Kleinstes Schwarzes Loch entdeckt

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Vom expandierenden Universum bis zum Schwarzen Loch
Einsteins Kosmos

Wie klein kann ein Schwarzes Loch werden? Zu dieser spannenden Frage liegen nun neue astronomische Beobachtungen vor. Wir reden hier nicht von den Schwarzen Mini-Löchern am CERN, die möglicherweise reine Fantasie sind, sondern von kosmischen Schwarzen Löchern, die Massen vergleichbar mit der Sonnenmasse haben.  

“Igor”, der Doppelstern

Das Objekt hört auf den kaum flüssig auszusprechenden Namen IGR J17091-3624. Machen wir uns das Leben leichter und nennen ihn “Igor” – Ähnlichkeiten zu lebenden oder toten Personen wären natürlich rein zufällig. Igor ist ein kompaktes Doppelsternsystem im Sternbild Skorpion, in dem sich zwei “Sterne” eng umkreisen. “Igor” ist sogar als Röntgendoppelstern beobachtbar.

[Skizze eine Röntgendoppelsterns mit Schwarzem Loch; Bild. A. Müller]

Das eine Objekt ist ein Stern und das andere ein Kandidat für ein stellares Schwarzes Loch. “Igor” ist ungefähr 65.000 Lichtjahre (20 kpc) von uns entfernt, also fast dreimal weiter weg, als das Zentrum der Milchstraße. Bei der genauen Entfernung herrscht allerdings noch eine große Unsicherheit. Vom Stern strömt Plasma hinüber auf das kompakte Schwarze Loch. Das geschieht in Form einer Gasscheibe, die sich um das Loch ausbildet, weil die Sternmaterie ja seine Rotation mitbringt.  

Aktuelle Röntgenbeobachtungen

Unser eigener Körper ist ein Wärmestrahler. Bei einer Oberflächentemperatur von ungefähr 30 Grad gibt unsere Haut Wärmestrahlung vor allem im Bereich der Infrarotstrahlung ab, also bei etwas größeren Wellenlängen als rotes Licht. “Igor” kann darüber nur müde lächeln. Denn in seinem Todesstrudel um das Schwarze Loch wird es so heiß wie im Zentrum unserer Sonne, ca. 10 Mio. Grad (1 keV). Die hier abgegebene Wärmestrahlung landet daher im hochenergetischen Bereich des elektromagnetischen Spektrums bei der Röntgenstrahlung! Die astronomisch beobachtete Röntgenquelle ist also letztlich die heiße Gasscheibe um das Schwarze Loch. Die Scheibe beobachteten nun Astronomen mit dem im Weltraum befindlichen Röntgenteleskop Rossi X-ray Timing Explorer, kurz RXTE. Etwa ein halbes Jahr lang hatten sie gemessen, wie die Röntgenhelligkeit mit der Zeit variiert. Die so gewonnene Lichtkurve zeigte wiederkehrende Strukturen. Astronomen nennen sie quasiperiodische Oszillationen (QPOs) und im Fall von IGR J17091-3624 zeigen sie typische Frequenzen zwischen 10 Millihertz und 10 Hertz.  

Was steckt dahinter?

“Igors” Lichtkurven zeigen auffällige Ähnlichkeiten zu einem anderen Doppelstern, nämlich GRS 1915+105. Dieser ist ein guter Kandidat für ein stellares Schwarzes Loch mit ca. 14 Sonnenmassen. Bislang waren dessen charakteristische Variation der Röntgenhelligkeit ein prominenter Einzelfall. Die Physik in GRS 1915+105 wird zurzeit so interpretiert, dass das Loch über die Scheibe mit Material angefüttert und ein Teil dieses Materials wieder als Materiestrahl, sog. Jets, herausgeschossen wird. Mit der Menge an einfallender Materie pro Zeit, der sog. Akkretionsrate, steigt aber auch die Leuchtkraft an. Dies wiederum mindert wegen dem zunehmenden Strahlungsdruck den Einfall der Materie und stoppt den Abschuss des Jets. GRS 1915+105 pendelt daher periodisch zwischen hoher und niedriger Röntgenhelligkeit bzw. hoher und geringer Akkretionsrate bzw. auftretenden und ausbleibenden Jet. Die QPOs in der Lichtkurve wiederum hängen nach gängiger Interpretation mit Instabilitäten in der rotierenden Gasscheibe zusammen. So interpretieren die Astronomen auch die Beobachtungen bei “Igor”.  

Wie klein ist das Loch?

Nimmt man an, dass “Igors” Schwarzes Loch am höchsten Limit Materie verschluckt – eine Grenze, die man Eddington-Rate nennt – so folgt eine Lochmasse von nur etwa drei Sonnenmassen – vorausgesetzt das Objekt ist nicht weiter entfernt als ca. 55.000 Lichtjahre (17 kpc).  Drei Sonnenmassen – das ist verdammt wenig. Diese Angabe kann man sofort in eine Größe umrechnen, wenn wir annehmen, dass es sich um ein Schwarzes Loch handelt, das nicht rotiert. Dessen Radius, also die Größe des Ereignishorizonts, der sog. Schwarzschildradius, beträgt bei drei Sonnenmassen genau neun Kilometer. “Igors” Schwarzes Loch ist nicht viel größer als eine Großstadt, aber so schwer wie drei Sonnen.  

