Deutschstunde: Zeichensetzung und Menschenbild

BLOG: Die Sankore Schriften

Die Welt ist voller Rätsel
Die Sankore Schriften

Eckige Klammern können auch alleine, d. h. nicht in Verbindung mit runden Klammern, verwendet werden. Dies kommt in den meisten Fällen in Zitaten vor z.B., um Zitaten Informationen hinzuzufügen. Hier ein Beispiel von der Website Duden Online:
Afrikaner

Der werte Leser mag selbst entscheiden, ob die hier in den eckigen Klammern gelieferte Information zum Begriff “Afrikaner” hilfreich war. Jedenfalls hat die Duden Online-Redaktion diese Information als hilfreich bewertet sonst hätte sie diese nicht hinzugefügt. Ich denke man sollte dann jedoch konsequenterweise auch mit dem Begriff „Europäer“ analog verfahren.
Schauen wir uns an wie der Duden Online diesen Begriff handhabt.

Europaer

Uuups! Was ist das? Erwartet hatte ich bei “Bedeutung” folgendes:

aus Europa stammende Person [von weißer Hautfarbe]

Ich halte hier für beide Begriffe die zusätzliche Information über ein mögliches biologisches Merkmal nicht für sinnvoll und möchte zusätzlich Folgendes bemerken:

Eckige Klammern können auch alleine, d. h. nicht in Verbindung mit runden Klammern, verwendet werden um Auslassungen in Zitaten zu verdeutlichen. Ehrlich – aber nicht sinnvoll – wäre also von der Duden-Redaktion folgende Version gewesen.

aus Europa stammende Person […]

Warum wird der Afrikaner biologisiert und der Europäer nicht?

Zusätzlich gehören „aus Afrika stammende Person“ und „Einwohner“ verschiedenen Kategorien an und entsprechen sich nicht. Nach meiner Lesart der beiden Dudenbedeutungen kann der Afrikaner immer Einwohner (jemand, der in einer Gemeinde, einem Land seinen ständigen Wohnsitz hat) Europas – also folglich Europäer sein aber der Europäer niemals Afrikaner (per definitionem).

Der Begriff des Afrikaners baut auf der Abstammungshypothese auf, der des Europäers auf der Assimilationshypothese. Der Begriff des Afrikaners ist hier statisch, eindimensional angelegt während der Begriff des Europäers dynamisch, mehrdimensional angelegt ist.

Das gefällt mir nicht. Ich halte die Form und den Kontext indem der Duden Online die Hervorhebung der biologischen „Andersartigkeit“ des Afrikaners [im Vergleich zum Europäer] praktiziert für gefährlich, weil sie hilft, einen Nährboden für den Rassismus zu bereiten.

Ich weiß leider nicht ob die Handhabung des Duden Online die gängige Sprachpraxis in Deutschland spiegelt. Da sind jetzt die Studien von praktischen Linguisten gefragt.

Interessant ist jedenfalls eine Studie der Soziologen Michael Mäs und Kurt Mühler der Uni Leipzig. Sie haben sich gefragt bei welchen Merkmalen eine Person als „deutsch“ beschrieben wird. Zur Beantwortung dieser Frage überprüften sie zwei Hypothesen, die Assimilationshypothese und die Abstammungshypothese. Die Assimilationshypothese besagt, dass die Anpassung an zentrale kulturelle Merkmale von Bedeutung ist. Dies sind vor allem, so wird vermutet, die sichere Beherrschung der deutschen Sprache, die Zugehörigkeit zum Christentum, die Wohndauer in Deutschland und ein deutscher Ehepartner. Die Abstammungshypothese dagegen behauptet, dass man “deutsch sein” nicht lernen kann: “deutsch” ist man nur, wenn die Eltern Deutsche sind.

Jedenfalls bin ich nach dieser Entdeckung im Duden Online motiviert mich intensiver mit Sprechakttheorie zu beschäftigen und vielleicht die Bücher „How to Do Things with Words“ von John Langshaw Austin und lingua tertii imperii (LTI) von Victor Klemperer zu lesen.

