Erst Schwarze Löcher, dann Galaxien?

BLOG: Einsteins Kosmos

Vom expandierenden Universum bis zum Schwarzen Loch
Einsteins Kosmos

Hühner legen Eier. Aus niedlichen kleinen Küken werden wieder Hühner und trifft dieses einen Hahn, der seinerseits ein Küken war, so werden daraus neue Eier und daraus wieder Hühner usw. Vielleicht staunen Sie, dass der Herr Müller so wunderbar aufgeklärt daherreden kann. Jahaaa. Aber ich hab’ da ‘mal ‘ne gute Frage: War zuerst ein Huhn da, das diese osterhasenfreundliche Kettenreaktion in Gang gebracht hat oder war zuerst ein Ei da?

Die Astronomen schlagen sich mit ganz ähnlich kniffligen Fragen herum, nur sind ihre Eier etwas dicker. Verzeihung, das ich das mal so sagen muss, aber was halten Sie von einer Zahl mit 40 Nullen dahinter? Und dahinter die Einheit Kilogramm. Dagegen ist unsere Erdmasse mit 24 Nullen läppisch wenig. Das sind in jedem Fall mehr Nullen als im Bundeskabinett.

Es ist furchtbar mit solchen Zahlen rumzurechnen. Daher drücken Astronomen 40 Nullen Kilogramm in Vielfachen von der Masse unserer Sonne aus. Bis zu zehn Milliarden Sonnenmassen – wie sie dann sagen – sind nämlich Schwarze Löcher schwer, die sich in den Zentren von Galaxien gebildet haben. Das sind dem Astronomen seine Eier (mein letzter Genetiv ist gestorben…), über die wir nun reden wollen.

Die Himmelsforscher haben aus der Untersuchung vieler Galaxien herausgefunden, dass die zentralen, schweren Schwarzen Löcher ein merkwürdiges Verhältnis zu ihrer Galaxie haben, die sie beherbergt und umgibt. Der innere Teil  der Galaxie, der aus Sternen, leuchtendem Gas und Staub besteht heißt Bulge (gesprochen "Balsch"; sehr frei übersetzt, so etwas wie der "Ranzen" der Galaxie – hier in Bayern lieben wir den Bulge…).  Die Masse des Bulges (oh, ein wiederbelebter Genetiv) steht auf geheimnisvoll, mysteriöse Weise in Verbindung mit der Masse des zentralen Schwarzen Lochs. Je schwerer der Bulge, umso schwerer das Loch. Genauer: Ist das Loch eine Million Sonnenmassen schwer, so hat der Bulge eine Milliarde Sonnenmassen. Hat das Loch eine Milliarde Sonnenmassen, so hat der Bulge eine Billion Sonnenmassen. Hoppla, immer ein Faktor 1000 Unterschied. Somit ist es durchaus gerechtfertigt, die Galaxien als die Hühner in unserer Analogie anzusehen, während die Löcher die Eier sind. Die knifflige Frage der Astronomen lautet: Wer war zuerst da: das Schwarze Loch, um das sich später eine Galaxie bildete ODER die Galaxie, dessen Inneres später zu einem Schwarzen Loch kollabierte?

Liebe Leut’, jetzt kommt der tagesaktuelle Bezug: US-amerikanische und deutsche Astronomen haben Beobachtungen mit Radiowellen gemacht. Sie schauten damit Galaxien an, die extrem weit entfernt sind und etwa wenige Milliarde Jahre nach dem Urknall schon existierten. Für diese Burschen untersuchten sie das Verhältnis Bulgemasse zu Lochmasse und – oh, Wunder! – die magische Zahl 1000 wurde NICHT festgestellt. Die "frühen Löcher" waren nun deutlich massereicher als die Bulges.

Das interpretieren die Forscher so, dass die superschweren Schwarzen Löcher ZUERST die kosmische Bühne betraten. Dann sammelte sich in der Umgebung immer mehr Material an, der Bulge wuchs und irgendwie stellte sich in späteren kosmischen Epochen ein konstantes Verhältnis ein.

Hm, ich bin ehrlich gesagt noch nicht überzeugt von der Interpretation und die damit verbundene Auflösung einer alten Frage. Wäre es nicht denkbar, dass eine dichte Massenansammlung zuerst da war und deren Inneres zu einem Schwarzen Loch kollabierte. Dieses Loch wuchs, wurde schwerer und übertrumpfte schließlich massenmäßig die Umgebung, nämlich den Bulge? Sowas gibt’s tatsächlich und wird in der theoretischen Astrophysik – wenn man angeben will, was ich hiermit tue – Zel’dovich-Podurets-Instabilitäten genannt.