Das ungelöste Problem mit der Mindestmasse

Nach Einstein können Schwarze Löcher eigentlich beliebige Massen haben – nach unten und nach oben unbegrenzt. Weil es aber bestimmte Mechanismen für die Entstehung und für das Wachstum kosmischer Schwarzer Löcher gibt, so muss es auch plausible Massen für Schwarze Löcher geben. Wenn die Löcher aus Sternen entstehen, so wird die unter Massengrenze im Bereich von Sternmassen liegen. Wenn sie dann Materie aufsammeln und dazu nur soviel Zeit haben, wie das Alter des Universums, können sie nicht schwerer sein, als einige zehn Milliarden Sonnenmassen – wie man nachrechnen kann.
In der theoretischen Astrophysik ist es gerade ein großes Problem, dass man nicht genau weiß, wie viel Masse die schwersten Neutronensterne bzw. wie viel Masse die leichtesten, stellaren Schwarzen Löcher haben. Beide gehen ja aus dem Kollaps massereicher Sterne hervor, ein Ereignis, das von einer heftigen Sternexplosion (Supernova Typ II, Hypernova) begleitet wird.

[Gravitationskollaps eines Stern und Endobjekte in Abhängigkeit von kollabierender Masse; Bild: A. Müller]

Es wäre also wunderbar, wenn man seitens Beobachtung hier eine klare Trennlinie ziehen könnte, um etwas über die Physik kompakter Sterne und deren Inneres zu lernen. Das macht “Igor” so interessant!  

Wirklich ein Schwarzes Loch?

Es kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass das kompakte Etwas in “Igor” anstelle eines Schwarzen Lochs eine andere “Sternleiche” ist, nämlich ein Neutronenstern, der hier sein Unwesen treibt. Aber diverse Beobachtungen, vor allem die Kombination aus Radio- und Röntgenbeobachtungen, sprechen für ein Schwarzes Loch.  

Wie geht’s weiter?

Die weiteren Untersuchungen zielen darauf ab, “Igors” Entfernung sehr genau zu bestimmen, um die Lochmasse genauer festnageln zu können.  Die Astronomen hoffen aus dem Vergleich der beiden Himmelsquellen, IGR J17091-3624 = “Igor” und GRS 1915+105, mehr über die Physik der Röntgendoppelsterne und die Mindestmasse Schwarzer Löcher zu lernen. Stay tuned.  

Quellen:

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Die Astronomie ist faszinierend und schön – und wichtig. Diese interdisziplinäre Naturwissenschaft finde ich so spannend, dass ich sie zu meinem Beruf gemacht habe. Ich bin promovierter Astrophysiker und befasse mich in meiner Forschungsarbeit vor allem mit Schwarzen Löchern und Allgemeiner Relativitätstheorie. Aktuell bin ich der Scientific Manager im Exzellenzcluster Universe der Technischen Universität München. In dieser Tätigkeit im Forschungsmanagement koordiniere ich die interdisziplinäre, physikalische Forschung in einem Institut mit dem Ziel, Ursprung und Entwicklung des Universums als Ganzes zu verstehen. Besonders wichtig war mir schon immer eine Vermittlung der astronomischen Erkenntnisse an eine breite Öffentlichkeit. Es macht einfach Spaß, die Faszination am Sternenhimmel und an den vielen erstaunlichen Dinge, die da oben geschehen, zu teilen. Daher schreibe ich Artikel (print, online) und Bücher, halte öffentliche Vorträge, besuche Schulen und veranstalte Lehrerfortbildungen zur Astronomie, Kosmologie und Relativitätstheorie. Ich schätze es sehr, in meinem Blog "Einsteins Kosmos" in den KosmoLogs auf aktuelle Ereignisse reagieren oder auch einfach meine Meinung abgeben zu können. Andreas Müller

5 Kommentare

  1. Schwarze Löcher

    Wenn die Löcher aus Sternen entstehen, so wird die unter Massengrenze im Bereich von Sternmassen liegen. Wenn sie dann Materie aufsammeln und dazu nur soviel Zeit haben, wie das Alter des Universums, können sie nicht schwerer sein, als einige zehn Milliarden Sonnenmassen – wie man nachrechnen kann.

    Welche Massen haben die bisher bekannten oder vermuteten schwersten SL?
    Gäbe es keinen “Urknall”,könnten die Massen doch mit sehr großen Zeitspannen ebenfalls sehr groß werden- oder?
    Greiner verneint SL und sieht extrem große Masseansammlungn
    MfG

  2. @B. Reddemann

    Die beobachtete Maximalmasse der supermassereichen Schwarzen Löcher beträgt 10 Mrd. Sonnenmassen. Von der Theorie her könnten Schwarze Löcher beliebig schwer werden durch Aufsammeln von Materie und Energie (Akkretion) – aber sie können übrigens nicht beliebig schnell futtern: Grenze ist das sog. Eddington-Limit.