Weiterführende Literatur

Wieso sind Schwarze nicht alle Afrikaner_Innen?

Wann ist man deutsch?

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Veröffentlicht von

Joe Dramiga ist Neurogenetiker und hat Biologie an der Universität Köln und am King’s College London studiert. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit der Genexpression in einem Mausmodell für die Frontotemporale Demenz. Die Frontotemporale Demenz ist eine Erkrankung des Gehirns, die sowohl Ähnlichkeit mit Alzheimer als auch mit Parkinson hat. Kontakt: jdramiga [at] googlemail [dot] com

33 Kommentare

  1. Der Duden will sicher den Sprachgebrauch abbilden. Ich fasse die Ergänzung in eckiger Klammer zu “Afrikaner” als Hinweis für die Konnotation des Wortes in den europäischen deutschsprachigen Ländern auf. Das Wort Europäer hat jedoch einen anderen Beigeschmack. Da der Duden in Europa erscheint, wird dort wenig Hinweise auf die Konnotation des Wortes gegeben, denn jeder Europäer hat hier wohl leicht andere Vorstellungen. Das ganze ist die Sicht eines Deutschsprachigen, denn der Duden ist für Deutschsprachige und ist nicht etwa ein Lexikon wie die Wikipedia.
    Gäbe es etwas äquivalentes zum Duden in Gabun wäre dort möglicherweise eine eckige Klammer hinter der Erklärung für Europäer, aber es gäbe weniger Erklärungen zum Wort “Afrikaner”. Ein Analogon zum Duden speziell für Gabun gibt es aber wahrscheinlich nicht, denn in Gabun wird französisch gesprochen und dementsprechend werden sie dort ein allgemeines, internationales französisches Wörterbuch verwenden. Etwas was wohl Dictionnaire heisst? Da die Macher des französischen Dictionnaires aber mit dem Bewusstsein leben, dass das Französisch nicht auf Frankreich beschränkt ist würden sie wohl ganz andere Dinge in Klammern schreiben. Das ist der Unterschied. Deutsch ist beschränkt auf ein paar deutschsprachige Länder in Europa und dementsprechend haben viele im Deutschen verwendete Begriffe eine lokaleuropäische Note. Was da hinter dem Wort “Afrikaner” steht ist heute aber wohl nicht mehr so unumstritten wie vielleicht noch vor 20 Jahren.

  2. Was der Duden hier getan hat, ist nicht korrekt.
    Schließlich gibt es nicht nur “Schwarzafrikaner”, sondern auch Berber, arabisch stämmige Bewohner, europäisch stämmige “Afrikaaner” oder “Buren”. Ich weiß nicht, wie sich diese Gruppen und Untergruppen selbst sehen oder bezeichnen, womöglich sehr unterschiedlich.

    Eine neutrale Erläuterung, Einwohner Afrikas / Person aus Afrika, wäre korrekt.

    Das biologische Merkmal “schwarze Hautfarbe” zu erwähnen, hat in der Tat einen unangebrachten “rassischen” Beigeschmack.

    • Das ist ein Missverständnis. Der Duden will mit seinen Angaben keine Definition des Wortes Afrikaner geben, sondern darauf hinweisen, was viele mit dem Wort verbinden. Eine Schlussfolgerung könnte sein, dass man diese Wort eher nicht verwenden soll, eben gerade darum.

      • Der Duden ist oder war zu allererst ein orthographische Wörterbuch, demnach braucht er eigentlich keine Definitionen zu liefern, woran ich auch nicht gedacht habe.
        Es handelt sich in diesem Falle um eine schlichte Erklärung, aber auch die hinkt. Da soll man vielleicht nicht zu viel geistige Arbeit hineininterpretieren.

