierter Astrophysiker und befasse mich in meiner Forschungsarbeit vor allem mit Schwarzen Löchern und Allgemeiner Relativitätstheorie. Aktuell bin ich der Scientific Manager im Exzellenzcluster Universe der Technischen Universität München. In dieser Tätigkeit im Forschungsmanagement koordiniere ich die interdisziplinäre, physikalische Forschung in einem Institut mit dem Ziel, Ursprung und Entwicklung des Universums als Ganzes zu verstehen. Besonders wichtig war mir schon immer eine Vermittlung der astronomischen Erkenntnisse an eine breite Öffentlichkeit. Es macht einfach Spaß, die Faszination am Sternenhimmel und an den vielen erstaunlichen Dinge, die da oben geschehen, zu teilen. Daher schreibe ich Artikel (print, online) und Bücher, halte öffentliche Vorträge, besuche Schulen und veranstalte Lehrerfortbildungen zur Astronomie, Kosmologie und Relativitätstheorie. Ich schätze es sehr, in meinem Blog "Einsteins Kosmos" in den KosmoLogs auf aktuelle Ereignisse reagieren oder auch einfach meine Meinung abgeben zu können. Andreas Müller

8 Kommentare

  1. Erstaunlich, über was man so alles Sicherheitsberichte macht, was das wohl gekostet hat? Wie ist denn das Risiko einzuschätzen, dass derartige Experimente gegen Gesetze von Aliens verstoßen, die das jetzt zum Anlaß nehmen, die Erde zu vernichten?

  2. Man muss diese Tehorien genau unter die Lupe nehmen, wenn bei einem solchen Experiment der Weltuntergang zu befürchten ist. Aber es war schon immer so dass neue Technologien (z.B. die Dampflock) als Teufelswerk verdammt wurden. Der LHC bietet große Möglichkeiten, vieleicht eine neue Definition der Physik (die wir nach heutigem Stand der Technik gerade mal angekratzt haben). Man muss Riesiken eingehen um großes zu erreichen!

  3. Mangel im Safetyreport – Angaben fehlen

    Mangel im Safetyreport / Kein Restrisiko sondern Ultimatives Risiko

    Meinen unten im Anhang stehenden, fortgeschriebenen
    Beitrag im Blog zur Widerlegung des Rösslerschen Theorems
    – mittels der LLR-Resultate – möchte ich bitte
    noch ein wenig erläutern und vorab die Informationen, die Herr Dr. Müller
    unter “Was darf Forschung” veröffentlicht, begrüßen und sie als sehr wohltuend
    beschreiben. Die Ernsthaftigkeit des Anliegens zum Sicherheitsaspekt
    von Forschung wird hier konstruktiv deutlich, d.h.
    Werterhaltung und Werteförderung stehen unausgesprochen oben an.

    Zunächst möchte ich behaupten, wenn man zielorientiert vorgeht, werden auch
    Schätzwerte aus einer Risikobeurteilung tatsächlich erlangt werden können – nur man muss
    den Mut auch dazu haben, sich über die Risikobedingungen zu informieren
    und diese auch zu quantifizieren; dies kann gelingen, in dem
    Statistik, Stochastik und die Wahrscheinlichkeitsrechnung
    als Hilfsmittel herangezogen werden, so z.B. werden Fehlerbetrachtungen,
    Wahrscheinlichkeitsintervalle und schließlich konkrete Risikoangaben erreichbar gemacht.

    1999 hat CERN eine Veröffentlichung bekannt gegeben, in dem für
    einen Relativistischen Ionenzertrümmerer RHIC
    ein bezifferter Risikowert veröffentlicht wurde,
    sh. bitte Anhang. Die LSAG/LHC-Safetyreports von 2003 und aktuell von
    20.06.2008 vermeiden eine Bezifferung,
    da ansonsten sofort der Öffentlichkeit deutlich wird, dass zwar das
    Risiko für die Experimentatoren selbst tragbar ist, nicht aber für
    die Mehrheit der übrigen Bewohner auf der Erdoberfläche. Ich verweise
    auf die Angaben im Anhang unten. Im jüngsten Report werden z.B. die
    Gefahren aus “relics” nicht qualifiziert und quantifiziert;
    relics sind mittlerweile zur technischen Energiegewinnung patentiert.