    Es ist wie sie sagen: Da die Zeit zum Wachsen auf maximal 14 Mrd. Jahre begrenzt ist, erreichen Schwarze Löcher ‘nur’ die beobachteten Maximalmassen und nicht mehr.

    Beste Grüße,
    Andreas Müller

  3. Schwarzschild und Weltformel?

    Die nach dem Physiker Schwarzschild erstellte Formel wir zum
    Objekt der Spekulation. Es gibt viel Phantasien was sich in einem
    schwarzen Loch hinter dem Ereignishorizont abspielt.

    Aber ist das wirklich so ein Geheimnis?

    Vermutet wird, die Gravitationsbeschleunigung in einem
    Schwarzen Loch mit g=299 792 458 m/s² sogar Licht verschluckt.

    Das Gravitation aber Masse besitzt ist auch bekannt. Nach den
    SRT – Gesetzen müsste Masse bei Lichtgeschwindigkeit c unendlich
    wachsen. Das Unendlich wird sicher nicht passieren.

    Aber sicher ist das eine so hohe Gravitationsbeschleunigung zu dem
    identischen Zustand über E=mc² im Ergebnis m= E*c² . Es ergibt sich
    eine Zeitdilatation die so groß ist das rechnerisch der Zustand von
    fester Materie erfolgen muss.

    Mann sagt, das am Ereignishorizont (im Gedankenexperiment ) ein
    hypothetisches Raumschiff oder auch ein beliebiger Körper beim Fall
    in ein SL erstarren würde wenn dies vom Bezugssystem das eines
    Außenbeobachters gesehen würde . .

    Nach allen bisherigen Erkenntnissen der Äquivalenzformel ist Masse =
    Energie. In dem Fall dürfte bei einem SL exakt der Zustand von fester
    Materie manifestieren.

    Hat das „erstarrte Raumschiff“ am Ereignishorizont mit der
    Zeitdilatation zu tun und die Zeitdilatation mit der enormen
    Kontraktion zu tun, so hat die Schwarzschildformel mit dem
    Phänomen der Bindekräfte der Materie (durch Zeitdilatation)
    als solche zu tun. Wäre das falsch, so wären die bisherigen
    Erkenntnisse über die Gültigkeit der Einsteingleichung falsch. Da
    diese Gleichung ein Bestandteil der Atom Physik unendliche Male
    belegt wurde, muss dieser Äquivalenzgedanke auch für c²
    beschleunigte „Gravitationsmasse“ gelten. Mann bedenke, das die
    gesamte Masse der Erde nach der Schwarzschildformel auf einen
    Radius von 8 mm geschrumpft wäre . Das Gravitationsfeld der Erde
    würde ebenfalls dieser Gesetzmäßigkeit unterliegen damit es zu dieser „Gravitationsbeschleunigung“ käme. Diese Gravitations-
    beschleunigung würde nicht der nach Schwarzschild erstellten Formel
    wirksam werden können. weil der Faktor der Zeitdilatation sich selbst,

    so wie das hypothetische Raumschiff nicht in eine feste Masse stürzen
    lassen könnte..

    Es geht einfach nicht an, dass hier ein Körper wegen Zeitdilatation

    Zu Stillstand kommt ohne das man der Zeitdilatation nicht die
    gleiche Eigenschaft zuweist. Die Zeitdilatation verlangsamt ihre
    Wirkung gegenüber dem leeren Raum . Kapselt sich als Energie ab
    und ist selbstkontrahiert durch diesen Effekt.

    Diese Effekt der sich selbst verlangsamten Zeit durch Zeitdilatation
    induziert geradezu den Gedanken an Quantelungen in bestimmten
    Größen. Es gibt auch bei Einstein einen Faktor der Gravitation selbst
    einen weiteren Faktor der Gravitation durch Gravitation zuweist der
    mit der Bahnabweichung des Merkurs um die Sonne wirksam wurde
    und ein wichtiger Beleg für Einsteins ART ist. Das entspricht der oben
    gemachten Aussage über die Zeitdilatation perfekt.

    Aber nun müssen wir annehmen, dass jeder Körper am Ereignis-
    horizont eines Sl´s für fast immer verbleiben würde.

    Rechnen wir das weiter runter, so käme man vielleicht auf die Größe
    eines Atoms und seiner Bestandteile Proton Neutron Elektron, und so
    ganz locker auf den Grund warum Energie in Form von Atomen
    so lange hält . So lange wie ein anderer Körper nicht ein nicht
    existierendes c beschleunigtes G Feld eindringen kann weil es am
    Ende genau das ist was man dem SL zuschreibt.

    Aber was ist dann das Phänomen ein schwarzes Loch?

    Mit freundlichen Grüßen
    H. Joswig

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