        Für den Wortgebrauch und den Wandel der Wortbedeutung wäre ein Lexikon wie das Grimm’sche Wörterbuch oder der Wahrig zuständig (http://de.wikipedia.org/wiki/Wahrig). Habe ich aber nicht, ich kann nicht überprüfen, was der aus Afrikanern macht.
        Das digitale Wörterbuch der deutschen Srache liefert in diesem Falle nur Belegstellen (aber es ist, meine ich, ein work in progress: http://dwds.de/). Idealerweise ließe sich dann aus Wörterbüchern auch Bedeutungsverschiebungen eines Begriffes ableiten.
        Als ein Beispiel wie so etwas aussieht, kann ich mal das Wort Zigeuner anführen:

        http://dwds.de/?qu=Zigeuner

  3. Offensichtlich sind die Wortbedeutungen nicht sehr günstig erklärt, allerdings sieht sich der Duden wohl zur Kürze gezwungen.
    BTW, gelegentlich ergänzt der Duden auch, wie Begriffe politisch richtig zu verstehen sind, vielleicht wird er bei den beiden Beispielen, insbesondere beim Afrikaner, bald diesbezüglich ergänzen.

    MFG
    Dr. W

  4. Warum wird der Afrikaner biologisiert und der Europäer nicht? (Artikelüberschrift aus dem Artikel oder Post)

    Der Duden wollte hier womöglich das Substitut ‘Afrikaner’ für eine schwarze Person erklären, ein anderes bekanntes Wort ist ja nicht mehr politisch richtig.

    An und für sich ist diese Gleichsetzung aus verschiedenen Gründen natürlich Blödsinn, die Nennung des Codes sollte wohl den gemeinen Sprachgebrauch widerspiegeln, der bei ‘Afrikaner’ wohl um die politische Richtigkeit bemüht ist (und Falschheit erzeugt).

  5. Auch die Google-Suche berücksichtigt die Konnotationen zu einem Wort. Bei mir ergibt die Suche nach Afrikaner folgende Suchresultate (Achtung: kann bei jedem abhängig vom Standort und der “Personalisierung” wieder anders sein).
    Ungefähr 1.210.000 Ergebnisse (0,53 Sekunden)
    Treffer 1: Wikipedia-Artikel “Schwarzafrikaner”
    Treffer 2: Wikipedia-Artikel “Neger – Wikipedia”
    Treffer 3: Afrikanische Würzkräuter | Würzkräuter | Nach Verwendung …(www.kraeuter-und-duftpflanzen.de)
    Treffer 4: Parakresse, afrikanisch – Rühlemann’s Kräuter und Duftpflanzen
    Treffer 5: Sensiblere Kommunikation mit Afrikanern – Afrikaner in Wien

    Man beachte: Treffer 1, 2 und Treffer 5 beziehen sich explizit auf Schwarzafrikaner und sogar auf Neger.
    Was Joe Dramiga hier festgestellt hat ist also nicht allein ein Problem des Dudens, sondern ebenso ein Problem von Google, mindestens bei meinen Sucheinstellungen (die ich übrigens nicht selbst eingestellt habe, die der Browser aber automatisch personenbezogen generiert).

    Google will eben erraten, was der Sucher meint und beim Versuch das zu erraten produziert er für mich bei der Suche nach “Afrikaner” die obige Liste, die eindeutig Schwarzafrika und gar Neger als Konnotation von Afrikaner annimmt.

    • Hast Du das gleiche mal mit “Europäer” und seinen Konnotationen gemacht? Ich vermute mal da kommt nichts was irgendwie auf eine weiße Hautfarbe hindeutet. Oder schau mal auf der Website für Synonyme was da für “Afrikaner” und “Europäer” für Begriffe angezeigt werden.

      • Hast Du das gleiche mal mit “Europäer” und seinen Konnotationen gemacht? Ich vermute mal da kommt nichts was irgendwie auf eine weiße Hautfarbe hindeutet.