Es ist eben ein diffiziles Zeitskalenproblem. Wenn nämlich die Astronomen schon etwa eine Milliarde Jahre nach dem Urknall ein schweres Loch beobachten, das die Masse des Bulges überwiegt, so ist es schwierig zu erklären, wie es in so kurzer Zeit schon so massereich werden konnte. Ein paar Löcher in den Herzen von Quasaren (das sind aktive Galaxien) bei einer kosmologischen Rotverschiebung von z ~ 6 (z.B. die SDSS-Quasare) wiegen auch schon Milliarden von Sonnenmassen. Sie sind wirklich turbomäßig schnell gewachsen!

Ich spinne mal. Eine Idee, woher ein Schwarzes Loch kommen kann, ohne das dafür ein Stern sterben musste sind kollabierte Brill-Wellen. Da ist eine spezielle Form von Gravitationswellen, die sozusagen kritisch schwingen. Eine Gravitationswelle ist eine dynamisch schwingende Raumzeit, die sich lichtschnell fortpflanzt. Häh? Egal. So ein Teil kann in sich zusammenfallen und ein Schwarzes Loch erzeugen – jedenfalls ist sowas theoretisch möglich und mit Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie erklärbar.

Folgende Spekulation ist daher erlaubt: Eine Brill-Welle macht sich als Relikt vom Urknall auf den Weg durch einen noch recht leeren Kosmos. Die Brill-Welle kollabiert zum Schwarzen Loch. Das Schwarze Loch wächst, indem es fein verteilte Materie aus der Umgebung verschlingt. Es schießt dabei vielleicht auch fast lichtschnelle Materiestrahlen (Jets) heraus und kreiert eine Umgebung, die sich zum Bulge verdichtet.

Fred ruft WILMA. Die Astronomen rufen ALMA. Mit dieser neuen Anlage aus mehreren Radioantennen in den chilenischen Anden erhoffen die Astronomen weitere Resultate zu beobachten, um das Loch-Galaxien-Problem zu lösen. Vielleicht bin ich dann überzeugt.

p.s.: Wünsche allen Lesern und Bloggern ein verspätetes Prosit Neujahr! Eiersuchen gibt’s dann im April.

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Die Astronomie ist faszinierend und schön – und wichtig. Diese interdisziplinäre Naturwissenschaft finde ich so spannend, dass ich sie zu meinem Beruf gemacht habe. Ich bin promovierter Astrophysiker und befasse mich in meiner Forschungsarbeit vor allem mit Schwarzen Löchern und Allgemeiner Relativitätstheorie. Aktuell bin ich der Scientific Manager im Exzellenzcluster Universe der Technischen Universität München. In dieser Tätigkeit im Forschungsmanagement koordiniere ich die interdisziplinäre, physikalische Forschung in einem Institut mit dem Ziel, Ursprung und Entwicklung des Universums als Ganzes zu verstehen. Besonders wichtig war mir schon immer eine Vermittlung der astronomischen Erkenntnisse an eine breite Öffentlichkeit. Es macht einfach Spaß, die Faszination am Sternenhimmel und an den vielen erstaunlichen Dinge, die da oben geschehen, zu teilen. Daher schreibe ich Artikel (print, online) und Bücher, halte öffentliche Vorträge, besuche Schulen und veranstalte Lehrerfortbildungen zur Astronomie, Kosmologie und Relativitätstheorie. Ich schätze es sehr, in meinem Blog "Einsteins Kosmos" in den KosmoLogs auf aktuelle Ereignisse reagieren oder auch einfach meine Meinung abgeben zu können. Andreas Müller

8 Kommentare

  1. Staunen?

    “Vielleicht staunen Sie, dass der Herr Müller so wunderbar aufgeklärt daherreden kann.”

    Ne, der Herr Huhn staunt da gar nicht drüber. Huhn ist nämlich der Oberbegriff.

    Mann, Frau, Kind = Mensch
    Hahn, Henne, Küken = Huhn

    So sieht das aus! Laß Dir das von einem Insider gesagt sein. 😉

  2. @ Martin

    Oh mein Gott, Du hast Recht!

    Ich konnte doch nicht hahnen, dass ein Huhn mitliest, das sich bestens aushennt.

    Asche auf mein Haupt. Ich werde so nie zum Huhnologen… *Verschwindet wieder im Stall, um zu weinen*

    Kikerikiende Grüße,
    Andreas

  3. Brill-Wellen

    Um das Rätsel endgültig zu knacken hat die beobachtende Zunft wohl noch einiges an Daten zu sammeln. Die Gravitationswellenforschung wird sicher bald in der Lage sein,genauere Einsichten zu liefern. Bis dahin darf sicher spekuliert werden. Sicher werden auch umfangreiche Simulationen der Gravitationsphysiker wertvolle Erkenntnisse bringen.