    Vermeidet man die Bezifferung des Risikos, wie Herr Dr. Müller andiskutiert,
    öffnet man zugleich ungewollt der Willkür weit die Tore.
    Das persönliche Risiko der Experimentatoren wird auch den übrigen
    Personen zugemutet, die n i c h t von CERN bezahlt werden.
    Diese aktuellen Umstände bedürfen meiner Meinung nach dringlichster Nachbesserung,
    was nicht zuletzt auch eine gute Übung im demokratischen Miteinander darstellt.
    Für mich persönlich z.B. gilt: Ich will das Risiko der Experimentatoren nicht auf
    mich übertragen lassen, solange die Experimententscheidung zu einem möglicherweise
    globalen Schaden infolge des überholten Immunitätsstatus und des Sonderrechtsstatus
    allein CERN obliegen, also eine einseitige Interessensentscheidung sein kann.
    Wie Herr Dr. Müller selbst verdeutlich, muss Verantwortung ausgeübt
    werden – beim vorliegenden Gefahrenverdacht wird im Ernstfall auch kein
    Verantwortungsfall mehr gegeben sein können.

    Da CERN-Mitarbeiter selbst eine Risikobeurteilung bereits in 1999 abgegeben haben,
    reicht die weitere Beurteilung dieses veröffentlichten Risikowertes aus,
    auch ohne auf ein Rösslersches Theorem angewiesen zu sein.

    ANHANG
    – mein fortgeschriebener Kommentar aus dem Blog / Mond-Experimente:

    Ultimatives Risiko beziffert in 1999 durch CERN-Mitarbeiter, sh. u.

    Ad LHC-Risiko – aus meiner Sicht mindestens millionenfach überhöht…

    Begründung: In dem CERN-Papier CERN-TH/99-324 (DAR, RUJULA,HEINZ) steht der
    Satz “… safe to run RHIC for 500 million year”. Die Bezifferung
    ist sehr zu begrüßen. Meine hier vorgenommene Umrechnung in ein jährliches
    Risiko von 1:500.000.000 bedeutet aber angesichts bereits
    diskutierter, möglicherweise verabschiedbarer Werte eines globalen Totalriskos
    in der Höhe von 1 : 10 hoch 15 oder auch 1 : 10 hoch 21
    (sh. bitte bei REES, Unsere letzte Stunde, S. 139)
    ein Überschreiten dieser Risikogrenze um einen Faktor in der
    Größenordnung von Millionen oder noch mehr!
    Das soll verantwortbar sein – ich sage nein.

    Das o. bezifferte Risiko kann nicht hingenommen werden und der Mehrheit
    der Menschen zugemutet werden, wie ich bitte meine.
    Der Risikowert, von RUJULA u.a. in Höhe von resp. 1:500.000.000 angegeben,
    kann zudem noch auf völlig andere Weise, als in der Veröffentlichung
    CERN-TH/99-324 dargestellt, plausibilisiert werden,
    z.B. über qualifizierte abzufragende Meinungsbilder
    der einschlägig hochqualifizierten Experten aus der Theoretischen Physik.

    Das Wort Restrisiko ist zudem nicht brauchbar, weil es
    eine Beiläufigkeit suggeriert – ein nicht wiederholbares, ultimatives
    Risiko muss anders benannt werden. Ich schlage vor: Ultimatives Risiko.
    Ein Restrisiko kann man verantworten – ein ultimatives Risiko führt u.U.
    nicht mehr zur Wahrnehmung der Verantwortung. Man kann sich dies bewußt machen.

    Die im deutschsprachigen Raum bereits öffentlich angeregte Sicherheitskonferenz
    oder eine gleichwertige Maßnahme ist – sachlich gesehen – unausweichlich,
    auch für zukünftig mögliche, gleichgelagerte Fälle. Die Methoden und
    Verfahren im Falle von Ungewißheit bei Risiken bedürfen der Festlegung
    und einer Übereinkunft, so dass die Freiheit der Forschung nachprüfbar und
    angemessen ausgeübt werden kann.

  4. Wissenschaft und Esoterik

    Eine Sicherheitskonferenz ist zwingend notwendig, ich schließe mich den Ausführungen des Herrn Uebbing an und würde auch von einem Ultimativen Risiko sprechen. Das Wort Restrisiko suggeriert, dass es im Grunde kaum ein Risiko gibt, es stellt eine Beschönigung der Tatsachen dar.
    Ich selbst bin ein sehr spiritueller Mensch, deshalb habe ich vor 5 Minuten mal eben so nebenbei die Tarotkarten zu dem CERN-Experiment befragt und eine beruhigende Antwort bekommen: Die Karten sagen, durch das Experiment wird es zu günstigen Einflüssen kommen, überraschende Erfolge für die Wissenschaft wird es geben und unerwartete Impulse sowie Neuigkeiten. Insgesamt also sehr erfreulich. Es bieten sich neue Chancen und neue Ziele, also bringt es die Forschung ein ganzes Stück weiter. Soweit die Karten – jedoch neige ich stets dazu, meine Intuition bzw. astrologische Vorhersagen etc. noch einmal zusätzlich empirisch oder rechnerisch belegen zu wollen. Deshalb las ich auch mit INteresse Rudolf Uebbings Kommentar.I