        Wäre ja auch “schwer” rassistisch, möglicherweise, weil es ja auch Europäer gibt, die nicht “weiß” oder kaukasisch oder so sind.

        Das mit dem Afrikaner als urtümlich nett gemeinte Aussage, Schwarze und so, als Code betreffend, ist verstanden worden? ‘Amerikaner afrikanischer Nation’ und so?

        Ischt oder war mal nett gemeint, geht aber an der Sache vorbei…
        Vgl. auch ‘colered’.

        Ischt schwierig zu bearbeiten, wie soll’s denn I.E. stattfinden, derartige Beschreibung?

        MFG
        Dr. W

      • Jetzt meine Google Ergebnisse für Europäer:

        – Europäer – Wikipedia
        – Grosse Box: “Europäer sind die Bewohner Europas”(Link zu Wikipedia)
        – Box: Europa(Kontinent) “Europa ist ein Kontinent, der sich über das westliche Fünftel der eurasischen Landmasse erstreckt. Obwohl es …
        – Perseus-Archiv  Kategorie: Europäer-Archiv
        – Perseus-Verlag
        – News
        — Was Europäer alles vom Rauchen abhalten soll (Handelsblatt)
        — Empfehlung von Ökonomen: Seid wie die Schweizer liebe Europäer (T-Online)
        — Das sind die untreuesten Europäer (Mittelbayerische)
        – Europäer erbten die Gene für Haut und Haare von den Neandertalern ( Spegel.de)
        – Bilderleiste mit zuerst 2 Bildern von hellhäutigen Männern, dann Merkel, dann ein Historienbild mit vielen “Europäern” und schliesslich ein Bild eines Weissen, der 2 Pygmäen “umarmt”
        – Europäer – Wictionary
        – Opfer von Menschenhandel sind meist Europäer
        – Die guten Europäer – ZEIT-Archiv
        – Europäer, die sich vom Mutterland abspalten wollen – Die Welt
        – “Fuck the EU” trifft Europäer – News, Ausland Europa (Tagesanzeiger.ch)

  6. Ich denke, der Verweis auf die Konnotationen, die vermutlich im Duden abgebildet werden sollen, ist schon zutreffend. (Das verlagert das Problem aber dann auch nur auf eine andere Ebene und zeigt, dass eben die Konnoation “Afrikaner = Schwarzer” tendentiell rassistisch ist.)

    However, werfen wir mal einen Blick ins Merriam-Webster Dictionary, et voilà:

    African:
    1. a native or inhabitant of Africa
    2. a person and especially a black person of African ancestry

    http://www.merriam-webster.com/dictionary/african

  7. Pingback:Ins Netz gegangen (27.2.) — »Nächstens mehr.«

  8. Der Duden ist ursprünglich eigentlich ein orthographisches Wörterbuch, kein Bedeutungswörterbuch. Vielleicht erklärt das die Fehlleistung bei der Erklärung.
    Bedeutungswörterbücher (inklusive Sprachgebrauch) sind das Grimmsche Wörterbuch und der Wahrig (den ich aber nicht habe und deswegen nicht dort nachschauen kann).

    Die Hautfarbe bei Afrikanern als Erklärung anzuführen, ist einfach falsch, auch sachlich falsch (wie ich oben schon erklärt habe) und wer dem Volk zu sehr aufs Maul schaut kriegt selbst bald eins.

    Die google-Suche ist kann da weder als Rechtfertigung noch Begründung angeführt werden. Es gab ja mal einen Streit um die Verletzung von Persönlichkeitsrechten, weil Bettina Wulff von google mit ehrenrührigen Dingen in Verbindung gebracht wurde.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Bettina_Wulff#Auseinandersetzungen_um_Pers.C3.B6nlichkeitsrechtsverletzungen

    Ein digitales Wörterbuch zum Sprachgebrauch mit Belegstellen, Etymologie und Erklärungen ist das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache. Der Eintrag zu “Afrikaner” ist allerdings noch nicht sehr ausgeführt. Umfangreich ist der zu “Zigeuner”.

    http://dwds.de/?qu=Zigeuner&submit_button=Suche&view=1

    Solche Wörterbücher sind auch deutlich komplexer aufgebaut.