    Inhomogenitäten der Raumzeit beim Urknall, die sich in Gravitationswellen entladen, sind eine mögliche Ursache für die Bildung von Schwarzen Löchern. Es hätte dann gar nicht einer zeitraubenden Bildung von Massekonzentrationen bedurft, um Schwarze Löcher zu generieren; sozusagen Schwarze Löcher zum Nulltarif; schließlich sind sie ja auch Vakuumlösungen mit verschwindendem Energie-Impuls-Tensor.

  4. @ Sönke

    Das ist ja schön, dass wir uns auch hier über den Weg laufen. Vielen Dank für Ihren Kommentar!

    Nehmen wir an, die direkte Messung von Gravitationswellen gelingt (was ja leider bisher misslang, weil die Wellen nur winzige Längenänderungen bewirken). Die Preisfrage ist dann, nach was genau die Gravitationswellenforscher Ausschau halten sollen. Aufwändige Simulationen an einem Supercomputer helfen ihnen dann, um eine konkrete Vorstellung von der Wellenform (Frequenz, Amplitude, Zeitverhalten etc.) zu bekommen. In dem auf der Erde angekommenden “Wellensalat” aller möglichen Quellen kann da gezielt die “Nadel im Heuhaufen” gesucht werden. Ich bin sehr gespannt auf diese neue Ära der Astronomie. Selbst mit der gelungenen direkten Detektion der Gravitationswellen, werden es die Gravitationswellenastronomen nicht leicht haben.

    Die kosmischen Kandidaten für Schwarze Löcher können gut mit Vakuumlösungen von Einsteins ART (Schwarzschild-Metrik, Kerr-Metrik) beschrieben werden. Dennoch haben auch diese Lösungen eine Masse (und einen Drehimpuls), die äquivalent zu einer Energie ist.
    Black holes for free” funktioniert deshalb nicht so einfach. Soll heißen: Eine Energiequelle muss da sein (Brill-Welle, kollabierender Stern etc.) die sich in ein Schwarzes Loch verwandeln kann. Soll auch heißen: Energie-Impuls-Tensor null heißt offenbar nicht notwendig auch Masse (und Drehimpuls) null.

    Beste Grüße,
    Andreas

  5. @ Andreas

    Dem Vorhandensein einer Energiequelle will ich natürlich nicht widersprechen. Es wäre dann die Energie des Urknalls, die über die Generierung von Brill-Wellen als Quelle zur Bildung der ersten Schwarzen Löcher beitragen würde. Voraussetzung wären natürlich Asymmetrien der sich entwickelnden Raumzeit. Dazu bedürfte es dann keiner Masse. Primordiale Schwarze Löcher, so es sie gäbe, wären auch ein Relikt des Urknalls. Sie nachzuweisen, wenn nicht gerade eins in der Nähe ist, dürfte aber erheblich schwieriger sein als der direkte Nachweis von Gravitationswellen.

    Beste Grüße,
    Sönke

  6. Meine Theorie

    Nun ich mag vieleicht kein Professor oder so sein, aber ich verstehe mich gut auf Astronomisches Verständis. Abgesehen davon denke ich in größeren Massen, als die meisten die ich kenne.

    Nun meine Theorie lautet:

    Am anfang, zur Zeit des Urknalls, exestierten dort, wo heute unsere Galaxien sind, Megasonnen.
    Durch eine fatale Kettenreagtion (die vieleicht heute noch stattfindet) wurde die Materie zu Antimaterie. Instabilität folgten. Es kahm zu gewaltigen Supernovas, die Teile der Atimaterie in Materie umwandelten. Aber es blieben auch Teile der Antimaterie übrig, die sich an einem Zentralen Punkt sammelten(heutige Schwarze Löcher).
    Die Materie, welche weggeschleudert wurde, geriet schnell wieder in das wachsende Gravitationsfeld des Schwarzen Loches. Es bildete sich eine Galaxie.
    Die übriggebliebene Materie bildete(ja nach beschaffenheit) Planeten, Sonnen und Trabanten.
    Materie mit viel metallischem Anteil wurden zu Trabanten.
    Materie mit Wasserstoff könnte z.B. die Erde gebildet haben.
    Sonnen könnte Materie sein, die durch die Supernova immer noch glüht(Motorprinip;abkühlung dauert).

    Ich hoffe ich stoße mit dieser Theorie hier nicht auf ablehnung und gelächter.
    Es ist nur ein Gedanke von mir, der etwas weiter gedacht wurde.

  7. Spiralgalaxien

    Auf die Idee, dass die schwarzen Löcher (oder sid sie jetzt nur mehr dunkelgrau?) zuerst da waren kommt man auch, wenn man Spiralgalaxien betrachtet: Jede Spiralgalaxie hat 2 Arme, die von 2 einander gegenüberligenden Punkten des Zentrums ausgehen. Nach aussen hin zerflattern die Arme immer mehr. Das ist leichter erklärbar wenn man annimmt, dass die Galaxie von innen nach aussen entsteht.

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