    ch denke aber beides schließt sich nicht aus: Wissenschaftliche Beweisführung auf der einen Seite und esoterische bzw. intuitive Vorgehensweise auf der anderen Seite. Oft kommt das gleiche dabei heraus, aber eben nicht immer.

    Deshalb bin ich klar für Sicherheit und Vorsicht bei solchen Experimenten.

    Aber trotzdem hoffe ich, dass, falls das Experiment durchgeführt wird, was ja anzunehmen ist, alles so verläuft, wie es die Karten sagen. Man müsste nun noch die Astrologie befragen, aber da hab ich wenig Ahnung, das müssen andere tun.
    Würd mich interessieren, was die Sterne dazu sagen. Vielleicht ja auch Positives.

  5. Beurteilung www Albert-Einstein-Institut

    Beurteilung der Hawking-Strahlung
    in “Einstein online” – einem
    Webangebot des Albert-Einstein-Institutes

    http://www.einstein-online.info/…ende/index.html

    Dort nachlesbar der Artikel:

    “Zerstrahlende Schwarze Löcher?
    Lassen sich die Konzepte der relativistischen Quantenfeldtheorien auch auf gekrümmte Raumzeiten übertragen – auf die Raumzeiten mit Gravitationsquellen, wie sie die Allgemeine Relativitätstheorie beschreibt? Die Antwort darauf ist ein vorsichtiges Ja.”

    Ferner wird die Hawking-Strahlung als
    hypothetisch bezeichnet
    und als “theoretisches Konstrukt” benannt:
    “Bislang geben astronomische Beobachtungen allerdings keine Hinweise auf solche Prozesse, und die Hawking-Strahlung bleibt theoretisches Konstrukt.”

    Das o.g. “vorsichtige Ja”, veröffentlicht vom Albert-Einstein-Institut, steht im
    Widerspruch mit der Unbedenklichkeitsbestätigung der LHC-Safetyreports. – Komplementär hätte es dann eigentlich in den Sicherheitsreports heissen müssen – unter Berücksichtigung des “vorsichtigen Jas” . -:
    “zunächst bis auf weiteres ein sicheres Nein”.

    Es ist auch denkbar, dass die
    web-Site des Einstein-Institutes nicht
    aktualisiert wurde. Die vielleicht neuen unbekannten Erkenntnisse, die
    zur Sicherheit der LHC-Promotoren geführt haben, sollten dem AEI
    mitgeteilt werden. Vielleicht kann
    das AEI zustimmen und sein Webangebot
    fortschreiben ? Diese Unstimmigkeit
    sollte auf alle Fälle aufgeklärt werden,
    meine ich.

    Rudolf Uebbing, Dortmund

  6. Replik2Uebbing

    Lieber Herr Uebbing,

    die Hawking-Strahlung ist eine bislang rein theoretische Prognose – völlig richtig.

    Problematisch ist, dass diese Leuchterscheinung nur bei – im Vergleich zu den kosmischen Schwarzen Löchern – sehr massearmen Schwarzen Löchern in Erscheinung tritt. Dies lässt sich mit der Hawking-Temperatur quantifizieren: Sie ist hoch bei massearmen Löchern und klein bei supermassereichen Löchern.

    Die Umgebung der kosmischen Kandidaten für Schwarze Löcher leuchtet durch andere Effekte um ein Vielfaches mehr als durch Hawking-Strahlung. Die einzige Möglichkeit zum experimentellen Nachweis der Hawking-Strahlung besteht meines Erachtens entweder in hydrodynamischen Experimenten (es gibt Analogien zwischen Hydrodynamik und Physik Schwarzer Löcher) oder mit Teilchenbeschleunigern oder in einem Experiment mit Unruh-Strahlung, die gemäß Äquivalenzprinzip ein Analog zur Hawking-Strahlung ist. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, Herr Uebbing, dass alle Hypothesen, die die Hawking-Strahlung eines Schwarzen Loches vorhersagen, sozusagen im gleichen Atemzug auf den Zerfall des Loches durch diese Strahlungsform zur Folge hat – und zwar umso schneller, je masseärmer das Loch ist.