    • Vielleicht sollte der Duden Online dann besser auch ein orthographisches Wörterbuch bleiben und nicht versuchen “nebenbei” ein Bedeutungswörterbuch zu sein. Im Kampf um die Klickrate und die Verweildauer wollten die Redakteure der Website damit einen Mehrwert für den Nutzer generieren, um mehr Leute auf ihre Website zu ziehen. Die Duden-Onlineredaktion schreibt auf ihrer Website:

      “Über das Wörterbuch Duden online

      Duden online bietet Ihnen umfassende Informationen zur Rechtschreibung, Grammatik und Bedeutung eines Wortes. Es zeigt den richtigen Gebrauch sowie Aussprache und Herkunft eines Wortes und verzeichnet dessen Synonyme.”

      Es wird hier mehr versprochen als tatsächlich geboten wird – aber weiter zu einer anderen Frage: Wer zeigt den richtigen Gebrauch eines Wortes? Der Duden und das Bedeutungswörterbuch oder die Sprechergemeinschaft (und damit meine ich nicht nur Muttersprachler)? Die Frage ist scheinbar pauschal nicht leicht zu beantworten. Man muss da von Fall zu Fall gucken. Klar ist jedenfalls, dass es schwer wird ein Wort richtig zu gebrauchen wenn schon dessen Bedeutung falsch übermittelt wird.

      • ” Wer zeigt den richtigen Gebrauch eines Wortes? Der Duden und das Bedeutungswörterbuch oder die Sprechergemeinschaft (und damit meine ich nicht nur Muttersprachler)?”
        Ja, das ist ein grundsätzliches Problem, weil es in Deutschland m.W. keine absolute Instanz für den Sprachgebrauch gibt. Ein Linguist könnte sich auch auf die Position stellen, dass er ganz wissenschaftlich nur deskriptiv arbeite.
        Die Rechtschreibung gilt auch nur für Schulen, Universitäten und Ämter, alle anderen dürfen schreiben wie sie wollen.

        Aber es gibt ja die Möglichkeit der Sprachkritik, wie sie auch von der Gesellschaft für deutsche Sprache betrieben wird. In diesem Sinne kann man sagen, die Duden-Erklärung ist nicht nur sachlich falsch, weil es auch nicht-schwarze Afrikaner gibt, sondern wendet auch eine rassische Definition an, die man für sich selbst als Europäer ablehnt. “Person aus Afrika” wäre kurz und treffend, analog zur Erklärung im Larousse. Vielleicht ist man in Frankreich durch die engeren Beziehungen zu Afrika sensibler.

        Sprachkritik betreiben auch Feministinnen, die sich jetzt beklagen würde, dass wir immer nur von Afrikanern sprechen, anstatt auch von Afrikanerinnen.

        • Ich denke Sprachkritik sollte zur Selbstreflexion und einem besseren gesellschaftlichen Miteinander führen. Die Linguistin Luise Pusch, die Schöpferin des generischen Femininums, hat uns da einiges bewusst machen müssen und eine wichtige Debatte angestoßen. Ihr Buch „Das Deutsche als Männersprache“ sollte eigentlich als Pflichtlektüre im Deutschunterricht der Sekundarstufe II besprochen werden. Wenn es weiter ein „akademisches Nischendasein“ führt geschieht nichts. Wenn die Menschen, die Curricula für den Deutschunterricht erstellen, das nicht ansatzweise in Erwägung ziehen passiert gar nichts. Ich sehe es ja bei mir selber – aus reiner Bequemlichkeit benutze ich das generische Maskulinum.

          • @ Joe Dramiga :

            Ich sehe es ja bei mir selber – aus reiner Bequemlichkeit benutze ich das generische Maskulinum.

            Die Sprache ist wohl dafür gedacht sie (letztlich auch) wahlfrei zu verwenden, Linguisten ist demzufolge mit einer gewissen Vorsicht zu folgen, vgl. bspw.:
            ‘Im Deutschen gibt es kein generisches Maskulinum und die „generische“ Verwendung maskuliner Formen bringt keinen praktischen Vorteil mit sich.’ (Quelle)

            MFG
            Dr. W (der aber keine Probleme mit der Etymologie hat, sondern nur mit einigen Aussagen aus dem Linguistenlager, die erklären, welche Bedeutung Begriffe heute haben sollen)

          • “Ich denke Sprachkritik sollte zur Selbstreflexion und einem besseren gesellschaftlichen Miteinander führen.” Dacor.
            Sind Sie bei der Lektüre von Luise Puschs Buch also in sich gegangen und hat sich Ihr Frauenbild zum besseren verändert, sind Ihnen eigene Vorurteile als solche bewusst geworden?
            Die Frage mag provokativ klingen, ist aber ernst gemeint.

        • Ein Linguist könnte sich auch auf die Position stellen, dass er ganz wissenschaftlich nur deskriptiv arbeite.

          Wenn er weiß, dass seine Arbeit bezahlt wird, um Ergebnisse zu produzieren, die in Werken (Wörterbüchern) verwendet werden, welche etwa im Deutschunterricht zu Bewertungszwecken eingesetzt werden, kann er sich nicht von Verantwortung freimachen. Es gilt das Gleiche, was für Kernphysiker in Los Alamos zur Zeit des zweiten Weltkriegs gilt. Die können sich auch nicht auf die Position stellen, an Zerfallsraten und kritischen Massen “nur deskriptiv” geforscht zu haben.

          In diesem Sinne kann man sagen, die Duden-Erklärung ist nicht nur sachlich falsch, weil es auch nicht-schwarze Afrikaner gibt, sondern wendet auch eine rassische Definition an, die man für sich selbst als Europäer ablehnt.

          Wenn bei 97,3 % der Sprecherinnern und Sprecher der Sprecherinnen- und Sprechergemeinschaft bei Vernahme des Wortes “Afrikaner” sich vor dem geistigen Auge “Schwarze Person” einstellt (oder sogar “Schwarzer Mann”?), dann ist die Duden-Bedeutung doch wohl augenscheinlich zutreffend. Wenn es Sie stört, dass Sie mit dem Wortgebrauch unerwünschte Assoziationen hervorrufen, dann verzichten Sie darauf. Sagen Sie statt Afrikaner Person aus Afrika, sagen Sie statt Zigeunerschnitzel Paprikaschnitzel und sagen Sie statt Gutmensch einfach Moralist.

          • Es ist wohl so, dass die Worte “Afrikaner” und “Schwarzafrikaner” einen rassistischen Beigeschmack haben und deshalb heute gemieden werden. Anstatt von Schwarzafrika spricht man heute von Subsahara ähnlich wie man heute nicht mehr von Neger sondern von Schwarzen oder gar von Farbigen spricht.

          • Es ist wohl so, dass die Worte “Afrikaner” und “Schwarzafrikaner” einen rassistischen Beigeschmack haben

            Das ist, wie Sie völlig richtig schreiben, eine Frage des Geschmacks. Und was man nicht mag, das nimmt man einfach nicht in den Mund (deskriptiv, nicht normativ gemeint). Wo also ist das Problem?

            Anstatt von Schwarzafrika spricht man heute von Subsahara ähnlich wie man heute nicht mehr von Neger sondern von Schwarzen oder gar von Farbigen spricht.

            Wird denn durch diese neuen Ausdrücke der Rassismus beseitigt, der in den älteren Bezeichnungen beigeschmacklich zum Ausdruck kommt?