    Im Prinzip handelt es sich bei der Hawking-Strahlung, um eine Art Wärmestrahlung – hier sind sich die Forscher noch nicht einig (Stichwort Informationsverlustparadoxon). Bitte berücksichtigen Sie die Originalarbeit von Stephen Hawking (Particle creation by black holes, Commun. Math. Phys. 43, 199, 1975 – übrigens bislang über 2000 zitiert!), die in bestechender Einfachheit diese Strahlungsform ableitet, wenn man Teilchen mittels Quantentheorie auf dem Hintergrund einer unquantisierten Einsteinschen Raumzeit beschreibt (ein sog. semiklassischer Ansatz). Sie werden wenig Widerspruch in der Gemeinde der Physiker zu Hawkings Pionierarbeit finden.

    Bitte nehmen Sie auch die Forschungsarbeiten jüngerer Zeit zur Kenntnis, die die Emission von Hawking-Strahlung auch ohne Ereignishorizont vorhersagen (u.a. Barcelo et al., PRL 97, 130, 2006; Vachaspati und Stojkovic, PLB 663, 107, 2008).

    Letztendlich ist auf dem Gebiet der Hawking-Strahlung noch einiges unklar – dennoch ist meines Wissens bei all der Vielfalt der Hypothesen keine brauchbare aufgetreten, die die Hawking-Strahlung negiert und gleichzeitig eine “ewige Existenz” von Mini-Löchern vorhersagt (ich betrachte Rösslers Hypothesen diesbezüglich als falsifiziert – siehe meine und auch Argumentation von Prof. Nicolai, AEI).

    Ich habe auch eine Argumentation für Sie, die vollkommen unabhängig von der Hawking-Strahlung ist: Mini-Löcher sind (ob mit oder ohne Hawking-Strahlung) keine effizienten Materieaufsammler und daher ungefährlich.

    Beste Grüße,
    Andreas Müller

  7. AEI-Infoseite zur Hawking-Strahlung www

    Fortschreibung der AEI-Infoseite zur Hawking-Strahlung

    Hallo Herr Dr. Müller,

    vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort.

    werden Sie, bitte, dazu beitragen, ggf.
    durch Ihre Kontakte zu dem Albert-Einstein-Institut,
    das im Webangebot des AED erklärte “vorsichtige Ja”
    zur Übertragbarkeit der quantentheoretischen Ansätze
    auf die Erscheinungsform “Schwarze Löcher”
    zu einem erklärten “Ja”, auch im Webangebot fortzuschreiben ?

    Wie ich meine, hat die Beurteilung des AEI ein excellent herausragendes Gewicht und darf nicht durch eine Einzelmeinung in Frage gestellt werden.

    Meine Zweifel werden erst sinken,
    wenn auch das AEI sich einmütig konkret
    geäußert hat, d.h. Richtigstellung des
    Webangebotes. Mit Löschen der speziellen
    Webseite ist es nicht getan, hier gehört
    eine Aktualisierung her, wenn ich mal so
    formulieren darf.

    Es kann nicht sein, dass die professionelle, physikalische
    Fachwelt in einer so wichtigen, ultimativen Fragestellung untereinander sich divergierend äussert, wie ich es derzeit noch hier ausdrücklich feststellen muß.

    Von einem “vorsichtigen Ja” bis zu einem “Ja” könnten hier – im
    wahrsten Sinne des Wortes – Welten
    liegen, einmal umgangsprachlich formuliert.

    Mit einem freundlichem Gruß
    Rudolf Uebbing

  8. Keine Notwendigkeit

    Lieber Herr Uebbing,

    zu einer Aktualisierung von “Einstein Online” werden wir das AEI sicher nicht bewegen können. Die Pflege des Angebot wurde meines Wissens eingestellt, als der verantwortliche Redakteur das AEI verlassen hat.

    Ich sehe dazu auch keinen Anlass, weil das Forschungsthema “Hawking-Strahlung” ohnehin “work in progress” ist (s. meine Ausführungen).

    Generell möchte ich Ihnen empfehlen, Ihre Meinung zu wissenschaftlichen Themen nicht auf populärwissenschaftlichen Artikeln, sondern auf wissenschaftlich begutachtete Fachartikel, Expertengutachten und Lehrbücher zu stützen.

    Beste Grüße,
    Andreas Müller

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