  9. In Wikipedia werden für “Afrikaner” beide Bedeutungen angeboten:
    (1) Bewohner des Kontinents Afrika
    (2) Schwarzafrikaner

    Der deutsche Leser/Hörer wird beim Wort “Afrikaner” außerhalb des Kontextes primär an eine Person mit schwarzer Hautfarbe denken, auch wenn er weiß, daß es noch andere Bewohner Afrikas gibt.

    Als Sprecher/Schreiber würde ich aber “Afrikaner” kaum in dem eingeschränkten Sinn benutzen, da mißverständlich.

    Beispielsatz:
    “An unserer Hochschule studieren immer noch relativ wenige Schwarzafrikaner, allerdings noch weniger Afrikaner, die keine Schwarzafrikaner sind”.

    Zienlich umständlich, nicht wahr? Geht es besser?

    Bei “Amerikaner” ist es ja noch krasser, das Wort geht ohne weiters als Bezeichnung für eine Person, die Staatsbürger der USA ist, durch (entsprechend “Amerika” = USA). Wenn man Bewohner des Doppelkontinents meint, muß man das wohl ausdrücklich machen.

    Man wird aber nicht die Doppeldeutigkeiten, die zudem noch in Fluß sind, aus der Sprache verbannen können.

    • Das ans Mittelmeer angrenzende Nordafrika gehört schon seit den alten Römern zu den Nachbarn Europas. Bis heute wird Nordafrika deshalb von uns anders gesehen als der “Rest Afrikas”. Heute nennt man diesen Rest die Subsahara, meint damit aber das gleiche was man früher als Schwarzafrika bezeichnet hat. Im Wikipedia-Unterkapitel Begriffskritik „Schwarzafrika“ liest man dazu:

      Der vor allem während der Kolonialzeit geprägte Begriff „Schwarzafrika“ rührt teils von der Hautfarbe der Bewohner dieser Region, der „Schwarzafrikaner“, teils aber auch von der damaligen Ansicht der Europäer, das subsaharische Afrika sei vollkommen kulturlos, während der Norden wenigstens ein Mindestmaß an Kultur aufweise. Auch wird durch die Ausgliederung des Nordens Afrikas unzutreffender Weise suggeriert, es handele sich bei dem Rest Afrikas um eine homogene Einheit. Daher wird der Begriff heute vielfach als rassistisch angesehen.
      Aus diesem Grund wird der Begriff “Schwarzafrika” einer aus dem anglophonen Sprachraum stammenden Tendenz folgend (hier hat „Sub-Saharan Africa“ das frühere „Black Africa“ fast völlig ersetzt), im offiziellen Sprachgebrauch von Behörden kaum mehr verwendet und auch von vielen privaten Organisationen und in den Medien oft durch die oben genannten anderen Bezeichnungen ersetzt.

    • Ano-Nym:
      “Wenn es Sie stört, dass Sie mit dem Wortgebrauch unerwünschte Assoziationen hervorrufen, dann verzichten Sie darauf.”

      “Das ist, wie Sie völlig richtig schreiben, eine Frage des Geschmacks. Und was man nicht mag, das nimmt man einfach nicht in den Mund (deskriptiv, nicht normativ gemeint). Wo also ist das Problem?”

      Nicht alles, was einen Beigeschmack hat, ist eine Geschmacksfrage und es geht auch nicht um meinen Sprachgebrauch, sondern um den der anderen, den ich (oder in diesem Fall Joe Dramiga) anhören oder lesen muss. Erst daraus entsteht der “rassistische” Beigeschmack, weil der Betroffene sich auf ein einziges äußerliches Merkmal reduziert fühlt, von vielen anderen Assoziationen einmal abgesehen.

      Bei einer Herkunftsangabe ist ein biologisches Merkmal einfach nicht angebracht und auch nicht nötig.

  10. Ich suchte im Duden mal nach dem Wort “Blondine” und gegen die Erklärung “blonde Frau” wäre auch nichts einzuwenden, aber die Beispiele darunter finde ich reichlich seltsam. Muss man “Blondine” mit Assoziationen wie “üppig bebuste Blondine”, “rundliche Blondine” oder “dominante Blondine” verbinden?
    http://www.duden.de/suchen/dudenonline/blondine

    • Da liegt auch bei Ihnen wohl eine Fehleinschätzung vor: Das Wort Blondine meint nicht allein eine “blonde Frau”, man verbindet mit Blondine auch Blondinenwitze und vieles mehr Brunettenwitze dagegen gibt es nicht.
      Wenn ich im Internet “Blondine” eingebe erhalte ich die Treffer: “Blondine – Wikipedia, Lesbische Landwirtin mit “megageiler” Blondine – Die Welt, Blondinen Witze, Blondine – Stupidedia, Witze der Kategorie Blondinen – Seite 1 – Humor.li, “ und so weiter.

      Das ist generell eine Eigenart unserer und aller Sprachen, dass Worte in ein ganzes Wort- und Bedeutungsfeld eingebunden sind.
      Als Sprecherin müssen sie sich ständig dessen bewusst sein und sie sind sich wohl auch dessen bewusst. Es macht einen Unterschied ob sie über eine Bekannte als Blondine sprechen oder als blonde Frau. Das wissen auch die Zuhörer. Und die Sprecherin weiss was die Zuhörerin denkt, wenn sie dieses oder ein anderes Wort wählt.

      • Ich wollte damit aufzeigen, dass der Duden in der Tat nicht immer sachlich ist. Er hätte ja für das Wort “Blondine” auch die Erklärung “hellhaarige Frau” bringen und auf die etwas krassen Beispiele darunter verzichten können. Das ist wohl so ähnlich wie mit dem Afrikaner, wo man mit dem Zusatz “von schwarzer Hautfarbe” von der gewohnten Neutralität abweicht.

        • Ich wollte damit aufzeigen, dass der Duden in der Tat nicht immer sachlich ist.

          Der Duden bemüht sich wohl idR den allgemeinen Sprachgebrauch wiederzugeben, hier wären auch einige Unpässlichkeiten wie bspw. der ‘Afrikaner’ für eine schwarze Person einzuordnen; viele nutzen halt diesen (sachlich: falschen) Code.
          Andererseits gibt es Bemühung, den Duden darauf zu trimmen, welche Bedeutung ein Wort haben soll, das bekannte Nachschlagewerk (mehr ist es nicht) hat bisher hier nicht beherzt zugegriffen, vermutlich, weil es nicht sittlich werden will. kommt aber dennoch zunehmend mit Erläuterungen zur allgemeinen politischen Richtigkeit.

          MFG
          Dr. W

  11. Pingback:Männerängste, Superheldinnen & Fat Body Pics « Reality Rags

  12. Mir ist es nicht wirklich gelungen die Wortschmiedereien oder gar -spielereien aller Beitragenden zu folgen, deshalb fasse ich mich möglichst kurz, um mögliche wortgewaltige Konsenquenzen nicht erleiden zu müssen.

    Was hier hevorgebracht wird ist im Grunde eindeutig. Also klar falsch und nicht tendenziell falsch.
    War es beabsichtigt? Meine Vermutung, eher nicht. Vielmehr unterstelle ich, dass große Werke in dieser Kategorie, kaum den Anspruch haben kosmopolitische Erwartungen zu erfüllen.

    Redaktionell wird der Diskurs wahrscheinlich nur dort stattfinden, wo möglicherweise zentrale Interessengruppen Anstoß am Inhalt oder Beschreibung finden könnte.

    Mein Appell an dieser Stelle: wir sind so gut und Weltmeister in fast allem, warum gehen wir also nicht dort weltmeisterlich vor, wo wir es noch nicht sind, anstatt Vergleiche anderer heranzuziehen, um unser Handeln oder Nichthandeln zu rechtfertigen.

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